Sozialgericht Lüneburg
Beschl. v. 05.06.2015, Az.: S 2 U 41/15 ER
Beitragspflicht und Versicherungspflicht eines landwirtschaftlichen Unternehmers i.R.d. Aussetzung der Vollziehung des Forderungsbescheids
Bibliographie
- Gericht
- SG Lüneburg
- Datum
- 05.06.2015
- Aktenzeichen
- S 2 U 41/15 ER
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2015, 22640
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:SGLUENE:2015:0605.S2U41.15ER.0A
Rechtsgrundlagen
- § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2, S. 2 SGG
- § 86b Abs. 2 Nr. 1 SGG
- § 7a Abs. 7 SGB IV
Tenor:
- 1.)
Auf den Antrag des Antragstellers vom 11.03.2015 wird die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Forderungsbescheid der Antragsgegnerin vom 30.03.2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 20.05.2015 angeordnet.
- 2.)
Die Vollziehung des Forderungsbescheids der Antragsgegnerin vom 30.03.2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 20.05.2015 wird ausgesetzt.
- 3.)
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
- 4.)
Der Beschluss ist unanfechtbar.
Gründe
I.)
Der Antragsteller begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen einen Forderungsbescheid bzw. die Aussetzung von dessen Vollziehung.
Der im Jahr 1969 geborene Antragsteller ist seit dem 13.01.2010 Eigentümer eines 6.023 m2 großen Grundstücks in D ... Darauf steht das von ihm als ständiger Wohnsitz genutzte Wohnhaus, um welches einige Obstbäume stehen. Der Rest besteht aus einer naturbelassenen Wiese und einzelnen Bäumen. Nach dem schriftsätzlichen Vorbringen des Antragstellers und seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung findet keine Bewirtschaftung statt.
Mit dem Bescheid vom 14.07.2011 (Zuständigkeitsbescheid) stellte die Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin, die Gartenbau-BG, ihre Zuständigkeit für das Grundstück E. sowie die Beitragspflicht mit Wirkung ab dem 01.01.2011 fest. Hiergegen sowie gegen die auf dieser Grundlage ergangenen Beitrags- und Beitragsvorschussbescheide hat der Antragsteller in der Folgezeit jeweils Widerspruch und gegen die Widerspruchsbescheide Klage beim Sozialgericht (= SG) Lüneburg erhoben. Er hat geltend gemacht, dass er kein landwirtschaftlicher Unternehmer und damit nicht versicherungs- und beitragspflichtig sei. Diese Entscheidungen der Antragsgegnerin bilden den Gegenstand des Verfahrens S 2 U 97/12.
Mit dem Bescheid vom 03.12.2014 forderte die Antragsgegnerin für das Jahr 2014 einen Beitragsvorschuss i. H. v. 48,50 EUR. Mit dem hiergegen erhobenen Widerspruch beantragte der Antragsteller gleichzeitig die Aussetzung der Vollziehung dieses Bescheids. Mit dem Bescheid vom 13.01.2015 wurde der Antrag abgelehnt. Mit dem Widerspruchsbescheid vom 11.02. 2015 wurde der Widerspruch gegen den Bescheid vom 03.12.2014 zurückgewiesen. Hiergegen hat der Antragsteller am 11.03.2015 beim SG Lüneburg Klage erhoben (S 2 U 40/15). Außerdem hat er beantragt, die Nichtigkeit der Bescheide vom 03.12.2014, des Widerspruchsbescheids vom 11.02.2015, des Bescheids vom 13.01.2015 und des Mahnschreibens vom 03.02.2015 festzustellen. Mit dem Beschluss vom 28.04.2015 wurden die Rechtsstreite S 2 U 97/12 und S 2 U 40/15 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Führend blieb das Aktenzeichen S 2 U 97/12. Im Urteil vom 26.05.2015 hat das SG Lüneburg im Verfahren S 2 U 97/12 folgende Entscheidung getroffen:
1.) Die Bescheide der Beklagten vom 14.07.2011 (Zuständigkeitsbescheid) und vom 23.04.2012 (Umlage 2011) sowie der Widerspruchsbescheid vom 11.06.2012 werden aufgehoben.
2.) Der Bescheid der Beklagten vom 24.04.2013 (Umlage 2012 und Beitragsvorschuss für 2013) und den Widerspruchsbescheid vom 16.07.2013 werden aufgehoben.
3.) Der Bescheid der Beklagten vom 04.07.2013 (Forderungsbescheid) und der Widerspruchsbescheid vom 20.08.2013 werden aufgehoben.
4.) Der Bescheid der Beklagten vom 03.12.2014 (Beitragsvorschussbescheid 2014) und der Widerspruchsbescheid vom 11.02.2015 werden aufgehoben.
5.) Die Vollziehung der in den Ziffern 1.) bis 4.) genannten Entscheidungen der Beklagten wird ausgesetzt.
6.) Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
7.) Die Berufung wird zugelassen.
8.) Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Eine Vereinbarung zwischen den Beteiligten dergestalt, dass die Antragsgegnerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens S 2 U 97/12 eine Vollziehung der Bescheide und Forderungseinzugsmaßnahme auszusetzt, kam nicht zustande.
