Anwaltsgerichtshof Niedersachsen
Urt. v. 16.02.2018, Az.: AGH 7/16 (II 3/5)

Bibliographie

Gericht
AGH Niedersachsen
Datum
16.02.2018
Aktenzeichen
AGH 7/16 (II 3/5)
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2018, 74554
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Der Streitwert wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die ... geborene Klägerin ist seit 1985 zur Rechtsanwaltschaft beim Amts- und Landgericht ... sowie beim Oberlandesgericht ... zugelassen.

Die Beklagte widerrief mit Bescheid vom 01.03.2016, der Klägerin zugestellt am 02.03.2016, die Zulassung der Klägerin zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögenverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO). Die Beklagte stützt den Widerrufsbescheid darauf, dass die Klägerin in das vom Vollstreckungsgericht gemäß § 882 b ZPO zu führende Vermögensverzeichnis eingetragen sei:

Wegen Nichtabgabe der Vermögensauskunft am 16.12.2015 besteht unter der Verfahrensnummer   P1104R00008350011 beim Amtsgericht ... eine Eintragung, die auf einer Forderung der ... über 1.072,85 € beruht. Diese ist mit Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts ... vom 05.02.2015 zum Aktenzeichen 14-5902192-2-9 tituliert.

Eine weitere Eintragung besteht beim Amtsgericht ... wegen Nichtabgabe der Vermögensauskunft zur Verfahrensnummer P1104R00002546986 wegen Nichtabgabe der Vermögensauskunft am 14.02.2014. Hier liegt eine Forderung der Gemeinschaftspraxis ... GbR, Lüneburg über insgesamt 5.755,81 € zugrunde, tituliert durch Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts ... vom 05.06.2013 Aktenzeichen 13-8412956-0-2. Die Vollstreckung des Haftbefehls ist nicht beantragt worden, die Forderung ist jedoch nach der telefonischen Auskunft des die Gläubigerin vertretenden Anwaltsbüros ... vom 09.03.2016 durch die Klägerin nicht ausgeglichen.

Weiter beruft sich die Beklagte auf die Vollstreckung der ... Versicherung vom 15.09.2015 (Protokoll des OGVZ ... vom 02.10.2015 DRII-0599/15) aus dem Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts ... vom 18.02.2015 (Aktenzeichen 15-7132476-0-3) über insgesamt 691,78 €, wobei dem Titel eine Hauptforderung über 398,09 € zugrunde liegt. Zwar sei die Vollstreckung durch Herrn Obergerichtsvollzieher ... vorläufig eingestellt. Die Beklagte führt jedoch aus, dass die Zahlung nicht nachgewiesen sei, weil die vorgerichtlich vorgelegten Überweisungen über 408,69 € respektive 409,50 € nicht erkennen ließen, dass damit die Forderung von 691,78 € ausgeglichen sei.

Die Beklagte verweist darauf, dass durch die Eintragung im Schuldnerverzeichnis der Vermögensverfall der Klägerin gesetzlich vermutet werde (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO). Von einem Widerruf der Zulassung wegen Vermögensverfall könne nur abgesehen werden, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung eine sichere Prognose dahingehend getroffen werden könne, dass sich die typischen Gefahren, die mit dem Vermögensverfall eines Rechtsanwaltes verbunden seien, nicht realisieren. Diese Voraussetzungen seien im Ergebnis nicht zu erkennen, zumal die Klägerin trotz Verfügung vom 07.01.2016 weder ihre Vermögens- noch ihre Einkommensverhältnisse nachgewiesen habe. Die Annahme eines Ausnahmefalls könne die Beklagte nicht erkennen.

