Anwaltsgerichtshof Niedersachsen
Beschl. v. 27.12.2017, Az.: AGH 13/16
Bibliographie
- Gericht
- AGH Niedersachsen
- Datum
- 27.12.2017
- Aktenzeichen
- AGH 13/16
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2017, 54296
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- Anwaltsgericht - 04.10.2017 - AZ: 1 AnwG 27/15
Tenor:
Die sofortige Beschwerde des Rechtsanwalts gegen den Beschluss des Anwaltsgerichts Celle vom 4. Oktober 2017 wird zurückgewiesen.
Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I.
1.) Der Rechtsanwalt ist durch das Anwaltsgericht Celle wegen Verletzung eines Tätigkeitsverbotes in zwei Fällen verurteilt worden. Wegen einer vermeintlichen weiteren Pflichtwidrigkeit - Umgehung des Gegenanwaltes - hat es ihn freigesprochen. Soweit der Rechtsanwalt freigesprochen worden ist, hat das Anwaltsgericht seine notwendigen Auslagen der Kammer auferlegt. Der Senat hat die Berufung gegen diese Entscheidung rechtskräftig verworfen.
2.) Mit Schriftsatz vom 23. Mai 2017 hat der Rechtsanwalt zunächst beantragt, gegen die Kammer Kosten der Verteidigung in Höhe von 847,28 Euro festzusetzen. Die Kammer hat zu diesem Schriftsatz in ihrer Stellungnahme vom 20. Juni 2016 die Auffassung vertreten, dass sich in Anwendung der sog. Differenzmethode kein ausscheidbares und zu erstattendes Honorar im Hinblick auf den Teilfreispruch ergebe. Abgesehen davon sei die Honorarforderung überhöht. Mit nachfolgendem Schriftsatz vom 27. Juli 2017 hat der Rechtsanwalt daraufhin die Forderung ohne Erläuterung auf 511,80 Euro reduziert. Mit Beschluss vom 7. August 2017 hat das Anwaltsgericht den Kostenfestsetzungsantrag zurückgewiesen. Auf die Gründe der Entscheidung wird Bezug genommen. Mit seiner Erinnerung vom 14. August 2017 hat der Rechtsanwalt eine neue Kostenrechnung seines Verteidigers über 916,40 Euro zu den Akten gereicht. Davon habe die Anwaltskammer 1/3 zu tragen, weil er in einem von drei Fällen freigesprochen worden sei. Die Richtigkeit seiner Rechtsauffassung ergebe sich auch aus einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Celle (Beschluss vom 8. August 2016, Az. 1 Ws 382/16).
3.) Mit dem angefochtenen Beschluss, auf den ebenfalls Bezug genommen wird, hat das Anwaltsgericht die Erinnerung des Rechtsanwalts zurückgewiesen.
4.) Mit seiner sofortigen Beschwerde trägt der Rechtsanwalt keine weiteren Gesichtspunkte vor.
II.
1.) Die sofortige Beschwerde des Rechtsanwalts ist gemäß § 199 Abs. 2 BRAO zulässig, insbesondere fristgemäß eingelegt worden. Über ihren Wortlaut hinaus ist die Bestimmung auch dann anzuwenden, wenn der Rechtsanwalt Festsetzung der ihm nach § 116 Abs. 1 Satz 2 BRAO i. V. m. § 464b StPO zu erstattenden Auslagen begehrt (vgl. Dittmann, in: Henssler/Prütting, 4. Aufl., § 199 BRAO Rn. 5).
2.) Das Rechtsmittel ist nicht begründet.