Mit dem Bescheid vom 30.03.2015 (Forderungsbescheid) hatte die Antragsgegnerin die Forderungen aus dem Bescheid vom 25.04.2014 zuzüglich Mahngebühren i. H. v. 0,80 EUR nochmals festgestellt. Hiergegen hatte der Antragsteller am 24.04.2015 Widerspruch erhoben und gleichzeitig die Feststellung beantragt, dass der Forderungsbescheid nichtig ist. Mit dem Bescheid vom 29.04.2015 lehnte die Antragsgegnerin diese Feststellung ab. Der Widerspruch gegen die Bescheide vom 30.03.2015 und vom 29.04.2015 wurde mit dem Widerspruchsbescheid vom 20.05.2015 zurückgewiesen. Hiergegen hat der Kläger am 26.05.2015 beim SG Lüneburg Klage erhoben (S 2 U 87/15), über die noch nicht entschieden ist.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vom 11.03.2015, der sich zunächst nur auf die Aussetzung der Vollziehung des Bescheids vom 03.12.2014, des Widerspruchsbescheids vom 11.02.2015, des Bescheids vom 13.01.2015 sowie des Mahnschreibens vom 03.02.2015 bezog, wurde mit dem Schriftsatz vom 01.04.2015 auf den Forderungsbescheid vom 30.03.2015 erweitert.
Der Antragsteller beantragt (sinngemäß),
die aufschiebende Wirkung des Rechtsmittels gegen den Bescheid vom 30.03.2015 (= Forderungsbescheid) und den Widerspruchsbescheid vom 20.05.2015 anzuordnen bzw. die Vollziehung dieser Entscheidungen auszusetzen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Der Entscheidung wurden die Gerichtsakten (S 2 U 97/12 und S 2 U 41/15 ER) und die Akten der Antragsgegnerin zugrunde gelegt. Auf ihren Inhalt wird Bezug genommen.
II.)
Der Antrag, die aufschiebende Wirkung des Rechtsmittels gegen den Bescheid vom 30.03. 2015 (= Forderungsbescheid) und den Widerspruchsbescheids vom 20.05.2015 anzuordnen bzw. die Vollziehung des Bescheids vom 30.03.2015 (= Forderungsbescheid) und des Widerspruchsbescheids vom 20.05.2015 auszusetzen, hat Erfolg.
Gem. § 86 b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen der Widerspruch oder die Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Sofern der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen oder befolgt worden ist, kann das Gericht auch die Aufhebung der Vollziehung anordnen (§ 86 b Abs. 1 S. 2 SGG). Hierbei handelt es sich um ein gegenüber der Hauptsache selbständiges Verfahren, über welches das Gericht - nach einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage sowie der wesentlichen Interessen - durch Beschluss entscheidet (§ 86 b Abs. 4 SGG; vgl. Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, 9. Aufl., § 86 b, Rz. 7, 16 c).
Da Rechtsbehelfe gegen Beitragsbescheide - einschließlich der Nebenforderungen - grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung besitzen (§ 86 a Abs. 2 Nr. 1 SGG), ist der Anwendungsbereich des § 86 b Abs. 1 S. 1 Nr. 2, S. 2 SGG im vorliegenden Fall eröffnet. Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist § 7a Abs. 7 SGB IV hier nicht einschlägig, da sich diese Vorschrift nur auf die Fallkonstellation bezieht, in der streitig ist, ob eine Beschäftigung i. S. d. § 7 SGB IV vorliegt. Die Frage, ob der Antragsteller ein Beschäftigter i. d. S. ist, stellt sich jedoch hier nicht.
Gem. § 86 a Abs. 3 S. 2 SGG soll in den Fällen des § 86 Abs. 2 Nr. 1 SGG die Aussetzung der Vollziehung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgabe- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Hier sind die Voraussetzungen der ersten Alternative erfüllt, da die Kammer im Urteil vom 26.05.2015 den Zuständigkeitsbescheid der Antragsgegnerin vom 14.07.2011 und die angegriffenen Beitrags- bzw. Beitragsvorschussbescheide aufgehoben und damit deren Rechtswidrigkeit festgestellt hat. Damit wurde auch dem Forderungsbescheid vom 30.03.2015 und dem Widerspruchsbescheid vom 20.05.2015 die rechtliche Grundlage entzogen.
Zwar hat sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung erledigt, soweit im Urteil des SG Lüneburg vom 26.05.2015 die Vollziehung der angefochtenen Bescheide ausgesetzt wurde. Der Antragsteller hat gleichwohl für das einstweilige Rechtsschutzverfahren ein weiter- bestehendes Rechtsschutzbedürfnis, da die im Urteil vom 26.05.2015 angeordnete Aussetzung der Vollziehung der Bescheide nicht den Forderungsbescheid vom 30.03.2015 und den entsprechenden Widerspruchsbescheid vom 20.05.2015 betrifft. Darüber hinaus hat sich die Antragsgegnerin nicht bereitgefunden, die Vollziehung dieser Entscheidungen bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens auszusetzen. Diese Anordnung musste daher in diesem Verfahren getroffen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO.
Der Streitwert wird in einem gesonderten Verfahren festgesetzt.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 172 Abs. 3 Nr. 1 i. V. m. § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG).