Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 16.11.1995, Az.: 14 WF 147/95
Umfang der aus der Staatskasse zu erstattenden Auslagen; Kosten eines beigeordneten Anwalts zur Verständigung mit einer ausländischen Partei
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 16.11.1995
- Aktenzeichen
- 14 WF 147/95
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1995, 29087
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:1995:1116.14WF147.95.0A
Rechtsgrundlagen
- § 126 Abs. 1 S. 1 BRAGO
- § 128 Abs. 4 S. 1 BRAGO
Fundstelle
- JurBüro 1996, 255 (Volltext mit amtl. LS)
Amtlicher Leitsatz
Zu den aus der Staatskasse zu erstattenden Auslagen gehören die von dem beigeordneten Anwalt zur Verständigung mit einer ausländischen Partei aufgewandten Kosten.
Gründe
Die gegen den Beschluss vom 19.10.1995 gerichtete, nach § 128 Abs. 4 S. 1 BRAGO zulässige Beschwerde ist begründet und muss zur Änderung der genannten Beschlüsse führen. Denn die von dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin geltend gemachten Übersetzungskosten sind als Auslagen i.S. von § 126 Abs. 1 S. 1 BRAGO aus der Staatskasse zu vergüten.
Der Senat folgt der überwiegend in der Rechtsprechung und Literatur vertretenen Auffassung, dass zu den aus der Staatskasse zu erstattenden Auslagen die von dem beigeordneten Anwalt zur Verständigung mit einer ausländischen Partei aufgewandten Übersetzungskosten gehören, sofern die Partei die deutsche Sprache nicht beherrscht (vgl. OLG Bamberg JurBüro 1971, 263; OLG Hamburg MDR 1972, 710 [OLG Hamburg 28.04.1972 - 1 Ws 88/72]; OLG Stuttgart JurBüro 1973, 751; OLG Frankfurt NJW 1974, 2095; VGH Kassel NJW 1985, 218; LG Bochum Rpfleger 1986, 155; OLG Düsseldorf JurBüro 1986, 1374; OLG Celle FamRZ 1991, 215 [OLG Celle 20.09.1990 - 21 WF 184/90]; Gerold/Schmidt/v.Eicken/Madert/BRAGO, 12. Aufl., Rz. 10 zu § 126 BRAGO; Göttlich/Mümmler, BRAGO, 18. Aufl., Stichwort "Dolmetscher" Ziff. 2.2). Dies folgt daraus, dass die Prozesskostenhilfe als Gebot des sozialen Rechtsstaats und als Ausfluss des Anspruchs auf rechtliches Gehör gewährleisten soll, dass die arme Partei sich mit Hilfe eines Anwalts am Rechtsstreit beteiligen und sich verteidigen kann. Wenn sie die deutsche Sprache nicht beherrscht, würden ihre Rechte erheblich verletzt, wenn ihre Information in fremder Sprache dem Anwalt unverständlich bleibt. Deshalb sind bei der armen Partei, die die Übersetzung nicht bezahlen kann, die Kosten des Dolmetschers aus der Staatskasse zu tragen, und zwar auch die Kosten von Informationsschreiben an den Anwalt, damit dieser das Vorbringen der Partei dem Gericht überhaupt zu Gehör bringen kann und ein faires Verfahren gewährleistet ist (vgl. OLG Celle, a.a.O..).
Die von dem LAG Hamm (AnwBl 1985, 275 ff.) vertretene Auffassung, Dolmetscherkosten seien stets als Auslagen der bedürftigen Partei selbst zu behandeln und könnten nur bei ausdrücklicher Bewilligung im Rahmen der Prozesskostenhilfeentscheidung geltend gemacht werden, kann aus dogmatischen Gründen und Zweckmäßigkeitserwägungen nicht gefolgt werden. Denn in § 126 Abs. 2 BRAGO hat der Gesetzgeber eine Vorabentscheidung nur hinsichtlich der Reisekosten zugelassen. Da bei der Neufassung der Vorschrift im Jahre 1980 die hier fragliche Rechtsproblematik bereits bekannt war, muss davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber bewusst eine Vorabentscheidung nur hinsichtlich der Reisekosten zulassen wollte (vgl. VGH Kassel, a.a.O..; LG Bochum a.a.O..). Bei einer Vorabentscheidung über die Erstattungsfähigkeit von Dolmetscherkosten ist der Fiskus auch nicht besser geschützt als wenn darüber im Festsetzungsverfahren entscheiden wird. Denn in beiden Fällen ist dieselbe Frage zu beurteilen. Es bestünde zudem die Gefahr, dass der bedürftige Rechtssuchende erst nach einem langwierigen Bewilligungsverfahren anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen könnte (vgl. LG Bochum, a.a.O..).
Im vorliegenden Verfahren hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin glaubhaft gemacht, dass die geltend gemachten Kosten zur Übersetzung von eigenen Informationsschreiben an die Mutter der minderjährigen Klägerin und von Informationsschreiben der Mutter der Klägerin selber im Rahmen des Unterhaltsrechtsstreits aufgewandt worden sind. Dafür, dass die Mutter der Klägerin genügend Deutschkenntnisse hat, um die Korrespondenz mit dem beigeordneten Anwalt in deutscher Sprach zu führen, ist nichts ersichtlich. Da die von dem beigordneten Anwalt aufgewandten Übersetzungskosten somit zur zweckentsprechenden Rechtsvertretung der Klägerin notwendig waren, sind sie dem Grunde nach erstattungsfähig.
Der Höhe nach ist nicht ersichtlich, dass das geltend gemachte Zeilenhonorar überhöht ist. Die Übersetzungskosten von insgesamt 418,60 DM sind daher aus der Staatskasse zu vergüten.