Anwaltsgerichtshof Niedersachsen
v. 18.01.2018, Az.: AGH 28/16 (II 18/20)

Bibliographie

Gericht
AGH Niedersachsen
Datum
18.01.2018
Aktenzeichen
AGH 28/16 (II 18/20)
Entscheidungsform
Gerichtsbescheid
Referenz
WKRS 2018, 74551
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

I. Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Der Gerichtsbescheid ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

IV. Der Streitwert wird auf 50.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner Zulassung zur Rechtsanwaltschaft durch Bescheid der Beklagten vom 07.07.2016.

Der Kläger wurde am ........... als Rechtsanwalt beim Amts- und Landgericht H. zugelassen. Er übte seine Rechtsanwaltstätigkeit vom 01.04.2001 bis zum 31.03.2014 als Gesellschafter der Rechtsanwaltskanzlei K. und T., ... ..., ... ... aus. Die Sozietät K. und T. unterhielt ab dem Juli 2012, der Beklagten angezeigt mit Schreiben vom 11.07.2012, eine Zweigniederlassung in der ... ..., ... ....

Nach Auflösung der Rechtsanwaltssozietät K. und T. zeigte der Kläger mit Schreiben vom 19.05.2014 der Rechtsanwaltskammer ... an, dass er die vormalige Zweigstelle ... ..., ... ..., als Kanzlei führen würde. Der Kanzleisitz in H., ... ..., sei aufgelöst. Ferner sei der Kläger seit dem 17.03.2014 als alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer unter Befreiung von § 181 BGB der I.-G. GmbH in H. bestellt. Die in dem Schreiben erwähnte Freistellungserklärung der GmbH sowie der Geschäftsführervertrag waren entgegen der Ankündigung dem Schreiben nicht beigefügt.

Mit Schreiben vom 02.04.2014 (Blatt 88 der Personalakte) hat die Beklagte den Kläger unter Fristsetzung auf den 16. April 2014 unter anderem aufgefordert, eine Ablichtung des Geschäftsführervertrages sowie eine Tätigkeitsbeschreibung als auch eine unwiderrufliche Freistellungserklärung des Arbeitgebers zu übersenden. Der Kläger ließ die Frist fruchtlos verstreichen. Mit weiterem Schreiben vom 17.04.2014 (Blatt 95 der Personalakte) hat die Beklagte dem Kläger eine weitergehende Frist zur Erledigung auf den 29. April 2014 gesetzt. Eine Übersendung der Unterlagen erfolgte nicht.

Am 01.07.2014 beantragte der Kläger die Aufnahme in die Rechtsanwaltskammer ... nach Kanzleisitzverlegung. Der Antrag wurde mit Beschluss vom 15.01.2015, welcher in Bestandskraft erwachsen ist, abgelehnt.

Mit Schreiben vom 18.08.2014 hat Herr A. A. Beschwerde bei der Rechtsanwaltskammer ... über den Kläger erhoben. Zur Begründung führte er aus, dass der Kläger für ihn als Mandanten in der Kanzlei in ... telefonisch nicht zu erreichen war. Der Postbriefkasten sei überfüllt gewesen. Benachrichtigungen über Terminsverschiebungen seien ihm nicht mitgeteilt worden.

Die Rechtsanwaltskammer ... hörte den Kläger mit Schreiben vom 02.10.2014 zu der Beschwerde an und setzte zum Nachweis, dass unter der Anschrift ... ... ..., ... ... eine Kanzlei gem. § 27 BRAO von dem Kläger unterhalten wird. eine Frist auf den 15.10.2014. Die Frist verlief fruchtlos.

Mit Urteil des Anwaltsgerichts ... vom 08.04.2016 ist der Kläger schuldig gesprochen worden, in drei Fällen gegen die Verpflichtung, seinen Beruf gewissenhaft auszuüben und sich innerhalb und außerhalb des Berufs der Achtung und des Vertrauens, welche die Stellung des Rechtsanwalts erfordert, würdig zu erweisen, zuwider gehandelt und dadurch seine Pflichten als Rechtsanwalt verletzt zu haben.

Der Verurteilung lag zugrunde, dass der Kläger keine Kanzlei mit den für die Berufsausübung erforderlichen sachlichen, personellen und organisatorischen Voraussetzungen unterhalten hat und in zwei Fällen einer Aufsichts-Beschwerdesache dem Vorstand der Rechtsanwaltskammer oder einem beauftragten Mitglied des Vorstands keine Auskunft erteilt hat. Der Kläger ist zu einer Geldbuße in Höhe von 1.500,00 € verurteilt worden. Ferner ist ein Verweis gegen ihn verhängt worden.

