Landgericht Braunschweig
Beschl. v. 06.06.2006, Az.: 3 T 961/05
Bibliographie
- Gericht
- LG Braunschweig
- Datum
- 06.06.2006
- Aktenzeichen
- 3 T 961/05
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2006, 42952
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGBRAUN:2006:0606.3T961.05.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Braunschweig - AZ: 33 II 47/05
In der Beschwerdesache
hat die 8. Zivilkammer des Landgerichts Braunschweig am 06.06.2006 ...... beschlossen:
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin vom 12.10.2005 wird der Beschluss des Amtsgerichts Braunschweig vom 23.09.2005 - 33 II 47/05 - abgeändert.
Es wird festgestellt, dass die Ingewahrsamnahme der Beschwerdeführerin am 18.06.2005 auf dem Hagenmarkt in Braunschweig rechtswidrig war.
Die weitere sofortige Beschwerde wird zugelassen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.
Die außergerichtlichen Kosten der Beschwerdeführerin hat das beteiligte ... zu tragen.
Beschwerdewert: 3.000,00 €
Gründe
I.
Die Beschwerdeführerin begehrt die Feststellung, dass ihre Ingewahrsamnahme am 18.06.2006 auf dem Hagenmarkt in Braunschweig rechtswidrig war.
Im Januar 2005 meldete der niedersächsische Landesverband der rechtsextremen, aber nicht verbotenen NPD einen Umzug mit Zwischenkundgebungen nach § 14 des Versammlungsgesetzes (VersG) bei der Stadt Braunschweig an. Gegen die von der Stadt Braunschweig am 23.05.2005 erlassene sofort vollziehbare Auflagenverfügung beantragte die NPD vor dem Verwaltungsgericht Braunschweig vorläufigen Rechtsschutz gemäß § 80 Abs. 5 VwGO (Az. 5 B 414/05). Das Verwaltungsgericht Braunschweig gab mit Beschluss vom 10.06.2005 dem Antrag der NPD weitgehend statt und wurde im Beschwerdeverfahren vom Oberverwaltungsgericht Lüneburg mit Beschluss vom 15.06.2005 (Az. 11 ME 170/05) bestätigt. Bezüglich möglicher Gegendemonstrationen führte das Oberverwaltungsgericht aus: "... Es ist aber Aufgabe der Polizei, eine Gegendemonstration in unmittelbarer Nähe der Marschroute der NPD-Demonstration zu verhindern und auch keine "Kreuzungspunkte" verschiedener Demonstrationen zuzulassen. Soweit die Polizei befürchten sollte, dass aus der (engen) Innenstadt heraus durch evtl. gewaltbereite Autonome auf die NPD-Demonstration zugegriffen und eine Eskalation und damit auch eine erhebliche Verzögerung der NPD-Demonstration erreicht werden soll, ist es ebenfalls Aufgabe der Polizei dafür Sorge zu tragen, dass am 18. Juni 2005 keine Gegendemonstranten in die Innenstadt gelangen. Anhaltspunkte, dass die NPD sich an die vom Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Beschluss gegebenen Auflagen nicht halten wird, sind nicht gegeben. Vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass das etwaige Ziel von Gegendemonstranten, die Demonstration der NPD zu verhindern, nicht vom Grundgesetz gedeckt ist. Da die NPD nicht verboten ist, steht (auch) ihr das Grundrecht auf Demonstrations- und Meinungsfreiheit zu, solange sie sich bei der Demonstration im Rahmen der Gesetze hält. Davon ist auszugehen, zumal jüngste Veranstaltungen der NPD in A. und B. friedlich verlaufen sind."
Für den 18.06,2005 wurden zwei Gegendemonstrationen nach § 14 VersG angemeldet. Hierbei handelte es sich zum einen um die am 13.06.2005 angemeldete "Kehraus"-Gegendemonstration des DGB, die aufgrund des Auflagenbescheides der Stadt Braunschweig vom 14.06.2005 erst nach dem Abzug der NPD aus Braunschweig beginnen durfte. Zum anderen meldete die PDS am 02.05.2005 und 31.05.2005 eine Gegendemonstration an. Aufgrund Auflagenbescheides vom 09.06.2005, der vom Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 17.06.2005 (Az. 5 B 437/05) bestätigt wurde, war diese Gegendemonstration räumlich auf den Bereich südlich der Okerbrücke in der Wolfenbütteler Straße beschränkt, um so ein Aufeinandertreffen mit der NPD-Demonstration zu verhindern.
Weitere Anmeldungen von Gegendemonstrationen gab es nicht.
Die NPD-Demonstration fand anmeldegemäß am 18.06.2005 in Braunschweig statt.
Während des Aufzuges der NPD wurden ca. 250 Gegendemonstranten auf dem Hagenmarkt in Braunschweig von der Polizei in Gewahrsam genommen.
