Anwaltsgerichtshof Niedersachsen
Urt. v. 29.01.2018, Az.: AGH 5/16 (I 3)

Bibliographie

Gericht
AGH Niedersachsen
Datum
29.01.2018
Aktenzeichen
AGH 5/16 (I 3)
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2018, 74552
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Die Berufung des Rechtsanwalts wird mit der Maßgabe verworfen, dass gegen ihn wegen eines Verstoßes gegen die Verpflichtung seinen Beruf gewissenhaft auszuüben und sich innerhalb und außerhalb des Berufes der Achtung und des Vertrauens, welche die Stellung des Rechtsanwalts erfordert würdig zu erweisen, ein Verweis und eine Geldbuße in Höhe von 1.500,00 € verhängt werden.

Der Rechtsanwalt trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Angewendete Vorschriften: §§ 43, 51, 113,114 BRAO

Kostenfolge: § 197 BRAO

Gründe

I.

Das Anwaltsgericht für den Bezirk der Rechtsanwaltskammer ... hat den Rechtsanwalt mit Urteil vom 01.02.2016 – 2 AnwG 18/2015 – schuldig gesprochen, sich der Achtung und des Vertrauens, welche die Stellung des Rechtsanwalts erfordert, nicht würdig erwiesen zu haben, indem er eine Berufshaftpflichtversicherung während seiner Zulassung nicht aufrecht erhalten hat und in einer Aufsichtssache dem Vorstand der Rechtsanwaltskammer keine Auskunft erteilt hat. Es hat gegen ihn einen Verweis und eine Geldbuße in Höhe von 2.500,00 € verhängt. Durch weiteres Urteil vom 27.03.2017 – 1 AnwG 15/2016 – hat das Anwaltsgericht für den Bezirk der Rechtsanwaltskammer ... den Rechtsanwalt für schuldig befunden, sich der Achtung und des Vertrauens, welche die Stellung des Rechtsanwalts erfordert, nicht würdig erwiesen zu haben, indem er sich bei seiner Berufsausübung unsachlich verhalten hat. Durch dieses Urteil wurde gegen ihn ein Verweis und eine Geldbuße in Höhe von 2.000,00 € verhängt.

Der Rechtsanwalt hat gegen beide Urteile mit Schriftsätzen vom 19.02.2016 und 02.04.2017 jeweils form- und fristgerecht Berufung eingelegt.

Der Senat hat mit Beschluss vom 13.12.2017 die beiden Berufungsverfahren mit den Aktenzeichen AGH 5/16 (betreffend das Urteil vom 01.02.2016) und AGH 9/17 (betreffend das Urteil vom 27.03.2017) unter Führung des zuerst genannten Aktenzeichens zum Zwecke gleichzeitiger Verhandlung und Entscheidung verbunden.

Die Berufung ist gem. § 143 BRAO zulässig und führt in der Sache zu den sich aus dem Tenor ergebenden Schuld- und Rechtsfolgenausspruch.

II.

Der am ........... geborene Rechtsanwalt hat am 24.02.1993 die erste und am 29.11.1996 die zweite juristische Staatsprüfung abgelegt. Er wurde am 29.11.1996 bei dem Amtsgericht ... und dem Landgericht ... zur Rechtsanwaltschaft zugelassen.

Er ist hauptberuflich als Rechtsanwalt und Gewerkschaftssekretär beim ... ... - Verband der angestellten und beamteten Ärztinnen und Ärzte Deutschlands e.V. – Landesverband ... angestellt. Seine Kanzlei in ... wird nebenberuflich betrieben.

Der Rechtsanwalt ist verheiratet und hat aus einer früheren Beziehung zwei 14 und 16 Jahre alte Kinder. Seine Ehefrau erzielt eigene Einkünfte. Zu seinen Einkünften aus freiberuflicher und abhängiger Tätigkeit hat der Rechtsanwalt keine Angaben gemacht.

III.

