Sozialgericht Lüneburg
Urt. v. 16.03.2015, Az.: S 36 AS 58/14

Übernahme der Kosten für eine 46 qm Unterkunft und Heizung in Höhe von 466,72 EUR in Lüneburg

Bibliographie

Gericht
SG Lüneburg
Datum
16.03.2015
Aktenzeichen
S 36 AS 58/14
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2015, 22660
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:SGLUENE:2015:0316.S36AS58.14.0A

Tenor:

  1. 1.

    Der Bescheid vom 23.11.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.12.2013 wird teilweise aufgehoben und der Beklagte verurteilt, weitere 131,68 Euro an die Klägerin zu zahlen.

  2. 2.

    Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

  3. 3.

    Die Berufung wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Gewährung weiterer Kosten der Unterkunft und Heizung für den Zeitraum vom 01.01.2014 bis 30.04.2014 in Höhe von insgesamt 131,68 EUR (monatlich 32,92). Die 1952 geborene Klägerin steht im laufenden Bezug von Leistungen nach dem SGB II. Im streitgegenständlichen Zeitraum bewohnte sie eine Wohnung im F. in Lüneburg welche eine Gesamtfläche von 46,20 m2 aufwies und für die eine Gesamtmiete in Höhe von 466,72 EUR anfiel. Diese teilte sich in eine Grundmiete von 395,85 EUR und Nebenkostenvorauszahlungen in Höhe von 70,87 Euro. In der Nebenkostenvorauszahlung waren u. a. Kosten für die mit Gas betriebene Zentralheizung sowie für Warmwasser enthalten. Wie sich die Nebenkostenvorauszahlung im Einzelnen aufgliederte, war dem Mietvertrag nicht zu entnehmen. Unter dem 22.05.2012 fertigte der Beklagte einen Kostensenkungsschreiben mit dem Hinweis, dass er ab dem 01.12.2012 lediglich Kosten der Unterkunft und Heizung bis zu einer Höhe in Höhe von 358,00 EUR für Unterkunftskosten sowie Heizkosten bis zu einer Höhe von 75,00 EUR berücksichtigen werde. Mit Bescheid vom 23.11.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.05.2013 berücksichtigte der Beklagte als Grundmiete 380,85 EUR, als Nebenkosten 12,95 EUR und als Heizkosten 40,00 EUR, sodass er insgesamt für die Kosten der Unterkunft und Heizung einen Betrag in Höhe von 433,80 EUR bei der Leistungsberechnung zugrunde legte. Der Beklagte begründete dies damit, dass er angemessene Aufwendungen für die Unterkunft (Kaltmiete und Nebenkosten) von bis zu 393,80 EUR berücksichtigten könne. Als tatsächlich anfallende Heizkosten habe er einen Betrag in Höhe von 40,00 EUR monatlich angenommen, was er anhand der Jahresverbrauchsabrechnung vom 22.08.2012 für das Abrechnungsjahr 2011 errechnet habe. Mit der am 14.06.2013 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren auf Übernahme der voll zu berücksichtigenden Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 466,72 EUR weiter.