Der Verurteilung lag zugrunde, dass der Kläger seit Februar 2014 für seine Mandantin Frau S. E. unter dem Kanzleisitz in ... nicht zu erreichen war. Nach Auflösung der Sozietät K. und T. ist der Kläger in die ... ..., ..., gezogen, wo er auch seine Wohnung innehatte. Das Mandat der Frau E. betreute der Kläger über die Kanzlei in der ... ..., .... Dieses Büro war jedoch spätestens ab dem 01.06.2014 geschlossen. Der Kläger war für die Mandantin E. auch in dem ... Büro nicht zu erreichen. Dem lag zugrunde, dass der Kläger nach einer körperlichen Auseinandersetzung mit seiner Ehefrau am 09.06.2014 eine Wegweisung aus der Wohnung erhalten hatte und die Wohnung und damit auch das Büro von diesem Zeitpunkt bis Ende September 2014 nicht mehr betreten konnte. In der Zeit vom 09.06.2014 bis Ende September 2014 betrieb der Kläger nach den Feststellungen des Anwaltsgerichtes ... keine Kanzlei.

Weiter lag der Verurteilung zugrunde, dass der hiesige Kläger in einer weiteren Aufsichtssache auf die Aufforderung der Rechtsanwaltskammer ... zu der Beschwerde der Frau B. U. über die Nichterreichbarkeit des Klägers unter der Kanzleianschrift ... ..., ..., keine Stellung genommen hat. Der Kläger hat in der Hauptverhandlung die Vorwürfe eingeräumt. Er führte die Verstöße auf seine damalige angespannte familiäre und gesundheitliche Situation zurück.

Mit Schreiben vom 29.04.2016 hat die Beklagte den Kläger erneut aufgefordert, den Geschäftsführervertrag zwischen dem Kläger und der Firma I.-G. GmbH sowie die Freistellungserklärung des Arbeitgebers zu übersenden. Es wurde eine Frist auf den 20. Mai 2016 gesetzt. Eine Übersendung erfolgte nicht. Mit Bescheid vom 07.07.2016 hat die Beklagte gegenüber dem Kläger den Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft gem. § 14 Abs. 2 Nr. 8 BRAO ausgesprochen. Zur Begründung stützte sich die Beklagte darauf, dass trotz mehrfacher Anforderungen weder eine Ablichtung des Geschäftsführervertrages noch eine unwiderrufliche Freistellungserklärung des Arbeitgebers vorgelegt worden ist. Weiter führte die Beklagte aus, dass der Kläger rechtlich und tatsächlich nicht die Möglichkeit habe, den Rechtsanwaltsberuf in nennenswertem Umfang mit dem unerlässlichen Maß an Unabhängigkeit von seinem Arbeitgeber auszuüben. Es sei nicht sichergestellt, dass der Kläger zu den üblichen Geschäftszeiten Gerichtstermine und eilige Rechtsanwaltstätigkeiten ausüben könne, ohne seine Dienstpflichten gegenüber der Firma I.-G. GmbH zu verletzen. Bei zeitlichen Kollisionen könne der Kläger mangels Freistellungserklärung des Arbeitgebers nicht eigenverantwortlich entscheiden. Da der Kläger die erforderliche Arbeitszeitfreistellung des Arbeitgebers nicht vorgelegt habe, ließ sich nicht feststellen, dass er eine unabhängige Rechtsanwaltstätigkeit neben seiner Beschäftigung als Geschäftsführer der I.-G. GmbH in nennenswertem Umfang ausüben könne.

Gegen den Widerrufsbescheid legte der Kläger mit Schreiben vom 06.08.2016., eingegangen am 07.08.2016, Klage beim Niedersächsischen Anwaltsgerichtshof Celle ein.

Der Kläger beantragt,

1. festzustellen, dass der Bescheid der Beklagten vom 07.07.2016 rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt;

2. den Widerrufsbescheid vom 07.07.2016 aufzuheben.

Zur Klagbegründung führt der Kläger aus, dass die Voraussetzungen für den Widerruf der Zulassung nicht vorliegen würden. Er räumt ein, dass die Ausübung des Anwaltsberufs zum Jahresübergang 2013 / 2014 bis in das Jahr 2015 hinein erschwert war. Dies habe jedoch nicht an der Freistellung durch die I.-G. GmbH oder an der Erreichbarkeit als Rechtsanwalt gelegen. Seit der zum 31.10.2014 erfolgten Aufgabe der Kanzlei in ... und Verlegung der Kanzlei in die ... ..., ... seien die Voraussetzungen für die ordnungsgemäße Kanzleiführung gegeben. Zudem beruft der Kläger sich auf die unwiderrufliche Freistellung aus dem Geschäftsführeranstellungsvertrag vom 16.03.2014, der erstmals mit Schriftsatz vom 28.02.2017 vorgelegt wurde.