Auflösungsverfügungen im Sinne des Versammlungsgesetzes gab es zuvor nicht
In ihrer Stellungnahme an die Polizeidirektion Braunschweig vom 23.06.2005 schilderte die Landesbereitschaftspolizei Niedersachsen - III. BPA-, ..., den Sachverhalt wie folgt:
"Am 18.06.2005 war ... (Abteilungsführer III. BPA Oldenburg) als Führer des UA Strecke 2 mit der 4. BPH, 5. BPH, 7. BPH, der 23. BPH Bremen sowie der BFE der 6. BPH im Bereich des EA Streckenschutz eingesetzt.
Im Verlauf dieses Einsatzes erhielt er um 15.57 Uhr durch ... den Auftrag, eine Personengruppe, die durch Einsatzkräfte der BPA Hamburg zuvor auf den Hagenmarkt gedrängt worden war, einzuschließen und vorübergehend in Gewahrsam zu nehmen.
Vor Ort stellt sich folgende Situation dar:
Die Gruppe bestand aus ca. 250 Personen, davon saßen ca. 50 auf der Fahrbahn. Die Zusammensetzung wurde vom Potential her als überwiegend Kategorie "grün" eingeschätzt, jedoch befand sich auch eine geringe Anzahl der Kategorie "gelb und rot" in dieser Personengruppe. Zudem konnte nicht ausgeschlossen werden, dass sich auch unbeteiligte Personen und Schaulustige in dieser Gruppe aufhielten.
Die 4. und 5. BPH erhielten um 16.03 Uhr den Auftrag, rechtsseitig in Marschrichtung des Aufzuges, den Hagenmarkt im Bereich der Casparistraße und des Bohlweg bis zur Katharinenkirche abzusperren. Die 7. BPH sowie die 23. BPH Bremen führten die Einschließung von der Einmündung Casparistraße bis zur Wendenstraße durch. Um 16.24 Uhr war die Einschließung vollzogen. Die Einsatzkräfte der 7. BPH und 23. BPH Bremen setzten sich auftragsgemäß in Bewegung, um die auf der Straße befindlichen Personen auf die Grünfläche des Hagenmarkts zu drängen. Schon mit Beginn dieser Maßnahme erhoben sich die genannten Personen und gingen freiwillig auf die Grünfläche. Hier wurde nunmehr die gesamte Personengruppe gebunden.
Um 16.29 Uhr wurden durch ... über seine Befehlsstelle Getränke, Toiletten sowie Konfliktmanager angefordert.
Um 16.30 Uhr verließen die Einsatzkräfte der BPA Hamburg mit den Wasserwerfern den Hagenmarkt. In diesem Moment kam es aus der Menschenmenge zu Flaschenwürfen in Richtung der Einsatzbeamten sowie der Wasserwerfer. Einsatzkräfte der BFE der 6. BPH konnten vier erkannte Straftäter festnehmen (Vorgänge liegen bei der Gesa vor).
Die erste Lautsprecherdurchsage an die eingeschlossenen Personen erfolgte um 16.45 Uhr mit dem Hinweis auf die Ingewahrsamnahme (Text siehe Anlage). Diese wurde zweimal von verschiedenen Positionen wiederholt, um sicherzustellen, dass sie von allen Personen aufgenommen werden konnte.
Um 16.48 Uhr setzte sich der NPD-Aufzug nach Beendigung der Zwischenkundgebung wieder in Bewegung.
Um 17.15 Uhr wurde eine weitere Person aus der Einschließung nach Vermummung durch der BFE der 6. BPH festgenommen.
Unmittelbar nachdem der NPD-Aufzug den Hagenmarkt passiert hatte, erfolgte um 17.20 Uhr die zweite Lautsprecherdurchsage mit dem Hinweis auf die Fortsetzung der Ingewahrsamnahme und deren weitere Verfahrensweise (Text Anlage). Diese Durchsage wurde einmal wiederholt.
Um 17.31 Uhr wurden die Maßnahmen zum Abarbeiten der in Gewahrsam genommenen Personen eingeleitet. Der umschlossene Bereich des Hagenmarktes wurde durch eine Polizeikette in zwei Bereiche geteilt. Der geräumte Bereich war für die Fortsetzung der Ingewahrsamnahme nach Personalienfeststellung vorgesehen.
Zeitgleich wurden zwei Durchlassstellen im Bereich Casparistraße eingerichtet. Hier sollten zunächst nur die Personalien von Kindern, Jugendlichen und älteren Menschen erfasst werden (alle hier erfassten Personen liegen in Listenform bei).
Gegen 17.45 Uhr wurden zwei Dixi-Toiletten angeliefert, die jedoch nicht abgeladen werden konnten. Zum Abladen wurde eine Zumila angefordert. Um 18.18 Uhr standen beide Toiletten innerhalb der Einschließung zur Verfügung.
Zwischenzeitlich trafen drei Konfliktmanager ein.
Getränke wurden nicht angeliefert.
Um 17.50 Uhr erfolgte die 3. Lautsprecherdurchsage (Text siehe Anlage).
Um 17.55 Uhr traf Herr ..., EX Folge ein. Er informierte sich über die Situation vor Ort und setzte sich mit dem zuständigen Richter des AG Braunschweig in Verbindung.
Um 18.17 Uhr teilt mir ... fernm. mit, dass der Richter die polizeiliche Maßnahme bestätigt hätte. Diese wäre fortzuführen und die Personen seien nach erfolgter Personalienfeststellung freizulassen.
Gegen 18.20 Uhr erfolgte die 4. Lautsprecherdurchsage (Text siehe Anlage).
Um 18.26 Uhr wurde die gesamte Maßnahme aufgehoben.
Die Aufhebung der Maßnahme wurde um 18.28 Uhr den noch in der Einschließung befindlichen Personen durch Lautsprecherdurchsage (Text siehe Anlage) mitgeteilt. Es wurde insbesondere darauf hingewiesen, dass die Personen, deren Identität bisher noch nicht festgestellt worden war und die die polizeilichen Maßnahmen gerichtlich überprüfen lassen wollten, sich an den Durchlassstellen melden könnten. Dieser Aufforderung kamen 6 Personen nach (Personalien als Anlage zu entnehmen)."
In einer handschriftlichen Gefahrenprognose des ... heißt es wie folgt: "Gegen eine größere Personengruppe (ca. 500) wurde von Kräften gegen 01 (HH) die auf der Küchenstr./Meinhardshof/Alte Waage die Aufzugstrecke blockiert haben 3 x die Aufforderung, mittels Lautsprecherdurchsage, erteilt, die Strecke zu räumen. Ebenfalls wurden Zwangsmittel angedroht. Daraufhin Flaschenwürfe der o. a. Personen gegen die Polizeikräfte. Danach Räumung der Strecke mit Wasserwerfereinsatz in Rtg Hagenmarkt/Casparistraße. Dort erneute Blockade durch diese Personengruppe.
Es erfolgte eine ständige Blockade der Strecke durch die Mitglieder dieser Personengruppe. Es bestanden somit folgende Gefahren:
1. Die gesamte Personengruppe auf dem Hagenmarkt bewegt sich auf die Aufzugstrecke (zusätzlich zu den dort schon Sitzenden) mit dem Ziel die Aufmarschstrecke NPD zu blockieren
2. Würde die Personengruppe nicht in Gewahrsam genommen und ... abgedrängt werden wäre sie möglicherweise, wie schon teilweise geschehen, später wieder auf die Aufzugstrecke NPD gelangt, und zwar über den Weg, Hagenmarkt-Bohlweg." Polizeiliche Maßnahmen im Bereich Bohlweg/Ritterbrunnen wären aufgrund der dortigen Baustellensituation erheblich schwerer oder gar nicht durchzusetzen gewesen würden ein erhebliches Verletzungsrisiko für Störer und Einsatzkräfte darstellen."
Laut der der Stellungnahme vom 23.06.2005 beigefügten Abschrift der Lautsprecherdurchsagen lautete die erste Lautsprecherdurchsage um 16.45 wie folgt:
"Achtung, Achtung! Hier spricht der Einsatzleiter der Polizei.
Sie wurden dreimal aufgefordert, die Ansammlung zu beenden und die Straße zu verlassen.
Sie haben dieser Aufforderung keine Folge geleistet und sich somit ordnungswidrig verhalten.
Die Einsatzkräfte der Polizei haben Sie vorübergehend in Gewahrsam genommen."
Wegen des Inhalts der weiteren Lautsprecherdurchsagen wird auf deren Abschrift verwiesen (Bl. 13/14 d. A.).
Die Ingewahrsamnahme wurde gegen 18.17 Uhr von einem zuständigen Richter des Amtsgerichts Braunschweig mündlich bestätigt.
Mit Anwaltschreiben vom 17.08.2005, wurde eine selbst verfertigte Stellungnahme der Beschwerdeführerin überreicht, in der diese Strafanzeige wegen Freiheitsberaubung erstattete. Wegen der Einzelheiten wird auf die Strafanzeige (Blatt 18 ff d.A.) Bezug genommen. In der Anzeige ist u.a. ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin sich nach der Auflösung der Sitzblockade an der Langen Straße ab 15.00 Uhr auf dem Hagenmarkt befunden habe. Wegen des längeren Stillstandes des NPD- Aufzuges hätten sich die meisten Gegendemonstranten in den Schatten der Hagenmarktbäume zurückgezogen. Die Straße sei relativ leer, ein geplantes Vorgehen der Gegendemonstranten nicht erkennbar gewesen.
