Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 03.11.1995, Az.: 5 W 187/95
Ersetzung der Einwilligung zur Adoption durch Genehmigung des Vormundschaftsgerichts; Pflicht zur Anhörung des nichtehelichen Vaters vor der Genehmigung der Adoption durch die Großeltern; Anforderungen an ein echtes Eltern-Kind-Verhältnis bei einer Großeltern-Enkel-Adoption
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 03.11.1995
- Aktenzeichen
- 5 W 187/95
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1995, 20429
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:1995:1103.5W187.95.0A
Rechtsgrundlage
- § l746 Abs. 3 BGB
Fundstellen
- FGPrax 1996, 59
- FamRZ 1996, 895 (Volltext mit amtl. LS)
- JuS 1996, 1033
- MDR 1996, 173 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW-RR 1996, 709-710 (Volltext mit amtl. LS)
Amtlicher Leitsatz
Zur Frage der Ersetzung der Einwilligung zur Adoption durch Genehmigung des Vormundschaftsgerichts.
Gründe
Die Beteiligten zu 2) - Eltern der Beteiligten zu l) und Großeltern der Betroffenen - erstreben im Einverständnis mit der Beteiligten zu l) und dem nichtehelichen Vater der Betroffenen die Adoption der Betroffenen. Der Beteiligte zu 3) - Amtspfleger der Betroffenen gemäß § l709 BGB - hat die erforderliche Einwilligung für das Kind gemäß § l746 Abs. l BGB verweigert.
Das Vormundschaftsgericht hat die daraufhin gem. § l746 Abs. 3 BGB nachgesuchte Ersetzung dieser Einwilligung abgelehnt. Durch den angefochtenen hiermit in Bezug genommenen Beschluß hat das Landgericht die dagegen erhobene Beschwerde zurückgewiesen. Mit der dagegen gerichteten weiteren Beschwerde verfolgen die Antragsteller ihr Ersetzungsbegehren weiter.
Die weitere Beschwerde ist gemäß §§ 27, 29 Abs. l S. l und 2 FGG zulässig. In der Sache bleibt ihr im Ergebnis der Erfolg versagt. Beide Vorinstanzen haben ihre Entscheidung ohne Anhörung der Beteiligten zu l) und 2) getroffen. Das war verfahrensfehlerhaft. Im Verfahren über die Ersetzung einer Einwilligung zur Adoption erfolgen die Anhörungen zunächst im Rahmen der notwendigen Sachaufklärung gemäß § l2 FGG. Sie kann in der Regel nur unterbleiben, wenn ein sachlicher Beitrag bei der Entscheidungsfindung nicht in Betracht kommt. Das ist bei den Beurteilungskriterien für die Ersetzungsentscheidung gemäß §§ l746 Abs. 3, l74l Abs. l BGB - Kindeswohl, Entstehung eines Eltern-Kind-Verhältnisses - in Bezug auf die Beteiligten nur in Ausnahmefällen denkbar. Von der gemäß § 5O a Abs. l FGG vorgeschriebenen Anhörung der Kindesmutter dürfte gemäß § 5O a Abs. 3 FGG nur bei hier nicht gegebenen schwerwiegenden Gründen abgesehen werden.
Inwieweit auch der nichteheliche Vater anzuhören gewesen wäre (vgl. BayObLG FamRZ l989, l336, l338) kann offenbleiben. Eine persönliche Anhörung des Kindes gemäß §§ 5O b Abs. l, 55 c FGG konnte dagegen unterbleiben, da es zur Zeit der Entscheidung erst etwa 2 Jahre alt war.
Trotz dieses Verfahrensfehlers war dem Senat als Rechtsbeschwerdegericht eine Entscheidung in der Sache möglich, da die Versagung der Ersetzung durch die Instanzgerichte darauf nicht beruht. Die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung darf nur erteilt werden, wenn die Adoption dem Wohl des Kindes dient und die begründete Erwartung besteht, daß zwischen den Annehmenden und dem Kind ein echtes Eltern-Kind-Verhältnis entsteht. Bei einer wie hier erstrebten Großeltern-Enkel-Adoption sind, obwohl der Gesetzgeber diese Möglichkeit nicht ganz ausgeschlossen hat (arg. e. § l756 Abs. l BGB), an die Bejahung dieser Genehmigungsbedingungen strenge Voraussetzungen zu stellen. Die Verwandtenadoption begründet notwendigerweise künstliche Verwandtschaftsverhältnisse anstelle von natürlichen. Auf diesem Boden entsteht ebenso zwangsläufig ein Konfliktpotential, das insbesondere wegen der regelmäßig völlig offenen Entwicklungen in den Verhältnissen und Befindlichkeiten aller Beteiligten nur ausnahmsweise mit dem Kindeswohl zu vereinbaren sein wird und eine positive Prognose der Entstehung eines echten Eltern-Kind-Verhältnisses erlaubt (vgl. nur OLG Hamm, FamRZ l968, llO; OLG Celle, Nds. Rpfl. l966, l49; Staudinger/Frank, BGB, l2. Aufl.,§ l74l Rdn. 2O-22; Münch.Komm.- Lüderitz, BGB, 2. Aufl., § l74l Rdn. 22). Das bloße Einverständnis von Kindesmutter, nichtehelichem Vater und Großeltern reicht dafür entgegen der Ansicht der weiteren Beschwerde keinesfalls.
Die Entwicklung der erst 21 Jahre alten Kindesmutter ist nicht abzuschätzen. Trotz ihres jetzt erfolgten Auszuges aus der elterlichen Wohnung lebt sie weiter im örtlichen Umfeld ihres Kindes und ihrer Eltern. Welche Vorstellungen und Empfindungen das Kind zu seiner leiblichen Mutter in den Jahren entwickeln wird, ist jeglicher Vorhersage entzogen. Diese in keiner Weise einzuschätzende Entwicklung kann aber wiederum Einfluß auf die der Kindesmutter haben, die dann mit den Adoptionsinteressen der Großeltern kollidieren können. Besteht aber insgesamt die nicht bloß theoretische Möglichkeit, daß mit einer jetzt getroffenen Adoptionsentscheidung Konflikte geschaffen werden, die in einem absehbaren Zeitraum den Kindesinteressen und der Prognose über das Kindschaftsverhältnis zu den (natürlichen) Großeltern nicht (mehr) entsprechen, besteht für die Ablehnung der Einwilligungsersetzung ein triftiger Grund gemäß §§ l746 Abs. 3, l74l Abs. l BGB.
Zum Schutz einer gesicherten Lebensstellung der Betroffenen reichen die im übrigen bestehenden vormundschaftsrechtlichen Möglichkeiten. Wegen des in Fallgestaltungen wie dieser, einer Adoption, immanenten Konfliktpotentials scheidet diese Maßnahme zur (momentanen) Regelung und Stabilisierung der Beziehungen aus. Etwaige eigene Interessen der Beteiligten zu 2) in Richtung auf eine Kindschaftsbeziehung haben sich dem unterzuordnen und fallen insoweit nicht ins Gewicht.