Die Klägerin beantragt,

wie erkannt.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist er auf die angefochtenen Entscheidungen. Bei der Berechnung vergleichsweise zu zahlender Heizkosten sei entgegen dem Kostensenkungsschreiben vom 22.5.2012 nicht mehr von einem Wert in Höhe von 1,50 Euro pro Quadratmeter angemessener Wohnfläche auszugehen, sondern entsprechend dem bundesweiten Betriebskostenspiegel nur noch von einem Wert in Höhe von 1 Euro. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der Entscheidungsfindung waren.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Übernahme weiterer Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe des tenorierten Betrages. Die angefochtene Entscheidung vom 21.03.2013 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 27.05.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.05.2013 ist teilweise rechtswidrig und verletzt die Klägerin insoweit in ihren Rechten. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Übernahme ihrer vollen Kosten der Unterkunft und Heizung. Der Anspruch folgt aus § 19 Abs. 1 Satz 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) i. V. m. § 22 Abs. 1 SGB II. Danach erhalten erwerbsfähige Leistungsberechtigte Arbeitslosengeld II in Form der angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen vor. Die Klägerin gehört zum nach § 7 Abs. 1 SGB II leistungsberechtigten Personenkreis und ist erwerbsfähig. Sie ist auch hilfebedürftig im Sinne von § 9 SGB II, da sie nicht in der Lage ist, ihren Lebensunterhalt ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen zusichern und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Die Höhe des zu leistenden Arbeitslosengeldes II ergibt sich für die hier streitigen Kosten der Unterkunft und Heizung aus § 22 SGB II. Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anzuerkennen, soweit diese angemessen sind. Nach § 22 Abs. 1 Satz 4 SGB II kann eine Absenkung der nach Absatz 1 unangemessenen Aufwendungen nicht gefordert werden, wenn ein Wohnungswechsel unter Berücksichtigung der anschließend vom Beklagten zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre. Dies ist hier der Fall. Die Gesamtkosten der Klägerin lagen bei 451,72 Euro, die Gesamtkosten einer angemessenen Vergleichswohnung hätten bis zu 468,80 Euro betragen dürfen. Der Vergleichswert ergibt sich aus der Summe einer monatlich maximal angemessenen Kaltmiete inklusive Betriebsnebenkosten für eine 50 m2 Wohnung im Stadtgebiet von Lüneburg, nämlich 393,80 Euro, und monatlich angemessenen Heizkosten in Höhe von 75 Euro. Eine zu zahlende Kaltmiete inklusive Nebenkosten in Höhe von bis zu 393,80 Euro wurde vom Beklagten richtig zu Grunde gelegt, da für den streitgegenständlichen Zeitraum kein schlüssiges Konzept für den Vergleichsraum existiert und daher entsprechend der ständigen Rechtsprechung auf die Werte der Wohngeldtabelle zu § 12 Wohngeldgesetz (WoGG) zuzüglich eines Sicherheitszuschlags von 10% zurückzugreifen war. Hieraus ergibt sich der obige Betrag. Der Vergleichswert von 75 Euro für angemessene Heizkosten ergibt sich aus dem Produkt von 1,50 Euro pro Quadratmeter und einer abstrakt angemessenen Wohnungsgröße von 50m2. Der Beklagte hatte richtigerweise einen Wert in Höhe von 1,50 Euro im Kostensenkungsschreiben vom 22.05.2012 angegeben. Ob die schriftliche Mitteilung im Kostensenkungsschreiben vom 22.05.2012 eine Zusicherung nach § 34 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) darstellt, kann vorliegend dahingestellt bleiben. Denn nach entsprechender höchstrichterlicher Rechtsprechung (BSG, Urteil vom 12.06.2013, B 14 AS 60/12 R, Rz. 32) ist zur Ermittlung der angemessenen Kosten für Heizung und Warmwasser der bundesweite Betriebskostenspiegel des Deutschen Mieterbundes heranzuziehen. Für das Jahr 2012 weist dieser allein für die Heizungskosten einen bundesweit durchschnittlich angefallenen Betrag in Höhe von 1,16 EUR pro Quadratmeter aus. Da seit der zum 1.1.2011 wirksamen Gesetzesänderung vom Beklagten auch die Kosten für die Warmwasserbereitung zu übernehmen sind, vgl. § 21 Abs. 7 Satz 1 i. V. m. § 22 Abs. 1 SGB II, sind auch diese in die Vergleichsberechnung mit einzubeziehen. Der Betriebskostenspiegel weist hierfür einen Betrag von 0,27 EUR pro Quadratmeter aus. Insgesamt ergibt sich daraus ein Wert von 1,43 Euro, der bei einer abstrakt angemessenen Wohnfläche von 50m2 ein Produkt von 71,50 Euro ergibt. Allein daraus ergibt sich schon eine Vergleichsbetrag von 465,30 Euro (71,50 Euro plus 393,80 Euro). Die Klägerin lag mit ihrer Gesamtmiete im Jahr 2014 in Höhe von 466,72 Euro geringfügig über diesem Betrag. Die Kosten der Klägerin sind voll zu übernehmen, weil auf den Wert von 1,43 Euro ein Aufschlag hinzuzurechnen ist. Denn der Beklagte hatte in seiner gerichtsbekannten ständigen Verwaltungspraxis zu Recht einen Wert von 1,50 Euro für den streitgegenständlichen Zeitraum 2014 gewählt. Allein schon wegen Zeitablaufs ist von einem höheren Wert auszugehen als in 2012. Zudem werden Leistungsempfänger nachdem SGB II nach dem Willen des Gesetzgebers auf das untere Wohnungssegment verwiesen, welches sich typischer Weise dadurch auszeichnet, dass energetische Sanierungsmaßnahmen nicht bzw. nicht so regelmäßig erfolgen und damit höhere Kosten gerade in Bezug auf Heizung anfallen. Eine Berechnung wie vom Beklagten vorgenommen, bei der der Anteil der Nebenkostenvorauszahlungen für die Heizkosten anhand der Jahresendabrechnung ermittelt wurde, ist nicht zulässig, da mietvertraglich kein Wert allein für die Heizkosten angegeben war. Ob dies mietvertraglich zulässig war, braucht hier nicht entschieden werden, da es für die Gewährung von Kosten der Unterkunft nur auf die tatsächlich anfallenden Kosten ankommt (BSG, Urteil vom 03.03.2009, B 4 AS 37/08 R). Die Entscheidung zu den Kosten folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Berufung war nicht zuzulassen, da es sich nicht um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung handelt. Das Bundessozialgericht hat im zitierten Urteil vom 12.06.2013 umfassend zur Vorgehensweise bei Bildung eines Vergleichswerts ausgeführt. Im vorliegenden Einzelfall war diese Rechtsprechung dahingehend zu konkretisieren, dass die vom Beklagten in der Vergangenheit gepflegte Verwaltungspraxis, bei der Vergleichsberechnung der Heizkosten für das Jahr 2014 einen Wert in Höhe von 1,50 Euro pro angemessenem Quadratmeter Wohnfläche zu Grunde zu legen, nicht zu beanstanden ist.