Mit Beschluss vom 23.09.2005 stellte das Amtsgericht Braunschweig -Strafabteilung- fest/dass die Ingewahrsamnahme u. a. des Beschwerdeführerin in Braunschweig am 18.06.2005 rechtmäßig war. Zur Begründung führte das Amtsgericht aus, dass die Voraussetzungen für eine Ingewahrsamnahme nach § 18 Abs. 1 NdsSOG gegeben gewesen seien. Es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass die Anordnungen der Polizei, die Ansammlung zu beenden und die Straße zu verlassen, nicht erfolgt seien. Die beteiligten Personen hätten daher ausreichend Zeit gehabt, sich vom Hagenmarkt zu entfernen. Es könne von der Polizei nicht erwartet werden, dass sie nur diejenigen Personen in Gewahrsam nehme, von denen sie sich zuvor vergewissert habe, dass sie die Anordnungen, den Platz zu verlassen, auch tatsächlich wahrgenommen hätten. Hätte die Polizei nicht wie geschehen gehandelt, hätte die Gefahr bestanden, dass die beteiligten Gruppen "übereinander herfielen". In der konkreten Situation mit bevorstehender Gewaltanwendung, die auch unbeteiligte Bürger habe treffen können, müsse die Polizei "die beiden Blöcke" auseinanderhalten, so dass sie nicht rechtswidrig gehandelt habe. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Beschluss des Amtsgerichts Braunschweig vom 23.09.2005 verwiesen (Bl. 22-26 d. A.).
Der Beschluss vom 23.09.2005 wurde der Beschwerdeführerin am 04.10.2005 zugestellt.
Mit Anwaltsschriftsatz vom 04.10.2005, beim Amtsgericht am 05.10.2005 eingegangen, legte die Beschwerdeführerin sofortige Beschwerde gegen den Beschluss vom 23.09.2005 ein.
Die Beschwerdeführerin trägt selbst vor (Blatt 30 f d.A.), die Gewaltbereitschaft der Gegendemonstranten sei nicht erwiesen. Mit Anwaltsschriftsatz vom 19.10.2005 (Blatt 32 ff d.A.), auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, wird gerügt, dass eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit durch das Amtsgericht unterblieben sei. Eine Aufforderung zur Räumung des Platzes sei nicht ergangen. Mit weiterem Anwaltsschriftsatz vom 20.02.2006 (Blatt 87 ff d.A.), auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, wird ausgeführt, es habe eine Versammlung vorgelegen. Aggressionen der Demonstranten seien nicht festzustellen gewesen, das folge aus einer Presseerklärung der Bündnis 90/ Die Grünen, nachdem die Videos im Landtag in Augenschein genommen worden seien. Die vorgelegten Screenshots, die vorgelegt worden seinen, ließen eine Gewaltanwendung durch die Beschwerdeführerin nicht erkennen.
Das ... wiederholt, unter Vorlage von Screenshots, die die Beschwerdeführerin zeigen ( Blatt 52 f d.A.) im wesentlichen die Sachverhaltsdarstellung, wie sie sich bereits aus der Stellungnahme des ... vom 23.06.2005 ergibt. Auf die Stellungnahme des ... wird Bezug genommen ( Blatt 38 ff, 46 ff, 134 ff). Ergänzend führt es aus: Die Räumung der Strecke vom Media Markt an der Langen Straße bis zum Hagenmarkt habe gezeigt, dass sich die Störer immer wieder neu formiert und neue Blockaden gebildet hätten, die ein immer größeres Ausmaß angenommen hätten. Aufforderungen der Polizei, die Strecke zu räumen, hätten kein Gehör gefunden. Polizeikräfte seien vermehrt heftigerem Bewurf von Flaschen und anderen Gegenständen ausgesetzt gewesen, so dass zu deren Schutz auch Wasserwerfer hätten eingesetzt werden müssen. Die Blockaden seien immer nach demselben Muster abgelaufen. Personen aus dem autonomen Spektrum versuchten auf der Strecke des NPD-Aufzuges Schüler, Jugendliche und andere Demonstrationsteilnehmer durch Gespräche und Parolen auf die Straße zu locken, zögen sich dann vermehrt in die hinteren Reihen zurück und bereiteten schon die nächste Blockade vor. Auch im Bereich Lange Straße/Hagenmarkt sei aufgefallen, dass ein Teil des autonomen Spektrums schon Richtung Bohlweg abgezogen sei. Es gebe auch Erkenntnisse, dass sich insbesondere auf dem Hagenmarkt die militante Szene untrennbar mit entrüsteten Bürgern, Neugierigen und Schaulustigen vermischt habe. Versammlungsrechtlich geschütztes Geschehen habe auf dem Hagenmarkt nicht stattgefunden. Nach der Räumung der Strecke Lange Straße Richtung Hagenmarkt hätten sich ca. 250 bis 400 Personen im Bereich des Hagenmarktes befunden. Auf der Straße befindliche Störer seien auf den Hagenmarkt abgedrängt worden. Die Umstellung des Hagenmarktes sei um 16.24 Uhr vollzogen gewesen. Um 16.26 hätten Räumkräfte mit Wasserwerfern den Hagenmarkt passiert. Hierbei seien sie mit Flaschen beworfen worden. Gegen 16.30 Uhr sei ein Flaschenwerfer festgenommen worden; dabei seien die Polizeikräfte von mehreren Personen mit Faustschlägen und Fußtritten angegriffen worden. Vier weitere Flaschenwerfer seien festgenommen worden. Als der NPD-Aufzug um ca. 17.07 Uhr den Hagenmarkt passiert habe, sei es zu Flaschenwürfen gegen den NPD-Aufzug bzw. die begleitenden Polizeikräfte gekommen. Gegen eine unbekannte weibliche Person sei Strafanzeige erstattet worden. Eine weitere Anzeige sei gegen eine Person wegen Vermummung erstattet worden. Es sei nicht das Ziel der Polizei gewesen, einen Platzverweis gegen die Menschenansammlung auf dem Bohlweg durchzusetzen. Es habe sich um ein "Absonderung" der gewalttätigen Störer in Form einer "offenen Einschließung" gehandelt, bei der leider auch einige Nichtstörer erfasst worden seien. Eine Aufhebung der Ingewahrsamnahme zum Zeitpunkt der Beendigung der dritten NPD-Zwischenkundgebung sei nicht möglich gewesen, sondern habe erst mit der Ankunft des NPD-Umzuges auf dem Hauptbahnhof Braunschweig erfolgen können. Anderenfalls wäre es möglich gewesen, dass die Störer den NPD-Umzug überholten und es so zu einem Aufeinandertreffen zwischen NPD-Aufzug und Gegendemonstranten hätte kommen können. Die Beschwerdeführerin sei auf vier Fotos zu erkennen, sie habe sich, soweit das auf den Fotos nicht erkennbar sei, wie eine "Einsatzleiterin" benommen und sei, nach Handy- Telefonaten, " dirigierend" tätig geworden. Zu diesen letzt genannten Ausführungen wird ein Vermerk des ... vorgelegt, in dem Ausführungen zu den Screenshots enthalten sind. Die Beschwerdeführerin sei aktiv an der rechtswidrigen Blockade beteiligt gewesen.
