Anwaltsgerichtshof Niedersachsen
Urt. v. 13.08.2018, Az.: AGH 8/17 (II 7/35)

Bibliographie

Gericht
AGH Niedersachsen
Datum
13.08.2018
Aktenzeichen
AGH 8/17 (II 7/35)
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2018, 74562
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

I. Die Klage wird abgewiesen

II. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleitung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV. Der Streitwert wird auf 12.500,00 € festgesetzt.

V. Die Berufung wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger ist seit 1983 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen und hatte seinen Kanzleisitz in ...; seit dem 01.07.2018 ist der Kläger von der Kanzleipflicht gem. § 29 BRAO befreit.

Mit Schreiben vom 29.07.2016, das bei der Beklagten am 01.08.2016 eingegangen ist, beantragte der Kläger die Erteilung der Erlaubnis, die Bezeichnung "Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht" zu führen.

Als Anlage zu diesem Antrag legte der Kläger Nachweise über die erfolgreiche Teilnahme an dem Fachanwaltslehrgang "Miet- und Wohnungseigentumsrecht" der ... ... GmbH in dem Zeitraum vom 24.04.2008 bis 14.03.2009 einschließlich des Bestehens von drei jeweils fünfstündigen Klausuren vor (Bl. 1 - 97 der Beiakte). Desweiteren legte der Kläger Nachweise über den Besuch von Fortbildungsveranstaltungen nach § 15 FAO auf dem Gebiet des "Miet- und Wohnungseigentumsrechts" in den Jahren 2010 - 2014 mit einem zeitlichen Umfang von 10 Stunden jährlich und im Jahr 2015 mit einem zeitlichen Umfang von 15 Stunden jährlich (Bl. 98 - 106 der Beiakte) vor. Im weiteren Verlauf des Verfahrens über den Fachanwaltsantrag bei der Beklagten legte der Kläger Bescheinigungen über die Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen auf dem Gebiet des "Miet- und Wohnungseigentumsrechts" mit einem zeitlichen Umfang von 15 Stunden im Jahr 2016 vor (Bl. 168 - 186 der Beiakte) und während des vorliegenden Klageverfahrens reichte der Kläger Nachweise über die Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen auf diesem Gebiet im Jahr 2017 ebenfalls mit einem zeitlichen Umfang von 15 Stunden bei der Beklagten ein.

Als weitere Anlagen zu seinem Fachanwaltsantrag vom 29.07.2016 reichte der Kläger bei der Beklagten acht Falllisten nach § 6 Abs. 3 FAO ein.

(1) Die erste Fallliste nach § 6 Abs. 3 i.V.m. § 14c Nr. 1 FAO (Recht der Wohnungsraummietverhältnisse – Gerichtsverfahren) umfasst 10 Fälle (Bl. 107 f. der Beiakte).

(2) Die zweite Fallliste nach § 6 Abs. 3 i.V.m. § 14c Nr. 1 FAO (Recht der Wohnraummietverhältnisse - außergerichtliche Verfahren) umfasst 38 Fälle (Bl. 109-112 der Beiakte).

(3) Die dritte Fallliste nach § 6 Abs. 3 i.V.m. § 14c Nr. 2 FAO (Recht der Gewerberaummietverhältnisse und Pachtrecht - Gerichtsverfahren) umfasst 3 Fälle (Bl. 113 der Beiakte).

(4) Die vierte Fallliste nach § 6 Abs. 3 i.V.m. § 14c Nr. 2 FAO (Recht der Gewerberaummietverhältnisse und Pachtrecht - außergerichtliche Verfahren) umfasst 6 Fälle (Bl. 114 der Beiakte).

(5) Die fünfte Fallliste nach § 6 Abs. 3 i.V.m. § 14c Nr. 3 FAO (Wohnungseigentumsrecht - Gerichtsverfahren) umfasst 5 Fälle (Bl. 115 der Beiakte).

(6) Die sechste Fallliste nach § 6 Abs. 3 i.V.m. § 14c Nr. 3 FAO (Wohnungseigentumsrecht - außergerichtliche Verfahren) umfasst 6 Fälle (Bl. 116 der Beiakte).

(7) Die siebte Fallliste nach § 6 Abs. 3 i.V.m. § 14c Nr. 4-6 FAO (sonstige gerichtliche Verfahren) umfasst 51 Fälle (die laufende Nr. 34 fehlt im der Liste) (Bl. 117-123 der Beiakte).