Der Rechtsanwalt unterhält seit Anfang 1997 bei der ... Versicherungs-Aktiengesellschaft eine Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung. Die Beiträge für diese Versicherung sind vierteljährlich zu zahlen. Mit Schreiben vom 20.11.2014 mahnte die Versicherung den am 01.10.2014 fälligen Folgebeitrag in Höhe von 309,04 € an. Mit der Mahnung verbunden war die Aufforderung, den offenen Beitrag zzgl. 3,00 € Mahnkosten binnen einer Frist von zwei Wochen nach Zugang des Schreibens zu überweisen sowie der Hinweis, dass bei Nichteinhaltung der Zahlungsfrist und Verzug für dann eintretende Versicherungsfälle der Versicherungsschutz wegfällt und die Versicherung zur fristlosen Kündigung des Versicherungsvertrages berechtigt ist. Mit Schreiben vom 30.12.2014 wies die Versicherung darauf hin, dass der Versicherungsschutz erloschen ist, mahnte den offenen Betrag erneut an und erinnerte gleichzeitig an die Zahlung des zum 01.01.2015 fälligen Folgebeitrages. Mit Schreiben vom 16.02.2015 kündigte die Versicherung den Vertrag wegen Verzuges mit dem Folgebeitrag mit sofortiger Wirkung. Mit Schreiben vom selben Tage wurde die Rechtsanwaltskammer ... von der Versicherung über das Ende der Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung am 16.02.2015 und das Nichtbestehen von Versicherungsschutz seit dem 10.12.2014 informiert. Mit Schreiben der Rechtsanwaltskammer ... vom 18.02.2015 wurde der Rechtsanwalt zur Erbringung eines Nachweises einer neuen Berufshaftpflichtversicherung bzw. über den Ausgleich des rückständigen Versicherungsbeitrages unter Fristsetzung bis zum 02.03.2015 aufgefordert. Am 24.02.2015 ging bei der Versicherung eine Überweisung des Rechtsanwalts in Höhe der offenen Beitragsrückstände ab 01.01.2015 ein, so dass ab diesem Tag für die Zukunft wieder Versicherungsschutz bestand. Mit Email vom 25.02.2015 antwortete der Rechtsanwalt der Rechtsanwaltskammer ... auf deren Schreiben vom 18.02.2015 und teilte mit: „dass bei der Versicherung ein Missverständnis vorlag. Die Sache ist geklärt. Rückstände bestehen nicht. Ggfls. prüfen Sie den Sachverhalt noch gesondert. Es besteht ja Amtsermittlungsgrundsatz. Keine Rückstände = keine Notwendigkeit zu Maßnahmen nach § 14 BRAO. Ende der Geschichte. Ich schließe die Sache hier ab.“ Am 26.02.2015 erteilte die Versicherung die Bestätigung, dass ab dem 24.02.2015 wieder Versicherungsschutz besteht. Mit Schreiben vom 02.03.2015 wies die Rechtsanwaltskammer den Rechtsanwalt auf die Versicherungslücke für die Zeit vom 10.12.2014 bis zum 24.02.2015 hin und forderte von ihm bis zum 16.03.2015 den Nachweis, dass für diesen Zeitraum lückenloser Versicherungsschutz bestand. Für den Fall nicht fristgerechter Vorlage des Nachweises wurde die Einleitung eines Berufsaufsichtsverfahrens in Aussicht gestellt.

Mit Schreiben des Abteilungsvorsitzenden der Rechtsanwaltskammer ... vom 18.03.2015 wurde der Rechtsanwalt zur Stellungnahme innerhalb von drei Wochen aufgefordert. Mit Schreiben des Abteilungsvorsitzenden vom 20.04.2015 wurde er erneut um Stellungnahme bis zum 06.05.2015 gebeten. Mit E-Mail von diesem Tage kündigte er an, dass er „selbstverständlich Stellung nehmen“ werde. Nachdem bis dahin keine Stellungnahme eingegangen war, wurde dem Rechtsanwalt mit Schreiben des Abteilungsvorsitzenden vom 18.05.2015 eine letztmalige Frist bis zum 29.05.2015 gesetzt. Am 31.05.2015 antwortete der Rechtsanwalt, er werde nach Sichtung seiner Unterlagen voraussichtlich im Laufe der kommenden Woche auf die Sache zurückkommen. Das ist nicht geschehen.

Nach Mitteilung der Versicherung vom 02.06.2015, dass die Versicherungslücke noch bestehe, leitete die Generalstaatsanwaltschaft ... auf Antrag der Rechtsanwaltskammer ... vom 19.06.2015 ein berufsrechtliches Ermittlungsverfahren gegen den Rechtsanwalt ein und gab ihm mit Schreiben vom 24.06.2015 Gelegenheit, sich innerhalb von drei Wochen zu dem gegen ihn erhobenen Vorwurf zu äußern. Davon machte er keinen Gebrauch.

Mit Verfügung des Anwaltsgerichts ... vom 04.08.2015 wurde dem Rechtsanwalt am 06.08.2015 die Anschuldigungsschrift der Generalstaatsanwaltschaft ... vom 23.07.2015 zugestellt. Mit E-Mail vom 11.08.2015 antwortete er, dass alle Versicherungsbeiträge gezahlt seien. Am 12.08.2015 ging bei der Versicherung eine Zahlung des Rechtsanwalts in Höhe von 254,10 € zur Schließung der Deckungslücke ein.