Das ... meint, bei den in Gewahrsam genommenen Personen habe es sich nicht um eine Versammlung im versammlungsrechtlichen Sinne, sondern um eine bloße Ansammlung gehandelt. Die vorausgegangenen Räumungsverfügungen hätten noch nachgewirkt. Ferner habe sich kein Versammlungsleiter bei der Polizei gemeldet. Von einem Grundrechtsschutz sei daher nicht auszugehen gewesen. Eine Auflösungsverfügung sei daher nicht erforderlich gewesen. Im Übrigen habe auch das OVG Lüneburg in seinem Beschluss vom 15.06.2005 ausgeführt; dass das Ziel von Gegendemonstranten, den NPD-Aufzug zu behindern, nicht vom Grundgesetz gedeckt sei. Daher hätten allein die Rechtsgrundlagen des Niedersächsischen SOG geprüft werden müssen, deren Voraussetzungen vorgelegen hätten. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrages der Beschwerdegegnerin wird auf die Schriftsätze vom 16.11.2005 (Bl. 32 d. A.), 06.12.2005 (Bl. 39 d. A.), 19.01.2006 (Bl. 52 d. A.) und 28.04.2006 (Bl. 88 d. A.) Bezug genommen.
Die polizeilichen Videobänder vom Geschehen auf dem Hagenmarkt standen der Kammer nicht zur Verfügung, da die Beschwerdegegnerin einer Überlassung an andere oder deren Einsichtnahme durch andere nicht zugestimmt hat.
II.
Die gemäß § 19 Abs. 2 S. 3 NdsSOG i. V. m. Art. 7 Nds. FGG, § 22 FGG zulässige sofortige Beschwerde ist begründet.
Es kann dahingestellt bleiben, ob die Sachverhaltsschilderung der Polizei in jeder Hinsicht zutrifft. Selbst wenn man sie der Entscheidung allein zugrundelegt, war die Ingewahrsamnahme die Beschwerdeführerin auf dem Hagenmarkt am 18.06.2005 rechtswidrig. Eine weitere Sachverhaltsaufklärung erübrigt sich damit.
1.
Für die Ingewahrsamnahme stand der Polizei keine Rechtsgrundlage zur Verfügung. § 18 NdsSOG kommt als solche nicht in Betracht. Ist nämlich wie im vorliegenden Fall das Versammlungsgesetz einschlägig, sperrt dieses als Spezialgesetz den Rückgriff auf das allgemeine Polizei- und Ordnungsrecht und damit auf §18 NdsSOG (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26.10.2004, Az. 1 BvR 1726/01, Abs, 18 zitiert nach juris; Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht, Az. 3 A 338/01, Abs. 19, zitiert nach juris; OVG Münster, NVwZ 2001, S. 1315, 1316), Nach Art. 8 GG sind nämlich Beschränkungen von Versammlungen unter freiem Himmel nur nach Maßgabe des Art. 8 Abs. 2 GG durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes möglich, Maßnahmen der Gefahrenabwehr richten sich demnach nach dem Versammlungsgesetz, das im Vergleich zum allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht besondere Voraussetzungen für beschränkende Maßnahme enthält, die Ausprägung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit sind.
