Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 24.02.1999, Az.: IV 106/98 Ki

Ermittlung der Einkommensgrenze bei Bewerbung um einen Ausbildungsplatz vor Beendigung eines laufenden Arbeitsverhältnisses

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
24.02.1999
Aktenzeichen
IV 106/98 Ki
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1999, 18012
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:1999:0224.IV106.98KI.0A

Tatbestand

1

Streitig ist, ob dem Kläger für die Monate April bis Dezember 1997 Kindergeld für seinen Sohn M... zusteht.

2

Der am 20. November 1971 geborene M... war bei der Firma C... ... GmbH ... tätig. Das Arbeitsverhältnis wurde aufgrund fristgerechter Kündigung durch die Arbeitgeberin vom 21. Januar 1997 zum 31. März 1997 beendet. Das monatliche Gehalt betrug zuletzt 2.500,00 DM brutto. In der Folgezeit war M... arbeitslos. Seit Februar 1997 hatte er sich um einen Ausbildungsplatz bemüht. Am 30. Juli 1997 schloss er mit der Firma ... W... einen Vertag über eine Berufsausbildung ab, mit der er am 1. Februar 1998 begonnen hat.

3

In der Zeit von Februar bis Dezember 1997 hat M... folgende Einkünfte bzw. Bezüge erzielt:

Bruttoarbeitslohn für Februar und März 19975.000,00 DM
Arbeitslosengeld für April bis September 19976.130,80 DM
Arbeitslosenhilfe für Oktober bis Dezember 19972.706,60 DM
zusammen13.837,40 DM
abzüglich Kostenpauschale./. 360,00 DM
abzüglich Werbungskostenpauschale./. 1.333,33 DM
Einkünfte und Bezüge12.144,07 DM
4

Am 25. November 1997 hat der Kläger mit Einverständnis seiner Ehefrau und Mutter von M... bei der beklagten Familienkasse (FK) Kindergeld für die Zeit ab April 1997 beantragt. Die FK lehnte den Antrag durch Bescheid vom 20. Januar 1998 ab, weil die Einkünfte bzw. Bezüge von M... in der Zeit von Februar bis Dezember 1997 die maßgebliche Einkommensgrenze des § 32 Abs. 4 EStG von 11.000,00 DM überstiegen hätten.

5

Dagegen richtet sich nach erfolglos gebliebenem Vorfahren die Klage. Die FK habe die Monate Februar und März 1997 bei der Berechnung der Einkommensgrenze des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG nicht miteinbeziehen dürfen. M... habe in diesen beiden Monaten eine Ausbildung wegen seines Arbeitsverhältnisses nicht aufnehmen können. Der Zeitraum für die Ermittlung der Einkommensgrenze habe daher erst mit Beginn der Arbeitslosigkeit am 1. April 1997 begonnen. Innerhalb des maßgeblichen Zeitraums vom 1. April bis 31. Dezember 1997 hätten die Bezüge von M... unterhalb der maßgeblichen Grenze von 9.000,00 DM gelegen.

6

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des Einspruchsbescheides vom 26. Juni 1998 und des Ablehnungsbescheides vom 20. Januar 1998 dem Kläger für den Zeitraum 01.04.1997 bis 31.12.1997 für den Sohn M... Kindergeld in Höhe von 220,00 DM pro Monat zu gewähren.

7

Die FK beantragt,

die Klage abzuweisen.

8

Da M... bereits ab Februar 1997 ausbildungswillig gewesen sei, sei er ab diesem Zeitpunkt ein nach § 32 Abs. 4 Nr. 2c EStG zu berücksichtigendes Kind. Die Einkommensgrenze des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG sei daher zu Recht für die Zeit ab Februar 1997 berechnet worden.

Gründe

9

Die Klage ist zu einem wesentlichen Teil begründet.

10

Dem Kläger ist für den Sohn M... für die Zeit ab Mai bis Dezember 1997 Kindergeld in der beantragten Höhe von monatlich 220,00 DM zu gewähren (§§ 62, 63, 66 Abs. 1 und 2 EStG). Demgegenüber ist der Kindergeldanspruch für den Monat April 1997 wegen Ver-säumung der Sechsmonatsfrist des § 66 Abs. 3 EStG zu versagen.

11

1.

Die FK hat bei der Ermittlung der Bemessungsgrenze des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG zu Unrecht die Bezüge von M... aus dem Arbeitsverhältnis für die Monate Februar und März 1997 miteinbezogen.

