Anwaltsgerichtshof Niedersachsen
Urt. v. 26.02.2018, Az.: AGH 35/16
Bibliographie
- Gericht
- AGH Niedersachsen
- Datum
- 26.02.2018
- Aktenzeichen
- AGH 35/16
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2018, 74556
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Tenor:
I. Die Klage wird abgewiesen
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte oder die Beigeladene vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
IV. Der Streitwert wird auf 25.000,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Parteien streiten um die Zulassung der Beigeladenen zur Rechtsanwaltschaft als Rechtsanwältin (Syndikusrechtsanwältin) bei der Beklagten.
1. Die Beigeladene wurde am ........... geboren.
Sie ist seit 2009 als Rechtsanwältin bei der Beklagten zugelassen.
Die Beigeladene ist mit Anstellungsvertrag vom 01.06.2010 bei der ... GmbH im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis ist nach Ablauf der Befristung - 30.06.2012 - als unbefristetes Arbeitsverhältnis fortgesetzt worden. Sie ist ursprünglich in die Tarifgruppe V eingruppiert gewesen. Mit Schreiben vom 23.11.2016 bestätigte der Arbeitgeber der Beigeladenen, dass sie in die Tarifgruppe VII des Verbandstarifvertrages eingruppiert wurde.
Mit Nachtrag vom 15. / 18.03.2016 zum Anstellungsvertrag ist die Beigeladene bis heute als Mitarbeiterin des Bereichs "Rechtsschutz Schaden Industrie" eingesetzt.
Die Abteilung, in der die Beigeladene tätig ist, besteht aus 2 Geschäftsführern, wobei die Geschäftsführerin Frau ... als Rechtsanwältin zugelassen ist, 8 Sachbearbeitern, die sämtlich Volljuristen sind und 2 Versicherungskaufleuten.
Die Aufgaben der Beigeladenen besteht in der Beurteilung juristischer Fragestellung, dem Führen von Deckungsprozessen / Beschwerdemanagement sowie die Vorbereitung von und Beteiligung an Kunden- und Rückversicherungsgesprächen sowie in der Erarbeitung unternehmensbezogener Rechtsschutzlösungen im Industrie- und Konzernbereich als auch den Verhandlungen mit Versicherungsnehmern und Rechtsanwälten in Schadensfällen.
In dem Nachtrag zum Anstellungsvertrag heißt es unter I (2)
"... Mit entsprechender Zulassung durch die zuständige Rechtsanwaltskammer wird die Arbeitnehmerin als Rechtsanwältin (Syndikusrechtsanwältin) vom Arbeitgeber beschäftigt. Insofern gewährleistet der Arbeitgeber die fachlich unabhängige Ausübung der anwaltlichen Tätigkeiten (§ 46 Abs. 3 und Abs. 4 BRAO). Das bedeutet, dass die Arbeitnehmerin insoweit keinen allgemeinen oder konkreten Weisungen unterliegt, die eine eigenständige Analyse der Rechtslage und eine einzelfallorientierte Rechtsberatung beeinträchtigen oder ausschließen. Ihm gegenüber bestehen insoweit keine Vorgaben zur Art und Weise der Bearbeitung und Bewertung bestimmter Rechtsfragen und sie arbeitet insoweit fachlich eigenverantwortlich. Sie ist im Rahmen der von ihr zu erbringenden Rechtsberatung und -vertretung den Pflichten des anwaltlichen Berufsrechts unterworfen.
Etwaig vormalige Regelungen, die die fachliche Unabhängigkeit im Sinne des Abs. 1 einschränken oder ihr entgegenstehen, werden hiermit aufgehoben".
In der Tätigkeitsbescheinigung vom 14.03.2016 ist unter Ziffer 4. "die Befugnis zu verantwortlichem Auftreten nach Außen § 46 Abs. 3 Nr. 4 BRAO" wie folgt geregelt:
"Frau Dr. ... tritt außenwirksam sowohl schriftlich als auch telefonisch sowie in persönlichen Besprechungen beispielsweise mit Versicherungsnehmern, Mitversicherten, Anspruchstellern, Maklern, firmenverbundenen Vermittlern, Rechtsanwälten und Insolvenzverwaltern auf und teilt diesen die unabhängig getroffene Entscheidung, insbesondere in versicherungsrechtlichen Angelegenheiten, mit. Frau Dr. ... übernimmt insoweit die Verfahrensführung selbstständig. Desweiteren ist sie im Rahmen ihrer Dezernatstätigkeit und ihrer Vollmachten befugt, Vergleiche abzuschließen. Der Schriftverkehr der von Frau Dr. ... bearbeiteten Angelegenheiten wird von ihr selbstständig geführt und unterzeichnet.
