Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 24.02.1999, Az.: III 334/94
Zahlung von Erbschaftssteuer für Auszahlungsbeträge aus einem Lebensversicherungsvertrag; Feststellungslast des Bezugsberechtigten, dass er selbst die Versicherungsprämien gezahlt hat; Voraussetzungen für einen Erwerb von Todes wegen; Vorliegen einer freigebigen Zuwendung im Verhältnis zwischen dem Versprechensempfänger und dem begünstigten Dritten
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 24.02.1999
- Aktenzeichen
- III 334/94
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1999, 19473
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1999:0224.III334.94.0A
Rechtsgrundlagen
- § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG
- § 166 Abs. 2 VVG
Fundstellen
- DStRE 2000, 710-712 (Volltext mit amtl. LS)
- NWB 1999, 3573
Verfahrensgegenstand
Erbschaftsteuer
Amtlicher Leitsatz
Hat der Bezugsberechtigte aus einem Lebensversicherungsvertrag aufgrund der von ihm selbst gezahlten Versicherungsprämien gegenüber dem Versicherungsempfänger einen Rechtsanspruch auf Auszahlung der Versicherungssumme, unterliegt der Erwerb des Bezugsberechtigten nicht gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG der Erbschaftssteuer. Der Bezugsberechtigte trägt die Feststellungslast dafür, daß er selbst die Versicherungsprämien gezahlt hat.
Der III. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts hat
nach mündlicher Verhandlung
in der Sitzung vom 24. Februar 1999, ...
fürRecht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob ein Erwerb des Kl die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG erfüllt.
Die am 18. August 1991 verstorbene ... - im folgenden: Erblasserin - hatte 1987 mit der A.-Versicherung einen Lebensversicherungsvertrag über eine Versicherungssumme von 100.000 DM mit Unfall-Zusatz Versicherung abgeschlossen. Bezugsberechtigt aus diesem Vertrag war im Erlebensfall die Erblasserin und für den Fall ihres Ablebens der Kl. Die Erblasserin hatte mit der A. ferner einen Unfallversicherungsvertrag abgeschlossen, aus dem ebenfalls der Kl bezugsberechtigt war. Nach einem tödlichen Unfall der Erblasserin am 18. August 1991 zahlte die A.-Versicherung an den Kl. aus dem geschlossenen Lebensversicherungsvertrag insgesamt ... DM und ferner aus dem Unfallversicherungsvertrag ... DM, insgesamt ... DM. Nach Mitteilung der A.-Versicherung an das beklagte Finanzamt - FA - wurde der Einlösungsbetrag aus dem Lebensversicherungsvertrag an sie am 17. Februar 1988 von der Erblasserin überwiesen. Die Jahresprämien von 1988, 1989 und 1991 wurden bei einem Kreditinstitut in bar eingezahlt und an die A. weitergeleitet. Für den Jahresbeitrag 1990 ist nach Mitteilung der A.-Versicherung eine Überweisung über ein Konto bei der Sparkasse B.-W. erfolgt. Der Kl. hatte der Erblasserin am 10. Februar 1988 einen Betrag von DM überwiesen.
Das FA setzte gegen den Kl. durch Bescheid vom 24. November 1992 Erbschaftsteuer von ... DM fest. Es legte hierbei unter Abzug eines vom Kl. an die Mutter der Erblasserin überwiesenen Betrags von ... DM sowie eines Freibetrags von 3.000 DM einen steuerpflichtigen Erwerb von ... DM zugrunde. Mit seinem hiergegen erhobenen Einspruch machte der Kl. geltend, dass er sich bei Abschluss der fraglichen Versicherungsverträge zur Tragung der jährlich fälligen Versicherungsprämien verpflichtet und diese auch tatsächlich gezahlt habe. Die Versicherungsprämien seien jeweils durch ihn oder - mit seinen Mitteln - durch die Erblasserin bar bezahlt worden. Dies folge auch aus seiner Überweisung vom 10. Februar 1988 über ... DM an die Erblasserin, die diese zur Begleichung des Einlösungsbetrags der Lebensversicherung verwendet habe. Die Erblasserin sei auch aufgrund ihrer Einkommensverhältnisse nicht in der Lage gewesen, die jeweils fälligen Jahresprämien zu entrichten. Das FA wies den Einspruch durch Bescheid vom 15. Juli 1994 mit folgender Begründung als unbegründet zurück: Der Erwerb des Kl. unterliege unabhängig davon, wer die Versicherungsprämien gezahlt habe, gem. § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG der Erbschaftsteuer. Die Ansprüche aus den Lebensversicherungsverträgen hätten bis zu ihrem Tod zum Vermögen der Erblasserin gehört, da für den Kl. aus diesen Verträgen keine Bezugsberechtigung im Erlebensfall der Erblasserin bestanden habe.
