Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 24.02.1999, Az.: III 362/92

Gesellschaftssteuer für freiwillige Gesellschafterleistungen nach zuvor geschlossenem Gewinnabführungsvertrag; Leistungen eines Gesellschafters in der Gestalt zinsloser Gesellschafterdarlehen; Fehlende Auswirkungen der künftigen Verluste der Gesellschaft auf den Umfang ihres Gesellschaftsvermögens als Resultat des Ergebnisabführungsvertrages

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
24.02.1999
Aktenzeichen
III 362/92
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1999, 19475
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:1999:0224.III362.92.0A

Fundstelle

  • UVR 2000, 21

Verfahrensgegenstand

Gesellschaftsteuer

Amtlicher Leitsatz

Freiwillige Gesellschafterleistungen nach zuvor geschlossenem Gewinnabführungsvertrag unterliegen nicht der Gesellschaftsteuer (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c KVStG).

Der III. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts hat
nach mündlicher Verhandlung
in der Sitzung vom 24. Februar 1999,
fürRecht erkannt:

Tenor:

Der Gesellschaftsteuerbescheid vom 19. März 1991 und der Einspruchsbescheid vom 15. April 1992 werden aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der an die Klägerin zu erstattenden Kosten abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Gewährung zinsloser Gesellschafterdarlehen bei Bestehen eines Beherrschungs- und Ergebnisabführungvertrages gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 4 c ... Kapitalverkehrsteuergesetz (KVStG) der Gesellschaftsteuer unterliegt.

2

Die K. wurde im Jahr 1979 errichtet. Ihr Stammkapital betrug seit dem 8. Dezember 1986 ... DM und seit dem 1. Februar 1990 ... DM. Alleinige Gesellschafter der K. waren im Jahr 1990 die ... und die GmbH. Diese beiden Gesellschafter hatten sich durch Vertrag vom 17./18. Dezember 1986 bezüglich der Gesellschaftsrechte an der K. zwecks einheitlicher Willensbildung zur ...-Gesellschaft bürgerlichen Rechts (im folgenden: ... GbR) zusammengeschlossen. Ebenfalls durch Vertrag vom 17./18. Dezember 1986 hatte die ... GbR mit der K. mit Wirkung ab 1. Januar 1987 einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag abgeschlossen. Danach handelte die K. in ihrer Geschäftstätigkeit ausschließlich nach dem Willen der ... GbR als herrschender Gesellschaft. Nach § 3 des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags war die K. verpflichtet, die während der Laufzeit dieses Vertrages entstehenden jährlichen Gewinne an die ... GbR abzuführen. Die GbR verpflichtete sich ihrerseits, jeden während der Laufzeit dieses Vertrages entstehenden Jahresfehlbetrag der K. auszugleichen, soweit dieser nicht durch Entnahmen aus freien Rücklagen gedeckt werde, die während der Vertragsdauer gebildet wurden. Im Jahre 1990 hatte die K. von ihren Gesellschaftern unverzinsliche Gesellschafterdarlehen erhalten. Der Wert dieser Leistung betrug unstreitig ... DM. Durch Gesellschaftsteuerbescheid vom 19. März 1991 setzte das beklagte Finanzamt (FA) gegen die K. für diese Leistung Gesellschaftsteuer von ... DM fest. Den hiergegen erhobenen Einspruch wies das FA durch Bescheid vom 15. April 1992 als unbegründet zurück.

3

Hiergegen richtet sich die Klage, zu deren Begründung die K. vorträgt:

4

Die angegriffenen Bescheide verstießen gegen Art. 4 Abs. 2 b der Richtlinie 69/335/EWG vom 17. Juli 1969 (Amtsblatt L 249/25 vom 3. Oktober 1969 und das zur Auslegung dieser Vorschrift ergangene EuGH-Urteil vom 28. März 1990 - RS C 38/88 - UVR 1990, 216). Der hier fragliche Verzicht auf eine angemessene Verzinsung der Gesellschafterdarlehen sei mit Rücksicht auf den zuvor abgeschlossenen Gewinnabführungsvertrag nicht geeignet, den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen. Mit Abschluss des Gewinnabführungsvertrages sei vielmehr das Gesellschaftsvermögen hinsichtlich etwaiger Veränderungen an dem von der Gesellschaft erwirtschafteten Ergebnis festgeschrieben, so dass sich Gewinne oder Verluste nicht mehr auf den Wert der Gesellschaftsrechte hätten auswirken können.

