Anwaltsgerichtshof Niedersachsen
Urt. v. 28.05.2018, Az.: AGH 1/17 (II 1/29)

Bibliographie

Gericht
AGH Niedersachsen
Datum
28.05.2018
Aktenzeichen
AGH 1/17 (II 1/29)
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2018, 74566
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Streitwert wird auf 50.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

l.

Der am  ... . ... . ...  geborene Kläger ist seit 1973 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Die Beklagte hat mit Bescheid vom 14.12.2016 (Anlage 3, Bl. 8 ff. d. A.), der dem Kläger am 20.12.2016 (Bl. 173 f. d. Personalakte) zugestellt worden ist, die Zulassung des Klägers zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO widerrufen. Die Beklagte stützt den Widerrufsbescheid darauf, dass der Kläger in das vom zentralen Vollstreckungsgericht gemäß § 882b ZPO zu führende Schuldnerverzeichnis eingetragen sei:

·Wegen „Nichtabgabe der Vermögensauskunft“ besteht zum Az. DR ll 776/16 eine Eintragung, welche den Zwangsvollstreckungsauftrag der Rechtsanwaltskammer  ...  betreffend die beA-Umlage in Höhe von 67,00  EUR für das Jahr 2016 zzgl. Kosten betrifft. Das Amtsgericht  ...  hat insoweit unter dem 13.09.2016 Haftbefehl (Az. 4 M 650/16) erlassen, weil der Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft nicht wahrgenommen worden ist.
·Eine weitere Eintragung, veranlasst durch Eintragsanordnung des Obergerichtsvollziehers  ...  vom 01.09.2016 zum Az. DR ll 901/16, besteht ebenfalls wegen „Nichtabgabe der Vermögensauskunft“. Dieser Eintragung liegt die Zwangsvollstreckung der Rechtsanwaltskammer  ...  hinsichtlich der Beitreibung des Kammerbeitrags 2016 in Höhe von 330,00 EUR zzgl. Kosten zu Grunde. Auch insoweit ist seitens des Amtsgerichts  ...  am 12.09.2016 (Az. 4 M 681/16) Haftbefehl erlassen worden, weil der Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft nicht wahrgenommen wurde.

Ergänzend beruft sich die Beklagte darauf, dass mit Beschluss des Insolvenzgerichts  ...  (Geschäftsnummer 10 IN 110/16) vom 07.11.2016 im Insolvenzantragsverfahren die vorläufige Verwaltung des Vermögens des Klägers angeordnet und Frau Rechtsanwältin  ...  zur vorläufigen Insolvenzverwalterin bestellt worden ist (Kopie des Beschlusses Bl. 164 ff. d. Personalakte). Hintergrund ist ein Insolvenzantrag des Finanzamts  ... , weil nach einer Mitteilung der Oberfinanzdirektion  ...  vom 17.10.2016 (Bl. 161 d. Personalakte) Steuerrückstände des Klägers in Höhe von 56.071,98 EUR bestehen.

Weiter hat der Kläger der Beklagten mit Blick auf deren Gebührenbescheid vom 27.10.2016 über 125,00 EUR betreffend die Fachanwaltsfortbildung gemäß § 15 FAO mit Schreiben vom 08.11.2016 mitgeteilt, dass das Finanzamt  ...  durch Pfändung seiner Bankkonten seine Zahlungsunfähigkeit herbeigeführt habe (vgl. letztes Blatt Beiakte 50-05852/16).

Zwischenzeitlich hat das Amtsgericht  ...  mit Beschluss vom 21.09.2017 das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers angeordnet.

Gegen den Widerrufsbescheid hat der Kläger mit am 04.01.2017 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz Klage erhoben.

