Sozialgericht Lüneburg
v. 19.05.2015, Az.: S 2 U 135/13

Gewährung einer Rente aufgrund einer anerkannten Berufskrankheit mangels einer versicherungsfallbedingten Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in Höhe von mindestens 20 Prozent

Bibliographie

Gericht
SG Lüneburg
Datum
19.05.2015
Aktenzeichen
S 2 U 135/13
Entscheidungsform
Gerichtsbescheid
Referenz
WKRS 2015, 39111
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:SGLUENE:2015:0519.S2U135.13.0A

Tenor:

  1. 1.)

    Die Klage wird abgewiesen.

  2. 2.)

    Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Rente aufgrund einer anerkannten Berufskrankheit nach der Ziffer 3101 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (hier: BK 3101).

1.) Zur Ausgangssituation:

Der im Jahr 1976 geborene Kläger absolvierte von 1999 - 2008 das Studium der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, welches er am 28.08.2008 als Diplomökonom abschloss. Außerdem war er bei der Firma E. ab dem 01.10.2007 als Vertriebsleiter bzw. Verkäufer im Außendienst eingesetzt. Nach dem Erkrankungsverzeichnis seiner Krankenkasse war er vom 09.09.2009 - 22.09.2009 und am 02.12.2009 aufgrund der Diagnose "Thrombose" arbeitsunfähig erkrankt.

Anfang 2010 beabsichtigte die Fa. E., den Kläger als Vertriebsmitarbeiter zu ihrer Auslandsgesellschaft in die Mongolei zu entsenden. Zum Kennenlernen der künftigen Arbeitsbedingungen und Geschäftspartner flog der Kläger vom 01.02.2010 - 19.02. 2010 in die Mongolei (Bl. 53-1 der Akte der Beklagten (= BA)). Etwa 4 - 6 Wochen nach der Rückkehr von dieser Reise traten bei ihm Krankheitszeichen auf, die sich nach seinen Angaben zunächst wie eine schwere Grippe anfühlten. Vom 30.03.2010 - 20.04.2010 wurden mehrere Impfungen durchgeführt, darunter Polio, Tetanus, Diphtherie, FSME, Meningitis, Hepatitis und Tollwut (Bl. 30 BA). Ab dem 19.04.2010 litt er unter hohem Fieber und verspürte eine extreme Schweißneigung in der Nacht und bei leichter Anstrengung. Vom 26. - 27.04.2010 war er aufgrund der Diagnosen "Kopfschmerzen und Fieber" arbeitsunfähig erkrankt. Am 30.04. 2010 traten Schluckprobleme auf, worauf sein Hausarzt eine einseitige Tonsillitis (= Mandelentzündung) feststellte. Nach Verordnung von Antibiotika sei es zwar zu einer Besserung der Schluckproblematik gekommen. Allerdings hätten sich daraufhin Bauchschmerzen und Durchfälle eingestellt. Im Bericht des F. vom 18.05.2010 wurde ausgeführt, dass sich der Kläger nach seinen Angaben in dieser Zeit über ca. 14 Tage fast nur von Suppe hätte ernähren können (Bl. 27-1 BA).

Nach dem Abschluss einer Entsendevereinbarung am 29.04.2010 (Bl. 54-1 BA) flog der Kläger am 03.05.2010 wieder in die Mongolei. Am 10.05.2010 entwickelte sich eine Thrombose im linken Bein. Im Bericht der Vertrauensärztin der deutschen Botschaft in der Mongolei, Dr. G., vom 11.05.2010 wurde ausgeführt, dass seit dem Vortag linksseitige Wadenkrämpfe bestehen würden. Nunmehr seien plötzlich ein Schweißausbruch und eine Schwäche hinzugekommen, worauf der Kläger kollabiert sei. Nach Durchführung einer Tollwutimpfung habe der Kläger seit etwa einem Monat Fieber und seit einer Woche Durchfall. Die Halslymphknoten seien vergrößert und dolent, der Magen sei druckschmerzhaft. Beim Kläger würde eine tiefe Beinvenenthrombose links, ein unklares Fieber und eine entzündliche Erkältung vorliegen. Am 15.05.2010 flog der Kläger im Rahmen einer Reiserücktransportversicherung zurück nach Deutschland. Vom 16.05.2010 - 18.05.2010 befand er sich in stationärer Behandlung im H ... Im Bericht vom 18.05.2010 wurde zunächst vermutet, dass eine impfassoziierte Hepatitis vorliegen könnte (Bl. 27-1 BA). Vom 18.05.2010 - 20.05.2010 schloss sich eine stationäre Behandlung im I. an. Dort wurde infolge der durchgeführten serologischen Diagnostik eine Infektion mit dem Cytomegalievirus (= CMV) festgestellt (Bl. 33-1 BA). Im Bericht der J. vom 06.12.2010 wurde ausgeführt, dass in der Zusammenschau der Befunde von einer CMV-Infektion als Ursache der Hepatitis auszugehen sei (Bl. 80-1 BA). Arbeitsunfähigkeit wurde letztendlich für den Zeitraum vom 10.05.2010 - 28.02.2011 attestiert. Kranken- bzw. Verletztengeld wurde vom 04.06.2010 - 28.02.2011 gezahlt (Bl. 155-1 BK-A).