In dieser siebten Fallliste hat der Kläger unter der Rubrik „stichwortartige Zusammenfassung des Fallinhalts" unter anderem angegeben:

– „Grundschuldbestellung" (lfd. Nr. 33, 36, 37, 38, 41, 44 und 51),

– „Grundschuldbestellung mit Zwangsvollstreckungsunterwerfung" (lfd.Nr. 4, 21,22, 23, 26, 27 und 29),

– „Auseinandersetzung über Grundstücke und Auflassung“ (lfd. Nr. 5),

– „Grundstückskaufvertrag u. Auflassung" (lfd. Nr. 8, 15, 18, 28, 32, 35, 40, 47 und 48),

– „Grundstücksübergabevertrag mit Vorbehaltsnießbrauch" (lfd. Nr. 12),

– „Grundstücksschenkung u. Auflassung" (lfd. Nr. 14),

– „Beurkundung Zwangsversteigerungsvollmacht" (lfd. Nr. 16),

– „Antrag auf Aufgebot eines Grundstückspfandrechtsgläubigers" (lfd. 19),

– „Befriedigung des Pflichtteils durch Hausverkauf und Grundschuldbestellung" (lfd. Nr. 24)

– „Entwurf Löschungsantrag für 1 Sicherungshypothek und U.–Begl." (lfd. Nr. 30),

– „Entwurf Löschungsantrag für 2 Grundschulden und U.–Begl." (lfd. Nr. 31),

– „Löschung von Grundschulden" (lfd. Nr. 39),

– „Grundstücksanteilsübertragung" (lfd. Nr. 42),

– "Grundstückskaufvertrag, Wohnungsrechtbestellung u. Auflassung" (lfd. Nr. 43),

– „Löschung e. Rückauflassungsvormerkung" (lfd. Nr. 45) und

– „Löschung einer Grunddienstbarkeit (Wegerecht)" (lfd. Nr. 49).

(8) Die achte Fallliste nach § 6 Abs. 3 i.V.m. § 14c Nr. 4-6 FAO (sonstige außergerichtliche Verfahren) umfasst 18 Fälle (Bl. 124-126 der Beiakte).

Der für die Vorprüfung des Antrages zuständige Berichterstatter des gemeinsamen Fachausschusses der Rechtsanwaltskammern Celle und Oldenburg wies mit Schreiben vom 18.08.2016 den Kläger darauf hin, dass Bedenken hinsichtlich des Nachweises der besonderen praktischen Erfahrungen gemäß § 5 Abs. 1 lit. j) FAO bestünden. Er verwies dabei unter anderem darauf, dass in den Falllisten des Klägers wiederholt auf seine Tätigkeit als Zwangsverwalter („ZwVw ...") verwiesen werde und nicht erkennbar sei, in welchem Umfang der Kläger in diesen Angelegenheiten als Rechtsanwalt tätig war. Darüber hinaus wies der Berichterstatter darauf hin, dass insbesondere in den beiden Falllisten zu den Bereichen des § 14c Nr. 4-6 FAO nicht der konkrete Bezug zu den jeweiligen Tätigkeitsbereichen der Nr. 4, 5 und 6 angegeben sei, dies gelte insbesondere hinsichtlich der Tätigkeiten im Bereich von Zwangsverwaltungs– und Zwangsversteigerungsverfahren, Grundbuchumschreibungen, Grundstückskaufverträgen, Übergabeverträgen und Schenkungen (Bl. 131-133 der Beiakte).

Der Kläger erläuterte daraufhin mit Schreiben vom 12.09.2016, dass er sich in den mit "Zwangsverwaltung ..." bezeichneten Verfahren selbst als Zwangsverwalter anwaltlich vertreten habe (Eigenvertretung). Zu den in den Falllisten zu § 14c Nr. 4-6 FAO angegebenen Fällen verweist der Kläger auf § 5 S. 2 FAO, nach dem der Annahme einer persönlichen und weisungsfreien Bearbeitung der Fälle als Rechtsanwalt nicht entgegen stehe, dass der Rechtsanwalt diese als Anwaltsnotar bearbeitet habe. Weitere Erläuterungen zu den Bezügen zu den einzelnen Bereichen des § 14c Nr. 4-6 FAO erfolgen nicht (Bl. 134-136 der Beiakte).