Er weist darauf hin, dass der angefochtene Widerrufsbescheid vom Vizepräsidenten  ...  der Beklagten unterzeichnet worden sei. Dieser habe in einem von der  ...  GbR geführten Rechtsstreit den Nebenintervenienten  ...  vertreten (vgl. Urteil des Oberlandesgerichts  ...  vom 30.01.2014 - 3 U 40/13 - Bl. 132 ff. Personalakte). Die von der  ...  GbR, bestehend aus der Ehefrau und dem Sohn des Klägers, gezahlten Kosten habe der Kläger erstattet; er nehme aber die  ...  auf Schadensersatz in Anspruch. Falls die  ...  wegen der Rechtsanwaltskosten des Vizepräsidenten  ...  zur Erstattung an den Kläger verurteilt werden sollte, müsste dessen Mandant  ...  diese Kosten an die  ...  erstatten, so dass der Vizepräsident  ...  eventuell ein Interesse daran haben könnte, dem Kläger die Geltendmachung seiner Schadensersatzansprüche gegenüber der  ...  zu erschweren.

Im Übrigen habe der Kläger seine sämtlichen Bankkonten aufgelöst und nehme Bargelder wegen der damit verbundenen Risiken nicht mehr in Verwahrung. Eine formelle Zahlungsunfähigkeit des Klägers hinsichtlich seines eigenen Vermögens sei durch Pfändungen der Bankkonten des Klägers durch das Finanzamt  ...  am 02.09.2015 herbeigeführt worden. Faktisch sei die Zahlungsfähigkeit des Klägers aber aus dem Vermögen seiner Familienangehörigen unbegrenzt gesichert. Er sei zu jeder Zeit in der Lage, aus dem erheblichen Vermögen seiner Familienangehörigen eine Befriedigung seiner sämtlichen Gläubiger zu veranlassen und seine finanziellen Verpflichtungen zu erfüllen.

Tatsächlich veranlasse der Kläger auch die Bezahlung seiner sämtlichen Verbindlichkeiten, ausgenommen Verbindlichkeiten ihm unliebsamer Gläubiger wie die Beklagte und das Finanzamt  ... . Andere Gläubiger würden aufgrund ihres Verhaltens gegenüber dem Kläger wegen absolut lächerlicher Beträge, z. B. wegen 50,92 EUR, voraussichtlich nicht befriedigt werden, es sei denn, es erfolge eine Bereinigung des Verhältnisses, etwa durch eine Entschuldigung.

Der Kläger habe im Zeitraum 01.01. bis 31.12.2016 Zahlungen in Höhe von insgesamt 62.800,67 EUR veranlasst, wofür er auf die der Klageschrift beigefügte Anlage 6 (Bl. 18 ff. d. A.) verweist.

In der von dem Kläger in Bezug genommenen Stellungnahme vom 14.10.2016 gegenüber der Beklagten (Anlage 5/Bl. 14 ff. d. A.) heißt es unter anderem, er, der Kläger, besitze kein realisierbares Aktivvermögen; auch habe er keine monatlichen Einkünfte. Dennoch sei seine Kreditwürdigkeit bei mehreren Personen nach wie vor gegeben, so dass seine Zahlungsfähigkeit uneingeschränkt gegeben sei. Abgesehen von den Forderungen der Beklagten und des Landes  ...  gebe es keine laufenden Verbindlichkeiten. Die monatlichen Betriebskosten der Kanzlei betrügen ca. 100,00 EUR. Daneben bestünden nur Forderungen wegen Krankenversicherungsbeiträgen für seine Ehefrau und ihn ab Oktober 2016. Erklärungen zu Verbindlichkeiten gegenüber der Ehefrau und den Kindern des Klägers würden nicht abgegeben.

Da der Kläger seit Herbst 2015 keine neuen Mandate mehr annehme, würden die Interessen Rechtssuchender bei ihm nicht gefährdet. Die laufenden Fremdmandate hätten sich sämtlich erledigt; die Tätigkeit sei auf Beratungen beschränkt. Bargeldvermögen nehme der Kläger nicht in Verwahrung.

Der Kläger hat seinen Vortrag im Termin am 28.05.2018 vertieft und in diesem Rahmen zahlreiche Schriftstücke/Urkunden vorgelegt. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das Sitzungsprotokoll vom 28.05.2018 und die darin aufgelisteten Urkundskopien Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

den Widerrufsbescheid der Beklagten vom 14.12.2016 ersatzlos aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie nimmt auf den Widerrufsbescheid vom 14.12.2016 Bezug.