2.) Zum vorangehenden Verfahren:

Das berufsgenossenschaftliche Feststellungsverfahren wurde durch den Durchgangsarztbericht von Dr. K. vom 17.06.2010 eingeleitet, indem die Entwicklung der Thrombose im linken Bein als Arbeitsunfall eingeordnet wurde. In dem Bericht wurde auch angegeben, dass sich der Kläger in der Mongolei eine Cytomegalie-Erkrankung zugezogen habe. Die Beklagte teilte dem Kläger daraufhin mit, dass in Bezug auf die CMV-Infektion die Anerkennung einer BK 3101 geprüft werde. Der Kläger führte die Cytomegalie zunächst auf die unzureichenden hygienischen Verhältnisse im Flughafen und den Restaurants während seiner zweiten Mongoleireise zurück (Bl. 9-2 BA). In der Stellungnahme der Präventionsabteilung der Beklagten vom 06.10.2010 wurde darauf hingewiesen, dass CMV-Infektionen ausschließlich von Mensch zu Mensch übertragen würden. Zwar würden genaue Angaben zur Prävalenz der CMV in der Mongolei nicht vorliegen. Die höchsten Prävalenzen seien jedoch in Südamerika, Afrika und Asien festgestellt worden, so dass davon auszugehen sei, dass das Infektionsrisko in der Mongolei grundsätzlich höher sei als in Deutschland. Da bei der Cytomegalie eine Inkubationszeit von 4 - 6 Wochen anzunehmen sei und der Aufenthalt in der Mongolei nur knappe 2 Wochen gedauert habe, könne die Infektion aber nicht in der Mongolei erfolgt sein (Bl. 37-1 BA). Zu diesem Zeitpunkt war der Beklagten allerdings die erste Mongoleireise noch nicht bekannt.

Mit dem Bescheid vom 26.10.2010 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer BK 3101 ab. Zur Begründung wurde u. a. ausgeführt, dass die Tätigkeit als Vertriebsleiter in der Mongolei mit Kundenkontakt keine Tätigkeit sei, bei der der Kläger der Gefahr einer CMV-Infektion in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt gewesen sei, wie Personen, die im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium beschäftigt seien. Nach den vorliegenden Erkenntnissen würde die Infektion durch direkten Kontakt mit infizierten Körperflüssigkeiten (Speichel, Blut, Stuhl, Urin etc.) erfolgen. Tätigkeiten mit einem direkten Kontakt zu entsprechenden Körperflüssigkeiten würden bei Tätigkeiten als Vertriebsleiter nicht anfallen. Ein Kontakt über Händeschütteln oder ähnlichem Kontakt zu möglicherweise erregerhaltigen Oberflächen würde demgegenüber für eine Infektion nicht ausreichend erscheinen. Unabhängig davon würde die Inkubationszeit für CMV-Infektion 4 - 6 Wochen betragen, so dass eine Infektion in der Mongolei im Mai 2010 nicht stattgefunden haben könne (Bl. 38-1 BA).