Hiergegen richtet sich die Klage, zu deren Begründung der Kl. vorträgt: Da die Prämienzahlungen aus seinen eigenen Mitteln erfolgt seien, sei er nicht durch Aufwendungen aus dem Vermögen der Erblasserin bereichert. Das stehe der Steuerpflicht aus § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG entgegen.
Der Kl. beantragt,
den Erbschaftsteuerbescheid vom 24. November 1992 und den Einspruchsbescheid vom 15. Juli 1994 ersatzlos aufzuheben.
Das FA beantragt,
die Klage zurückzuweisen.
Es tritt dem Vorbringen des Klägers entgegen.
Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im einzelnen wird auf die zu der Gerichtsakte gereichten Schriftsätze und die beim FA angeführten Erbschaftsteuerakte (St.-Nr. ...) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat keinen Erfolg.
Gem. § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG gilt als Erwerb von Todes wegen jeder Vermögensvorteil, der aufgrund eines vom Erblasser geschlossenen Vertrags, bei dessen Tode von einem Dritten unmittelbar erworben wird. Wird - wie im Streitfall - eine Lebensversicherung auf die Person des Versicherungsnehmers genommen, und hat der Versicherungsnehmer einen Dritten als Bezugsberechtigten bezeichnet, entsteht gem. § 166 Abs. 2 VVG der Anspruch auf die Versicherungssumme als Vermögensvorteil i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG unmittelbar in der Person des Bezugsberechtigten. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall bezgl. der an den Kl. ausgezahlten Versicherungssummen aus den von der Erblasserin geschlossenen Versicherungsverträgen erfüllt.
Dem Begehren des Kl., die empfangenen Versicherungssummen mit Rücksicht auf die aus seinem Vermögen entrichteten Versicherungsprämien als nicht gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG steuerbar zu behandeln, folgt der Senat nicht. Für die Steuerpflicht aus § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG ist entscheidend, ob im Verhältnis zwischen dem Versprechensempfänger (d.h. dem Versicherungsnehmer) und dem begünstigten Dritten eine freigebige Zuwendung vorliegt. Die Zuwendung in diesem Valutaverhältnis unterliegt der Steuerpflicht aus § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG mithin dann, wenn in diesem Verhältnis alle objektiven und subjektiven Merkmale des steuerlichen Zuwendungstatbestands erfüllt sind (vgl. Troll/Gebel/Jülicher, Kommentar zum ErbStG, Loseblatt Stand 31. Juli 1998, § 3 Rz. 278 m.w.N.).
