Sozialgericht Lüneburg
Urt. v. 17.08.2015, Az.: S 1 R 446/12
Bibliographie
- Gericht
- SG Lüneburg
- Datum
- 17.08.2015
- Aktenzeichen
- S 1 R 446/12
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2015, 44835
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Tenor:
1. Der Bescheid der Beklagten vom 31.01.2012 und der Widerspruchsbescheid vom 30.07.2012 werden aufgehoben.
2. Es wird festgestellt, das zwischen dem Beigeladenen und dem Kläger kein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis besteht.
3. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens nach §§ 7a ff. Viertes Buch Sozialgesetzbuch (= SGB IV) darüber, ob zwischen dem klagenden Sportverein (K.) und dem Beigeladenen ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis besteht.
Der im Jahr 1972 geborene Beigeladene war seit dem 01.11.2007 für den Kläger als Übungsleiter tätig. Nach dem Honorarvertrag vom 01.11.2007 wurde er zum Übungsleiter in der Abteilung „Fitness-Studio“ bestellt. Als Entgelt wurden 15,00 € pro Übungseinheit vereinbart. Es wurde ausgeführt, dass der Übungsleiter von dem vereinbarten Honorar alle Steuern und Abgaben bestreitet, für die entsprechenden Anmeldungen selbst verantwortlich ist und den Kläger von diesbezüglichen Forderungen Dritter freistellt (Bl. 13 der Akte der Beklagten <= VA>).
Einen weiteren Honorarvertrag schlossen der Kläger und der Beigeladene mit Wirkung zum 01.02.2010 ab (Bl. 11 VA). Darin wurden der Kläger als Auftraggeber und der Beigeladene als Auftragnehmer bezeichnet. Es wurde ausgeführt, dass der Auftragnehmer für den Auftraggeber ab dem 01.02.2010 eine freiberufliche Tätigkeit als nebenberuflicher, selbständiger Übungsleiter in der Abteilung „Rückensport“ beginnt. Als Honorar wurden 16,00 € pro geleisteter Stunde vereinbart. Unter § 2 des Vertrags wurde die Rechtsstellung des Auftragnehmers konkretisiert. Dabei finden sich folgende Ausführungen:
1. Der Auftragnehmer hat die übertragene Tätigkeit für den Auftraggeber selbstständig und eigenverantwortlich auszuüben.
2. Der Auftragnehmer führt die im Rahmen dieses Vertrages erteilten Aufträge mit der Sorgfalt eines ordentlichen Übungsleiters in eigener unternehmerischer Verantwortung aus. Dabei hat er/sie zugleich auch die Interessen des Auftraggebers zu berücksichtigen. Der Auftragnehmer unterliegt keinem Weisung- und Direktionsrecht und ist in Bezug auf die Arbeitsausübung frei und nicht in die Arbeitsorganisation des Auftraggebers eingebunden. Es sind jedoch fachliche Vorgaben des Auftraggebers soweit zu beachten, als dies die ordnungsgemäße Vertragsdurchführung erfordert.
3. Der Auftragnehmer ist nicht verpflichtet, jeden Auftrag persönlich auszuführen. Er kann sich hierzu – soweit der jeweilige Auftrag dies gestattet - auch der Hilfe von Erfüllungs- und Verrichtungsgehilfen bedienen, soweit er deren fachliche Qualifikation zur Erfüllung des Vertrages sicherstellt und diesen gleichlautende Verpflichtungen aufgrund dieses Vertrags auferlegt. Er hat im Einzelfall das Recht, Aufträge des Auftraggebers ohne Angabe von Gründen abzulehnen.
4. Der Auftragnehmer hat das Recht, auch für andere Auftraggeber tätig zu werden. Er unterliegt keinerlei Ausschließlichkeitsbindungen und/oder einem Wettbewerbsverbot. Er verpflichtet sich allerdings, über alle ihm bekannt gewordenen und bekannt werdende Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse des Auftraggebers Stillschweigen zu bewahren. Hierzu gehören auch schutzwürdige persönliche Verhältnisse von Mitarbeitern und Strukturen des Auftraggebers. Diese Verpflichtung besteht auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses uneingeschränkt fort.