Der Berichterstatter des Fachausschusses wies den Kläger daraufhin mit Schreiben vom 31.10.2016 nochmals darauf hin, dass er nach dem Ergebnis der bisherigen Prüfung des Antrages davon ausgehe, dass der Kläger nicht die erforderliche Mindestzahl von 60 gerichtlichen Verfahren nach § 5 Abs.1 lit. j) FAO belegt habe (Bl. 141 f. der Beiakte).

Der Kläger beantwortete dies in seinem Schreiben vom 21.11.2016 mit Rechtsausführungen zu der Frage, dass beispielsweise auch bei der Beratung über den Kauf einer Eigentumswohnung Fragen aus dem Miet- und Wohnungseigentumsrecht tangiert sein können (Bl. 143 f. der Beiakte).

Der Fachausschuss hat daraufhin mit einem Votum vom 02.12.2016 dem Vorstand der Beklagten empfohlen, den Antrag des Klägers auf Gestattung der Führung der Fachanwaltsbezeichnung „Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht" zurückzuweisen und dies – kurz zusammengefasst – damit begründet, dass der Kläger nicht den Nachweis der besonderen praktischen Erfahrungen erbracht hat, da von ihm nicht mindestens 60 gerichtliche Verfahren im Sinne des § 5 Abs. 1 lit. j) FAO nachgewiesen wurden (Bl. 188-191 der Beiakte).

Dieses Votum wurde dem Kläger mit Schreiben der Beklagten vom 20.01.2017 mit der Möglichkeit zur Stellungnahme bis zum 17.02.2017 übersandt (Bl. 194 der Beiakte). Der Kläger antwortete darauf mit Schreiben vom 17.02.2017 erneut mit Rechtsausführungen und legte außerdem als Anlage zu diesem Schreiben zwei weitere ergänzende Falllisten vor, nämlich

– einen Nachtrag zur Fallliste nach § 6 Abs. 3 i.V.m. § 14c Nr. 4-6 FAO (Recht der Wohnraummietverhältnisse - Gerichtsverfahren) mit 2 Fällen (Bl. 197 der Beiakte) und

– einen Nachtrag zur Fallliste nach § 6 Abs. 3 i.V.m. § 14c Nr. 4-6 FAO (sonstige gerichtliche Verfahren) mit 15 Fällen (Bl. 198 f. der Beiakte).

Die Beklagte teilte dem Kläger darauf mit Schreiben vom 24.02.2017 unter anderem mit, dass insbesondere die von ihm als Notar bearbeiteten Fälle nicht als gerichtliche Verfahren berücksichtigt werden könnten (Bl. 205 f. der Beiakte). Der Kläger wies dies mit Schreiben vom 23.03.2017 zurück und legte eine weitere Nachtragsfallliste nach § 6 Abs. 3 i.V.m. § 14c Nr. 4-6 FAO (sonstige gerichtliche Verfahren) mit einem weiteren Fall vor (Bl. 208-210 der Beiakte).

Die Beklagte lehnte daraufhin mit Bescheid vom 20.04.2017 (Bl. 215-219 der Beiakte), der dem Kläger am 21.04.2017 zugestellt wurde (Bl. 220 der Beiakte), den Antrag auf Gestattung zum Führen der Fachanwaltsbezeichnung "Miet- und Wohnungseigentumsrecht" ab. Die Beklagte verwies zur Begründung darauf, dass der Kläger die besonderen praktischen Erfahrungen bezogen auf das Mindestquorum an gerichtlichen Verfahren nicht nachgewiesen habe (§ 5 Abs. 1 lit. j) FAO). Hinsichtlich der Begründung im Einzelnen wird auf den Ablehnungsbescheid vom 20.04.2017 Bezug genommen.

Der Kläger erhob gegen den Bescheid der Beklagten vom 20.04.2017 mit Schriftsatz vom 17.05.2017 (Bl. 1-8 der Gerichtsakte), der am 17.05.2017 beim Niedersächsischen Anwaltsgerichtshof eingegangen ist (Bl. 1 der Gerichtsakte), Klage und verweist zur Begründung darauf, dass insbesondere die von ihm in der Fallliste zu den sonstigen gerichtlichen Verfahren (§ 14c Nr. 4-6 FAO) angegebenen gerichtlichen Verfahren zu berücksichtigen seien, auch wenn er diese teilweise als Notar bearbeitet habe. Zur Begründung des Hilfsantrags verweist der Kläger darauf, dass bei eventuellen Nachweislücken im Bereich von § 5 FAO nach § 7 FAO ein Fachgespräch als ergänzende Beurteilungsgrundlage hätte geführt werden müssen, er aber nicht zu einem solchen Gespräch eingeladen wurde. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Klageschrift und des Schriftsatzes des Klägers vom 23.07.2018 Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

den Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 20.04.2017 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger die Führung der Bezeichnung „Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht“ zu gestatten.