Das Anwaltsgericht hat zu Recht eine Kostenfestsetzung gegen die Kammer abgelehnt.
a) Erfolgt - wie hier - bei einem Teilfreispruch keine Kostenquotelung in der Grundentscheidung, so sind im Kostenfestsetzungsverfahren die dem Rechtsanwalt gegebenenfalls zu erstattenden Auslagen durch Quotelung oder nach der Differenztheorie zu berechnen (vgl. OLG Celle a. a. O., Juris Rn. 11; OLG Koblenz, StraFo 1999, 105 [OLG Düsseldorf 16.09.1998 - 2 Ws 489/98]; Hilger, in: Löwe-Rosenberg, 26. Aufl., § 465 StPO Rn. 40 m. w. N.). Welche Methode zur Anwendung kommt, steht im pflichtgemäßem Ermessen des erstinstanzlichen Gerichts (vgl. OLG Koblenz a. a. O., Hilger a. a. O., Rn. 40 ff.).
b) Bei der Festlegung der auf den Freispruch entfallenden (fiktiven) Vergütung sind alle Umstände des Einzelfalls, insbesondere aber die Art und die Schwere der einzelnen Schuldvorwürfe sowie Umfang und Schwierigkeit der Beweisaufnahme zu berücksichtigen. Auch ist maßgeblich, ob die Verhandlung weniger Zeit (Tage) in Anspruch genommen hätte, wenn sie von vorneherein auf die Verurteilungstaten beschränkt gewesen wäre (vgl. insgesamt OLG Celle, ebenda, Rn. 13; Nds. RPfl. 1987, 260; OLG Hamm, Beschl. v. 21. Dezember 2006, 4 Ws 544/06, Juris; Hilger, ebenda, Rn. 42 m. w. N.). Das Ergebnis dieser Abwägung kann sein, dass die Staatskasse bzw. die Kammer uneingeschränkt die Verteidigerauslagen zu erstatten hat, aber auch, dass jegliche Erstattungsansprüche entfallen (vgl. OLG Düsseldorf, JurBüro 1990, 1662, Juris Rn. 11, Hilger, ebenda).
c) Hier ist Letzteres der Fall. In der vorliegenden Sache ist für die Hauptverhandlung in erster Instanz lediglich ein Termin von etwa drei Stunden Dauer benötigt worden. Die Beweisaufnahme hat - neben der Einlassung des Rechtsanwalts - hinsichtlich aller drei Vorwürfe ausschließlich in der Verlesung von Urkunden bestanden.
Darüber hinaus hat das Anwaltsgericht zutreffend ausgeführt, dass die beiden Verurteilungstaten des Rechtsanwalts (Verstoß gegen ein Tätigkeitsverbot wegen Vorbefassung als Notar) schwerer wiegen als die Tat, wegen der ein Freispruch erfolgt ist. Diese Tat betraf den Vorwurf der Umgehung des Gegenanwalts, der im konkreten Fall mit dem Anwaltsgericht auch deshalb als wenig gewichtig erscheint, als es sich bei dem seinerzeitigen Gegner um einen Insolvenzverwalter (Diplom-Ökonom) handelte, der - anders als Naturalparteien in den üblichen Fällen der Umgehung des Gegenanwalts - im Umgang mit Rechtsanwälten erfahren war. Die Gefahr für das zu schützende Rechtsgut war mithin insoweit deutlich geringer als in vergleichbaren Fällen.
Im Ergebnis ist die Tätigkeit des Verteidigers hinsichtlich des unbegründeten Tatvorwurfs im Verhältnis zu den Verurteilungstaten als nicht bedeutend anzusehen. Der Teilfreispruch ist mit anderen Worten im Hinblick auf die gesamte Angelegenheit sowie in Bezug auf den Umfang und die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit im erstinstanzlichen Verfahren ohne besondere Relevanz gewesen.
Unabhängig davon, ob man eine Quotelung der Kosten für vorzugswürdig hält oder der Differenztheorie folgt, ist es deshalb nicht möglich, einen fiktiven Anteil der geltend gemachten Auslagen für die Verteidigung dem Teilfreispruch zuzuordnen. Auszugehen ist vielmehr davon, dass die Rechnung des Verteidigers des Rechtsanwalts nicht geringer ausgefallen wäre, wenn das Verfahren von vorneherein auf die beiden Verurteilungstaten beschränkt gewesen wäre.
3.) Die Kostenentscheidung folgt aus § 199 Abs. 2 Sätze 4 und 5 BRAO.