Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 23.02.1999, Az.: VI 279/96
Aufschiebend bedingte Verbesserungsverpflichtungen als Dauerschulden; Schuldrechtliche Rückbeziehung vertraglicher Folgen auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 23.02.1999
- Aktenzeichen
- VI 279/96
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1999, 20538
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1999:0223.VI279.96.0A
Rechtsgrundlagen
- § 8 Nr. 1 GewStG
- § 158 Abs. 1 BGB
- § 159 BGB
Fundstellen
- NWB DokSt 2000, 1057
- NWB DokSt 2000, 635
Verfahrensgegenstand
Gewerbesteuermeßbetrag 1990
Redaktioneller Leitsatz
Zinszahlungen liegen auch dann Verbindlichkeiten in Form von Dauerschulden i.S.d. § 8 Nr. 1 Gewerbesteuergesetz (GewStG) zugrunde, wenn die Rückzahlung -hier des Darlehensbetrages- nebst Zinsen aufschiebend bedingt ist, mit Bedingungseintritt die Verpflichtung auf anteilige oder volle Rückzahlung des Darlehens (Zuschusses) nebst darauf entfallenden Zinsen für den Zeitraum ab Abschluss der jeweiligen Vereinbarung entsteht und nach dem Inhalt der Vereinbarung die an den Eintritt der Bedingung geknüpften Folgen auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zurückbezogen werden sollen.
In dem Rechtsstreit
hat der VI. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts
nach mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 23. Februar 1999, an der mitgewirkt haben:
Richter am Finanzgericht ... als Vorsitzender ...
Richter am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
ehrenamtlicher Richter ...Bäckermeister
ehrenamtlicher Richter ... Tierarzt
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten
des Rechtsstreits zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Beurteilung aufschiebend bedingter Verbesserungsverpflichtungen als Dauerschulden im Sinne des § 8 Nr. 1 Gewerbesteuergesetz.
Die Klägerin betreibt seit ihrer Gründung am 3. Januar 1980 in R ein Unternehmen zur Ausführung von Baugeschäften aller Art. Als Gesellschafter sind an ihr K mit einem Geschäftsanteil von 30.000,00 DM sowie M mit einem Gesellschaftsanteil von 20.000,00 DM beteiligt.
Am 15. Januar 1980 gewährte das Einzelunternehmen K Massivbau der Klägerin ein Darlehen über 100.000,00 DM mit einer Laufzeit von drei Monaten, die zweimal verlängert wurde. Nachdem die Vertragsparteien erkannt hatten, das eine Rückzahlung zum Vertragsende nicht erfolgen konnte, schlossen sie am 15.12.1980 eine Vereinbarung mit dem Inhalt, dass das Einzelunternehmen K auf seine Forderung zum 31.12.1980 dadurch verzichtet, dass es der Klägerin einen einmaligen Zuschuss in Höhe des Darlehens gewährt. Die Klägerin verpflichtete sich im Gegenzug unter der aufschiebenden Bedingung künftiger Jahresüberschüsse oder eines etwaigen Liquiditätsüberschusses dazu, den Zuschuss nebst 10-prozentiger Jahresverzinsung mit diesen Mitteln auszugleichen. Wegen des genauen Wortlauts der Vereinbarung wird auf die Vertragsurkunde vom 15.12.1980 (Bl. 10 der Finanzgerichtsakte) Bezug genommen.
Am 2.12.1982 vereinbarten die Vertragsparteien einen zweiten Verzicht zum 31.12.1982 über weitere Forderungen des Einzelunternehmens K gegen die Klägerin in Höhe von 150.000,00 DM. Die vertraglichen Regelungen entsprechen der ersten Vereinbarungen. Wegen des genauen Wortlauts der Vereinbarung wird auf die Vertragsurkunde vom 02.12.1982 (Bl. 11 der Finanzgerichtsakte) Bezug genommen.