Hilfsweise beantragt der Kläger,

den Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 20.04.2017 aufzuheben und die Be-klagte zu verpflichten, den Antrag des Klägers vom 29.07.2016 unter Beachtung der in den Urteilsgründen ausgeführten Rechtsauffassung neu zu bescheiden.

Weiter hilfsweise beantragt der Kläger,

die Berufung an den Bundesgerichtshof zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist die Beklagte zunächst auf den Ablehnungsbescheid vom 20.04.2017. Ergänzend weist die Beklagte darauf hin, dass die vom Kläger in der Liste nach § 6 Abs. 3 i.V.m. § 14c Nr. 4-6 FAO (sonstige gerichtliche Verfahren) angegebenen Fälle und die jeweilige stichwortartige Zusammenfassung des Fallinhaltes nicht erkennen lassen, dass die Bearbeitung dieser Fälle besondere Erfahrungen auf dem Gebiet des Miet– und Wohnungseigentumsrechts vermittelt hat. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des Schriftsatzes der Beklagten vom 27.06.2017 (Bl. 27-30 der Gerichtsakte) Bezug genommen.

Dem Senat lag der bei der Beklagten über den Fachanwaltsantrag des Klägers vom 29.07.2016 geführte Verwaltungsvorgang vor; dieser war als Beiakte Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

II.

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.

1.

Die Klage ist als Verpflichtungsklage ist zulässig (§ 42 Abs. 1 2. Alt. VwGO). Die Versagung der Gestattung, die Bezeichnung "Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht" zu führen ist mit der Verpflichtungsklage anzugreifen. Ein Vorverfahren findet nicht statt (§ 80 NJG).

Der Kläger ist klagebefugt. Durch die Ablehnung einer Gestattung, die Bezeichnung "Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht" zu führen, kann er in seinen Rechten verletzt sein (§ 42 Abs. 2 VwGO).

Die Verpflichtungsklage gegen den Bescheid der Beklagten vom 20.04.2017 ist auch fristgerecht eingereicht worden. Sie ging am 17.05.2017 beim niedersächsischen Anwaltsgerichtshof vor Ablauf der Monatsfrist (§ 74 VwGO) ein.

2.

Die Klage ist jedoch unbegründet.

Der ablehnende Bescheid der Beklagten ist nicht rechtswidrig im Sinne von § 113 Abs.5 VwGO und verletzt deshalb den Kläger nicht in seinen Rechten, da er keinen Anspruch auf Gestattung der Führung der Bezeichnung „Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht" gemäß § 43 c Abs.1 BRAO i.V.m. §§ 1 ff. FAO hat.

Voraussetzung für die Verleihung einer Fachanwaltsbezeichnung ist der Nachweis besonderer theoretischer Kenntnisse und besonderer praktischer Erfahrungen (§ 2 Abs. 1 FAO) sowie eine dreijährige Zulassung und Tätigkeit innerhalb der letzten sechs Jahre vor Antragstellung (§ 3 FAO). Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger nicht vollständig.

a)

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Kläger durch die erfolgreiche Teilnahme an dem Fachanwaltslehrgang in dem Zeitraum von April 2008 bis März 2009, die erfolgreichen schriftlichen Leistungskontrollen und den anschließenden Nachweis der Teilnahme an den fachbezogenen Fortbildungsveranstaltungen nach § 15 FAO in den Jahren 2010-2017 (§ 4 Abs. 2 FAO) den Nachweis seiner besonderen theoretischen Kenntnisse erbracht hat.

b)

Der Kläger hat jedoch nicht gemäß §§ 2 Abs. 2, 5 Abs.1 lit. j), 14c FAO nachgewiesen, dass er über die notwendigen besonderen praktischen Erfahrungen verfügt.