5. Der Auftragnehmer ist verpflichtet, eigenständig für die Abführung der ihn betreffenden Einkommensteuer sowie gegebenenfalls Umsatzsteuer Sorge zu tragen. Der Auftragnehmer wird darauf hingewiesen, dass er im Rahmen des § 2 Nr. 1 SGB VI als selbständig Tätiger rentenversicherungspflichtig ist, wenn er im Zusammenhang mit einer selbständigen Tätigkeit keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigt.
6. Der Auftragnehmer hat bei dieser selbstständigen Tätigkeit über allgemeine sportliche Grundsätze hinaus auch die Vereinsgrundsätze, Richtlinien und sonstigen Verbandsvorgaben zur Sportausübung zu beachten.
Ein dritter Honorarvertrag wurde zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen für die Zeit ab dem 01.02.2011 vereinbart (Bl. 38 der Akte des Sozialgerichts <= SG>). Dieses Mal wurde ein Honorar von 19,00 € pro geleisteter Stunde vereinbart. Ansonsten entsprach der Vertrag im Wesentlichen dem vorangehenden Vertrag vom 01.02.2010.
Neben der Tätigkeit für den Kläger war der Beigeladene auch für die Stadt Buchholz als Honorarkraft tätig. Dabei übernahm er das Coaching in der Jugendwerkstatt „Chancen schaffen“ für Lernwillige im Alter zwischen 16 und 26 Jahren (Bl. 29 VA).
Am 08.07.2011 beantragte der Beigeladene die Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status bei der Beklagten. Im Schreiben vom 18.08.2011 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass die Kurse durch Anregung der Mitglieder bzw. aufgrund des Bedarfs zustande kommen würden. Dem Beigeladenen würden keine Weisungen erteilt. Der Übungsleiter würde den Inhalt der Tätigkeit selbst festlegen. Die Vergütung würde nach Rechnungslegung auf einem Formblatt erfolgen (Bl. 54 VA). In einem weiteren Schreiben vom 24.10.2011 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass der Beigeladene wöchentlich mit 12,5 Stunden für den Verein tätig sei. Der Beigeladene würde keine Dienstkleidung tragen und sei auch nicht verpflichtet an Schulungen teilzunehmen (Bl. 89 VA).
In den Schreiben vom 29.08.2011 (Bl. 58 VA) und vom Oktober 2011 (Bl. 75 VA) machte der Beigeladene weitere Angaben zu seiner Tätigkeit für den Kläger. Er führte u. a. aus, dass die Übungsleitertätigkeit das Gerätetraining im Fitnessstudio und die Durchführung von Kursen im Rücken- und Reha-Sport umfassen würde. Die Tätigkeit im Fitnessstudio würde ca. 60 %, die im Kursbereich ca. 40 % der Tätigkeit für den Kläger betragen. Die Trainingseinheiten würden von ihm, dem Beigeladenen, selbst geplant und durchgeführt. Den Inhalt der Tätigkeiten würde er selbst bestimmen. Bezüglich seiner Tätigkeit würde er keine Weisungen erhalten. Den Zeitpunkt der Trainingseinheiten würde er in Abstimmung mit den Abteilungsleitern und Mitgliedern festlegen. Die Abteilungsleiter würden ihn nach möglichen Kapazitäten fragen, worauf er über die Umsetzung entscheiden würde. Auch er könne ein zeitliches Angebot abgeben, wenn sich bei ihm zeitliche Kapazitäten ergeben würden. Die Zeiten könnten nicht ohne seine Zustimmung festgelegt werden. Es würden ausschließlich Mitglieder des Vereins betreut bzw. Personen, die Mitglieder werden möchten. Mit anderen Mitarbeitern des Vereins würde keine Zusammenarbeit stattfinden. Von dem Verein seien ihm keine Schulungen angeboten worden. Es würde auch keine entsprechende Teilnahmepflicht bestehen. Der Verein würde die Arbeitsmittel zur Verfügung stellen. Der Beigeladene beantragte die Feststellung, dass eine Beschäftigung nicht vorliegt (Bl. 61 VA).