Die Klägerin erwirtschaftete in den Geschäftsjahren 1983, 1985 bis 1989 jeweils Jahresüberschüsse, die sich insgesamt auf rund 64.000,00 DM beliefen. Eine Tilgung des Darlehens nebst Zinsen unterblieb. Aus den vorläufigen Jahresüberschüssen des Wirtschaftsjahres 1990 in Höhe von 220.000,00 DM zahlte die Klägerin an das Einzelunternehmen K entsprechend den Vereinbarungen Zinsen in dieser Höhe (10 Prozent auf 100.000,00 DM für 10 Jahre sowie 150.000,00 DM für 8 Jahre), die sie als Betriebsausgaben gewinnmindernd berücksichtigte.
Der Beklagte erließ im Anschluss an eine bei der Klägerin durchgeführte Außenprüfung am 7.9.1993 einen Änderungsbescheid über den einheitlichen Gewerbesteuermessbetrag für 1990. Darin setzte er den Messbetrag von 7495,00 DM, der auf einem Gewerbeertrag unter Hinzurechnung von 50 Prozent der in 1990 gezahlten Zinsen, also 110.000,00 DM, beruhte, fest. Den gegen diesen Bescheid eingelegten Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsbescheid vom 22. April 1996 als unbegründet zurück.
Der Beklagte führte darin aus, dass sich der Dauerschuldcharakter der Verpflichtungen darin zeige, dass die Schuldaufnahmen, die Gegenstand der Verzichtserklärungen von 1980 und 1982 waren, nicht nur der vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals gedient hätten. Das Eigenkapital wandele sichim Zeitpunkt des Bedingungseintrittes in Fremdkapital um, indem die bis dahin schwebend unwirksame Verpflichtung als Verbindlichkeit wiederauflebe. Allein auf dieser steuerlichen Beurteilung sei die Zinsberücksichtigung für die zurückliegenden Jahre zulässig.
Mit ihrer hiergegen erhobenen Klage begehrt die Klägerin die Verringerung des Gewerbesteuermeßbetrages um die Hinzurechnung im Sinne des § 8 Nr. 1 Gewerbesteuergesetz. Sie ist der Ansicht, die gezahlten Zinsen seien keine Entgelte für Schulden im Sinne des § 8 Nr. 1 Gewerbesteuergesetz. Die Ausführungen des Beklagten träfen nicht zu, da formal keine auflösend bedingten Verzichtserklärungen abgegeben worden seien. Stattdessen seien unbedingte Verzichte und aufschiebend bedingte Verpflichtungenvereinbart worden, so dass eine Schuld zum 31.12.1990 noch gar nicht entstanden sei. Im übrigen sei zu diesem Zeitpunkt auch kein Eigenkapital vorhanden gewesen, welches sich in Fremdkapital hätte umwandeln können. Die rückwirkende Verpflichtung zur Zinszahlung ergebe sich allein aus der Vereinbarung nach § 159 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Von einer Zahlung in den früheren Überschussjahren habe man im Einvernehmen mit den Vertragspartner aus Verhältnismäßigkeitsgründen Abstand genommen.
Soweit überhaupt auf einen Veranlassungszusammenhang mit dem durch Verzicht untergegangenen Verbindlichkeiten abzustellen sei, spreche dies jedenfalls gegen die Berücksichtigung im Rahmen des § 8 Nr. 1 Gewerbesteuergesetz. Denn die Schuld aus dem Jahr 1980 sei ein kurzfristiges Darlehen mit einer Laufzeit von drei Monaten gewesen, dass zweimal um jeweils drei Monate prolongiert worden sei. Die Verbindlichkeiten aus dem Jahr 1982 rührten aus geleisteten Abschlagszahlungen des Einzelunternehmens K an die Klägerin her.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des Einspruchsbescheids vom 22. April 1996 und Änderung des Gewerbesteuermessbescheides vom 7. September 1993 den einheitlichen Gewerbesteuermessbetrag für den Erhebungszeitraum 1990 von 7.495,00 DM um 5.500,00 DM auf 1.995,00 DM herabzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält an seiner im Einspruchsbescheid vertretenen Rechtsauffassung fest und trägt ergänzend vor, die Klägerin widerspreche sich selbst, wenn sie auf unbedingten Forderungsverzichten bestehe, da sie in ihrer Stellungnahme zu den Betriebsprüfungsberichten von bedingten Verzichten gesprochen habe. Im übrigen seien die Grundsätze des BFH-Urteils vom 30.5.1990 (BStBl. II- 1991, 588) anwendbar, da die wirtschaftlichen Folgen eines auflösend bedingten Verzichts mit dem eines aufschiebend bedingten Entstehens einer Verpflichtung identisch seien. Außerdem hätten die Klägerin und ihr Vertragspartner nicht tatsächlich durchgeführt, da es aus den Jahresüberschüssen der Vorjahre keine Schuldtilgung oder Zinszahlung erfolgt sei.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Der Beklagte hat bei Ermittlung des einheitlichen Gewerbesteuermessbetrages von 1990 zu Recht 50 v.H. der streitigen Zinsen hinzugerechnet, da es sich hierbei um Entgelte für Dauerschulden im Sinne des § 8 Nr. 1 Gewerbesteuergesetz handelt.