5

Die K. beantragt,

den Gesellschaftsteuerbescheid vom 19. März 1991 und den Einspruchsbescheid vom 15. April 1992 aufzuheben,

6

hilfsweise,

im Fall des Unterliegens die Revision zuzulassen.

7

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen,

8

hilfsweise,

im Fall des Unterliegens die Revision zuzulassen.

9

Es bleibt bei seiner im Einspruchsverfahren vertretenen Rechtsauffassung, dass § 2 Abs. 1 Nr. 4 c KVStG der Besteuerung von Leistungen eines Gesellschafters in der Gestalt zinsloser Gesellschafterdarlehen auch bei Bestehen eines Gewinnabführungsvertrages nicht entgegenstehe und trägt ergänzend vor: Der hier zu beurteilende Sachverhalt entspreche im wesentlichen demjenigen, der dem BFH-Urteil vom 27. März 1991 (I R 43/90 BStBl II 1992, 37) zugrunde gelegen habe. Demgemäß seien die fraglichen Gesellschafterleistungen auch im Streitfall geeignet, den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen. Das zur Verlustübernahme ergangene EuGH-Urteil vom 28. März 1990, a.a.O., könne nicht auf freiwillige Gesellschafterleistungenübertragen werden, weil insoweit - anders als bei einer Verlustübernahme kraft Verlustübernahmeverpflichtung - kein rechtlicher Zusammenhang zwischen der Verpflichtung und ihrer Erfüllung bestehe. Im Fall freiwilliger Gesellschafterleistungen - wie hier - sei zwischen dem Ergebnisabführungsvertrag und der freiwilligen Gesellschafterleistung ein lediglich wirtschaftlicher Zusammenhang gegeben, der wegen der für die Gesellschaftsteuer maßgebenden rechtlichen Betrachtungsweise nichts an der Steuerpflicht ändere.

10

Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im einzelnen wird auf die zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze sowie die beim FA geführten Kapitalverkehrssteuerakten (...) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

11

Die Klage ist begründet.

12

In der zinslosen Überlassung der Nutzung des Kapitals durch den Gesellschafter an die Kapitalgesellschaft kann grundsätzlich eine der Gesellschaftsteuer unterliegende freiwillige Leistung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 4 c KVStG liegen (BFH-Urteile vom 31. Januar 1979 II R 46/77, BStBl II 1979, 382; vom 27. März 1991, a.a.O). Auch nach Art. 4 Abs. 2 b der Richtlinie 69/335/EWG ist es grundsätzlich zulässig, ein der Gesellschaft gewährtes zinsloses Darlehen mit dem Nutzungswert der Gesellschaftsteuer zu unterwerfen (EuGH-Urteil vom 5. Februar 1991 - Rs C - 249/89 - HFR 1991, 375). Nach den vorstehenden Bestimmungen kommt jedoch eine Gesellschaftsteuerpflicht nur dann in Betracht, wenn durch die Leistung eines Gesellschafters eine Erhöhung des Werts der Gesellschaftsanteile eintritt. Die Auslegung dieses Merkmals hat sich an den rechtlichen Vorgaben zu orientieren, die sich aus der zu Art. 4 Abs. 2 b der Richtlinie 69/335/EWG ergangenen in EuGH-Rechtsprechung ergeben.