Frau Dr. ... ist in Fällen dienstlicher oder urlaubsbedingter Abwesenheit der Geschäftsführung und deren Stellvertretung zuständige Vertreterin mit umfassenden Vollmachten."
Bezüglich der einzelnen Tätigkeiten wird auf die Tätigkeitsbeschreibung vom 14.03.2016 verwiesen.
Im Verhältnis zwischen der Beigeladenen und ihrer Arbeitgeberin ist eine Anweisungsvollmacht für den Geschäftsbereich bis 150.000,00 € sowie eine Regulierungsvollmacht für die eigenverantwortliche Regelung von in die Zuständigkeit der Beigeladenen fallenden industriellen Schäden der Sparte Rechtsschutz vereinbart worden. In der Anlage zu der Regulierungsvollmacht vom 01.07.2015 ist die Unterschriftenregelung niedergelegt worden. Hierin ist niedergelegt, dass eine Alleinzeichnungsregelung für internen Schriftwechsel, Sachstandsanfragen, Bestätigung von Stundensätzen bis einschließlich 400,00 €, Deckungszusagen/-ablehnungen im ARB-Bereich sowie Verkehrsordnungswidrigkeiten- und Verkehrsstrafverfahren sowie bei Einzelanweisungen bis 5.000,00 €, sofern die Gesamtsumme von 300.000,00 € nicht überschritten ist, gewährt wird. Ansonsten bedarf es der Mitzeichnung. Auf die Regulierungsvollmacht nebst Anlage vom 01.07.2015, inzwischen geänderte Fassung vom 01.04.2017, wird verwiesen.
2. Mit Antrag vom 22. Februar 2016, bei der Beklagten am 23. März 2016 eingegangen, beantragte die Beigeladene die Zulassung als "Rechtsanwältin (Syndikusrechtsanwältin)". Die Klägerin ist mit Schreiben vom 29. März 2016 durch die Beklagte angehört worden. Sie hat im Zulassungsverfahren ausgeführt, dass aus ihrer Sicht die Zulassungsvoraussetzungen gemäß § 46 Abs. 3 BRAO von der Beigeladenen nicht erfüllt seien. Die Beigeladene ist dem entgegengetreten.
Mit Bescheid vom 29.09.2016 hat die Beklagte die Beigeladene als Rechtsanwältin (Syndikusrechtsanwältin) gemäß § 46 a Abs. 1 S. 1 BRAO, bezogen auf den Arbeitsvertrag vom 1. Juni 2010 und den Nachtrag vom 18. März 2016 zugelassen. Die Voraussetzungen des § 46 a Abs. 1 S. 1 Ziff. 1 und 2 BRAO seien erfüllt. Die fachliche Unabhängigkeit im Sinne von § 46 Abs. 4 BRAO sei mit korrigiertem Nachtrag vom 18. März 2016 zugestanden worden. Die Beigeladene übe ihre Tätigkeit auch eigenverantwortlich im Sinne von § 46 Abs. 3 erste Variante BRAO aus, da arbeitsrechtliche Weisungsbefugnisse zurückstünden, wenngleich durch die Zeichnungsvollmachten vom 1. Juli 2015 bei qualifiziertem Schriftverkehr ein 4-Augen-Prinzip vorliege. Hierdurch sei aber der unverfälschte Charakter einer eigenverantwortlich vertretenen Rechtsmeinung nicht gefährdet, da kein fachliches Direktionsrecht vorliege. Insgesamt seien die Voraussetzungen des § 46 Abs. 2-5 BRAO i.V.m. § 46 a Abs. 1 S. 1 Ziff. 3 BRAO erfüllt.
Der Bescheid wurde der Klägerin am 07.10.2016 zugestellt.