Die von der Beklagten geführten Personalakten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

ll.

Die Anfechtungsklage ist zulässig, insbesondere fristgerecht eingereicht (§§ 112a Abs. 1, 112c Abs. 1 BRAO i. V. m. §§ 42 Abs. 1, 74 Abs. 1 VwGO). In der Sache erweist sie sich jedoch als unbegründet. Die Beklagte hat die Zulassung des Klägers zur Rechtsanwaltschaft zu Recht mit Bescheid vom 14.12.2016 gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO widerrufen.

1. Der Widerrufsbescheid der Beklagten ist nicht formell rechtswidrig, insbesondere auch nicht wegen Mitwirkung ihres Vizepräsidenten  ... .

a) Ein unter Mitwirkung eines befangenen Bearbeiters ergangener Verwaltungsakt kann zwar als verfahrensfehlerhaft angefochten werden. Einen Grund, der im Sinne des § 21 Abs. 1 VwVfG geeignet ist, Misstrauen gegen eine unparteiische Amtsausübung zu rechtfertigen, hat der Kläger indes nicht dargetan.

Die Besorgnis der Befangenheit ist gerechtfertigt, wenn objektiv feststellbare Umstände vorliegen, die subjektiv vernünftigerweise geeignet sind, die Besorgnis zu begründen, dass der Amtsträger in der Sache nicht objektiv und unvoreingenommen entscheiden werde. Es müssen also konkret benennbare Gründe für die Besorgnis vorliegen und damit deutlich mehr als nur bloße Behauptungen oder Befürchtungen der Beteiligten. Diese Gründe müssen auf einer rationalen Tatsachenbasis beruhen (Pautsch in: Pautsch/Hoffmann, VwVfG, 1. Auflage, § 21 Rn. 8).

Der Umstand allein, dass der Vizepräsident der Beklagten in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt einen Verfahrensbeteiligten vertreten hat, an den die von dem Kläger vertretene  ...  GbR Prozesskosten zu erstatten hatte, und die vage angedeutete Möglichkeit einer künftigen Verpflichtung des vertretenen Mandanten zur Rückerstattung erhaltener Kostenerstattungen, sind aus der Sicht einer verständigen Partei nicht geeignet, Zweifel an der Unbefangenheit des Vizepräsidenten  ...  aufkommen zu lassen. Es handelt sich offenkundig allenfalls um eine Befürchtung des Klägers, die jedoch einer sie tragenden und - gemessen am Maßstab einer vernünftig urteilenden Partei - rechtfertigenden Tatsachengrundlage entbehrt.

b) Darüber hinaus hätte selbst die Mitwirkung eines befangenen Bearbeiters nicht ohne weiteres die Aufhebung des Widerrufsbescheids zur Folge. Voraussetzung ist, dass nach Maßgabe des § 46 VwVfG die konkrete Möglichkeit besteht, dass ohne die Mitwirkung des Betreffenden die Entscheidung anders ausgefallen wäre (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.05.1984 - 4 C 58/81, NVwZ 1984, 718 [BVerwG 30.05.1984 - BVerwG 4 C 58.81a]; Schmitz in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 8. Auflage, § 21 Rn. 26). Daran fehlt es, weil es sich bei dem Widerruf der Zulassung des Klägers zur Rechtsanwaltschaft gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO um einen Fall gebundener Verwaltung handelt und der Widerrufsbescheid im Übrigen lediglich den in der 361. Vorstandssitzung der Rechtsanwaltskammer  ...  am 26.11.2016 gefassten einstimmigen Beschluss zum Widerruf der Zulassung umsetzt.