13

Eine Erhöhung des Werts der Gesellschaftsrechte gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 4 c KVStG bzw. Art. 4 Abs. 2 b der Richtlinie 69/335/EWG kommt nur bei Leistungen eines Gesellschafters in Betracht, die es einer Kapitalgesellschaft ermöglichen, ihr Gesellschaftsvermögen zu erhöhen, ohne gleichzeitig ihr Kapital zu erhöhen (EuGH-Urteil vom 28. März 1990, a.a.O.). Das entscheidende Kriterium dafür, ob ein Vorgang der Kapitalansammlung der Gesellschaftsteuer unterworfen werden kann, besteht in der Stärkung des Wirtschaftspotentials der Gesellschaft (EuGH-Urteil vom 5. Februar 1991, a.a.O.; BFH-Urteil vom 27. März 1991, a.a.O.). Für den Fall eines - wie hier - abgeschlossenen Gewinnabführungsvertrags hat der EuGH entschieden, dass die Übernahme von Verlusten einer Gesellschaft durch einen Gesellschafter im Rahmen eines Ergebnisabführungsvertrages, der vor der Feststellung dieser Verluste geschlossen worden ist, nicht das Gesellschaftsvermögen dieser Gesellschaft im Sinne des Art. 4 Abs. 2 b der Richtlinie 69/335/EWG erhöht. Eine entsprechende Verpflichtung im Rahmen eines Ergebnisabführungsvertrages hat vielmehr zur Folge, dass sich die künftigen Verluste der Gesellschaft nicht auf den Umfang ihres Gesellschaftsvermögens auswirken werden. Nach diesen Grundsätzen fehlt ebenso auch freiwilligen Gesellschafterleistungen nach einem - wie hier - zuvor geschlossenen Ergebnisabführungsvertrages die Eignung, den Wert der Gesellschaftsanteile zu erhöhen (Gast, UVR 1991, 239; vgl. auch BFH-Beschluss vom 28. Juli 1993 I B 64/93, BFH/NV 1994, 262). Auch in diesem Fall kann sich, da die freiwilligen Gesellschafterleistungen (lediglich) zu einer Gewinnerhöhung vor Gewinnabführung führen, eine Auswirkung auf den Umfang des Gesellschaftvermögens nicht ergeben. Die vom FA in Bezug auf einen Ergebnisabführungsvertrag geltend gemachte Unterscheidung zwischen einer rechtlichen Verpflichtung zur Verlustübernahme und eines lediglich wirtschaftlichen Zusammenhangs bei freiwilligen Gesellschafterleistungen ist für die Auslegung des Merkmals der Geeignetheit zur Erhöhung des Wertes der Gesellschaftsrechte ohne Bedeutung. Denn diese Differenzierung vermag nichts daran zu ändern, dass es in beiden Fällen an der für die Frage einer Erhöhung des Werts der Gesellschaftsanteile allein entscheidenden Stärkung des Wirtschaftspotentials der Gesellschaft fehlt. Im übrigen beruft sich das beklagte FA für seinen gegenteiligen Standpunkt ohne Erfolg auf das BFH-Urteil vom 27. März 1991, a.a.O., weil dieses die Gesellschaftsteuerpflicht eines Zuschusses der Gesellschafter an die Gesellschaft betraf, der - anders als im Streitfall - außerhalb einer bestehenden Verlustübernahmeverpflichtung zu einer Erhöhung des Eigenkapitals der Gesellschaft führte.

14

Die angegriffenen Bescheide waren hiernach aufzuheben.

15

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 1 und 3 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozeßordnung (ZPO).

16

Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Zwar hat eine Rechtssache, wenn sie - wie hier - ausgelaufenes Recht betrifft, im allgemeinen keine grundsätzliche Bedeutung (vgl. Gräber, Kommentar zur FGO 4. Aufl. 1997, § 115 Rz. 12 n.w.N.). Da jedoch nach dem Vorbringen der Beteiligten eine größere Zahl gleichgelagerter Fälle von der abschließenden Klärung der hier aufgeworfenen Rechtsfrage abhängt und diese Rechtsfrage - soweit ersichtlich - vom BFH noch nicht geklärt ist, hat der Senat die Revision im Interesse der Rechtseinheit zugelassen.