Das Versammlungsgesetz ist einschlägig, weil das Geschehen auf dem Hagenmarkt am 18.06.2005 als Versammlung, deren Teilnehmer den Schutz des Art. 8 GG genießen, zu qualifizieren ist. Versammlung im Sinne des Art 8. GG ist eine örtliche Zusammenkunft mehrerer Personen zur gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtete Erörterung oder Kundgebung (vgl. BVerfG, a.a.O, Abs. 13; BVerfG NJW 2002, S. 1031, 1032). Im Gegensatz hierzu setzt eine Ansammlung lediglich voraus, dass sich eine größere Anzahl von Menschen zusammenfindet, ohne dass es darauf ankommt, wie die Ansammlung entstanden ist, welchen Zweck oder welche gemeinsamen Interessen die Menschenmenge verbindet (vgl. Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht, a.a.O., Abs. 21).
Die Menschenmenge auf dem Hagenmarkt wollte gemeinschaftlich an der öffentlichen Meinungsbildung teilhaben. Nach der Darstellung der Polizei waren die auf dem Hagenmarkt befindlichen Personen zu einem nicht unwesentlichen Teil in Richtung Hagenmarkt abgedrängt worden, nachdem sie zuvor immer wieder den Bereich Lange Straße/Küchenstraße/Meinhardshof/Alte Waage, also die Strecke des NPD-Aufzuges blockiert hatten. Es handelte sich damit unzweifelhaft um Personen, die gegen die NPD, deren politische Ansichten und deren Aufzug in der Braunschweiger Innenstadt demonstrieren wollten. Dass hiermit auf die öffentliche Meinungsbildung eingewirkt werden sollte und würde, drängt sich angesichts der mit der NPD-Demonstration verbundenen gerichtsbekannten Emotionen in der Braunschweiger Bevölkerung und des Presseechos geradezu auf. Auch an der Gemeinschaftlichkeit besteht kein Zweifel. Zur Überzeugung der Kammer handelte es sich bei der Menschenmenge auf dem Hagenmarkt nicht um die unzusammenhängende Meinungsäußerung Einzelner. Vielmehr waren, folgt man den Angaben der Polizei, die Personen, die zuvor den Bereich Lange Straße/Küchenstraße/Meinhardshof7Alte Waage blockiert hatten, auf den Hagenmarkt abgedrängt worden. Es bestand also eine Personenidentität. Dass die-Personen in dem Bereich Lange Straße/Küchenstraße/Meinhardshof/Alte Waage gemeinsam die Straße blockierten und damit ihre Meinungsäußerung gemeinschaftlich artikulierten, unterliegt zur Überzeugung der Kammer keinem Zweifel. Werden nun diese Personen gemeinsam von der Polizei an eine andere Stelle gedrängt, ändert sich an der Gemeinschaftlichkeit der Meinungsäußerung nichts, vielmehr wird hierdurch die auch nach außen sichtbare Zusammengehörigkeit nur gestärkt. Im Übrigen haben auch nach Angaben der Polizei ca. 50 Personen im Bereich des Hagenmarktes auf der Straße gesessen und damit gemeinschaftlich ihre Meinung kundgetan. An der Gemeinschaftlichkeit ändert sich auch nichts dadurch, dass auf dem Hagenmarkt eine Vermischung mit unbeteiligten Nichtdemonstranten stattfand. Diese Vermischung trat erst durch die Ingewahrsamnahme ein. Die Polizei kann es aber nicht in der Hand haben, durch Einsatz einer Maßnahme nach Polizei- und Ordnungsrecht Versammlungsteilnehmern den durch Art. 8 GG gewährten Grundrechtsschutz zu entziehen.
Die Kammer vermag nicht zu beurteilen, ob die Meinungsäußerung der Gegendemonstranten auch verbal erfolgte, wofür eine gewisse Vermutung spricht, oder sie sich auf Blockadehandlungen beschränkte. Diese Frage kann aber offen bleiben, da auch eine nonverbale Straßenblockade unter bloßem Einsatz des Körpers eine von Art. 8 GG geschützte Ausdrucksform darstellt, da auch sie ebenso wie Worte auf eine kollektive öffentliche Meinungskundgabe abzielt (BVerfG NJW 1985, S. 2395, 2396; Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht, a. a. O., Abs. 22; OVG Münster NVwZ 2001, S. 1315).
Auch der Umstand, dass die Gegendemonstration darauf gerichtet war, die Grundrechte der NPD-Demonstranten, nämlich deren Versammlungsfreiheit, zu beeinträchtigen, ändert nichts daran, dass der Meinungskundgabe der Gegendemonstranten der Schutz des Art. 8 GG zuteil wird. Denn auch das Erzeugen einer verfassungsrechtlichen Gemengelage , d. h. der Wettstreit mit Verfassungsgütern anderer Grundrechtsträger, stellt grundsätzlich eine zulässige Form des verfassungsrechtlich geschützten Grundrechtsgebrauchs dar (Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht, a. a. O., Abs. 22).