Der Nachweis der besonderen praktischen Erfahrungen für das Fachgebiet Miet- und Wohnungseigentumsrecht setzt nach § 5 Abs. 1 lit. j) FAO voraus, dass der Kläger in den letzten drei Jahren vor Antragstellung 120 Fälle, davon mindestens 60 gerichtliche Verfahren, auf diesem Gebiet als Rechtsanwalt persönlich und weisungsfrei bearbeitet hat. Mindestens 60 Fälle müssen sich dabei auf die in § 14c Nr. 1-3 FAO bestimmte Bereiche beziehen, dabei auf jeden dieser drei Bereiche mindestens 5 Fälle.

Der Kläger hat in dem maßgeblichen Zeitraum nicht mindestens 60 Fälle in gerichtlichen Verfahren bearbeitet.

(1)

Der Antrag des Klägers ist am 01.08.2016 bei der Beklagten eingegangen, so dass der maßgebliche Beurteilungszeitraum in dem Zeitraum vom 01.08.2013 bis 31.07.2016 liegt.

Nach der ersten vom Kläger als Anlage zu seinem Antrag vom 29.07.2016 vorgelegten Fallliste hat er 10 Fälle aus dem Bereich des Rechts der Wohnungsraummietverhältnisse (§ 14c Nr. 1 FAO) in dem maßgeblichen Zeitraum bearbeitet. Diese Fälle sind nach Auffassung des Klägers nach § 5 Abs.4 FAO mit 10,0 Punkten zu gewichten.

Mit der dritten Fallliste hat der Kläger 3 von ihm als Rechtsanwalt bearbeitete gerichtliche Verfahren aus dem Bereich des Rechts der Gewerberaummietverhältnisse und des Pachtrechts (§ 14c Nr. 2 FAO) dargelegt. Diese Fälle sind aus Sicht des Klägers mit 3,0 Punkten zu gewichten.

In der fünften Fallliste hat der Kläger 5 von ihm im Bereich des Wohnungseigentumsrechts (§ 14c Nr. 3 FAO) bearbeitete Fälle aufgeführt, die aus seiner Sicht mit 6,0 Punkten zu gewichten sind.

Von den 51 vom Kläger in der siebten Fallliste aufgeführten sonstigen gerichtlichen Verfahren (§ 14c Nr. 4-6 FAO) können die Verfahren unter den laufenden Nr. 4, 5, 8, 12,14, 15,16, 18,19, 21, 22, 23, 24, 26, 27, 28, 29, 30, 31, 32, 33, 35, 36, 37, 38, 39, 40, 41, 42, 43, 44, 45, 47, 48, 49 und 51 (also 36 Fälle) nicht berücksichtigt werden, da der Kläger nicht dargelegt hat, dass bei seiner persönlichen und weisungsfreien Bearbeitung dieser Fälle als Rechtsanwalt miet– oder wohnungseigentumsrechtliche Fragestellungen im Sinne des § 14c FAO „eine Rolle gespielt" haben (vgl. nur BGH, Urteil vom 08.04.2013, AnwZ (Brfg) 54/11 Rn. 15, mwN. zitiert nach juris). Außerdem ist der bereits in der fünften Fallliste (gerichtliche Verfahren aus dem Bereich § 14c Nr.2 FAO) als laufende Nummer 2 (Bl. 115 der Beiakte) aufgeführte Fall nochmals als laufende Nr. 13 (Bl. 118 der Beiakte) in der siebten Fallliste aufgeführt. Dieser Fall kann nur einmal berücksichtigt werden. Es sind daher aus dieser Liste nur 14 Fälle zu berücksichtigen, die nach Auffassung des Klägers mit 19,0 Punkten zu bewerten sind.

Der Kläger hat in den vorbezeichneten Fällen aus der siebten Fallliste keinen Bezug zu miet– und wohnungseigentumsrechtlichen Fragen dargelegt. Allein die Darstellung in der stichwortartigen Zusammenfassung des Fallinhalts, dass es sich z.B. um eine „Grundschuldbestellung" oder um einen "Grundstückskaufvertrag u. Auflassung" handelt, lässt einen solchen Bezug nicht erkennen. Trotz der wiederholten Hinweise des Berichterstatters des Fachausschusses und der Beklagten darauf, dass diese Fälle nicht anerkannt werden können, hat sich der Kläger darauf beschränkt, abstrakte, von den von ihm aufgeführten Einzelfällen unabhängige allgemeine Ausführungen dazu zu machen, dass beispielsweise bei dem Kauf einer Eigentumswohnung auch Fragen aus dem Miet- und Wohnungseigentumsrecht tangiert sein können. Diese Ausführungen reichen jedoch nicht aus, um konkret darzulegen, dass die vom Kläger in seiner Fallliste angeführten Fälle jeweils auch tatsächlich einen miet– oder wohnungseigentumsrechtlichen Bezug hatten.