Gegen die Widerrufsverfügung hat die Klägerin am 4. April 2016 Klage erhoben, die am 4. April 2016 beim Niedersächsischen Anwaltsgerichtshof eingegangen ist. Sie verweist darauf, dass der Widerruf der Zulassung wegen einer Gesamtforderung von 1.600 € unverhältnismäßig und unangemessen sei. Bei der Forderung der ... handele es sich um den Rest eines Darlehens, welches sie gemeinsam mit ihrem Mann aufgenommen habe und bei dem die Rückzahlung streitig wäre. Der Jahresbeitrag der Gebäudeversicherung aus dem Jahre 2014 bei der ... Versicherung sei ausgeglichen, was auch nachgewiesen worden sei. Sie habe vorgerichtlich zwei Quittungen über 408,69 € vom 30.07.2015 und 409,50 € vom 17.07.2015 vorgelegt. Im Übrigen verweist sie darauf, dass den Forderungen erhebliche Vermögenswerte gegenüberstehen. So sei sie zu ½ Miteigentümerin eines Einfamilienhauses im Wert von ca. 265.000 €, welches nur mit einer Grundschuld von 80.000 € belastet sei, sei hinsichtlich erheblicher Bankguthaben zu ½ mitberechtigt und verfüge über eine Lebensversicherung mit einem Guthaben von 80.000 bis 90.000 € bei der ..., die im Dezember 2016 fällig werde.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 01.03.2016 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist die Beklagte auf den angefochtenen Bescheid und teilt mit, dass die Eintragungen im Schuldnerverzeichnis weiterhin bestehen. Sie verweist ergänzend darauf, dass nicht liquide Vermögenswerte nicht berücksichtigt werden können, solange sie nicht konkret zur Schuldentilgung eingesetzt werden.

Die von der Beklagten elektronisch geführten Personalakten der Klägerin lagen als Ausdruck vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Im Termin vor dem Senat am 28.11.2016 hat die Klägerin eine Bestätigung vom 18.10.2016 zum Aktenzeichen DR II 436/16 vorgelegt, in der der Gerichtsvollzieher ... unter Aushändigung des Vollstreckungstitels des Amtsgerichts ... - Aktenzeichen 14-5902192-2-9 - vom 05.02.2015 erklärt, dass die Forderung der ... nach erfolgter Zahlung erledigt sei. Daneben hat sie ein Schreiben der ... Versicherung vom 17.08.2016 über die voraussichtliche Auszahlung einer Lebensversicherungsleistung von 77.141,73 € vorgelegt, wobei dieser Betrag nach ihren Angaben am 01.12.2016 an sie ausgezahlt werde. Der Klägerin ist Gelegenheit gegeben worden, die Tilgung und Löschung aller Verbindlichkeiten nachzuweisen. Die Eintragung hinsichtlich der Forderung der ... besteht gemäß Auszug aus dem Schuldnerverzeichnis vom 09.10.2017 weiter (DR II 640/15 OGZ ...).

Von der Klägerin sind keine weiteren Unterlagen beigebracht worden.

Beide Parteien hatten sich zu Protokoll der mündlichen Verhandlung mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt.

II.

Die Anfechtungsklage der Klägerin ist zulässig, erweist sich in der Sache jedoch als unbegründet. Die Beklagte hat die Zulassung der Klägerin zur Rechtsanwaltschaft mit Bescheid vom 1. März 2016 gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zu Recht widerrufen.

1. Die Zulassung eines Rechtsanwaltes zur Rechtsanwaltschaft ist gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist. Dieser liegt vor, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann und außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Beweisanzeichen für einen solchen Vermögensverfall sind die Erwirkung von Schuldtiteln und Vollstreckungsmaßnahmen gegen den Rechtsanwalt, wobei es auf die Ursachen des Vermögensverfalls nicht ankommt (st. Rspr. BGH NJW 1991, 2083 [BGH 25.03.1991 - AnwZ B 80/90]). Von einem Widerruf kann nur abgesehen werden, wenn die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind. Dabei ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Widerrufes auf den Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Widerrufsverfahrens abzustellen (vgl. BGH NJW 2011, 3234 [BGH 29.06.2011 - AnwZ (Brfg) 11/10]; BGH AnwZ (Brfg) 22/16 vom 16. Juli 2016). Danach eingetretene Entwicklungen bleiben der Beurteilung in einem Wiederzulassungsverfahren vorbehalten. Danach ist auf den Zeitpunkt des Erlasses des Widerrufsbescheides vom 1. März 2016 abzustellen.

a. Zu diesem Zeitpunkt hat die Beklagte zu Recht einen Vermögensverfall der Klägerin angenommen, weil zu diesem Zeitpunkt zwei Eintragungen in das Schuldnerverzeichnis vorhanden waren. Aufgrund der Eintragung in dem vom Zentralen Vollstreckungsgericht gem. § 882 b Abs. 1 Nr. 3 ZPO zu führende Vermögensverzeichnis wird der Vermögensverfall gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO vermutet. Zur Widerlegung der Vermutung muss der Rechtsanwalt ein vollständiges und detailliertes Verzeichnis seiner Gläubiger und Verbindlichkeiten vorlegen und dartun, dass seine Vermögens- und Einkommensverhältnisse nachhaltig geordnet sind. Diese Voraussetzungen liegen vorliegend nicht vor.