Der Grundrechtsschutz der Beschwerdeführerin nach Art. 8 GG scheidet auch nicht wegen fehlender Friedlichkeit und Waffenlosigkeit der Versammlungsteilnehmer aus. Unfriedlich ist eine Versammlung erst dann, wenn Handlungen von einiger Gefährlichkeit durch aggressive Ausschreitungen gegen Personen oder Sachen oder sonstige Gewalttätigkeiten stattfinden (BverfG, 1 BvR 1726/01 vom 26.10.2004, Abs. 14, http://www.bverfg.de/entscheidungen/rk20041026_1bvr172601.html). Die Unfriedlichkeit muss von ihrer Intensität mit der Anwendung von Waffen vergleichbar sein, wie aus der Systematik des Art. 8 Abs. 1 GG folgt (Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht, a. a. O., Abs. 23). Angesichts der weiten Fassung des Art. 8 Abs. 2 GG besteht nämlich keine Notwendigkeit, den Begriff der Friedlichkeit eng zu verstehen und damit den Geltungsbereich der Grundrechtsgewährleistung von vornherein derart einzuschränken, dass der Gesetzesvorbehalt weitgehend funktionslos wird (BVerfG, Urteil vom 11.11.1986, Az. 1 BvR 713/83 u. a., Abs. 88, zitiert nach juris). Damit steht in Einklang, dass auch das Versammlungsgesetz nur Versammlungen mit gewalttätigem oder aufrührerischem Verlauf als unfriedlich behandelt (§§ 5 Nr. 3, 13 Abs. 1 Nr. 2 VersG). Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte können die Straßenblockaden am Hagenmarkt und vorausgehend im Bereich Lange Strasse/Küchenstraße/Meinhardshof/Alte Waage nicht als unfriedlich im Sinne des Art. 8 GG qualifiziert werden, da sie sich auf einen bloßen passiven Widerstand beschränkten, also gerade nicht aggressiv waren oder sich gegen Personen und Sachen richteten und daher auch nicht mit der Anwendung von Waffen vergleichbar sind. Auch die vom ... vorgelegten Screenshots belegen einen solchen aggressiven erheblichen Widerstand nicht.
Dass nach den Angaben der Polizei aus der Menschenmenge auch Flaschenwürfe erfolgten, ändert an dieser Einschätzung nichts. Die Unfriedlichkeit einzelner Versammlungsteilnehmer macht nicht die Versammlung als Ganze zu einer unfriedlichen. Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn die Rechtsverstöße von der Gesamtgruppe getragen werden (BVerfG NJW 1985, S. 2395, 2400). Begehen nur einzelne Demonstranten oder eine Minderheit Ausschreitungen muss für die friedlichen Teilnehmer der von der Verfassung jedem Staatsbürger garantierte Schutz der Versammlungsfreiheit erhalten bleiben. Würde unfriedliches Verhalten Einzelner für die gesamte Veranstaltung und nicht nur für die Täter zum Fortfall des Grundrechtsschutzes führen, hätten diese es in der Hand, Demonstrationen "umzufunktionieren" und entgegen dem Willen der anderen Teilnehmer rechtswidrig werden zu lassen (BVerfG NJW 1985, S. 2395, 2400). Dass vorliegend mehr als nur einzelne Versammlungsteilnehmer mit Flaschen geworfen hätten, ist auch nach den Ausführungen der Polizei nicht ersichtlich. So hat es wegen der Flaschenwürfe nur fünf Festnahmen sowie eine Strafanzeige gegen unbekannt gegeben. Diese Anzahl von Flaschenwerfern fällt gegenüber mindestens 250 anderen Demonstranten nicht beträchtlich ins Gewicht und lässt die Flaschenwürfe nicht als ein kollektives Verhalten erscheinen. Auch die Screenshots, die die Beschwerdeführerin zeigen, ergeben keine Anhaltspunkte dafür, dass diese aufrührerisches oder gewalttätiges Verhalten gezeigt hat.
Soweit aber Versammlungen die öffentliche Sicherheit und Ordnung nur unterhalb der Schwelle zur Unfriedlichkeit im Sinne des Art. 8 Abs. 1 GG beeinträchtigen, verdeutlicht die Regelung des § 15 Abs. 3 VersG, dass diese auch nach Auffassung des einfachen Gesetzgebers nicht vom Grundrechtsschutz des Art. 8 GG ausgeschlossen sein sollen. § 15 Abs. 3 VersG bestimmt nämlich, dass Versammlungen oder Aufzüge aufgelöst werden können, wenn die Voraussetzungen zu einem Verbot nach Absatz 1 oder 2, mithin eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, vorliegt. Eine solche Auflösung wäre überflüssig, wenn derartigen Versammlungen oder Aufzüge von vornherein keinen Schutz nach Art. 8 GG genössen (so auch OVG Münster, Beschluss vom 02.03.2001, NVwZ 2001, S. 1315).
Auch der Umstand, dass die Demonstration auf dem Hagenmarkt und im Bereich Lange Straße/Küchenstraße/Meinhardshof/Alte Waage entgegen § 14 VersG nicht angemeldet war, lässt ihren Charakter als von Art. 8 GG geschützte Versammlung nicht entfallen. Von Art. 8 GG geschützt ist nämlich auch die Spontanversammlung ohne Anmeldung (BVerfG, 1 BvR 1726/01, a. a. O., Abs. 16). Aber auch wenn die Versammlung nicht als Spontanversammlung zu bewerten wäre, würde aus dem Verstoß gegen die Anmeldepflicht lediglich folgen, dass die Auflösung der Versammlung nach § 15 Abs. 3 VersG in Betracht kam. Die Entscheidung darüber liegt im Ermessen der Behörde. Bis zu einer wirksamen Auflösung besteht der versammlungsrechtliche Schutz fort (BVerfG, wie vor).