Mit dem hiergegen erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, dass er bereits im Februar 2010 die Mongolei besucht hatte und sich die Infektion wahrscheinlich bereits bei dieser Reise zugezogen habe. Dies würde auch mit der Inkubationszeit korrelieren. Aufgrund der desolaten hygienischen Bedingungen vor Ort sei ein Kontakt mit Körperflüssigkeiten der Geschäftspartner wahrscheinlich, zumal die dortigen Toiletten zumeist völlig verdreckt seien und es unmöglich sei, sich dort die Hände zu waschen. In der Stellungnahme der Präventionsabteilung der Beklagten vom 20.09.2010 wurde ausgeführt, dass der Ausbruch einer Erkrankung im März bzw. Anfang April 2010 nicht ersichtlich sei. Außerdem sei nach wie vor nicht zu erkennen, wie es bei den beruflichen Tätigkeiten des Klägers zu einem Kontakt mit Speichel, Stuhl, Blut oder Urin gekommen sei. Im Übrigen seien nach den Ausführungen im "Lexikon der Infektionskrankheiten des Menschen" auch 50 % der Erwachsenen in der Bundesrepublik Deutschland - in Abhängigkeit vom sozioökonomischen Status und anderen Faktoren - serumpositiv auf das CMV. Somit würde auch in Deutschland die Möglichkeit einer solchen Infektion bestehen. Der Widerspruch wurde mit dem Widerspruchsbescheid vom 19.12.2011 zurückgewiesen. Darin wurde ergänzend ausgeführt, dass es selbst in Familien mit infizierten Kindern nur in einem von fünf Fällen zu einer Infektion der Eltern kommen würde. Die theoretischen Möglichkeiten einer Infektion über das Händeschütteln und ähnlichem Kontakt würden nicht ausreichen, um eine ähnliche Gefährdung wie im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium anzunehmen, wo regelmäßig Kontakt zu Körperflüssigkeiten bestehen würde (Bl. 84-1 BA).

Mit der hiergegen am 11.01.2012 beim SG Lüneburg erhobenen Klage (S 2 U 11/12) wurde nochmals auf den mangelhaften hygienische Standard in der Mongolei hingewiesen. Nicht einmal die Hälfte der Haushalte in der L. sei mit ausreichenden sanitären Einrichtungen ausgestattet. Die Durchseuchung mit CMV in der Mongolei würde darüber hinaus bei 100 % liegen. Unter dem 24.07.2012 hat Dr. M. ein internistisches Zusammenhangsgutachten erstattet. Der Kläger habe nach seinen Angaben bei seiner ersten Mongoleireise viele mongolische Unternehmer besucht, sich von morgens bis abends in den Betrieben aufgehalten und Verhandlungen geführt, Kataloge studiert und mit mongolischen Kontaktpersonen zusammen gegessen. Er habe die Toiletten in den Betrieben benutzen und neben Händeschütteln auch die Getränke der Verhandlungspartner, wie z. B. Café, trinken müssen. Die Toiletten in den Firmen seien massiv verdreckt gewesen. Händewaschen, wenn dies überhaupt möglich gewesen sei, habe man häufig nur mit einem bräunlichen Wasser aus der Leitung durchführen können. Außerdem würde in der Stadt eine Müllabfuhr im eigentlichen Sinn nicht existieren. Die Straßen seien z. T. voll Müll. Zur Entsorgung wurden die Abfälle häufig einfach nur mit Benzin übergossen und angezündet. Außerdem würden sämtliche Abwässer ungeklärt in die Flüsse geleitet, so dass der Fluss in der Hauptstadt im Grunde eine Kloake sei. Dr. M. gelangte zu dem Ergebnis, dass beim Kläger eine BK 3101 vorliegt. Aufgrund der hohen Durchseuchungsrate von fast 100 % und der katastrophalen hygienischen Bedingungen sei das Risiko, an einer CMV-Infektion zu erkranken, in der Mongolei gegenüber der Situation in Deutschland massiv erhöht gewesen. Dies würde auch in Relation zu Personen, die im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium arbeiten, gelten. Der Kläger sei aus sozialen Gründen daran gehindert gewesen, sich durch Tragen von Schutzhandschuhen, Händewaschen oder Vermeidung von Nahrungsaufnahme und Getränken der potentiellen Infektionsgefahr zu entziehen. Demgegenüber könnten sich Personen, die im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium arbeiten, i. d. R. durch entsprechende Schutzausrüstungen (Schutzhandschuhe, Mundschutz, etc.) schützen. Außerdem würde das beim Kläger festgestellte Krankheitsbild dem typischen Verlauf einer CMV-Infektion entsprechen. Das N. habe deutlich erhöhte IgM-Antikörper von 231 U/I (Referenzbereich: 10-15 U/I) und somit eine floride Infektion festgestellt. Dass diese bereits einige Zeit aktiv gewesen sei, werde durch die erhöhten IgG-Antikörper von 96 U/I (Referenzbereich: 25 bis 40 U/I) dokumentiert. Auch die Inkubationszeit würde mit der Erkrankung korrelieren. Konkurrierende Ursachen seien extrem unwahrscheinlich. Die Folgen der CMV-Virusinfektion hätten allerdings nur bis ca. Ende 2010 angehalten. Seit Anfang 2011 seien die Leberfunktion und die körperliche Leistungsfähigkeit unbeeinträchtigt. Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (= MdE) würde aufgrund der BK 3101 nicht vorliegen. In der ergänzenden Stellungnahme vom 10.09.2012 hat Dr. M. an seinem Votum festgehalten. Selbst wenn man in Deutschland von einer Durchseuchung in Höhe von 70 - 80 % ausgehen würde, wäre die Wahrscheinlichkeit, eine solche Infektion in der Mongolei zu erwerben, aufgrund der dortigen hygienischen Verhältnisse doppelt so hoch.