Mit dem Bescheid vom 31.01.2012 stellte die Beklagte gegenüber dem Kläger fest, dass die Tätigkeit des Beigeladenen als Übungsleiter eine abhängige Beschäftigung ist (Bl. 174 VA). Außerdem wurde für die Zeiträume vom 01.01.2008 – 31.12.2008 und ab 01.01.2010 bis laufend Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung festgestellt. Wegen der Geringfügigkeit der Tätigkeit würde in der Zeit vom 11/07 – 12/07 und 01/09 – 12/09 keine Versicherungspflicht bestehen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass nach dem gemeinsamen Rundschreiben der Spitzenorganisationen der Sozialversicherungen Übungsleiter, die in Sportvereinen regelmäßig tätig seien, grundsätzlich als in das Unternehmen eingegliedert zu betrachten und daher als abhängig Beschäftigte gem. § 7 Abs. 1 SGB IV anzusehen seien. Kriterien für eine selbständige Tätigkeit seien
- die Durchführung des Trainings in eigener Verantwortung (der Übungsleiter legt Dauer, Lage und Inhalte des Trainings selbst fest und stimmt sich wegen der Nutzung der Sportanlagen selbst mit anderen Beauftragten des Vereins ab)
- der zeitliche Aufwand und die Höhe der Vergütung (je geringer der zeitliche Aufwand des Übungsleiters und je geringer seine Vergütung, desto mehr spricht für seine Selbständigkeit).
Im vorliegenden Fall würden die für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis sprechenden Merkmale überwiegen. So sei der zeitliche Umfang nicht so gering, dass die Entgelte regelmäßig unter der Geringfügigkeitsgrenze liegen würden. Bei der Auftragsannahme sei der Beigeladene an die regelmäßig wiederkehrenden Termine gebunden. Sämtliche Arbeitsmittel würde der Auftraggeber stellen. Außerdem seien die Leistungen persönlich zu erbringen. Schließlich würde eine erfolgsunabhängige pauschale Stundenvergütung gezahlt. Für eine selbständige Tätigkeit würde nur sprechen, dass der Beigeladene die Trainingsinhalte selbst festlegen würde.
Mit einem weiteren Bescheid vom 31.01.2012, der zwar keine gleichlautende, jedoch entsprechende Ausführungen enthält, stellte die Beklagte auch gegenüber dem Beigeladenen fest, dass seine Tätigkeit als Übungsleiter für den Kläger eine abhängige Beschäftigung sei und für die Zeiträume vom 01.01.2008 – 31.12.2008 und ab 01.01.2010 bis laufend Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung bestanden habe bzw. bestehen würde.
Während der Beigeladene gegen den ihm zugesandten Bescheid keinen Widerspruch einlegte, erhob der Prozessbevollmächtigte des Klägers gegen den diesem zugegangenen Bescheid vom 31.01.2012 Widerspruch. Dieser wurde mit dem Widerspruchsbescheid vom 30.07.2012 zurückgewiesen. Der Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses würde nicht entgegenstehen, dass die Zahlung einer Vergütung im Urlaubs- und Krankheitsfall nicht erfolgt. Die Selbständigkeit eines Dienstverpflichteten würde nicht dadurch begründet, dass er durch den Verzicht auf Leistungen, Belastungen und Risiken übernimmt, die über die Pflichten eines Arbeitnehmers hinausgehen. Allein die Berechtigung, die Leistungen durch Dritte erbringen zu lassen, würde das Vorliegen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses nicht ausschließen, wenn die persönliche Leistungserbringung die Regel ist. Eine eigenverantwortliche Planung könne auch im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses erfolgen. Der wesentliche Unterschied von „in eigener Verantwortung“ bei einer selbständigen Tätigkeit sei darin zu sehen, welche Verantwortung bzw. Haftung derjenige dann tatsächlich im Einzelfall zu übernehmen habe. Im vorliegenden Fall sei keine über das Maß einer Beschäftigung hinausgehende Verantwortung ersichtlich.
