Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 17.02.1999, Az.: IX 178/93
Erhöhung des Aufgabegewinns um den gemeinen Wert der Milchreferenzmenge; Ermittlung des Gewinns aus der Aufgabe eines Grünlandbetriebs; Der gemeine Wert des Grund und Bodens und der Milchreferenzmenge; Der nach § 55 Abs. 1 EStG (Einkommenssteuergesetz) ermittelte Wert des Grund und Bodens ; Behandlung einer Milchreferenzmenge bei der Ermittlung des Aufgabegewinns
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 17.02.1999
- Aktenzeichen
- IX 178/93
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1999, 19472
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1999:0217.IX178.93.0A
Rechtsgrundlagen
- § 55 Abs. 1 EStG
- § 55 Abs. 6 EStG
Fundstelle
- DStRE 2000, 126-127 (Volltext mit amtl. LS)
Verfahrensgegenstand
Behandlung einer Milchreferenzmenge bei der Ermittlung des Aufgabegewinns
Einkommensteuer 1988
In dem Rechtsstreit
hat der IX. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts
im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung
in der Sitzung vom 17. Februar 1999,
an der mitgewirkt haben:
Richter am Finanzgericht ...als Vorsitzender ...
Richter am Finanzgericht ...
Richter ...
ehrenamtlicher Richter Dipl.-Betriebswirt
ehrenamtlicher Richter Amtsrat
fürRecht erkannt:
Tenor:
Der Einkommensteuerbescheid 1988 vom 17. Mai 1995 wird in der Weise geändert, daß die Einkommensteuer nach einem um 321.487 DM verminderten Aufgabegewinn aus Land- und Forstwirtschaft festgesetzt wird.
Die Neuberechnung der Steuerfestsetzung wird nach § 100 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung dem Beklagtenübertragen. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der zu erstattenden Kosten abwenden, wenn nicht die Kläger zuvor entsprechend Sicherheit leisten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob und wie eine Milchreferenzmenge bei der Ermittlung eines landwirtschaftlichen Aufgabegewinns zu berücksichtigen ist.
Die Kläger sind Eheleute. Sie wurden im Streitjahr 1988 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Der Kläger bewirtschaftete bis zum 30. April 1981 einen ca. 50 ha großen landwirtschaftlichen Milchviehbetrieb, den er zum 1. April 1988 für eine Jahrespacht von 36.000 DM auf zwölf Jahre verpachtete. Die dem klägerischen Betrieb zustehende Milchreferenzmenge ging auf den Pächter über. Dem Beklagten (Finanzamt - FA -) gegenüber erklärte der Kläger die Aufgabe des Betriebs.
Den Aufgabegewinn zum 31. März 1988 ermittelte der buchführende Kläger mit 210.037,40 DM. Dabei berücksichtigte er die Milchreferenzmenge und das Grünland nicht. Lediglich die Hofstelle (ca. 2.000 qm) ging in die Ermittlung des Aufgabegewinns ein.
Nach einer Außenprüfung folgte das FA dieser Gewinnermittlung nicht, sondern erhöhte - neben anderen hier nicht streitigen Positionen - den Aufgabegewinn um den Wert der Milchreferenzmenge, den es mit 321.487 DM ansetzte. Das FA ging davon aus, daß die Milchreferenzmenge als immaterielles Wirtschaftsgut in das Privatvermögen des Klägers übergegangen und deshalb bei der Ermittlung des Aufgabegewinns zu berücksichtigen sei.
Der gegen den Änderungsbescheid erhobene Einspruch blieb erfolglos. Mit der Klage begehren die Kläger weiter, die Milchreferenzmenge nicht in den Aufgabegewinn einzubeziehen. Im übrigen wenden sie sich auch gegen die Art der Ermittlung des gemeinen Werts der Referenzmenge.
Zwischen den Beteiligten besteht Einvernehmen darüber, daß der Buchwert des Grund und Bodens im Sinne des § 55 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) mit Fortentwicklung bis zum Stichtag der Betriebsaufgabe am 31. März 1988 1.940.028,36 DM beträgt. Den gemeinen Wert zum Aufgabezeitpunkt nehmen die Beteiligten übereinstimmend mit 1.137.000 DM an.