Die Beklagte beantragte zunächst mit Schriftsatz vom 08.09.2016,

Klagabweisung.

Zur Begründung führt die Beklagte aus, dass der Bescheid vom 7. Juli 2016 rechtmäßig sei, insbesondere der Kläger seinen Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen ist.

Mit Schriftsatz vom 20.07.2017 nahm die Beklagte schließlich die Widerrufsverfügung vom 07.07.2016 zurück. Sie führte aus, dass im Hinblick auf § 6 Ziffer 2, 2. Absatz des Geschäftsführeranstellungsvertrags vom 16.03.2014 eine genügende Freistellungserklärung des Arbeitgebers vorliege, der Zweitberuf des Klägers würde diesem ausreichend Zeit für eine nicht lediglich geringfügige anwaltliche Tätigkeit lassen und die Tätigkeit sei nach den vorliegenden Unterlagen mit dem Rechtsanwaltsberuf vereinbar.

Mit richterlichem Schreiben vom 28.07.2017, zugestellt mit Postzustellungsurkunde am 04.08.2017, wurde dem Kläger der Schriftsatz der Beklagten vom 20.07.2017 mit der Aufforderung übersandt, eine verfahrensbeendende Erklärung abzugeben. Zur Erledigung wurde eine Frist bis zum 31.08.2017 gesetzt.

Mit richterlichem Schreiben vom 12.09.2017, dem Kläger per Postzustellungsurkunde am 16.09.2017, der Beklagten per Empfangsbekenntnis am 15.09.2017 zugestellt, wurden die Parteien darüber informiert, dass eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid ohne mündliche Verhandlung gemäß §§ 112 c Abs. 1 BRAO, 84 Abs. 1 VwGO in Betracht gezogen werde; den Parteien wurde Gelegenheit zur Stellungnahme unter Einräumung einer Zweiwochenfrist gewährt.

Stellungnahmen sind nicht eingegangen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die von der Beklagten beigezogene Personalakte betreffend den Kläger Bezug genommen; letztere war Gegenstand der Beratung und Entscheidung des Senats.

II.

1. Die Entscheidung konnte im vorliegenden Fall durch Gerichtsbescheid ergehen, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§§ 112 c Abs. 1 BRAO, 84 Abs. 1 S. 1 VwGO).

Die Parteien wurden gemäß §§ 112 c Abs. 1 BRAO, 84 Abs. 1 S. 2 VwGO zu dieser Form der Entscheidung angehört. Eine Zustimmung der Beteiligten ist nicht erforderlich.

2. Die Klage ist zwar fristgerecht innerhalb der Monatsfrist beim Anwaltsgerichtshof eingegangen, gleichwohl mittlerweile unzulässig.

Der Kläger begehrt mit der Klage die Aufhebung der Widerrufsverfügung der Beklagten vom 07.07.2016.

Das Begehren des Klägers ist durch die von der Beklagten unter dem 20.07.2017 zwischenzeitlich erklärten Rücknahme der angegriffenen Widerrufsverfügung unzulässig geworden.

Aufgrund dessen besteht kein Rechtsschutzbedürfnis seitens des Klägers für die begehrte Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheides vom 07.07.2016, weil das vom Kläger mit der Klage begehrte Rechtsschutzziel nicht mehr erreicht werden kann. Denn die Zulassung des Klägers zur Rechtsanwaltschaft besteht nach erklärter Rücknahme der angegriffenen Widerrufsverfügung durch die Beklagte wie vom Kläger begehrt fort.

Das Gericht hat in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen, ob das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis noch besteht.

Mithin war die Klage als unzulässig abzuweisen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 112 c Abs. 1 BRAO, 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 112c Abs. 1 BRAO, 167 Abs. 1, 2 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 194 Abs. 1 BRAO, 52 Abs. 1 GKG sowie auf § 194 Abs. 2 S. 1 BRAO.

Der Gerichtsbescheid hat die Wirkung eines Urteils (§§ 112c Abs. 1 BRAO, 84 Abs. 3 HS. 1 VwGO).

Gründe die Berufung zuzulassen (§§ 112e BRAO, 124 Abs. 2 VwGO), bestehen nicht.