Hiergegen hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers am 03.09.2012 beim SG Lüneburg Klage erhoben. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Prämisse der Beklagten, nach der Übungsleiter in Sportvereinen grundsätzlich als in das Unternehmen eingegliedert anzusehen seien, bereits im Widerspruch zu deren eigenen Ausführungen stehen würde, weil nach Auffassung der Clearingstelle diese Ansicht den tatsächlichen Gegebenheiten nicht gerecht werde. Im Übrigen sei zu beachten, dass der Beigeladene die Dauer und die Inhalte des Trainings selbst festlegen und sich wegen der Nutzung der Sportanlagen mit anderen Beauftragten des Vereins abstimmen würde. Dass Übungsleiter von Sportvereinen i. d. R. auf deren Anlagen zurückgreifen, würde in der Natur der Sache liegen und sei kein Abgrenzungskriterium für eine abhängige oder selbständige Tätigkeit. Der Beigeladene würde auch ein unternehmerisches Risiko tragen, da er für den Fall, dass ein Kurs ausfällt, kein Entgelt erhält. Wenn die Vertragspartner eine abhängige Beschäftigung gewollt hätten, wäre eine Vereinbarung der vorliegenden Art nicht getroffen worden.
Mit dem Beschluss vom 02.11.2012 hat das SG Lüneburg den Übungsleiter und Vertragspartner des Klägers, Herrn L. zu dem Rechtsstreit beigeladen.
In der mündlichen Verhandlung hat der 1. Vorsitzende des Klägers erklärt, dass für die Kurse des Beigeladenen von den Mitgliedern gesonderte Beiträge erhoben werden. In diesen würde sich allerdings nicht nur das Honorar des Beigeladenen wiederspiegeln. Vielmehr seien dort auch weitere Kosten, wie u. a. Heizungs- und Unterhaltungskosten für die Übungsräume, enthalten. Wenn der Beigeladene für längere Zeit pausieren würde, würden die Kurse an andere Übungsleiter vergeben. Wenn der Beigeladene sich dann bei dem Verein wieder melden würde, würde ein neuer Vertrag vereinbart werden. Seit Ende 2014 sei der Beigeladene nicht mehr für den Kläger tätig.
Der Beigeladene hat ausgeführt, dass er im streitgegenständlichen Zeitraum auch für andere Vereine als Übungsleiter tätig war. Den Umfang seiner Tätigkeit, die er für den Kläger ausgeübt habe, würde er auf etwa die Hälfte seiner gesamten Tätigkeit einschätzen. Er habe keine eigene Firma und betreibe keine Werbung. Auch eine Website würde er nicht führen. Er habe eine eigene Berufshaftpflichtversicherung. Er selber habe mit den Mitgliedern des Vereins keine eigenen Verträge abgeschlossen. Er habe auch nicht an Schulungen des Vereins teilgenommen, jedoch auf eigene Kosten Weiterbildung betrieben.
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers beantragt
1.) den Bescheid der Beklagten vom 31.01.2012 und den Widerspruchsbescheid vom 30.07.2012 aufzuheben,
2.) festzustellen, dass zwischen dem Beigeladenen und dem Kläger kein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis besteht.
Der Vertreter der Beklagten beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beigeladene stellt keinen Antrag.
Der Entscheidung lagen die Gerichtsakten und die Akten der Beklagten zugrunde. Auf ihren Inhalt wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage zulässig. Ihr steht insbesondere nicht die Bestandskraft des gegenüber dem Beigeladenen ergangenen Bescheides vom 31.01.2012 entgegen. Zwar wird gem. § 77 Sozialgerichtsgesetz (= SGG) - soweit durch das Gesetz nichts anderes bestimmt ist - ein Verwaltungsakt für die Beteiligten in der Sache bindend, wenn der gegen diesen gegebene Rechtsbehelf nicht oder erfolglos eingelegt wird. Da über den Gegenstand der Regelung – nämlich die Feststellung eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen – nur einheitlich entschieden werden kann und weder der Beigeladene noch der Kläger gegen diesen – dem Beigeladenen zugestellten - Widerspruchsbescheid Klage erhoben haben, sind diese Voraussetzungen – scheinbar - erfüllt.