Die Kläger sind mit dem FA darin einig, daß es sich bei der Milchreferenzmenge um ein immaterielles Wirtschaftsgut handele. Dieses sei jedoch nicht ins Privatvermögen übernommen worden. Es bleibe vielmehr auch nach Aufgabe des Betriebs - ähnlich einem Geschäftswert - dem Betriebsvermögen verhaftet. Die Milchreferenzmenge dürfe deshalb nicht bei der Ermittlung des Aufgabegewinns berücksichtigt werden.
Das FA hat den angefochtenen Steuerbescheid im Klageverfahren geändert. Die Kläger haben den Änderungsbescheid gemäß § 68 Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Verfahrens erklärt.
Die Kläger beantragen,
den Einkommensteuerbescheid 1988 vom 17. Mai 1995 zuändern und die Steuer nach einem um 321.487 DM verminderten Aufgabegewinn aus Land- und Forstwirtschaft niedriger festzusetzen.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es bleibt bei seiner im Einspruchsverfahren vertretenen Auffassung, die Milchreferenzmenge sei ein immaterielles Wirtschaftsgut, das bei Aufgabe des Betriebs in das Privatvermögen übernommen worden sei. Der gemeine Wert dieses Wirtschaftsguts sei mit 1 DM je Kilo, im Streitfall also mit 321.487 DM anzusetzen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Der angefochtene Einkommensteuerbescheid 1988 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten, denn das FA hat den Aufgabegewinn unzutreffend um den gemeinen Wert der Milchreferenzmenge erhöht.
Der Senat weist zur Begründung auf die, den Beteiligten bekannten, Entscheidungen des Bundesfinanzhofs vom 5. März 1998 IV R 23/96 (HFR 1998, 739) und vom 5. März 1998 IV R 8/95 (HFR 1998, 742) hin. Nach diesen Entscheidungen ist bei der Ermittlung des Gewinns aus der Aufgabe eines Grünlandbetriebs der gemeine Wert des Grund und Bodens und der Referenzmenge dem nach § 55 Abs. 1 EStG ermittelten Wert des Grund und Bodens gegenüberzustellen. Landwirte, die Grund und Boden samt derzugehörigen Milchreferenzmenge veräußern bzw. ihren Betrieb im Rahmen einer Verpachtung aufgeben, dürfen danach steuerlich nicht schlechter gestellt werden als sie bei einer Aufgabe vor Einführung der Milchreferenzmenge standen. Dies gebietet nach dem BFH, die auf den Grund und Boden und die Referenzmenge entfallenden Werte zusammenzuzählen und den dadurch erhaltenen Betrag dem doppelten Ausgangswert des § 55 Abs. 1 EStG gegenüberzustellen. Der Senat schließt sich dieser Rechtsauffassung an.
Im Streitfall ergibt sich danach die folgende Berechnung:
gemeiner Wert des Grund und Bodens | 1.137.000,00 DM |
---|---|
gemeiner Wert Milchquote | 321.487,00 DM |
Summe: | 1.458.487,00 DM |
./. Ausgangswert i.S.d. § 55 Abs. 1 EStG | 1.940.028,36 DM | |
---|---|---|
Aufgabegewinn des Grund und Bodens | ./. | 481.541,00 DM. |
Der sich ergebende Verlust ist nach § 55 Abs. 6 EStG nicht zu berücksichtigen. Der erkennende Senat sieht sich nicht durch das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 22. April 1998 II 66/95 (n.v.) und die dagegen eingelegten Revision zum Bundesfinanzhof an seiner Entscheidung gehindert. Dem II. Senat des Niedersächsichen Finanzgerichts konnten am 22. April 1998 die Urteile des Bundesfinanzhofs vom 5. März 1998 noch nicht bekannt sein.
Nachdem diese höchstrichterlichen Urteile nunmehr veröffentlicht sind und sie der Senat für zutreffend hält, war es geboten, dieser Rechtsauffassung zu folgen.
Eines Ruhens des Verfahrens bis zur Entscheidung über die gegen das Urteil des II. Senats eingelegte Revision bedurfte es deshalb nicht.
Ebenso sah sich der Senat nicht zu einer Aussetzung des Verfahrens veranlaßt, weil möglicherweise in der gegenwärtigen Steuerreformdiskussion eine Änderung der hier streitigen Problematik zu erwarten ist. Zunächst ist ungewiß, ob und wie eine solcheÄnderung in das Gesetzgebungsverfahren einfließen wird. Zum anderen weist die Klägerseite zutreffend darauf hin, daß sich gesetzlicheÄnderungen nicht auf das hier anhängige Streitjahr 1988 auswirken werden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 151 Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozeßordnung (ZPO).