In der mündlichen Verhandlung vom 15.04.2013 führte der Kläger aus, dass er in O. während der ersten Reise i. d. R. mit einem Mitarbeiter seiner Firma mit dem Auto zu den Terminen gefahren sei. Er sei nie allein unterwegs gewesen, da es dort insbesondere nach Einbruch der Dunkelheit für Ausländer viel zu gefährlich sei. Er habe auch die üblichen Mahlzeiten immer gemeinsam mit den dortigen Mitarbeitern bzw. Geschäftspartnern eingenommen. Manche Wege habe er zu Fuß zurückgelegt, etwa wenn man in ein Restaurant gegangen sei und davor keinen Parkplatz gefunden habe. Auch die Verkehrssituation in O. sei sehr prekär. So sei es durchaus vorgekommen, dass das Fahrzeug die auf der gegenüberliegenden Flussseite liegenden Stadtteile nur habe erreichen können, indem man durch den völlig mit Abwässern verdreckten Fluss gefahren sei. Außerdem würden in O. schätzungsweise 8000 Personen in der Kanalisation leben, die jedoch auch immer wieder im Stadtbild auftauchen würden. Bei seinem ersten Aufenthalt in der Mongolei habe er eine Sechs-Tage-Woche (Montag bis Samstag) absolvieren müssen. I. d. R. sei er gegen 8:00 Uhr morgens abgeholt und um 19:00 Uhr am Abend wieder am Hotel P. abgesetzt worden. Die Verhältnisse im Hotel P. seien - relativ gesehen - akzeptabel gewesen. Allerdings habe man sich in der Niederlassung seines Arbeitgebers die Toiletten mit einer Werkstatt teilen müssen. Toilettenpapier werde in der Mongolei nicht regelhaft benutzt. In der Mongolei habe er keine sexuellen Kontakte gehabt. Mit dem Urteil des SG Lüneburg vom 15.04. 2013 wurden der Bescheid vom 26.10.2010 und der Widerspruchsbescheid vom 19.12.2011 aufgehoben und festgestellt, dass beim Kläger eine BK 3101 vorliegt. Das Urteil wurde nicht angefochten.

3.) Zum streitgegenständlichen Verfahren:

Mit dem Ausführungsbescheid vom 27.06.2013 wurde auch von der Beklagten festgestellt, dass beim Kläger eine BK 3101 vorliegt. Als Folgen der Berufskrankheit wurden anerkannt:

- schlechtes Allgemeinbefinden, - erhöhte Leberwerte, - Milzvergrößerung, - Lymphknotenvergrößerung - Thrombose im Mai 2010, - Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen bei Zustand nach CMV-Virusinfektion in der Mongolei im Jahre 2010.

Außerdem wurde festgestellt, dass die nachstehend bezeichneten Gesundheitsstörungen keine Folgen der BK 3101 sind:

- Blutbildveränderungen mit Macumar-Therapie bei Faktor-V-Leiden-Mutation, - Thrombosen vor und nach Mai 2010, - colitis ulcerosa.

Eine Rentenzahlung wurde abgelehnt. Dabei stützte sich die Beklagte im Wesentlichen auf das Gutachten von Dr. M. vom 24.07.2012 und ein phlebologisches Gutachten von Dr. Q. vom 25.11.2011. Darin war ausgeführt worden, dass der Langzeitflug lediglich als sog. Gelegenheitsursache für das Auftreten der Unterschenkelvenenthrombose links anzusehen sei (Bl. 137-1 ff. BK-A).