Allerdings führt gerade die Notwendigkeit einer einheitlichen Entscheidung - was im Klageverfahren beim Anfechtungsstreit des einen Beteiligten zwingend die notwendige Beiladung des oder der anderen Beteiligten zur Folge hat – hier zu einem abweichenden Ergebnis und zu einem Nichteintritt der Bestandskraft. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung kann nämlich ein fehlerhafter Verwaltungsakt, der für einen oder mehreren Beteiligten gegenüber infolge des Ablaufs der für diese laufenden Anfechtungsfristen (scheinbar) unanfechtbar und damit bindend geworden ist, von einem Beteiligten aber noch angefochten werden kann und rechtzeitig angefochten wird, mit Wirkung für alle Beteiligten aufgehoben werden (vgl. Bundessozialgericht <= BSG>, Urt. v. 25.05.1966 – 3 RK 37/62, m. w. N.). Dies muss nach Auffassung der Kammer auch dann gelten, wenn die Behörde – aus welchen Gründen auch immer – gegenüber den Beteiligten getrennte Bescheide erlassen hat, da es auch insoweit nur eine einheitliche Entscheidung geben kann (vgl. zu dieser Problematik: Berchtold, Verfahrensrechtliche Probleme des § 7 a SGB IV, NZS 2014, 885 ff., 889, m. w. N.). Darauf, dass sich hieraus – ungeachtet der Rechte der Beteiligten auch nach einem bestands- bzw. rechtkräftigen Abschluss eines Verfahrens einen Überprüfungsantrag gem. § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (= SGB X) zu stellen – ein u. U. jahrelang hinziehender Schwebezustand ergeben kann, hat das BSG bereits vor nunmehr fast 50 Jahren hingewiesen, ohne dass der Gesetzgeber hierauf mit einer überzeugenden Lösung reagiert hätte (BSG, Urt. v. 25.05.1966 – 3 RK 37/62; Berchtold, a. a. O.). Die Beklagte könnte diesem Schwebezustand in gewisser Weise allerdings auch dadurch entgegenwirken, dass sie die erforderlichen Feststellungen in einem einheitlichen Bescheid trifft. Dann könnte jeder Beteiligte erkennen, wer an dem Verfahren beteiligt ist. Demgegenüber ist die von der Beklagten praktizierte Verfahrensweise, unterschiedlichen Bescheide gegenüber den Beteiligten zu erlassen, nicht geeignet, die Verfahren zu konzentrieren und für mehr Transparenz zu sorgen.
Die Klage ist auch begründet, da die Beklagte zu Unrecht festgestellt hat, dass zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis besteht. Die angefochtene Entscheidung ist daher rechtswidrig und war dementsprechend aufzuheben.
Gem. § 7 a Abs. 1 S. 1 SGB IV können die Beteiligten bei der Deutschen Rentenversicherung (= DRV) Bund schriftlich eine Entscheidung beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet. Da im vorliegenden Fall weder die Einzugsstelle noch ein anderer Versicherungsträger ein derartiges Verfahren eingeleitet hatten, war die Beklagte für die eine entsprechende Entscheidung zuständig.
Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nicht selbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Gem. § 7 a Abs. 2 SGB IV entscheidet die DRV Bund aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls, ob eine Beschäftigung vorliegt (auch ständige Rechtsprechung des BSG, z. B. Urteile v. 22 06.2005 - B 12 KR 28/03 R, Rz. 20; 28.05.2008 - B 12 KR 13/07 R, Rz. 15; 29.08.2012 - B 12 KR 25/10, Rz. 15 jeweils m .w. N.).Das Gesamtbild bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus der Vertragsgestaltung der Beteiligten, so wie sie im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen ist (BSG, Urt. v. 28.05.2008 - B 12 KR 13/07 R, Rz. 17 m. w. N.; BSG, Urt. v. 29.08.2012 - B 12 KR 25/10. m. w. N.). Ausgangspunkt der Prüfung ist daher nach ständiger Rechtsprechung des BSG das Vertragsverhältnis der Beteiligten wie es sich aus den von ihnen geschlossenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich daraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, wenn sie von den Vereinbarungen abweicht. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung danach so, wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Rechtssinne gehört unabhängig von ihrer Ausübung, auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (BSG, Urt. v. 29.08.2012 - B 12 KR 25/10; BSG, Urt. v. 28.08.2008 - B 12 KR 13/07 R - Rz. 17; BSG, Urt. v. 24.01.2007 - B 12 KR 31/08 R, Rz. 17).