Mit beim Niedersächsischen Anwaltsgerichtshof am 25. Oktober 2016 eingegangener Klage sowie ergänzender Klagbegründung vom 22. Dezember 2016 macht die Klägerin geltend, dass die Voraussetzungen nach § 46 BRAO für die Beigeladene nicht gegeben seien. Aus den von der Beigeladenen eingereichten Unterlagen ergäben sich die gesetzlich erforderlichen Voraussetzungen für die Tätigkeiten und Merkmale nicht. Insbesondere fehle es an der fachlichen Unabhängigkeit. Es liege eine rein sachbearbeitende und keine anwaltliche Tätigkeit vor. Für das Vorliegen der fachlichen Unabhängigkeit sei nicht allein die vertragliche Gewährleistung durch den Arbeitgeber ausreichend. Vielmehr sei erforderlich, dass die Unabhängigkeit im Rahmen der tatsächlichen Ausgestaltung der Gesamttätigkeit auch gelebt werde. Hieran fehle es. Eine fachlich unabhängige und weisungsfreie Ausübung der Tätigkeit der Beigeladenen im Sinne des § 46 Abs. 3 BRAO sei auch im Hinblick auf die im Zulassungsverfahren eingereichten Unterlagen zur Vollmacht nicht gegeben. Auf die Ausführungen der Klägerin im Schriftsatz vom 22. Dezember 2016 wird Bezug genommen.
Die Beklagte ist der Klage mit Schriftsätzen vom 05.01.2017, 13.01.2017, 22.03.2017, 15.06.2017, 15.11.2017 und 22.11.2017 entgegengetreten. Hierauf wird Bezug genommen.
Die mit Beschluss vom 03.05.2017 zum Verfahren Beigeladene hat zur Klage mit Schriftsätzen vom 28.08.2017, 26.09.2017 und 22.02.2018 Stellung genommen. Hierauf wird Bezug genommen.
Die Klägerin beantragt:
Der Bescheid der Beklagten vom 29.September 2016 (Az: Mitglieds-Nr. ...), zugestellt am 07.Oktober 2016, wird aufgehoben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beigeladene beantragt,
die Klage abzuweisen und der Klägerin die Kosten einschließlich der aussergerichtlichen Auslagen der Beigeladenen aufzuerlegen.
Die von der Beklagten geführte Personalakte – ... –, teilweise als Ausdruck aus der elektronisch geführten Personalakte, sowie die Verwaltungsvorgänge der Klägerin – ... -, beide betreffend die Beigeladene, lagen dem Senat vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
II.
Die Klage ist als Anfechtungsklage gemäß § 112c Abs. 1 BRAO, 42 Abs. 1 VwGO zulässig.
Die Klägerin ist klageberechtigt, da gemäß § 46 a Abs. 2 S. 3 BRAO auch dem Träger der Rentenversicherung gegen eine Zulassungsentscheidung nach § 46 a Abs. 1 S. 1 Rechtsschutz gemäß §§ 112a ff. BRAO eröffnet ist.
Die Klägerin ist klagebefugt, da sie die Verletzung ihrer Rechte geltend macht. Nach § 46 a Abs. 2 S. 4 BRAO ist der Träger der Rentenversicherung bei seiner Entscheidung über die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI an die bestandskräftige Entscheidung der Rechtsanwaltskammer über die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt gebunden. Im angefochtenen Bescheid vom 29. September 2016 wurde die Beigeladene als Syndikusrechtsanwältin zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Die Beeinträchtigungen möglicher eigener Rechte der Klägerin ergibt sich aus der gesetzlichen Drittwirkung des Zulassungsbescheides.
Die Klage ist indes nicht begründet.
Die Klage wäre begründet, wenn der Zulassungsbescheid als drittbelastender Verwaltungsakt rechtswidrig ist und die Klägerin in ihren Rechten verletzt (§§ 112 c Abs. 1 BRAO, 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).
1. Der angefochtene Zulassungsbescheid ist formell rechtmäßig ergangen. Entgegenstehende Anhaltspunkte liegen nicht vor. Sie werden von der Klägerin auch nicht geltend gemacht. Die Verfahrensrechte der Klägerin gemäß § 46 a Abs. 2 BRAO sind gewahrt.
2. Der angefochtene Bescheid ist materiell rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Die Zulassung der Beigeladenen zur Rechtsanwaltschaft als Syndikusrechtsanwältin nach § 46 a Abs. 1 BRAO ist zu Recht erfolgt.
a ) Die Anforderungen nach § 46 a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und Nr. 2 BRAO sind gegeben. Die Allgemeinen Zulassungsvoraussetzungen gem. § 4 BRAO sind bei der Beigeladenen gegeben. Versagungsgründe nach § 7 BRAO sind nicht erkennbar und werden von der Klägerin auch nicht eingewandt.
b ) Die Beigeladene ist im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses für ihren Arbeitgeber im Sinne von § 46 Abs. 3 BRAO anwaltlich tätig.
