Anwaltsgerichtshof Niedersachsen
Urt. v. 13.08.2018, Az.: AGH 30/17 (II 24/7)
Bibliographie
- Gericht
- AGH Niedersachsen
- Datum
- 13.08.2018
- Aktenzeichen
- AGH 30/17 (II 24/7)
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2018, 74560
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Tenor:
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Das Urteil ist der wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
IV. Der Streitwert wird auf 50.000 € festgesetzt.
Tatbestand:
Der ... geborene Kläger ist seit Oktober 1976 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Die Beklagte hat mit Bescheid vom 29. November 2017, der dem Beklagten am 30. November 2017 zugestellt worden ist, die Zulassung des Klägers zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO widerrufen. Die Beklagte stützt ihren Widerrufsbescheid darauf, dass der Kläger in das vom Zentralen Vollstreckungsgericht geführte Schuldnerverzeichnis (§ 882b ZPO) eingetragen ist und darüber hinaus weitere Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihn betrieben werden.
1. Folgende Eintragungen im Schuldnerverzeichnis gegen den Kläger liegen vor:
a) Der Kläger wurde am 28. Juni 2017 wegen Nichtabgabe der Vermögensauskunft zum Aktenzeichen DR II 469/17 im Schuldnerverzeichnis eingetragen, die auf einem Zwangsvollstreckungsauftrag des Arztes Dr. ..., ..., aus dem Vollstreckungsbescheid vom 4. April 2017 über eine Restforderung von 90,15 € aus einer ärztlichen Behandlung beruht. Insoweit wurde vom Amtsgericht ... am 5. Juli 2017 Haftbefehl zur Abgabe der Vermögensauskunft erlassen.
b) Eine weitere Eintragung wurde vom Finanzamt ... am 17. August 2017 zum Aktenzeichen 318_232_00556 wegen Nichtabgabe der Vermögensauskunft veranlasst. Insoweit wurde vom Amtsgericht ... am 23. August 2017 Haftbefehl erlassen. Dem liegen Steuerverbindlichkeiten von 25.456,22 € zum 10. Oktober 2017 zugrunde, die auf Schätzungsbescheiden des Finanzamtes zur Einkommens- und Umsatzsteuer beruhen.
c) Der Kläger wurde am 5. Januar 2017 zum Aktenzeichen DR II 727/16 in das Schuldnerverzeichnis eingetragen wegen Nichtabgabe der Vermögensauskunft, auf die der angefochtene Bescheid indes nicht gestützt wird.
2. Darüber hinaus macht die Beklagte im angefochtenen Bescheid weitere Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen den Kläger geltend:
a) Die ... Verein zur ... des ... e.V. betreibe die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Landgerichts ... vom 24. März 2015 (3 O 95/13), mit dem der Kläger zur Zahlung von 18.015,35 € und außergerichtlicher Kosten von 1.321,85 € jeweils zzgl. Zinsen verurteilt worden ist. Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers wurde mit Urteil des Oberlandesgericht ... vom 4. April 2016 zurückgewiesen (20 U 15/15). Der Kläger hat nach der Zahlungsaufstellung im Schreiben der Rechtsanwälte ... vom 7. März 2016 hierauf Zahlungen von 18.015,35 € im August 2015 erbracht, die von der Beklagten nicht in Abrede genommen werden. Zum anberaumten Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft am 2. Februar 2018 wegen der bestehenden Restforderungen sowie der festgesetzten Kosten ist der Kläger nicht erschienen. Zuvor war mit Beschluss vom 23. Februar 2017 gegen ihn Haftbefehl ergangen.
b) Herr ... ... als Inhaber der ... ... ... betreibe die Vollstreckung aus dem Urteil des Amtsgerichts ... vom 15. Juli 2014 (5 C 598/13) in Höhe eines Betrages von 1.092,19 €. Dem liegt eine Forderung aus einer Kfz-Reparatur zugrunde. Das Landgericht ... hat die vom Kläger eingelegte Berufung mit Urteil vom 23.12.2014 zurückgewiesen (3 S 36/14). Mit Beschlüssen vom 25. Februar 2015 wurden die vom Kläger zu erstattenden Kosten für das erstinstanzliche Verfahren mit 661,40 € sowie für das Verfahren 2. Instanz mit 440 € festgesetzt, sodass sich eine Gesamtforderung von 2.193,59 € ergibt.
c) Aus einer ärztlichen Behandlung werde der Kläger von der ... ... GbR wegen einer Honorarforderung in Anspruch genommen. Mit Urteil vom 28. Januar 2015 des Amtsgerichts ... (5 C 414/14) wurde der Kläger verurteilt, einen Restbetrag von 63,19 € zu zahlen. Im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 25. Februar 2015 wurden die vom Kläger zu erstattenden Kosten mit 602,73 € festgesetzt, sodass sich eine gesamte Forderung von 665,92 € ergibt.