Dabei geht es nicht um die Frage, ob der Kläger diese Fälle in seiner Eigenschaft als Notar oder als Rechtsanwalt bearbeitet hat. Hierzu stellt § 5 Abs. 2 FAO klar, dass es für die Anerkennung als Fall im Sinne von § 5 Abs. 1 FAO ausreicht, dass der Rechtsanwalt die Fälle als Anwaltsnotar bearbeitet hat, sofern sie auch von einem Rechtsanwalt, der nicht Notar ist, hätten bearbeitet werden können. Wenn ein Anwaltsnotar beispielsweise einen Grundstückskaufvertrag mit Auflassung beurkundet, wird er den zu beurkundenden Text ggfs. zuvor im Beratungsgespräch erläutern und er hat in vielen Fällen den Text selbst ausgearbeitet und entworfen. Diese beratende und entwerfende Tätigkeit kann auch von einem Rechtsanwalt erbracht werden, sodass derartige Vertragsbeurkundungen als Fälle im Sinne von § 5 Abs. 1 FAO berücksichtigt werden könnten (Hartung/Scharner, BORA/FAO, 6. Aufl. (2016), § 5 FAO Rn. 359). Dies entbindet den Kläger jedoch nicht von seiner Verpflichtung, für jeden von ihm in der Fallliste aufgeführten Fall den Bezug zu den in § 14c FAO genannten Rechtsgebieten darzulegen (vgl. nur BGH, Urteil vom 08.04.2013, aaO. Rn. 13; Beschluss vom 12.07.2010, AnwZ (B) 85/09, Rn. 11, zitiert nach juris).

Aus Sicht des Senats ist darüber hinaus höchst zweifelhaft, ob solche von einem Anwaltsnotar bearbeiteten Beurkundungs-Fälle (wenn der Bezug zu den in § 14c FAO genannten Rechtsgebieten dargelegt wäre) als "gerichtliche Verfahren" im Sinne von § 5 Abs.1 lit. j) FAO angesehen werden können. Zum einen könnte der Rechtsanwalt seinen Entwurf mangels Beurkundung (die er als solcher nicht durchführen kann) nicht in ein gerichtliches Verfahren einbringen und zum anderen dürften unter gerichtlichen Verfahren in diesem Sinne nur Erkenntnisverfahren und insbesondere nicht Grundbuchverfahren zu verstehen sein. Durch den Nachweis der besonderen praktischen Erfahrungen soll gewährleistet werden, dass der mit der Fachanwaltsbezeichnung werbende Rechtsanwalt entsprechend der Erwartung des rechtssuchenden Publikums auch praktische anwaltliche Erfahrung auf den betreffenden Rechtsgebieten hat (vgl. BayAGH, Beschluss vom 12.12.1995, I-8/95, zitiert nach juris; Feuerich/Weyland/Vossebürger, BRAO, 9. Aufl. (2016), beide mwN.). Dies dürfte bei der (anwalts-)notariellen Bearbeitung von Grundbuchverfahren nicht der Fall sein. Die Beantwortung dieser Fragen kann im vorliegenden Fall aber letztlich offen bleiben, da der Kläger schon nicht ausreichend dargelegt hat, das die von ihm aufgeführten gerichtlichen Verfahren einen ausreichenden Bezug zu den in § 14c FAO genannten Rechtsgebieten haben.

(2)

An diesem Ergebnis ändert sich auch nichts, wenn man die vom Kläger mit Schreiben vom 17.02.2017 und mit Schreiben vom 23.03.2017 nachgereichten Falllisten berücksichtigt.