Nach § 46 Abs. 2 Satz 1 BRAO üben Angestellte (bei einem nicht anwaltlichen Arbeitgeber) ihren Beruf als Rechtsanwalt aus, sofern sie im Rahmen ihres Arbeitsverhältnisses für ihren Arbeitgeber anwaltlich tätig sind. Wann von einer solchen anwaltlichen Tätigkeit im Rahmen eines bestehenden Arbeitsverhältnisses als Syndikusrechtsanwalt auszugehen ist, wird in § 46 Abs. 3 u. 4 BRAO näher geregelt.
c ) Die Beigeladene übt ihre Tätigkeit fachlich unabhängig und eigenverantwortlich im Sinne von § 46 Abs. 3 S. 1 u. 4 BRAO aus.
Kernelement des Berufs des Rechtsanwalts ist die Unabhängigkeit (vgl. § 3 BRAO). Diese bezieht sich auf die geistige Entscheidungsfreiheit und das selbstständige Handeln. Sie ist nicht davon abhängig, ob der Beruf im Rahmen eines Angestelltenverhältnisses oder selbstständig ausgeübt wird. Hierbei geht der Gesetzgeber davon aus, dass die anwaltliche Unabhängigkeit bei Rechtsanwälten, die bei anwaltlichen Arbeitgebern angestellt sind, bereits dadurch gewährleistet ist, dass der Arbeitgeber selbst dem anwaltlichen Berufsrecht unterliegt und von daher den Stellenwert zu der anwaltlichen Unabhängigkeit kennt und selbst zu berücksichtigen hat (BT-Drs. 18/5201, S. 18). Das Vertrauen des rechtssuchenden Publikums in eine unabhängige und freie Anwaltschaft muss auch bei der Tätigkeit des Syndikusrechtsanwalts gewahrt werden (BT-Drs. 18/5201, S. 20). Wesentliche Elemente anwaltlicher Tätigkeit sind, wie sich aus den §§ 1 bis 3 BRAO bereits ergibt, die unabhängige Rechtsberatung und die Rechtsvertretung. Die Begriffe "eigenverantwortlich" und "fachlich unabhängig" heben hervor, dass der Syndikus-Rechtsanwalt fachlich weisungsfrei und in eigener Verantwortung handelt und im Rahmen der Rechtsberatung und Rechtsvertretung in erster Linie den Pflichten der BRAO unterworfen ist und die arbeitsrechtlichen Weisungsbefugnisse des Arbeitgebers dahinter zurückstehen. Hierdurch wird jedoch nicht jegliches Weisungsrecht des Arbeitgebers ausgeschlossen. Der Begriff der Eigenverantwortlichkeit macht zugleich deutlich, dass der Syndikus-Rechtsanwalt grundsätzlich von seinem Arbeitgeber für fehlerhafte Beratung und Vertretung haftungsrechtlich in Anspruch genommen werden kann (Regress). Aus der Regelung ergibt sich, dass die Arbeitnehmereigenschaft und die Eingliederung in eine von einem Arbeitgeber vorgegebene Arbeitsorganisation nicht im Widerspruch zu dem Berufsbild des Rechtsanwalts stehen, wenn tatsächlich und arbeitsvertraglich die fachliche Unabhängigkeit des angestellten Rechtsanwalts gewährleistet ist (BT-Drs.18/5201, S. 26).
Zweifel hinsichtlich der Merkmale „eigenverantwortlich“ und „fachlich unabhängig“ könnten, wie die Klägerin als auch die Beklagte einwenden, im Hinblick auf das bei der Arbeitgeberin der Beigeladenen bestehenden „4-Augen-Prinzips“ bestehen (offengelassen von AGH Rheinland-Pfalz, Urteil vom 11.08.2017 – 1 AGH 17/16).
Soweit sowohl die Klägerin als auch die Beklagte darauf hinweisen, dass Zweifel an einer fachlichen und unabhängigen Tätigkeitsausübung der Beigeladenen hinsichtlich der Regulierungsvollmacht vom 01.07.2015 bestehen, ist jedoch dagegen zu berücksichtigen, dass in dem Kernbereich der Tätigkeit der Beigeladenen, nämlich der Zusage bzw. Ablehnung von Deckungsanfragen gem. Ziff. 5. und 6. sowohl der Regulierungsvollmacht vom 01.07.2015 als auch, insoweit inhaltsidentisch, vom 01.04.2017 der Beigeladenen eine Alleinzeichnungsbefugnis eingeräumt wurde.