12

Ein Anspruchsberechtigter (§§ 62, 63 EStG) hat Anspruch auf Kindergeld für das mit ihm im ersten Grad verwandte Kind, wenn es das 18. aber noch nicht das 27. Lebensjahr vollendet hat und eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2c EStG). Ein solches Kind wird allerdings nur berücksichtigt, wenn es Einkünfte und Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind, von nicht mehr als 12.000,00 DM im Kalenderjahr hat (§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG). Für jeden Kalendermonat, in dem die Voraussetzungen für eine Berücksichtigung u.a. nach Satz 1 Nr. 2c nicht vorliegen, ermäßigt sich der Betrag nach Satz 2 um ein Zwölftel (§ 32 Abs. 4 Satz 6 EStG). Einkünfte und Bezüge des Kindes, die auf diese Kalendermonate entfallen, bleiben außer Ansatz (§ 32 Abs. 4 Satz 7 EStG).

13

Die Anspruchsvoraussetzungen des § 32 Satz 1 Abs. 4 Nr. 2c EStG sind grundsätzlich in dem Augenblick erfüllt, in dem sich das Kind ernstlich um einen Ausbildungsplatz bemüht. Dabei wird jedoch unterstellt, dass das Kind auf einen Ausbildungsplatz warten muss, es selbst aber der Ausbildung zur Verfügung steht. Ein Kind steht der Ausbildung nicht zur Verfügung, so lange es trotz seines ernstlichen Bemühens um einen Ausbildungsplatz aus rechtlichen Gründen an dem Beginn der Ausbildung gehindert ist, weil es beispielsweise (noch) in einem festen Arbeitsverhältnis steht. Würde man mit der FK unter Berufung auf die DA 63.3.4 Abs. 1 Satz 2 vom 09.04.1998 (BStBl I 1998, 389 ff. 418) - bei Auslegung des § 32 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2c EStG allein auf das ernstliche Bemühen um einen Ausbildungsplatz abstellen, so würde im Ergebnis das von der Allgemeinheit erwartete ausbildungswillige Verhalten eines Kindes durch das Kindergeldrecht konterkariert. Denn der Anspruchsberechtigte würde bestraft, wenn sich das Kind strebsam verhält und sich nach Kündigung jedoch noch vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses um einen Ausbildungsplatz bemüht.

14

Die Anwendung dieser Grundsätze im Streitfall ergibt, dass die Voraussetzungen für den Anspruch des Klägers auf Kindergeld nach § 32 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2c EStG dem Grunde nach erst ab dem 1. April 1997 erfüllt sind. Denn erst ab diesem Zeitpunkt konnte M... seine Berufsausbildung nur mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen. In der Zeit davor konnte M... mit einer Berufsausbildung deshalb nicht beginnen, weil er in einem festen Arbeitsverhältnis stand. Dass in dieser Zeit auch kein Ausbildungsplatz zur Verfügung stand, ist ohne Belang.

15

Die kindergeldschädliche Einkommensgrenze, die hiernach gemäß § 32 Abs. 4 Sätze 2 und 6 EStG für die Zeit von April bis Dezember 1997 zu ermitteln war, beträgt 9.000,00 DM. Diese Grenze wurde nicht überschritten. Denn die Bezüge von M... in dieser Zeit betrugen unstreitig lediglich 8.837,40 DM.

16

2.

Obwohl die Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung von Kindergeld bereits für die Zeit April 1997 erfüllt waren, konnte das Kindergeld jedoch erst ab Mai 1997 gewährt werden.

17

Das Kindergeld wird nach § 66 Abs. 2 EStG grundsätzlich vom Beginn des Monats an gezahlt, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind, bis zum Ende des Monats, in dem die Anspruchsvoraussetzungen wegfallen. Nach § 66 Abs. 3 EStG wird das Kindergeld rückwirkend aber nur für die letzten sechs Monate vor Beginn des Monats gezahlt, in dem der Antrag auf Kindergeld eingegangen ist. Da im vorliegenden Fall der Antrag erst im November 1997 gestellt worden ist, konnte Kindergeld rückwirkend nur bis einschließlich Mai 1997 gewährt werden.

18

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).

19

4.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 ZPO i.V.m. § 151 Abs. 1 und 3 FGO.