2. Die Zulassung eines Rechtsanwalts zur Rechtsanwaltschaft ist gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtssuchenden nicht gefährdet sind. Ein Vermögensverfall wird kraft Gesetzes vermutet, wenn ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Rechtsanwalts eröffnet oder der Rechtsanwalt in das vom Insolvenzgericht oder vom Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis (§ 26 Abs. 2 InsO, § 882b ZPO) eingetragen ist. Hierbei ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs auf den Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Widerrufsverfahrens abzustellen. Danach eingetretene Entwicklungen bleiben der Beurteilung in einem Wiederzulassungsverfahren vorbehalten (vgl. z. B. BGH, Beschluss vom 29.11.2011 - AnwZ (Brfg) 11/10, BGHZ 190, 187).

a) aa) Hier war zum maßgeblichen Zeitpunkt zwar noch kein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers eröffnet, vielmehr handelt es sich lediglich um ein Insolvenzantragsverfahren mit der Anordnung der vorläufigen Verwaltung des Vermögens des Klägers. Der Kläger war aber im Schuldnerverzeichnis eingetragen, und zwar zu den Aktenzeichen DR ll 776/16 und DR ll 901/16 jeweils mit dem Eintragungsgrund „Nichtabgabe der Vermögensauskunft“. Aufgrund dieser Eintragungen bestand die gesetzliche Vermutung des Vermögensverfalls.

bb) Die von der Oberfinanzdirektion  ...  der Beklagten mitgeteilten Steuerrückstände des Klägers in Höhe von 56.071,98 EUR sowie der darauf gegründete Insolvenzantrag stellen, ohne dass es hierauf noch entscheidend ankäme, darüber hinausgehend Indizien dar, die auf einen Vermögensverfall des Klägers hindeuten. Denn ein solcher liegt vor, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und er außer Stande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Beweisanzeichen hierfür sind etwa die Erwirkung von Schuldtiteln und Vollstreckungsmaßnahmen (st. Rspr., vgl. z. B. BGH, Beschluss vom 25.03.1991 - AnwZ (B) 80/90, NJW 1991, 2083; ders., Beschluss vom 30.05.2017 - AnwZ (Brfg) 16/17, m. w. N.).

Soweit der Kläger offenbar der Auffassung ist, der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens sei unbegründet und in der Konsequenz hiervon sei das Insolvenzverfahren zu Unrecht eröffnet worden, weil er die Forderungen des Finanzamts und der  ...  bestreite, kommt es hierauf nicht an. Zum einen stützt der Senat seine Entscheidung gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ohnehin auf eine Vermutung des Vermögensverfalls aufgrund Eintragung des Klägers in das Vollstreckungsverzeichnis, nicht aufgrund der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen. Zum anderen ist bei Vorliegen der gesetzlichen Vermutungsvoraussetzungen von dem Vermögensverfall auszugehen und der Widerruf auszusprechen, wenn sich der Rechtsanwalt nicht umfassend und substantiiert zu seinen Verbindlichkeiten eingelassen und die gegen ihn streitende Vermutung widerlegt hat (vgl. Schmidt-Räntsch in: Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Auflage, § 14 BRAO Rn. 36). Ebenso wie der Rechtsanwalt eine zum Verlust seiner Kreditwürdigkeit führende Eintragung in das Schuldnerverzeichnis vermeiden wird, indem er seine Gläubiger befriedigt, sofern er dazu imstande ist (vgl. BGH, Beschluss vom 26.03.2007, AnwZ (B) 45/06, zitiert nach juris), wird der Schuldner erst recht die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über sein Vermögen verhindern. Dazu wird er etwa im Falle von Steuerforderungen gegen die zu Grunde liegenden Steuerbescheide vorgehen, was der Schuldner hier auch getan hat. Entscheidend ist allerdings, dass ihm dies regelmäßig gelingen wird, wenn seine Auffassung zutrifft. Gelingt ihm dies nicht, muss er damit rechnen, dass der gegen ihn geltend gemachte Anspruch begründet ist. Er wird dann, wie auch sonst, seine Gläubiger befriedigen, wenn er dazu die nötigen Mittel hat (vgl. a. dazu BGH, Beschluss vom 26.03.2007, AnwZ (B) 45/06, zitiert nach juris). Das ist vorliegend nicht geschehen, obwohl jedenfalls das Niedersächsische Finanzgericht die Klage des hiesigen Klägers und seiner Ehefrau mit Urteil vom 27.03.2018 abgewiesen hat (Geschäfts-Nr. 8 K 120/15 / Bl. 86 ff. d. A.).