Weiter ist zu berücksichtigen, dass ausweislich des Nachtrages zum Anstellungsvertrag vom 15. März 2016, also zeitlich nach der Regulierungsvollmacht vom 01.Juli 2015, der Beigeladenen von ihrem Arbeitgeber die fachlich unabhängige Ausübung der anwaltlichen Tätigkeiten im Sinne von § 46 Abs. 3 u. 4 BRAO vertraglich zugesichert wurde. Etwaige vormalige ein- bzw. beschränkende Regelungen, und damit auch die Regulierungsvollmacht, sind durch die Nachtragsvereinbarung ausdrücklich aufgehoben worden.
Es kann insoweit dahingestellt bleiben, ob im Hinblick auf die hier vorliegende Drittanfechtungsklage als maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen der Zulassungsvoraussetzungen nach § 46a Abs. 1 BRAO auf den Zeitpunkt des Bescheiderlasses, oder aber auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung abzustellen ist, da die neue Regulierungsvollmacht vom 01.04.2017 bzgl. der Ziff. 3., 5. und 6. inhaltsidentisch mit der Regulierungsvollmacht vom 01.07.2015 ist.
Die bloße Eingliederung in eine von einem Arbeitgeber vorgegebene Arbeitsorganisation steht insoweit nicht im Widerspruch zu dem Berufsbild des Rechtsanwalts. Auch unternehmensinterne compliance Regelungen sollen nach dem Willen des Gesetzgebers nicht ausgeschlossen werden. Sie sind nicht als entsprechende unternehmensinterne Vorgaben anzusehen, die eine Tätigkeit als Syndikusrechtsanwalt ausschließen (BT-Drs. 18/5201, S. 29).
Soweit die Klägerin in der Klagbegründung vom 22.12.2016 auf einen von der Beigeladenen gestellten Befreiungsantrag nach § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. SGB VI verweist, der seinerzeit abgelehnt wurde, erschließt sich eine Relevanz für den hiesigen Rechtsstreit nicht. Zumal die Klägerin selber ausführt, dass die damaligen Aufgaben der Beigeladenen zum Aufgabenspektrum in einigen Punkten nicht den aktuellen Ausführungen zum streitgegenständlichen Antrag entsprechen. Soweit bei zum Zeitpunkt des vormaligen Antrags die Führung von Deckungsprozessen und das Beschwerdemanagement nicht zu den Aufgaben der Beigeladenen gehörten, hat die Beigeladene in der mündlichen Verhandlung umfassend und für den Senat nachvollziehbar dargelegt, dass sie die in der Tätigkeitsbeschreibung vom 14. März 2016 aufgeführten Tätigkeiten fachlich unabhängig und eigenständig erledigt.
d ) Die Tätigkeit der Beigeladenen ist ferner durch die 4 Merkmale nach § 46 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 bis 4 geprägt.
(a) § 46 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BRAO
Nach § 46 Abs. 3 Nr. 1 BRAO setzt die anwaltliche Tätigkeit die Prüfung von Rechtsfragen einschließlich der Aufklärung des Sachverhalts sowie das Erarbeiten und Bewerten von Lösungsmöglichkeiten voraus.
Ausweislich der Tätigkeitsbeschreibung vom 14. März 2016 obliegt der Beigeladenen die Prüfung von Rechtsfragen einschließlich der Aufklärung des Sachverhaltes bei industriellen Großschäden. Die Beigeladene klärt den zugrundeliegenden Sachverhalt eigenständig auf. Dieses ggf. durch Beiziehung weiterer Informationen, insbesondere der Befragung von Versicherungsnehmern, Maklern und firmenverbundenen Vermittlern als auch der Einsichtnahme in amtliche Ermittlungsakten. Die anwaltliche Tätigkeit der Beigeladenen entspricht mithin den Voraussetzungen nach § 46 Abs. 3 Nr. 1 BRAO.