Soweit der bezugsberechtigte Dritte selbst die Prämien zahlt, geht die Rechtsprechung bezgl. einer Steuerpflicht der dem Dritten zugeflossenen Versicherungssumme von unterschiedlichen Rechtsgrundsätzen aus. Zum einen (so FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 16.12.1993, 4 K 1130/93 EFG 1994 S. 665; ebenso Troll/Gebel/Jülicher a.a.O.§ 3 Rz. 293; Gebel UVR 1993 S. 141) wird die Steuerbarkeit der im Versicherungsfall ausgezahlten Versicherungssumme generell verneint, wenn der Bezugsberechtigte die Versicherungsprämien selbst gezahlt hat und sich somit die im Versicherungsfall ausgezahlte Versicherungssumme als Ergebnis der eigenen Prämienzahlungen des Bezugsberechtigten darstellt. Zum anderen wird die Auffassung vertreten, dass der Erwerb des Anspruchs auf Auszahlung einer Lebensversicherungssumme durch einen Bezugsberechtigten, der die Versicherungsprämien anstelle des Versicherungsnehmers ganz oder teilweise getragen hat, grundsätzlich § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG unterliegt. Die Steuerbarkeit soll nur dann ausnahmsweise entfallen, wenn z.B. der Bezugsberechtigte im Innenverhältnis bei wirtschaftlicher Betrachtung die Stellung eines Versicherungsnehmers innehat, oder wenn er seinen Anspruch entgeltlich erworben hat (so Hessisches FG, Urteil vom 11. April 1989 X 182-183/82, EFG 1989 S. 518).
Der Senat neigt grundsätzlich deshalb zu der letztgenannten Auffassung, weil allein die Zahlung der Versicherungsprämien durch den Bezugsberechtigten noch nicht zwingend - so z.B. dann nicht, wenn der Bezugsberechtigte dem Versicherungsnehmer die Mittel zur Prämienzahlung lediglich darlehnsweise zur Verfügung stellt - eine in dem Umfang der Versicherungssumme liegende steuerbare Bereicherung auf Kosten des Versicherungsnehmers ausschließt. Für den Senat ist daher entscheidend, ob im Valutaverhältnis eine freigebige Zuwendung festzustellen ist (vgl. auch BFH-Urteil vom 27. November 1985 II R 159/82, BFH/NV 1986 S. 672). Diese Frage lässt sich jedoch nicht allein aufgrund der erfolgten Prämienzahlung durch den Bezugsberechtigten, sondern nur auf der Grundlage der gesamten Rechtsbeziehungen zwischen Versicherungsnehmer und Bedachtem beantworten. Insoweit dürfte auch zwischen den beiden vorgenannten unterschiedlichen Standpunkten der finanzgerichtlichen Rechtsprechung letzlich insofern Übereinstimmung bestehen, als der Bezug der Versicherungsleistung durch den Bezugsberechtigten nur bei einem durch die eigenen Prämienzahlungen begründetenRechtsanspruch gegenüber dem Versprechensempfänger die Steuerbarkeit von § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG ausschließt.
Der Senat ist des weiteren der Auffassung, dass der Bezugsberechtigte für einen solchen - seine Bereicherung ausschließenden - Sachverhalt die Feststellungslast trägt. Grundsätzlich trägt zwar das FA die Feststellungslast für sämtliche Merkmale des schenkungsteuerlichen Zuwendungstatbestands (BFH-Urteil vom 5. März 1980 II R 148/76 BStBl II 1980 S. 402; Troll/Gebel/Jülicher a.a.O. § 7 Rz. 285 ff m.w.N.). Das muss auch für § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG in Bezug auf die geforderte Unentgeltlichkeit der Zuwendung im Valutaverhältnis gelten. Sprechen insoweit Tatsachen und Umstände für das Vorliegen einer freigebigen Zuwendung und beruft sich der Bezugsberechtigte auf einen seine Bereicherung ausschließenden Sachverhalt, d.h. einen kraft eigener Prämienzahlung entgeltlich erworbenen Rechtsanspruch gegenüber dem Versprechensempfänger auf Auszahlung der Versicherungssumme, so muss der Bezugsberechtigte diesen Sachverhalt beweisen; insoweit verbleibende Zweifel gehen zu Lasten des Bezugsberechtigten (vgl. auch BFH-Urteil vom 5. März 1980 a.a.O.; Troll/Gebel/Jülicher a.a.O. Rz. 286 m.w.N.).