cc) Der Hinweis des Klägers im Termin am 28.05.2018 auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 17.05.2001 (IX ZR 188/98) ist nicht zielführend. Der Bundesgerichtshof hat hier zur Rechtslage nach der Konkursordnung die Auffassung vertreten, dass eine Prüfung der Rechtsbeständigkeit einer gegen den Schuldner erhobenen Forderung zwecks Feststellung der Zahlungsunfähigkeit geboten sein könne, wenn ihre Berechtigung streitig sei, und auch keine Zahlungseinstellung festgestellt werden könne, wenn der Schuldner die Zahlung verweigere, weil er die Forderung für unbegründet halte. Diese Entscheidung betrifft ein anderes Rechtsgebiet und ist auf den Streitfall, der nach anderen Rechtsnormen zu beurteilen ist, nicht übertragbar. Allein aufgrund der Eintragungen im Schuldnerverzeichnis wird der Vermögensverfall des Klägers von Gesetzes wegen vermutet. Es ist deshalb Sache des Klägers, diese Vermutung zu entkräften.

b) Um die gesetzliche Vermutung des Vermögensverfalls zu widerlegen, muss der Rechtsanwalt, der im Schuldnerverzeichnis eingetragen ist, ein vollständiges und detailliertes Verzeichnis seiner Gläubiger und Verbindlichkeiten vorlegen und - ggf. unter Vorlage eines nachvollziehbaren bzw. realistischen Tilgungsplans - dartun, dass seine Vermögens- und Einkommensverhältnisse bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt des Widerrufsbescheids nachhaltig geordnet sind (vgl. z. B. BGH, Beschluss vom 04.04.2012 - AnwZ (Brfg) 1/12, zitiert nach juris; ders., Beschluss vom 29.07.2016, AnwZ (Brfg) 9/16, zitiert nach juris).

Dies hat der Kläger nicht getan; im Gegenteil ist sogar nachfolgend mit Beschluss des Amtsgerichts  ...  vom 21.09.2017 das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers angeordnet worden. Die Aufstellung in der Stellungnahme vom 14.10.2016 genügt den zu stellenden Anforderungen schon deshalb nicht, weil der Kläger eine Erklärung zu den offenbar gegenüber seiner Ehefrau und seinen Kindern bestehenden Verbindlichkeiten verweigert hat. Insoweit ergibt sich aus der Vermögensaufstellung der  ...  GbR zum 31.12.2016 (Bl. 85 d. A.), dass zumindest eine Darlehensforderung gegen den Kläger in Höhe des nicht unerheblichen Betrags von 273.228,14 EUR existiert. Ebenso wenig genügt die im Termin vor dem Senat vorgelegte „Tabelle nach § 175 tituliert“ (Bl. 100 d. A.), bei der es sich lediglich um eine Auflistung der im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers bis zum 07.11.2017 angemeldeten Insolvenzforderungen handelt, die nicht notwendigerweise sämtliche Verbindlichkeiten des Klägers wiedergibt. Dies zeigt sich auch daran, dass etwa die Darlehensforderung der  ...  GbR fehlt. Darüber hinaus hat der Kläger angegeben, keine Einkünfte zu haben, während andererseits die Betriebskosten seiner Kanzlei zu tragen und Krankenversicherungsbeiträge zu entrichten sind. Da der Kläger weiter ausgeführt hat, kein realisierbares Aktivvermögen zu besitzen, sind seine Vermögens- und Einkommensverhältnisse nicht geordnet.