Mit Schreiben des Anwaltsgerichts ... vom 06.01.2016 wurde der Rechtsanwalt zum Termin zur Hauptverhandlung am 01.02.2016 geladen. Zuvor war er mit E-Mail vom 04.12.2015 um Mitteilung gebeten worden, ob er am 01.02. oder 08.02.2016 für den Hauptverhandlungstermin zur Verfügung stünde. Eine inhaltliche Antwort darauf blieb aus. Die Ladung wurde dem Rechtsanwalt am 07.01.2016 durch Einlegung in den zur Kanzlei gehörenden Briefkasten zugestellt. Zu dem Termin zur Hauptverhandlung ist der Rechtsanwalt nicht erschienen, so dass diese in seiner Abwesenheit durchgeführt wurde. In einer E-Mail an der Anwaltsgericht ... vom 08.02.2016 führte der Rechtsanwalt aus: „nach Urlaubsrückkehr finde ich heute eine Ladung zum 01.02.2016 vor.“

Auf Antrag der Rechtsanwaltskammer ... vom 21.03.2016 leitete die Generalstaatsanwaltschaft ... ein weiteres anwaltsgerichtliches Verfahren gegen den Rechtsanwalt zunächst wegen Verstoßes gegen § 53 Abs. 1, 2 und 6 BRAO ein, weil sich der Rechtsanwalt in der Zeit zwischen dem 07.01.2016 und dem 07.02.2016 von seiner Kanzlei entfernt habe, ohne selbst einen Vertreter zu bestellen und dies anzuzeigen oder die Bestellung eines Vertreters bei der Rechtsanwaltskammer beantragt zu haben. Mit Schreiben vom 13.05.2016 entgegnete der Rechtsanwalt, zuletzt im September (2015) zwei Wochen im Urlaub gewesen zu sein. Mit Schreiben vom 27.07.2016 wies die Generalstaatsanwaltschaft ihn darauf hin, dass die Behauptung in der E-Mail vom 08.02.2016 nach seinen Angaben im neuen Verfahren unzutreffend gewesen sein und eine berufsrechtliche Verfehlung nach den §§ 113 Abs. 1, 43, 43a Abs. 3 BRAO darstellen könnte. Die entsprechende Anschuldigungsschrift vom 06.09.2016 wurde dem Rechtsanwalt mit Verfügung des Anwaltsgerichts ... vom 17.10.2016 am 20.10.2016 zugestellt. Mit am 19.10.2016 bei dem Anwaltsgericht eingegangenem Schreiben vom 12.10.2016 bestritt der Rechtsanwalt, die Unwahrheit gesagt zu haben und bezeichnete das Nichtaufsuchen seiner Kanzlei im fraglichen Zeitraum als „selbstgewählte Freistellung“. In einer weiteren Einlassung vom 01.01.2017 führte er aus, „dass ich mich sehr wohl im Urlaub befunden habe“. Mit Schriftsatz vom 22.03.2017 teilte er ergänzend mit, „Freizeiten in Anspruch“ genommen zu haben. In der Hauptverhandlung vor dem Anwaltsgericht ließ sich der Rechtsanwalt dahingehend ein, sich in Bezug auf seine freiberufliche Tätigkeit eine „Auszeit“ genommen zu haben. Mit Post habe er in dieser Zeit nicht gerechnet.

IV.

Die vorstehenden Feststellungen beruhen auf der Einlassung des Rechtsanwalts sowie den verlesenen und in dem Hauptverhandlungsprotokoll festgehaltenen Schriftstücken.

V.

In der Hauptverhandlung hat der Senat eine Verständigung gemäß § 257c StPO in der Form vorgeschlagen, dass die Generalstaatsanwaltschaft beantragt, die Verfolgung nach § 116 BRAO i.V.m. §§ 154, 154a StPO auf den Vorwurf des Verstoßes gegen § 51 BRAO (Pflicht zur Aufrechterhaltung einer Berufshaftpflichtversicherung zur Deckung der sich aus der Berufstätigkeit ergebenden Haftpflichtgefahren für Vermögensschäden während der Dauer der Zulassung) zu beschränken und der Rechtsanwalt seine Berufung anschließend auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt, wobei für den Berufspflichtverstoß als Obergrenze ein Verweis und eine Geldbuße in Betracht komme, die den Betrag von 1.500,00 € nicht übersteigt.