Zwar ist die Eintragung vom 14.02.2014 nach dem Termin vom 28.11.2016 gelöscht und die Tilgung der Forderung der ... durch das Schreiben des Gerichtsvollziehers ... nachgewiesen, allerdings erst per 18.10.2016, sodass die Eintragungen im hier maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerrufsbescheides am 01.03.2016 zu Recht bestanden. Allein auf diesen Zeitpunkt kommt es an. Es ist daher unerheblich, dass die aktuell fortbestehende Eintragung im Schuldnerverzeichnis durch Tilgung gegenstandslos ist (vgl. BGH NJW 2003,577 [BGH 26.11.2002 - AnwZ B 18/01]). Weiter ist es nach der Eintragung in das Vermögensverzeichnis zu weiteren Vollstreckungsmaßnahmen der ... Versicherung gekommen. Ein Nachweis, dass die Forderungen ausgeglichen sind, ist bis heute nicht geführt. Die angeführten Zahlungen sind im Juli 2015 geleistet, während die Vollstreckung zeitlich danach liegt (15.09.2016). Die Höhe der mit Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts ... vom 18.02.2015 zum Aktenzeichen 15-7132476-0-3 titulierten Hauptforderung über 398,09 € spricht zudem dafür, dass es sich hier um eine andere Versicherung handelt als die von den nachgewiesenen Zahlungen betroffene Gebäudeversicherung.

b. Die Beklagte ist im Übrigen auch zutreffend davon ausgegangen, dass durch den Vermögensfall der Klägerin die Interessen der Rechtsuchenden gefährdet sind. Die Klägerin hat nicht nachgewiesen, dass die Gefährdung der Rechtssuchenden ausgeschlossen werden kann. Grundsätzlich ist nach dem Wortlaut des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO der Widerruf der anwaltlichen Zulassung im Fall des Vermögensverfalls die Regel. Nur in seltenen Ausnahmefällen kann davon abgesehen werden, wenn trotz des vorliegenden Vermögensverfalls der Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind. Für das Vorliegen eines Ausnahmefalls trägt der Rechtsanwalt die Feststellungslast (vgl. BGH AnwZ (Brfg) 83/13). Für einen derartigen Ausnahmefall, im Wesentlichen die Aufnahme einer Tätigkeit als angestellter Rechtsanwalt in einer Sozietät oder anderen Gesellschaftsform, ist nichts vorgetragen. Entgegen der Auffassung der Klägerin spricht zudem gerade die Nichtzahlung geringer Beträge dafür, dass der Rechtsanwalt außerstande ist, seinen finanziellen Verpflichtungen nachzukommen. Dies gilt umso mehr, als die Klägerin ohne jeden Nachweis im Übrigen gute finanzielle Verhältnisse behauptet, nach denen der Ausgleich der geringen Forderungen längst hätte möglich sein müssen. Nach alledem lässt sich nicht erkennen, dass sich die Klägerin nachhaltig und ernsthaft bemüht hat, die Forderungen zu tilgen, die Angelegenheit zu klären und ihre Verhältnisse nachhaltig zu konsolidieren. Auch auf die möglicherweise zum 01.12.2016 erfolgende Auszahlung der Lebensversicherungssumme der ... – Versicherung kommt es nicht an, wenn diese nicht zur Tilgung eingesetzt wird.

Nach alledem bestand im Zeitpunkt der Widerrufsverfügung die Vermutung des Vermögensverfalls, sodass die Beklagte zu Recht die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft widerrufen hat und die Klage abzuweisen ist.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 112 c Abs. 1 BRAO, § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 112 c Abs. 1 BRAO, § 167 Abs. 1, 2 VwGO und § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.

3. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO.

4. Gründe für eine Zulassung der Berufung sind nicht zu erkennen (§ 112 e BRAO, § 124 Abs. 2 VwGO).