Soweit der Kläger stattdessen auf die Finanzkraft seiner Familie verweist, ist dies nicht entscheidungserheblich. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt es darauf an, ob dem Kläger liquide Vermögenswerte zur Verfügung stehen (vgl. BGH, Beschluss vom 29.07.2016, a. a. O.). Daran fehlt es bei der bloßen Möglichkeit eines Verwandtendarlehens, dessen Auszahlung vom Wohlwollen des potentiellen Darlehensgebers abhängt. Um mehr handelt es sich auch nicht im Lichte des vom Kläger als „Antrag IV“ gestellten Beweisantrags (Bl. 84 d. A.), dem deshalb nicht nachzugehen war. So geht die Behauptung des Klägers dahin, dass von ihm erbetene Zahlungen nach Prüfung und Abstimmung zur Abwendung seiner Zahlungsunfähigkeit von seiner Ehefrau und seinem Sohn erbracht worden wären. Allein hiernach war die Auszahlung aber nicht gesichert, weil ihr zunächst eine (positive) Prüfung vorausgehen musste. Daneben behauptet der Kläger auch keine rechtliche Verpflichtung seiner Ehefrau und seines Sohnes, so dass es an einer rechtsverbindlichen und damit durchsetzbaren Zusage fehlt, eine etwaige Bereitschaft zur Unterstützung vielmehr Gefälligkeitscharakter hat und auf dem zum Kläger bestehenden Verwandtschaftsverhältnis beruht. Darüber hinaus dürften die vom Bundesgerichtshof an „liquide“ Vermögenswerte gestellten Anforderungen auch erst dann erfüllt sein, wenn die Auszahlung tatsächlich erfolgt ist, sodass der Schuldner über die Finanzmittel effektiv verfügen kann.

Schließlich fehlt es auch an einem realistischen Tilgungsplan. Im Gegenteil ergibt sich aus dem eigenen Vortrag des Klägers, dass er nach Gutdünken darüber befindet, welchen Gläubiger er befriedigt, sofern dies möglich ist, und welchen nicht.

Der Hinweis des Klägers im „Antrag I“ (Bl. 81 d. A.) auf die dort genannte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geht fehl. Sie befasst sich auf der Grundlage der Konkursordnung mit der Frage, ob bei der Prüfung der Zahlungsunfähigkeit auch illegale Einkünfte zu berücksichtigen sind. Diese Problematik stellt sich im Streitfall nicht.

c) Nach der in § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Wertung ist mit dem Vermögensverfall eines Rechtsanwalts grundsätzlich auch eine Gefährdung der Interessen der Rechtssuchenden verbunden. Im vorrangigen Interesse der Rechtssuchenden kann diese nur in seltenen Ausnahmefällen verneint werden, wobei den Rechtsanwalt die Feststellungslast trifft. Die Annahme einer derartigen Sondersituation setzt jedoch zumindest voraus, dass der Rechtsanwalt seine anwaltliche Tätigkeit nur noch für eine Rechtsanwaltssozietät ausübt und mit dieser rechtlich abgesicherte Maßnahmen verabredet hat, die eine Gefährdung der Mandanten effektiv verhindern (vgl. BGH, Beschluss vom 17.03.2016 - AnwZ (Brfg) 6/16, zitiert nach juris).

Auch an einer solchen Ausnahmesituation fehlt es. Der Kläger ist weiter als Einzelanwalt tätig. Sein Vortrag beschränkt sich darauf, dass er nur noch Beratungstätigkeiten ausübe und von ihm keine Mandantengelder mehr in Verwahrung genommen würden. Damit ist den Interessen der Rechtssuchenden jedoch nicht in einer ihre Gefährdung ausschließenden Weise Rechnung getragen. Der Kläger kann sich jederzeit umentscheiden und wieder Mandantengelder in Verwahrung nehmen. Dies verhindernde rechtliche Sicherungsmaßnahmen sind nicht ergriffen worden.

d) Nach alledem bestand im Zeitpunkt der Widerrufsverfügung die (nicht widerlegte) Vermutung des Vermögensverfalls, so dass die Beklagte zu Recht die Zulassung des Klägers zur Rechtsanwaltschaft widerrufen hat und die Klage abzuweisen ist.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 112c Abs. 1 BRAO, 154 Abs. 1 VwGO; die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 112c Abs. 1 BRAO, 167 Abs. 1 u. 2 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

4. Gründe zur Zulassung der Berufung gemäß den §§ 112c Abs. 1, 112e BRAO i. V. m. §§ 124 Abs. 2, 124a Abs. 1 S. 1 VwGO bestehen nicht.

5. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 194 Abs. 2 S. 1 BRAO.