Bei Anwendung dieser Grundsätze lag zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen kein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vor. Ausgehend von den o. g. Honorarverträgen, die nach Auffassung der Kammer entsprechend der getroffenen Vereinbarungen tatsächlich so praktiziert wurden, sind die wesentlichen Kriterien hierfür nicht erfüllt. Zum einen bestand kein umfassendes Weisungsrecht des Klägers hinsichtlich Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung, da der Beigeladene sowohl die Inhalte als auch die Zeiten, zu denen er tätig sein wollte, frei bestimmen konnte. So hat er Inhalt und Ablauf der Trainingseinheiten selbst geplant und durchgeführt. Auch wurden die Termine der Trainingseinheiten nicht vorgegeben, sondern vielmehr in Abstimmung mit den Abteilungsleitern und Mitgliedern in einer freien und einvernehmlichen Übereinkunft vereinbart. Die Arbeitszeiten konnten insbesondere nicht ohne seine Zustimmung festgelegt werden. Außerdem war der Beigeladene auch berechtigt, Aufträge des Klägers im Einzelfall abzulehnen. Derartige Freiheiten sind Arbeitnehmern i. d. R. nicht gestattet. Darüber hinaus war der Beigeladene auch nicht verpflichtet, an Schulungen o. ä. des Vereins teilzunehmen. Dass der Beigeladene die Trainingseinheiten auf dem Vereinsgelände zu erbringen hatte, ist kein Kriterium der Weisungsgebundenheit. Vielmehr liegt es in der Natur der Sache, dass ein Übungsleiter, der im Rahmen des Honorarvertrags für einen Sportverein und dessen Mitglieder tätig wird, auch auf die Räume oder Anlagen des Vereins zurückgreifen kann.
Darüber hinaus lässt sich auch nicht feststellen, dass der Beigeladene in wesentlichem Umfang in den Betrieb des Klägers eingliedert war, da jenseits der – frei vereinbarten – Übungsstunden und Kurse – keine Zusammenarbeit mit anderen Mitarbeitern des Vereins stattfand. Der Kläger war auch nicht verpflichtet, eine bestimmte bzw. die vom Verein gestellte Arbeitskleidung zu tragen. Somit sind bereits die wesentlichen Voraussetzungen, die für eine Beschäftigungsverhältnis sprechen – d. h. das umfassende Weisungsrecht des Auftraggebers und eine Eingliederung in der Betrieb – nicht erfüllt.
Weiterhin spricht für eine unternehmerische Tätigkeit, dass der Beigeladene kein festes Gehalt erhielt, sondern nur nach Rechnungstellung der tatsächlich geleisteten Stunden vergütet wurde. Dabei trug der Beigeladene das Risiko des Honorarausfalls, wenn ein Kurs – aus welchen Gründen auch immer – ausfiel. Insoweit liegt auch ein nicht unerhebliches Unternehmerrisiko vor. Zwar ist es zutreffend, dass der Beigeladene nicht über Betriebsmittel verfügt. Diese sind jedoch der Art der Tätigkeit geschuldet, da es für die Durchführung der Übungen und Kurse keiner Betriebsmittel im wesentlichen Umfang bedarf.
Darüber hinaus ist bei der Frage, ob eine selbständige Tätigkeit ausgeübt wird zu beachten, dass der Beigeladene nicht nur für den Kläger, sondern auch für andere Vereine als Übungsleiter tätig war. Nach Auffassung der Kammer ist bei der Beurteilung der Frage, ob eine abhängige Beschäftigung vorliegt nicht nur auf die jeweils streitbefangene Tätigkeit abzustellen. Vielmehr ist zu berücksichtigen in welchem Rahmen der Betreffende als Auftragnehmer agiert und welches Geschäftsmodell er seinen Aktivitäten zugrunde legt. Da nach § 7 Abs. 2 SGB IV bzw. nach der Rechtsprechung des BSG bei der Beurteilung der Frage, ob eine abhängige Beschäftigung vorliegt, das Gesamtbild maßgeblich ist, kann nach Auffassung der Kammer nicht nur auf die jeweils streitbefangene Tätigkeit abgestellt werden. Vielmehr ist zu berücksichtigen in welchem Rahmen der Betreffende als Auftragnehmer agiert, und welches Geschäftsmodell er seinen Aktivitäten zugrunde legt und wie er dieses am Markt präsentiert. Wenn man demgegenüber nur auf die konkrete Tätigkeit bei einem Auftraggeber nicht aber auf den rechtlichen und geschäftlichen Rahmen, innerhalb dessen die Tätigkeit ausgeführt wird, abstellen würde, würden gerade nicht alle relevanten Umstände des Einzelfalls berücksichtigt. Würde man dieser Argumentation folgen, könnte letztendlich auch jeder selbständiger Handwerksmeister mit eigener Firma als Arbeitnehmer seiner – jeweiligen - Kunden eingeordnet werden. Der Auffassung des LSG Niedersachsen-Bremen im Urteil vom 24.09.2014 - L 1 KR 351/12 kann sich daher die Kammer insoweit nicht anschließen.