Abgesehen davon, dass dann unter Umständen neue Referenzzeiträume rückgerechnet ab dem Datum der jüngsten Fallbearbeitung aus diesen Listen gebildet werden müssen, hat der Kläger insgesamt höchsten 5 von ihm als Rechtsanwalt bearbeitete gerichtliche Fälle aus dem Bereich des § 14c FAO für den bisherigen Referenzzeitraum nachgereicht, sodass schon aus diesem Grund die notwendige Quote von 60 gerichtlichen Verfahren auch unter Berücksichtigung der Nachtragsfalllisten nicht erreicht werden kann. Die weiteren nicht in dem bisherigen Referenzzeitraum bearbeiteten Fälle wären überdies nach den vorgenannten Kriterien des Senats voraussichtlich nicht als gerichtliche Fälle im Sinne des § 14c N. 1 - 6 FAO im Rahmen anwaltlicher Tätigkeit anzuerkennen, sodass auch eine Verschiebung des Referenzzeitraums durch den Senat für den Kläger keinen Vorteil brächte, zumal dann auch eine Reihe von Fällen, die gerade noch in den Referenzzeitraum ab dem 01.08.2013 hineinreichen, wieder herausfallen würde.

c)

Auf dieser Grundlage könnten nur insgesamt 10 Fälle aus Liste 1, drei Fälle aus Liste 3, fünf Fälle aus Liste 5 und 14 Fälle aus Liste 7 berücksichtigt werden, nominell also 32 Fälle, nach Lesart des Klägers gewichtet als 38,0 Fälle.

Die Berücksichtigung von Fällen zu Gunsten des Klägers im angefochtenen Bescheid ist aber aus Sicht des Senats durch den Fachausschuss bzw. die Beklagte insgesamt recht großzügig erfolgt. Höchst zweifelhaft ist dabei eine Reihe von Zwangsvollstreckungsverfahren oder deren Abwendung, in denen ein Bezug zu den Rechtsgebieten des § 14c FAO nicht erkennbar ist (z.B. aus Liste 7 die Fälle Nr. 10, 20, 46, 50 und 52; aus Liste 5 Fall Nr. 2, aus der Ergänzungsliste "Nachtrag 2" (Beiakte Blatt 210 Fall Nr. 1).

Weiter sind aus Liste 5 von der Beklagten zu Recht die Fälle 3, 4, 5 nicht berücksichtigt, da es sich auch hier um die Beurkundung und den Vollzug von Kaufverträgen handelt, deren einziger erkennbarer Bezug zum Fachgebiet darin liegt, dass jeweils der Kaufgegenstand ein Wohnungs- bzw. Teileigentum ist; das reicht nicht aus ohne nähere Darlegung eines konkreten Bezuges. Die Berücksichtigung des Grundbuchvollzuges als gerichtliches Verfahren dürfte überdies auch in diesem Zusammenhang nicht in Frage kommen.

Schließlich sind die vom Kläger geltend gemachten Fälle der Anordnung der gerichtlichen Zwangsverwaltung als gerichtliche Verfahren höchst zweifelhaft. Warum das so ist, hat der Kläger in seinem Schriftsatz vom 23.07.2018 selbst in aller Deutlichkeit ausgeführt: Bei Anordnung der gerichtlichen Zwangsverwaltung einer Immobilie ist der Kläger, soweit er zum Zwangsverwalter bestellt wurde, nur Adressat des Beschlusses. Seine Kerntätigkeit als Verwalter liegt in der wirtschaftlichen Betreuung des Zwangsverwaltungsobjektes zur Sicherung von Gläubigerinteressen. Allenfalls bei der Verwaltungsübernahme könnte sich ein mietrechtlicher Bezug ergeben, wenn der Kläger gegebenenfalls Inhalte von Mietverträgen prüfen muss im Hinblick auf wechselseitige Pflichten der Vertragsparteien, so z.B. die Umlagefähigkeit von Betriebskosten. Soweit damit ein mietrechtlicher Bezug bestünde, wäre die Berücksichtigung als Fall im Rahmen des Fachgebietes wohl begründet, schwerlich aber als gerichtliches Verfahren.

Wenn also die Beklagte in all diesen Fällen gleichwohl dem Kläger eine Zuordnung zu gerichtlichen Verfahren und eine Gewichtung von 0,5 zuerkannt hat, erscheint das nach Grund und Höhe schon als großzügige Beurteilung, die dem Senat trotz Bedenken gerade noch als vertretbar erscheint. Eine jährlich wiederholte Berücksichtigung als (gerichtlicher) Fall ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht angezeigt aufgrund des generell überwiegenden wirtschaftlichen Zwecks der Zwangsverwaltung. Soweit aus der Zwangsverwaltung heraus etwa gerichtliche Verfahren vom Kläger geführt wurden, ist dies etwas anderes; diese Fälle mussten fraglos berücksichtigt werden.