Unter Zugrundelegung des vorstehenden Maßstabs sind im Streitfall die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG erfüllt. Der Kl ist durch Auszahlung der fraglichen Versicherungssummen objektiv bereichert. Denn er hatte auf die Auszahlung der Versicherungsleistungen gegenüber der Erblasserin weder einen Rechtsanspruch noch war insoweit die Auszahlung an den Kl mit einer anderweitigen Gegenleistung der Erblasserin verknüpft. Ein Rechtsanspruch des Kl. ergibt sich insbesondere nicht daraus, dass er nach seinem Vorbringen die fraglichen Versicherungsprämien gezahlt hat. Insoweit konnte der Kl. schon nicht den Nachweis führen, dass überhaupt die fraglichen Versicherungsprämien von ihm selbst gezahlt wurden oder aus seinem Vermögen stammten. Nach den Angaben der A.-Versicherung und der von ihr vorgelegten Unterlagen ist die erste Prämie für die Lebensversicherung i. H. v. ... DM am 17. Februar 1988 von der Erblasserin selbst überwiesen worden. Bezgl. der im übrigen erfolgten Bareinzahlungen der Versicherungsprämien sowie der im Jahre 1990 erfolgtenÜberweisung von einem Konto der Sparkasse B.-W. hat der Kl. lediglich behauptet, diese Zahlungen selbst getätigt zu haben; Belege und der Unterlagen hierfür hat er indes nicht vorlegen können. Der Senat kann aufgrund dieses Sachverhalts bereits nicht die Feststellung treffen, dass die Versicherungsprämien überhaupt vom Kl. gezahlt wurden und insoweit eine Entreicherung der Erblasserin in Bezug auf die fraglichen Versicherungsansprüche ausscheidet.
Der objektiven Unentgeltlichkeit der dem Kl. von der Erblasserin zugewendeten Versicherungsleistungen steht auch nicht der Umstand entgegen, dass der Kl. seinerseits der Erblasserin in nicht unerheblichem Umfang Geldmittel zugewendet hat und dass die Erblasserin möglicherweise aus diesen ihr zugewendeten Beträgen die fraglichen Versicherungsprämien bezahlt hat. Nach den Angaben des Kl. in der mündlichen Verhandlung dienten seine finanziellen Zuwendungen an die Erblasserin dazu, deren Wohnungs- und Lebenshaltungskosten mit abzudecken. Für einen Rechtsanspruch der Erblasserin gegenüber dem Kl. auf eine Zuwendung von Geldmitteln in Höhe der Versicherungsprämien oder für einen Anspruch des Kl. auf Auszahlung der Versicherungsleistungen ist nach Aktenlage und nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung nichts ersichtlich. Der Kl. hat hierzu in der mündlichen Verhandlung selbst eingeräumt, dass eine schriftliche Vereinbarung über einen von ihm zu tragenden Unterhalt oder von ihm zu tragende andere Aufwendungen, insbesondere auch der Lebensversicherungsprämien, mit der Erblasserin nicht geschlossen worden sei. Die weitere Erklärung des Kl in der mündlichen Verhandlung, dass mit den abgeschlossenen Versicherungen eine Verbesserung der späteren Versorgungssituation für ihn und die Erblasserin habe erreicht werden sollen, deutet nach Ansicht des Senats auf eine in der nichtehelichen Lebensgelebensfall hinsichtlich der Versicherungsleistungen bezugsberechtigt war. Die für die Benennung des Kl. maßgebliche Motivationslage der Erblasserin - etwa in bezug auf eine verbesserte Versorgung im Alter gemeinsam mit dem Kl. - ist für den subjektiven Tatbestand der freigebigen Zuwendung unerheblich.
Rechtliche Bedenken gegen die angegriffenen Bescheide bestehen im übrigen nicht. Der den angegriffenen Bescheiden zugrunde gelegte steuerpflichtige Erwerb ist der Höhe nach zwischen den Beteiligten unstreitig.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Die Revision war zuzulassen, weil die Rechtssache im Hinblick auf die erbschaftsteuerliche Behandlung von Versicherungsverträgen zugunsten Dritter im Fall vom Bezugsberechtigten behaupteter Prämienzahlungen grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).