Die Tätigkeit erfolgt auch weisungsfrei ohne Bindung an Vorgaben des Arbeitgebers. Soweit die Klägerin darlegt, dass die Tätigkeit der Beigeladenen lediglich eine sachbearbeitende und keine anwaltliche Tätigkeit darstelle, kann dem nicht gefolgt werden. Die Klägerin beruft sich darauf, dass die Existenz fachlicher Richtlinien aus den bei der Arbeitgeberin der Beigeladenen existierenden Organisationsstrukturen folgen solle. Insbesondere gebe es einen Grundsatzbereich "Recht / Vorstandsbeschwerden / Deckungsprozesse" bei der Arbeitgeberin der Beigeladenen. Hierdurch komme es zu Richtlinien, die gegen eine anwaltliche Tätigkeit der von der Beigeladenen ausgeführten Tätigkeiten spreche. Weiter führt die Klägerin die tarifliche Eingruppierung der Beigeladenen als ein weiteres Indiz für das Fehlen der fachlichen Unabhängigkeit an. Dies alles überzeugt nicht. Es ist bereits nicht erkennbar, inwieweit aus den Organisationsstrukturen der Arbeitgeberin der Beigeladenen eine tatsächliche Richtlinienvorgabe folgt. Es ist weiter nicht erkennbar, inwieweit die bei der Arbeitgeberin der Beigeladenen vorhandene Abteilung "Recht / Vorstandsbeschwerden / Deckungsprozesse" in die vertraglich zugesicherte und tatsächliche Tätigkeit der Beigeladenen eingreift. Ferner ist nicht erkennbar und nicht dargelegt worden, inwieweit direkte Vorgaben in die Tätigkeit der Beigeladenen erfolgen. Die Tätigkeit der Beigeladenen entspricht hinsichtlich der Sachverhaltsermittlung und der rechtlichen Subsumtion der eines Rechtsanwalts. Zutreffend weist die Klägerin zwar darauf hin, dass es hier nicht nur auf die vertragliche Gewährleistung der fachlichen Unabhängigkeit seitens des Arbeitgebers ankommt, vielmehr diese auch tatsächlich ausgestaltet sein muss. Insofern kann es auch bereits nicht auf Eingruppierungsmerkmale einer Tarifgruppe ankommen, zumal diese zumeist nur vergütungsrechtliche Relevanz haben.
Die Beigeladene hat in der mündlichen Verhandlung sehr vereinzelt für den Senat nachvollziehbar und damit insgesamt glaubhaft dargelegt, dass diese vertraglichen Regelungen auch im Tatsächlichen gelebt werden.
Sie erklärte, dass ihre Tätigkeit, wie sie in der Tätigkeitsbeschreibung vom 14. März 2016 beschrieben sei, ihre Arbeitskraft vollständig ausfülle. Der Hauptschwerpunkt ihrer Tätigkeit liege in der Prüfung von Deckungsanfragen im straf- und ordnungswidrigkeitsrechtlichen Bereich. Betroffen seien hier insbesondere Betrugs- und Bestechungsvorwürfe bei überwiegend DAX-notierten Großunternehmen. Im Rahmen der Prüfung von Rechtsfragen beurteile sie eigenverantwortlich und fachlich unabhängig die Eintrittspflicht ihrer Arbeitgeberin aufgrund der zugrundeliegenden Rechtsschutzversicherungsverträge. Dabei handelt es sich im Großschadensbereich überwiegend um Individualverträge, anhand derer sie die Eintrittspflicht gegenüber den Versicherungsnehmern, wie auch den Mitversicherten bzgl. der Deckung dem Grunde als auch der Höhe nach zu prüfen habe. Hierbei handele es sich um Versicherungsfälle bis zur Deckungssumme von 10 Mio. Euro.
Weiter gehöre zu ihren Aufgaben, insoweit abweichend zu dem der Klageschrift beigefügtem Organigramm, das die Beigeladene als überholt bezeichnete, die Prüfung etwaiger Regressforderungen gegen den Versicherungsnehmer oder einen Mitversicherten bzw. ein mitversichertes Unternehmen. Diese Prüfung einschließlich der erforderlichen Sachverhaltsermittlung bis hin zur Vorbereitung einer Klage führe sie ebenfalls eigenverantwortlich und fachlich unabhängig aus.
Nach alledem liegen die Voraussetzungen von § 46 Abs. 3 Nr. 1 BRAO vor.
(b) § 46 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BRAO
Sowohl aus der Tätigkeitsbeschreibung der Beigeladenen als auch den Ausführungen der Beigeladenen in ihrem Schriftsatz vom 28.08.2017 sowie der persönlich in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat anschaulich und nachvollziehbar geschilderten Tätigkeiten durch die Beigeladene ergibt sich zur Überzeugung des Senats, dass die vertraglich gewährleistete weisungsfreie anwaltliche Tätigkeit auch im Tatsächlichen vorhanden ist.
Aus der vorgelegten Tätigkeitsbeschreibung folgt ferner, dass die Beigeladene im Rahmen von Fortbildungsmaßnahmen, deren Referentin sie ist, als auch in der Analyse und Begutachtung neuer Deckungskonzepte, insbesondere gegenüber der Vertragsabteilung, dem Arbeitgeber Rechtsrat erteilt. Sie wirkt an der Entwicklung von Rechtsschutzverträgen mit. Die Beigeladene berät insoweit die Vertragsabteilung ihres Arbeitgebers bei der Formulierung von einzelnen Vertragsklauseln. Ferner informiert sie in Abteilungsbesprechungen über Gesetzesänderungen und Gerichtsentscheidungen.