Im Ergebnis können deshalb dem Kläger in der Summe aus der 1., 3., 5. und 7. Liste und aus den Ergänzungslisten – soweit die dortigen Fälle im maßgeblichen Referenzzeitraum vom 01.08.2013 bis 31.07.2016 liegen – jedenfalls nicht mehr als die von der Beklagten ermittelten gerichtlichen Fälle zuerkannt werden, die als insgesamt 23,0 Fälle gewichtet wurden, wobei der oben genannte doppelt erfasste Fall mit 1,0 entfällt, hingegen aus der Ergänzungsliste "Nachtrag 1" (Blatt 203 der Beiakte) Fall Nr. 4 hinzu zu zählen ist, in dem ein Bezug des Steuerrechts zum Mietrecht gegeben ist, den Fachausschuss und Beklagte offenbar nicht erkannt haben.

Ungeachtet dessen bleiben auch bei einigen weiteren, von der Beklagten zuerkannten gerichtlichen Verfahren Zweifel, deren abschließende Beurteilung allerdings dahinstehen kann, da allein die so höchstens zuerkannte Fallzahl gerichtlicher Verfahren schon weit unter dem Erfordernis von insgesamt 60 gerichtlichen Verfahren liegt. Insofern ist der angefochtene Bescheid nicht rechtswidrig.

d)

Auch der Hilfsantrag des Klägers auf Neubescheidung durch die Beklagte unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts ist unbegründet.

Die Ablehnung des Antrages durch die Beklagte mit dem Bescheid vom 20.04.2017 ist auch nicht deshalb rechtswidrig, weil der Fachausschuss kein Fachgespräch nach § 7 FAO mit dem Kläger geführt hat. Der Fachausschuss konnte von der Durchführung des Fachgespräches nach § 7 Abs. 1 S. 2 FAO absehen, da er seine Stellungnahme gegenüber dem Vorstand der Beklagten bereits auf der Grundlage der vom Kläger eingereichten schriftlichen Unterlagen ohne ein Fachgespräch abgeben konnte. Das Fachgespräch dient "auch nach der Neufassung des § 7 FAO weiterhin nur einer ergänzenden, auf Defizite der vorgelegten Nachweise bezogenen Beurteilung und ist deshalb auch nach der neuen Bestimmung in § 7 Abs. 1 S. 2 FAO n.F. entbehrlich, wenn der Fachausschuss seine Stellungnahme aufgrund der vorgelegten Zeugnisse und schriftlichen Unterlagen auch ohne ein Fachgespräch abgeben kann" (BGH, Beschluss vom 06.03.2006, AnwZ (B) 36/05, Rn. 33, zitiert nach juris). Auf der Grundlage der vom Kläger eingereichten Falllisten war für den Fachausschuss eine eindeutige Stellungnahme für den Vorstand der Beklagten zu den besonderen praktischen Erfahrungen des Klägers möglich. Der BGH (Urteil vom 16.12.2013, AnwZ (Brfg) 29/12, Rn. 28, zitiert nach juris) hat bezogen auf die Fachanwaltschaft für Arbeitsrecht in diesem Zusammenhang ausgeführt: „Während der Erwerb besonderer theoretischer Kenntnisse nach § 4 Abs. 1 FAO nur „in der Regel" den Besuch eines fachanwaltsspezifischen Lehrgangs voraussetzt (...), sind die Fallzahlen in § 5 FAO vom Satzungsgeber absolut formuliert. Der Erwerb besonderer praktischer Erfahrungen im Arbeitsrecht setzt danach nicht im Regelfall, sondern – gegebenenfalls nach angepasster Gewichtung – ausnahmslos die Mindestzahl von 50 gerichts- oder rechtsförmlichen Verfahren voraus (§ 5 Abs. 1 Buchst. c FAO)."

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 112c Abs. 1 BRAO, 154 Abs. 1 VwGO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 112c Abs. 1 BRAO, 167 Abs.1, 2 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO. Der Streitwert war gem. § 194 Abs.1 BRAO i.V.m. § 52 GKG entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Senats in vergleichbaren Angelegenheiten festzusetzen und orientiert sich an der wirtschaftlichen Bedeutung der Fachanwaltsbezeichnung.

Gründe für die Zulassung der Berufung (§§ 112e BRAO, 124 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor, insbesondere ist eine grundsätzliche Bedeutung des Falles entgegen der Auffassung des Klägers nicht zu erkennen.