Mit dem hiergegen erhobenen Widerspruch wurde geltend gemacht, dass die MdE mindestens 30 % betragen würde. Zu berücksichtigen sei, dass beim Kläger als Macumar-Patient nicht nur die Leber, sondern auch die Nieren stark belastet seien. Seitdem er die im Rahmen der BK 3101 anerkannte zweite Thrombose erlitten habe, sei er für den Rest seines Lebens auf Medikamente angewiesen, die ihn im Fall einer Verletzung dazu zwingen würden, innerhalb von 2 - 4 Stunden einen Arzt aufzusuchen. Schließlich könne eine Erkrankung aufgrund des CMV-Virus jederzeit wieder ausbrechen. Der Widerspruch wurde mit dem Widerspruchsbescheid vom 17.10.2013 zurückgewiesen (Bl. 185-1 BK-A). Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Thromboseneigung und die Dauermedikation mit Macumar auf eine anlagebedingte Gerinnungsstörung zurückzuführen sei.

Hiergegen hat der Kläger am 14.11.2013 durch seine Prozessbevollmächtigten beim SG Lüneburg Klage erhoben. Zwar habe der Kläger gegenwärtig keine Symptome. Da bei einem CMV-Virus jederzeit mit einem erneuten Ausbruch gerechnet werden müsse, sei von einer chronischen Hepatitis auszugehen. Allein hierfür sei eine MdE i. H. v. 20 % angemessen. Aufgrund der weiteren Beeinträchtigungen (Lymphknotenschwellungen und Milzvergrößerung, Macumar-Behandlung etc.) sei die MdE mit mindestens 30 % einzuschätzen. Unter dem 19.08.2014 hat Dr. M. ein weiteres internistisches Zusammenhangsgutachten erstattet. Darin gelangte er zu dem Ergebnis, dass beim Kläger keine direkten bzw. mittelbaren Folgen der CMV-Infektion mehr vorliegen würden. Das Immunsystem des Klägers habe die CMV-Virusinfektion überwunden, so dass diese ausgeheilt sei. Im Übrigen sei es weder zu einer Schädigung des Blutbildes noch der Organsysteme, insbesondere des Herzens, der Leber, der Gallenwege, der Bauchspeicheldrüse oder der Nieren gekommen. Auch eine Milzvergrößerung würde nicht mehr vorliegen. Zwar seien einzelne Unterschenkelvenen (rechts mehr als links) als Folgezustand der durchgemachten Thrombosen insuffizient. Hierdurch würde sich jedoch keine Leistungseinschränkung ergeben. Aufgrund der Gefahr einer erneuten Thrombosebildung sei der Kläger zwar zur Gerinnungshemmung auf eine Macumar-Medikation angewiesen. Diese Gefährdung würde allerdings auf der anlagebedingten Thromboseneigung durch die angeborene Faktor-V-Mutation beruhen. Daher könne auch jedes andere, alltäglich vorkommende Ereignis bewirken, dass sich beim Kläger wieder eine Thrombose bildet, wie es bereits im Jahr 2009 geschehen sei. Im Übrigen könne eine gehäufte Verursachung von Thrombosen nach der herrschenden wissenschaftlichen Lehrmeinung einer CMV-Virusinfektion nicht zugeordnet werden. Die vom Kläger mitgeteilten subjektiven Beschwerden, wie die Entzündungsneigung im Bereich der Schleimhäute und der Haut sowie die Infektanfälligkeit, hätten zwar nicht objektiviert werden können, seien aber glaubhaft. Diese seien jedoch ebenso wie die geltend gemachten Veränderungen des Bindegewebes und der Haarausfall mit Wahrscheinlichkeit auf die Macumar-Medikation zurückzuführen.

Die Prozessbevollmächtigte des Klägers beantragt,

  1. 1.

    den Bescheid der Beklagten vom 27.06.2013 abzuändern und den Widerspruchsbescheid vom 17.10.2013 aufzuheben,

  2. 2.

    die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger eine Rente zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Entscheidung lagen die Gerichtsakten und die Akten der Beklagten zugrunde. Auf ihren Inhalt wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die angefochtenen Entscheidungen der Beklagten sind rechtmäßig, da ein Anspruch auf eine Rentengewährung nicht besteht.