Im Übrigen gibt das vorliegende Verfahren Anlass darauf hinzuweisen, dass die Entscheidungsfindung der Beklagten kaum nachzuvollziehen ist. So wurde als wesentliches Kriterium für eine selbständige Tätigkeit herausgestellt, dass der Übungsleiter die Durchführung des Trainings in eigener Verantwortung ausführt, Dauer, Lage und Inhalte des Trainings selbst festlegt und sich wegen der Nutzung der Sportanlagen selbst mit anderen Beauftragten des Vereins abstimmt. Genau diese Kriterien sind hier zur Gänze erfüllt, so dass es bereits aus diesem Grund verwundert, warum die Beklagte zu der von ihr getroffenen Entscheidung gelangt ist. Demgegenüber ist das zweite Kriterium, nach dem für die Frage der Selbständigkeit auf den zeitlichen Aufwand und die Höhe der Vergütung abgestellt wird („je geringer der zeitliche Aufwand des Übungsleiters und je geringer seine Vergütung, desto mehr spricht für seine Selbständigkeit“), nicht sachgerecht. Vielmehr erlauben weder die Zeit, die man für eine Tätigkeit verwendet, noch die Höhe der Vergütung eine Aussage über die Art der Tätigkeit. Dass eine selbständige Tätigkeit nur dann vorliegen soll, wenn diese unterhalb der Geringfügigkeitsgrenze ausgeübt wird, lässt sich im Übrigen weder dem Gesetz noch der höchstrichterlichen Rechtsprechung entnehmen. Vielmehr geht das Gesetz in § 2 S. 1 Nr. 1 – 9 SGB VI gerade davon aus, dass eine Selbständigkeit - insbesondere auch als Lehrer (§ 2 S. 1 Nr. 1 SGB VI) - in Voll- oder Teilzeit ausgeübt werden kann und eine Versicherungspflicht ausnahmsweise nur nicht besteht, wenn eine geringfügige selbständige Tätigkeit ausgeübt wird (§ 8 Abs. 3 SGB IV). Die Geringfügigkeitsgrenze ist daher für die Feststellung, ob ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis oder eine selbständige Tätigkeit vorliegt, ein völlig untaugliches Kriterium.
Weiterhin erscheinen die Merkmale, auf die die Beklagte bei ihrer Entscheidung im konkreten Fall abgestellt hat, willkürlich ausgewählt und z. T. unzutreffend. So hat sie in dem angefochtenen Bescheid fünf Merkmale, die für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis sprechen sollen, lediglich einem Merkmal, welches für eine selbständige Tätigkeit sprechen soll, gegenüber gestellt. Hinsichtlich der Untauglichkeit des ersten Merkmals („Der zeitliche Umfang ist nicht so gering, dass die Entgelte regelmäßig unterhalb der Geringfügigkeitsgrenze liegen“) wird auf vorstehende Ausführungen Bezug genommen. Beim zweiten Merkmal („Bei Auftragsannahme sind Sie an die regelmäßig wiederkehrenden Termine gebunden“) wird ignoriert, dass der Kläger die Termine frei verhandeln und ggf. auch ablehnen kann, so dass von einer Bindung (i. S. einer Weisungsgebundenheit) keine Rede sein kann. Das vierte Merkmal („Die Leistungen sind von Ihnen persönlich zu erbringen“) ist unzutreffend, weil der Kläger und der Beigeladene das Gegenteil vereinbart haben. Auch wenn der Beigeladene die Leistungen i. d. R. persönlich erbracht hat, so hätte er doch das vertraglich verbriefte Recht gehabt, ggf. einen Vertreter zu entsenden. Das fünfte Merkmal („Es wird eine erfolgsunabhängige pauschale Stundenvergütung gezahlt“) ist wiederum ein untaugliches Abgrenzungskriterium, weil auch von selbständigen Lehrern und Therapeuten i. d. R. sämtliche Unterrichts- bzw. Therapieleistungen mit einem bestimmten Stundensatz vergütet werden, ohne das hieraus eine Aussage hinsichtlich der Art der Tätigkeit (selbständig/abhängig beschäftigt) getroffen werden könnte. Allenfalls das dritte Merkmal („Sämtliche Arbeitsmittel stellt der Auftraggeber“) könnte hier als Indiz für eine abhängige Beschäftigung herangezogen werden.