Das ... kann sich auch nicht darauf berufen, das OVG Lüneburg habe in seinem Beschluss vom 15.06.2005 (Az. 11 ME 170/05) jeder Demonstration gegen den NPD- Aufzug den Grundrechtsschutz aus Art. 8 GG versagt. Ein solcher Inhalt lässt sich der Entscheidung des OVG Lüneburg nicht entnehmen. Das ... überinterpretiert den Beschlusspassus, wonach "das Ziel von Gegendemonstranten, die Demonstration der NPD zu verhindern, nicht vom Grundgesetz gedeckt" sei. Die Frage, ob eine Demonstration dem Schutz von Art. 8 GG unterfällt, ist stets anhand des konkreten Einzelfalls zu beurteilen, der dem OVG Lüneburg naturgemäß nicht bekannt war. Im Übrigen heißt es in dem folgenden Satz, dass "auch" (Hervorhebung durch das Gericht) der NPD das Grundrecht aus Art. 8 GG zustehe. Mit der Verwendung des Wortes "auch" drückt das OVG aus, dass ebenso Gegendemonstrationen grundsätzlich den Schutz des Art. 8 GG genießen können. Daher können die Formulierungen in dem Beschluss des OVG nicht so ausgelegt werden, dass Gegendemonstrationen von vornherein ohne Einzelfallprüfung nicht verfassungsrechtlich geschützt sind und sogleich dem Anwendungsbereich des Polizei- und Ordnungsrechts unterfallen.
2.
Die Versammlung auf dem Hagenmarkt war somit von Art. 8 GG geschützt. Sie ist nicht durch eine Auflösungsverfügung gemäß § 15 Abs. 3 VersG aufgelöst worden. Auflösung ist die Beendigung einer bereits durchgeführten Versammlung mit dem Ziel, die Personenansammlung zu zerstreuen. Der Schutz der Versammlungsfreiheit erfordert, dass die Auflösungsverfügung eindeutig und nicht missverständlich formuliert ist und für die Betroffenen erkennbar zum Ausdruck bringt, dass die Versammlung aufgelöst ist. Die Auflösung einer öffentlichen Versammlung kann danach nicht konkludent verfügt werden. Dies ist ihren einschneidenden Folgen geschuldet. Die Auflösungsverfügung nimmt nämlich als gestaltender Verwaltungsakt der Versammlung den Schutz nach Art. 8 GG und eröffnet die Möglichkeit, gegen die Teilnehmer mit den Mitteln des Polizeirechts vorzugehen. Sobald die Auflösung erklärt ist, haben sich die Teilnehmer sofort zu entfernen (§ 18 Abs. 1, 13 Abs. 2 VersG), ordnungswidrig handelt, wer dies nicht unverzüglich tut (§ 29 Abs. 1 Nr. 2 VersG) (OLG Celle, Beschluss vom 23.06.2005, Nds. Rpfl. 2005, S. 280, 281).
Eine solche Auflösungsverfügung hat es unstreitig nicht gegeben. Sie hätte auch dem Willen der Polizei widersprochen, da sie den Gegendemonstranten die Möglichkeit gegeben hätte, den Hagenmarkt zu verlassen. Dies hätte nach der Prognose der Polizei die Gefahr begründet, dass die Gegendemonstranten und die NPD-Demonstration aufeinandertreffen. Im Übrigen ist die Polizei auch stets der Auffassung gewesen, es handele sich bei dem Geschehen auf dem Hagenmarkt nicht um eine Versammlung, so dass sich auch zu keinem Zeitpunkt den Willen gehabt haben kann, eine Auflösungsverfügung zu erlassen. Dementsprechend können auch die in der ersten Lautsprecherdurchsage um 16.45 Uhr erwähnten drei Aufforderungen, sich zu entfernen, keine Auflösungsverfügungen gewesen sein.
Damit kann nur noch die Rechtswidrigkeit der Ingewahrsamnahme festgestellt werden.
III.
Die weitere sofortige Beschwerde wurde gemäß 19 Abs. 2 S. 4 NdsSOG wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zugelassen. Es sind auch in Zukunft NPD-Demonstrationen und gleichzeitige Gegendemonstrationen zu erwarten, die mit vergleichbaren Rechtsfragen verbunden sein werden.
Die Kostentragung ergibt sich aus § 131 Abs. 1 S. 2 KostO, 19 Abs. 4 NdsSOG, Art. 7 Nds. FGG, 13 a Abs. 1 FGG. Es entspricht der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten der Beschwerdeführerin dem ... aufzuerlegen, da die Beschwerdeführerin mit ihrer Beschwerde Erfolg hatte.
Der Beschwerdewert wurde gemäß §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 2, 3 KostO auf 3.000,00 € festgesetzt.