In der mündlichen Verhandlung hierzu befragt erklärte die Beigeladene zusätzlich noch einmal im Einzelnen, dass sie an Fortbildungsmaßnahmen innerhalb des Konzerns mitwirke. Sie schule Mitarbeiter, insbesondere aus dem Bereich Vertrieb, indem sie ihnen Hintergrundinformationen aus ihrer Tätigkeit gebe. Sie kläre über mögliche Risiken auf, die ihr aus ihrer Arbeit bekannt sind, damit die Vertriebsmitarbeiter wiederum ihren Kunden das Produkt „Rechtsschutzversicherung im industriellen Bereich“ näherbringen und vermitteln können.
Zudem wirke sie an neuen Deckungskonzepten in Zusammenarbeit mit der Vertragsabteilung mit. Hier lasse sie ihre Erfahrungen in die Konzepte einfließen. Sie wirke dabei bei der Vorformulierung von Vertragsklauseln mit, aufgrund derer das versicherte Risiko festgelegt wird.
Ferner wirke sie innerhalb ihrer Abteilung an Informationen über Gesetzesänderungen, ihre eigenen rechtlichen als auch gerichtlichen Entscheidungen mit.
Nach alledem liegen die Voraussetzungen von § 46 Abs. 3 Nr. 2 BRAO vor.
(c) § 46 Abs. 3 Nr. 3 BRAO
Die Tätigkeit der Beigeladenen ist auch auf die Merkmale nach § 46 Abs. 3 Nr. 3 BRAO hin geprägt. Die Beigeladene hat in der mündlichen Verhandlung auf Befragen durch den Senat nachvollziehbar und glaubhaft dargelegt, dass sie, wie in der Tätigkeitsbeschreibung vom 14. März 2016 niedergelegt, selbständig Verhandlungen mit den Versicherungsnehmern, deren Rechtsanwälten, Mitversicherten, Vermittlern und ggfs. auch Insolvenzverwaltern sowie anderen Unternehmen über Kulanz- und Vergleichsregelungen führt.
Weiter führte die Beigeladene für den Senat nachvollziehbar und glaubhaft in der mündlichen Verhandlung aus, dass sie für ihren Arbeitgeber an der Ausgliederung und Übertragung von Schadenregulierung auf ein belgisches Unternehmen mitgewirkt habe, indem sie die für ihre Fachabteilung notwendigen vertraglichen Regelungen für die Vertragsgestaltung entworfen habe, welche dann Bestandteil des Übertragungsvertrages geworden seien.
Schließlich erklärte die Beigeladene, dass sie bei der Gestaltung von Individual-Rechtsschutzverträgen mitwirke, indem sie hierzu Beiträge für die Gestaltung von Vertragsklauseln an die Vertragsabteilung weitergebe.
Nach alledem liegen die Voraussetzungen von § 46 Abs. 3 Nr. 3 BRAO vor.
(d) § 46 Abs. 3 Nr. 4 BRAO
Die Beigeladene verfügt auch über die nach § 46 Abs. 3 Nr. 4 BRAO erforderliche Befugnis, nach außen verantwortlich aufzutreten. Ausweislich der Tätigkeitsbeschreibung vom 14. März 2016 tritt die Beigeladene in ihrem Dezernat als alleinige Rechtsbetreuerin außenwirksam verantwortlich mit eigener Entscheidungsvollmacht und Rechtsentscheidungskompetenz auf. Sie tritt außenwirksam sowohl schriftlich als auch telefonisch sowie in persönlichen Besprechungen mit Versicherungsnehmern, Mitversicherten, Anspruchstellern, Maklern, firmenverbundenen Vermittlern, Rechtsanwälten und Insolvenzverwalter, also nach außen hin auf. In den von ihr bearbeiteten Angelegenheiten wird der Schriftverkehr von ihr selbstständig geführt und unterzeichnet.
Hinsichtlich der klägerseits problematisierten Mitzeichnungsverpflichtung in der Regulierungsvollmacht ist zu berücksichtigen, dass in dem Kernbereich der Tätigkeit der Beigeladenen, nämlich der Zusage bzw. Ablehnung von Deckungsanfragen gem. Ziff. 5. und 6. sowohl der Regulierungsvollmacht vom 01.07.2015 als auch, insoweit inhaltsidentisch, vom 01.04.2017 der Beigeladenen eine Alleinzeichnungsbefugnis eingeräumt wurde (vgl. hierzu auch die Ausführungen unter Ziff. II 2 c)).