Auf entsprechenden Antrag der Generalstaatsanwaltschaft wurde die Verfolgung sodann in der Hauptverhandlung auf den Verstoß gegen § 51 BRAO beschränkt. Anschließend hat der Rechtsanwalt seine Berufung mit Zustimmung der Generalstaatsanwaltschaft auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt.

Der Schuldspruch in Bezug auf den Verstoß des Rechtsanwalts gegen seine Pflicht aus § 51 Abs. 1 BRAO, eine Berufshaftpflichtversicherung zur Deckung der sich aus seiner Berufstätigkeit ergebenden Haftpflichtgefahren für Vermögensschäden während der Dauer seiner Zulassung aufrechtzuerhalten, ist damit in Rechtskraft erwachsen.

VI.

Gegen den Rechtsanwalt waren wegen des Verstoßes gegen § 51 Abs. 1 BRAO die anwaltsgerichtlichen Maßnahmen eines Verweises und einer Geldbuße in Höhe von 1.500,00 € zu verhängen (§ 113 Abs. 1 i.V.m. § 114 Abs. 1 Nr. 2, 3, Abs. 2 BRAO).

Bei der Bestimmung der erforderlichen anwaltsgerichtlichen Maßnahmen ist zugunsten des Rechtsanwalts zwar zu berücksichtigen, dass der gesetzlich vorgeschriebene Haftpflichtversicherungsschutz durch letztlich am 12.08.2015 bei der Versicherung eingegangene Zahlung von 254,10 € rückwirkend auch für die Zeit vom 10.12.2014 bis zum 24.02.2015 bestanden hat. Betroffen war insoweit ausschließlich ein in der Vergangenheit liegender, abgeschlossener Sachverhalt (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Februar 2016 – AnwZ (Brfg) 62/15 –, Rn. 12, juris).

Zu seinen Lasten muss sich aber insbesondere auswirken, dass der Rechtsanwalt um die zurückliegende Versicherungslücke wusste und diese erst mehr als acht Monate nach Ablauf der von der Versicherung gesetzten Zahlungsfrist und mehrfacher Aufforderung der Rechtsanwaltskammer ... letztlich erst nach Zustellung der Anschuldigungsschrift der Generalstaatsanwaltschaft durch Zahlung an die Versicherung geschlossen hat.

Sowohl durch Schreiben der Versicherung vom 20.11.2014 und 30.12.2014 als auch durch Schreiben der Rechtsanwaltskammer ... vom 02.03.2015 und 18.03.2015 ist der Rechtsanwalt auf die Pflicht zur dauernden Unterhaltung einer Haftpflichtversicherung und die bestehende Versicherungslücke hingewiesen worden. Er hat diese Lücke bis zur Zahlung von 254,10 € an die Versicherung am 12.08.2015 wissentlich und vorsätzlich aufrechterhalten.

Die Pflicht des Rechtsanwalts gemäß § 51 Abs .1 Satz 1 BRAO dient dem Schutz des rechtsuchenden Publikums. Dieses soll darauf vertrauen können, dass eventuelle Schadensersatzansprüche gegen den Rechtsanwalt im Rahmen des vorgeschriebenen Versicherungsschutzes ohne weiteres durchsetzbar sind (BGH, Beschluss vom 24. November 1997 – AnwZ (B) 38/97 –, BGHZ 137, 200-205, Rn. 10; Beschluss vom 10. Mai 2010 – AnwZ (B) 30/09 –, Rn. 8, juris). Mit dieser strikten Regelung soll dem Zweck der §§ 51, 14 Abs. 2 Nr. 9 BRAO entsprechend ein umfassender Schutz der Rechtsuchenden gewährleistet werden (BGH, Beschluss vom 22. Februar 2006 – AnwZ (B) 69/04 –, Rn. 3, juris).

Die Beachtung von § 51 BRAO ist für die Aufrechterhaltung der Rechtspflege unverzichtbar und bei der hier offenbar gewordenen nachhaltigen Verletzung nicht hinnehmbar. Dies macht es nötig, dem Rechtsanwalt seine Pflichten eindringlich vor Augen zu führen.

Der mit Blick auf das Gewicht des verbleibenden Vorwurfes, nämlich den Verstoß gegen § 51 BRAO, geringere Schuldumfang erforderte eine etwas mildere Maßnahme als die, auf die vom Anwaltsgericht im ersten Urteil erkannt wurde. Unter Berücksichtigung sämtlicher für und gegen den Rechtsanwalt sprechenden Umstände sind die Maßnahmen eines Verweises und einer Geldbuße in Höhe von 1.500,00 € daher angemessen aber auch für erforderlich.

Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 197 BRAO.