Gemäß § 8 Nr. 1 Gewerbesteuergesetz sind die Entgelte für Dauerschulden, soweit sie bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt worden sind, dem Gewinn zur Hälfte wieder hinzuzurechnen. Dauerschulden sind die Schulden, die wirtschaftlich mit der Gründung oder dem Erwerb des Betriebs (Teilbetriebs) oder eines Anteils am Betrieb oder eine Erweiterung oder Verbesserung des Betriebs zusammenhängen oder der nicht nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals dienen. Keine Dauerschulden sind Verbindlichkeiten des laufenden Geschäftsverkehrs. Sie sind nach ständiger Rechtsprechung in der Regel dadurch gekennzeichnet, das ihr Entstehen wirtschaftlich eng mit einzelnen bestimmbaren,nach Art des Betriebes immer wiederkehrenden und nicht die Anschaffung oder Herstellung von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens betreffenden Geschäftvorfällen zusammenhängen. Dieser Zusammenhang bleibt bis zur Tilgung der Schuld erhalten. Die Verbindlichkeit wird innerhalb der nach Art des laufenden Geschäftsvorfalls allgemein üblichen Frist getilgt (vgl. BFH-Urteil vom 30.7.1997 I R 55/96, BStBl. II 1997, 824; BFHE 183, 219).
Die den Zinszahlungen zugrunde liegenden Verbindlichkeiten sind Dauerschulden im Sinne des § 8 Nr. 1 Gewerbesteuergesetz. Zwar liegt der Vereinbarung vom 15.12.1980 eine auf drei Monate begrenzte und später verlängerte, also kurzfristige Kreditgewährung zugrunde. Die Verbindlichkeiten der Vereinbarung vom 2.12.1982 beruhten auf Geschäftsvorfällen aus dem laufenden Geschäftsverkehr zum Einzelunternehmen des Hauptgesellschafters. Diese Verbindlichkeiten gingen jedoch durch die Gewährung des Zuschusses in gleicher Höhe unter. Dabei kann letztlich unentschieden bleiben, ob zivilrechtlich ein Erlass der Darlehensforderung (Verzicht), eine Aufrechnung mit einem schenkweise eingeräumten Zuschuss jeweils unter Entstehung einer Gegenleistungsverpflichtung erfolgte oder lediglich die Darlehensforderung durch Novation in eine aus den künftigen Jahresüberschüssen zu leistende Verbindlichkeit umgewandelt wurde. In allen Fällen entstand durch die Vereinbarung eine neue rechtlich selbständige Verbindlichkeit, deren zeitliche Dauer unbestimmt war, mindestens jedoch länger als ein Jahr betragen musste. Denn eine Zahlung aus den künftigen Jahresüberschüssen setzt jeweils voraus, dass nach Ablauf des Wirtschaftsjahres die Jahresabschlüsse erstellt und festgestellt wurden. So wurde etwa der Jahresabschluss auf den 31.12.1981 am 14.10.1982, auf den 31.12.1982 am 20.4.1983 und auf den 31.12.1983 am 8.6.1984 erstellt. Durch die oben genannten Vereinbarungen wurdenfolglich neue langfristige Verbindlichkeiten begründet, die Dauerschuldcharakter aufweisen.