Ferner ist der Rechtsgedanke des § 54 HGB heranzuziehen, demnach sich die Handlungsvollmacht desjenigen, der zur Vornahme einer bestimmten zu einem Handelsgewerbe gehörigen Art von Geschäften oder zur Vornahme einzelner zu einem Handelsgewerbe gehöriger Geschäfte ermächtigt ist, auf alle Geschäfte und Rechtshandlungen, die der Betrieb eines derartigen Handelsgewerbes oder die Vornahme derartiger Geschäfte gewöhnlich mit sich bringt, erstreckt (vgl. hierzu auch AGH Rheinland-Pfalz, Urteil vom 23.10.2017 – 1 AGH 4/17-).
Im Hinblick auf die gemäß Ziff. 5. und 6. der Regulierungsvollmacht gegebenen Alleinzeichnungskompetenzen der Beigeladenen für die Zu- bzw. Absagen von Deckungsanfragen ist die Beigeladene zumindest für einzelne Geschäfte eines Rechtsschutzversicherers handlungsbevollmächtigt. Folglich ist die Beigeladene in entsprechender Anwendung des § 54 HGB als hinreichend befugt anzusehen, für ihren Arbeitgeber nach außen verantwortlich im Sinne von § 46 Abs. 3 Nr. 4 BRAO aufzutreten. Zumal die in Ziff. 3 der Regulierungsvollmacht vorgesehene Mitzeichnung der Geschäftsführerin nach den nachvollziehbaren und glaubhaften Darlegungen der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung allein durch die Geschäftsführerin, Frau Rechtsanwältin ..., erfolgt. Als Rechtsanwältin ist diese wiederum der Einhaltung der Vorschriften des anwaltlichen Berufsrechts, insbesondere der BRAO verpflichtet (vgl. auch BGH, Urteil vom 10.10.2011 – AnwZ (Brfg) 1/10).
Nach alledem sind die Voraussetzungen nach § 46 Abs. 3 Nr. 4 BRAO bei der Beigeladenen erfüllt. Wohlgemerkt dessen, dass nach dem Willen des Gesetzgebers eine anwaltliche Tätigkeit auch bereits dann im Sinne von § 46 Abs. 3 Nr. 4 BRAO erfüllt ist, wenn die Tätigkeit von Syndikusanwälten auf die Verwirklichung von Rechten oder die Gestaltung von Rechtsverhältnissen gerichtet ist und sie nach außen die Befugnis zur Vertretung haben, auch wenn sie tatsächlich von dieser Befugnis keinen Gebrauch machen, etwa, weil sie ausschließlich im Bereich der Vertrags-gestaltung oder der Beratung der Unternehmensleitung tätig sind ( BT-Drs. 18/5201, S. 31).
3. Unter Berücksichtigung der vorgelegten und für das Arbeitsverhältnis der Beigeladenen maßgeblichen Unterlagen sowie deren persönlichen Angaben in der mündlichen Verhandlung ist der Senat der Überzeugung, dass die Beigeladene ihre Tätigkeit bei der ... als Syndikus-Rechtsanwältin anwaltlich ausübt, und fachlich unabhängig sowie eigenverantwortlich die ihr obliegenden Tätigkeiten erfüllt.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 112c Absatz 1 BRAO, 154 Abs. 1 VwGO.
Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind gemäß § 162 Abs. 3 VwGO der Klägerin aufzuerlegen. Dies entspricht vorliegend der Billigkeit, weil die Beigeladene durch ihren Sachantrag ein Kostenrisiko eingegangen ist und zum anderen durch ihr Vorbringen das Verfahren wesentlich gefördert hat (vgl. Eyermann, VwGO, 14. Aufl., § 162 Rn. 17; Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl., § 162 Rn. 23). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 112c Abs. 1 BRAO, 167 Abs. 1, 2 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
V.
Die Festsetzung des Streitwerts hat seine rechtliche Grundlage in § 194 Abs. 1 BRAO in Verbindung mit § 52 GKG. Im Hinblick auf die begehrte Zulassung als Syndikusrechtsanwältin ist der hälftige Regelstreitwert in Anlehnung an § 194 Abs. 2 S. 1 BRAO angemessen und geboten, da nicht die Berufstätigkeit der Beigeladenen als solche im Streit steht, sondern lediglich deren Qualität als anwaltliche Tätigkeit.
VI.
Es sind keine Gründe für die Zulassung der Berufung zu erkennen (§ 112e BRAO, 124 Abs. 2 VwGO).