Sofern die Beklagte die Tatsache, dass der Kläger die Trainingsinhalte selbst festlegt, als Merkmal für eine selbständige Tätigkeit wertet, ist dies zwar zutreffend. Bei der Auflistung der für eine selbständige Tätigkeit sprechenden Merkmale wurde jedoch aus unerklärlichen Gründen weggelassen, dass der Beigeladene seine Arbeitszeit frei und einvernehmlich gestalten kann, die Möglichkeit hat, Aufträge abzulehnen, nicht zum Tragen einer einheitlichen Arbeitskleidung verpflichtet ist, nicht ausschließlich für den Kläger tätig ist, ein Honorar nur für geleistete Stunden erhält, das Risiko eines Terminausfalls trägt und keine Verpflichtung hat, an Schulungen des AG teilzunehmen. Auf obige Ausführungen, in der die Kriterien, die für eine selbständige Tätigkeit sprechen, behandelt wurden, wird Bezug genommen.
Weiterhin hat die Beklagte nahezu vollkommen die zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen getroffenen schriftlichen Vereinbarungen ignoriert, die - wie ausgeführt – nach der Rechtsprechung des BSG gerade den Ausgangspunkt für die Feststellung des versicherungsrechtlichen Status darstellen und nur dann nicht zu beachten sind, wenn sie nicht der vertraglichen Realität und Umsetzung der Regelungen in der Praxis entsprechen. Darauf, dass hier die tatsächlichen Verhältnisse im Wesentlichen nicht von den vertraglichen Vereinbarungen abweichen, wurde ebenfalls bereits hingewiesen.
Schließlich wird bei der Vorgehensweise der Beklagten nicht deutlich, welche Merkmale in welcher Weise gewichtet werden. Während es im angefochtenen Bescheid vom 30.01.2012 eher den Anschein hat, dass die Gewichtung nach dem Enumerationsprinzip erfolgt (hier: 5 Merkmale für die abhängige Beschäftigung und nur eines für die selbständige Tätigkeit), wird im Widerspruchsbescheid suggeriert, dass bestimmte Kriterien stärker als andere zu berücksichtigen sind. So implizieren Formulierungen wie „der Annahme eines Arbeitsverhältnisses steht nicht entgegen, dass…“ oder „… schließen das Vorliegen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses nicht aus“, dass Argumente, die für eine selbständige Tätigkeit sprechen und die im Rahmen der erforderlichen Gesamtwürdigung hätten berücksichtigt werden müssen, schlichtweg unter den Tisch gefallen sind und die Entscheidung für das Vorliegen einer Beschäftigung bereits vor dem Ende des Abwägungsprozesses getroffen wurde. Das Gesetz enthält im Übrigen keine Vermutung dahingehend, dass die zu beurteilende Tätigkeit eine Beschäftigung darstellt, welche – um zur Feststellung einer selbständigen Tätigkeit zu gelangen – widerlegt werden muss.
Bei einer derartig methodisch intransparenten Vorgehensweise sind sozialgerichtliche Verfahren vorprogrammiert, was wiederum – unabhängig vom Verfahrensausgang – Anlass zur Überprüfung geben kann, ob die Verfahrenskosten zumindest zum Teil nach dem Veranlassungsprinzip der Beklagten aufzuerlegen sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (= VwGO).