Dem steht nicht entgegen, dass die Rückzahlung des Darlehensbetrages nebst Zinsen aufschiebend bedingt war. Dabei wird nicht übersehen, dass an den in die Zeit bis zum Eintritt der Bedingung fallenden Bilanzstichtagen keine voll wirksame Verbindlichkeit der Klägerin gegenüber dem Einzelunternehmen und damit auch keine Zinsverpflichtung bestanden hat. Denn die von den Vertragsparteien vereinbarte aufschiebende Bedingung hatte gemäß § 158 Abs. 1 BGB zur Folge, dass das Rechtsgeschäft erst mit Bedingungseintritt Wirkung entfaltete und vorher lediglich eine Anwartschaftsrecht bestand.
Mit Bedingungseintritt entstand jedoch die Verpflichtung der Klägerin auf anteilige oder volle Rückzahlung des Darlehens (Zuschusses) nebst darauf entfallenden Zinsen für den Zeitraum ab Abschluss der jeweiligen Vereinbarung.
Nach den Vereinbarungen der Vertragsparteien sollten mit Bedingungseintritt die Verpflichtung entstehen, die Zuschüsse nebst 10 v.H. Zinsen pro Jahr auszugleichen. Die Zinsverpflichtung war an das Bestehen einer Darlehensverbindlichkeit gebunden und von ihr abhängig. Dies entspricht dem rechtlichen Charakter von Zinsen als Gegenleistung des Darlehensnehmers. Dementsprechend wäre die mit dem Jahresüberschuss von 220.000,00 DM entstandene Zahlungsverpflichtung der Klägerin aufzuteilen gewesen, in einem Teilbetrag aus entstandener Rückzahlungsverpflichtung und einem Teilbetrag als darauf entfallende Zinsverpflichtung. Ob demgegenüber die Vereinbarungen vom 15.12.1980 und 2.12.1982 dahingehend zu verstehen sind, dass im Zeitpunkt des Bedingungseintrittes lediglich die Zinsverpflichtung vorrangig zu erfüllen waren, kann letztlich dahinstehen, weil auch in diesem Fall mit dem Bedingungseintritt die "Darlehensverbindlichkeiten" zivilrechtlich entstehen mussten.
Hieraus ergibt sich zugleich, dass nach dem Inhalt der Vereinbarung die an den Eintritt der Bedingung geknüpften Folgen auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zurückbezogen werden sollten. Diese schuldrechtliche Rückbeziehung der vertraglichen Folgen im Sinne des § 159 BGB ist steuerrechtlich zulässig (vgl. BFH-Urteil vom 30.5 1990 I R 41/87, BStBl. II 1991, 588; BFHE 161, 87).
Zivilrechtlich werden die Vertragsparteien so gestellt, als ob die schuldrechtliche Verpflichtung von Anfang an bestanden hätte. Diese Wirkung ist auch steuerrechtlich maßgeblich. Denn durch die schuldrechtliche Rückbeziehung wird die Klägerin verpflichtet, für einen längerer Zeitraum Entgelte für die Überlassung von Darlehensmitteln zu zahlen. Gerade an diese schuldrechtliche Situation knüpft der Tatbestand des § 8 Nr. 1 Gewerbesteuergesetz an, so dass die Hinzurechnung zu Recht erfolgte.
Der Senat kann es dahingestellt sein lassen, ob anteilige Darlehenstilgungen und Zinszahlungen bereits aus den Jahresüberschüssen der Jahre 1983, 1985 bis 1989 hätten erfolgen müssen, da eine Verringerung des Betriebsausgabenabzugs wegen Nichtberücksichtigung eines Teils der Zinsen zu einem höheren Messbetrag als bei Hinzurechnung der Hälfte der Zinsen führen würde.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 zuzulassen.