Voraussetzung für die Gewährung einer Rente ist eine versicherungsfallbedingte MdE i. H. v. mindestens 20 % (§ 56 Abs. 1 S. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (= SGB VII)). Sofern ein sog. Stützrententatbestand vorliegt - ein solcher ist hier allerdings nicht ersichtlich -, würde auch eine MdE i. H. v. 10 % ausreichen. Bei der Einschätzung der MdE im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung ist zunächst der Grundsatz der abstrakten Schadensbemessung zu beachten. Dies bedeutet, dass mit der Rente nicht ein Vermögensschaden oder eine Einkommenseinbuße konkret ausgeglichen werden. Es kommt auch grundsätzlich nicht darauf an, ob ein Versicherter mit den Folgen des Versicherungsfalls weiterhin seine bisherige Tätigkeit ausüben kann. Das versicherte Rechtsgut ist vielmehr der Verlust der Wettbewerbsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (vgl. Bereiter-Hahn/Mertens, Kommentar, § 56 SGB VII, Rz. 10). Entscheidend für die Höhe der MdE ist dabei in erster Linie die objektiv nachgewiesene funktionelle Beeinträchtigung aufgrund des durch den Versicherungsfall verursachten Körperschadens (vgl. Bereiter-Hahn/Mehrtens, a. a. O., § 56 SGB VII, Rz. 10.2.; LSG Niedersachsen, Urt. v. 18.09.2003 - L 6 U 418/02). Schließlich ist zu beachten, dass Renten an Versicherte erst von dem Tag an gezahlt werden, der auf den Tag folgt, an dem der Anspruch auf Verletztengeld endet (§ 72 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII).

Die Voraussetzungen für eine Rentengewährung sind beim Kläger nach dem Ende der Verletztengeldzahlung zum 28.02.2011 nicht erfüllt. Nach dem überzeugenden Gutachten von Dr. M. vom 19.08.2010 bestehen bereits seit Ende 2010 aufgrund der BK 3101 keine funktionellen Einschränkungen mehr. Vielmehr hat das Immunsystem des Klägers die CMV-Virusinfektion überwunden, so dass diese ausgeheilt ist. Es existieren daher weder direkte noch mittelbaren Folgen der CMV-Infektion. Insbesondere ist es infolge der CMV-Infektion weder zu einer Schädigung des Blutbildes noch der Organsysteme, des Herzens, der Leber, der Gallenwege, der Bauchspeicheldrüse oder der Nieren gekommen. Auch eine Milzvergrößerung liegt nicht mehr vor. Zwar sind einzelne Unterschenkelvenen (rechts mehr als links) als Folgezustand der durchgemachten Thrombosen insuffizient. Hierdurch ergibt sich allerdings keine Leistungseinschränkung. Aufgrund der Gefahr einer erneuten Thrombosebildung ist der Kläger zwar zur Gerinnungshemmung auf eine Macumar-Medikation angewiesen. Diese kann jedoch nicht als Folge der BK 3101 anerkannt werden. Zum einen existiert nach der herrschenden wissenschaftlichen Lehrmeinung keine Korrelation zwischen dem gehäuften Auftreten von Thrombosen und einer CMV-Virusinfektion. Zum anderen beruht diese Gefährdung beim Kläger auf der anlagebedingten Thromboseneigung für die die angeborene Faktor-V-Mutation verantwortlich ist. Da nach den schlüssigen Ausführungen von Dr. M. allein aus diesem Grund auch jedes andere, alltäglich vorkommende Ereignis dazu führen kann, dass sich beim Kläger eine Thrombose bildet - wie es bereits im Jahr 2009 geschehen ist - kann die CMV-Infektion auch nicht als wesentliche Teilursache der Thromboseneigung angesehen werden (vgl. BSGE 62, 220 ff. [BSG 27.10.1987 - 2 RU 35/87]). Die vom Kläger mitgeteilten subjektiven Beschwerden, wie die Entzündungsneigung im Bereich der Schleimhäute und der Haut, die Infektanfälligkeit sowie die Veränderungen des Bindegewebes und der Haarausfall, sind wiederum mit Wahrscheinlichkeit auf die Macumar-Medikation zurückzuführen, so dass es sich auch insoweit nicht um Folgen der anerkannten BK 3101 handelt.

Die Entscheidung konnte durch Gerichtsbescheid erfolgen, da der Sachverhalt, soweit er für die Entscheidung von Bedeutung ist, geklärt ist und die Beteiligten hierzu gehört wurden (§ 105 SGG). Die Beteiligten haben sich mit dieser Entscheidungsform auch einverstanden erklärt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.