d) Mit Urteil vom 7. Juni 2016 habe das Landgericht ... (3 O 135/15) festgestellt, dass im Rahmen der Auseinandersetzung der Sozietät des Klägers mit dem Rechtsanwalt und Notar ... ... dessen Ansprüche gegen den Kläger mit einem Restgewinnanspruch für das Jahr 2012 von 7.290 € sowie für das Jahr 2013 mit 12.258,57 € sowie von weiteren 1.246,81 € wegen der Nichtweiterleitung des Anteils des Rechtsanwalts ... aus einer Umsatzsteuererstattung und weiteren 207,86 € wegen anteilig geleisteter Umsatzsteuernachzahlung zu berücksichtigen sind. Rechtsmittel hat der Kläger gegen das Urteil des Landgericht ... nicht eingelegt.
e) Aus der vorgenannten Sozietät mache Rechtsanwalt ... Ansprüche gegen den Kläger geltend. Mit Urteil des Landgerichts ... vom 7. Juni 2016 (3 O 136/15) wurde der Kläger zur Zahlung eines Betrages von 3.873,56 € nebst Zinsen verurteilt und darüber hinaus festgestellt, dass im Rahmen der Auseinandersetzung der Sozietät Ansprüche des Rechtsanwalts ... gegen den Kläger auf Zahlung eines Restgewinnanspruchs von 3.019 € für das Jahr 2012 sowie von 9.101,57 € für das Jahr 2013 und darüber hinaus eine Zahlung von 1.246,81 € wegen Nichtweiterleitung einer Umsatzsteuererstattung für das Jahr 2012 sowie von 207,86 € anteilig geleisteter Umsatzsteuernachzahlung für das Jahr 2013 zu berücksichtigen sind. Rechtsmittel hat der Kläger gegen dieses Urteil nicht eingelegt.
f) Herrn ... ... und Herr ... ... hätten mit ihrer Klage vom 30. Mai 2017 Ansprüche aus einem beendeten Mietverhältnis geltend gemacht. Mit Urteil des Landgerichts ... vom 22. November 2016 (3 O 131/16) wurde der Kläger zur Zahlung von 11.466,04 € nebst Zinsen verurteilt. Die hiergegen eingelegte Berufung des Klägers wurde mit Beschluss des OLG ... vom 10. April 2017 als unzulässig verworfen (2 U 131/16). Nach den Kostenfestsetzungsbeschlüssen vom 3. Februar 2017 und 15. Juni 2017 hat der Kläger für das erstinstanzliche Verfahren Kosten von 2.552,93 € sowie für das Verfahren zweiter Instanz von 1.167,60 € an die Gläubiger zu erstatten.
g) Das Landesamt für Steuern in Niedersachsen – Finanzamt ... – habe mitgeteilt, dass sich die Steuerrückstände zum 11. Oktober 2017 auf 25.456,22 € belaufen. Nach der weiteren Mitteilung habe sich dieser Betrag auf 34.436,86 € zum 15. Januar 2018 erhöht. Die Festsetzungen zur Einkommens- und Umsatzsteuer beruhen auf Schätzungen des Finanzamtes, gegen die Einspruch eingelegt worden sei. Hinsichtlich der Steuerforderungen wurde im Grundbuch von ... eine Sicherungshypothek über 3.000 € eingetragen. Darüber hinaus wurde die Zwangsversteigerung angeordnet (12 K 31/17 Amtsgericht ...).
h) Herr ... ... habe am 28. Februar 2017 Klage beim Amtsgericht ... gegen den Kläger erhoben und mache aus der Schadensabwicklung eines Verkehrsunfalls einen Betrag von 4.226,48 € geltend, den der Kläger nach Zahlung der Haftpflichtversicherung nicht weitergeleitet habe.
i) Die ... Versicherung AG mache gegen den Kläger beim Amtsgericht ... Beiträge aus einer Rechtsschutzversicherung von 99,40 € nebst Zinsen geltend.
j) Der Arzt Dr. ... mache aus einer ärztlichen Behandlung eine Restforderung von 90,15 € geltend und betreibe aus dem Vollstreckungsbescheid vom 4. April 2017 die Zwangsvollstreckung. Am 5. Juli 2017 hat das Amtsgericht ... Haftbefehl gegen den Kläger erlassen. Wegen dieser Forderung ist der Kläger im Schuldnerverzeichnis eingetragen.
k) Die ... ... ... ... GmbH betreibe die Vollstreckung aus einem Vollstreckungsbescheid vom 5. September 2017 über einen Betrag von 2.304,87 € wegen ärztlicher Leistungen. Nach dem Vollstreckungsprotokoll vom 20. Oktober 2015 hat der Kläger gegenüber dem Obergerichtsvollzieher ... erklärt, dass er die Forderung nicht erfüllen könne und einer Durchsuchung seiner Räume widerspreche.
Darüber hinaus habe die Staatsanwaltschaft ... am 16. Mai 2013 den Erlass eines Strafbefehls gegen den Kläger in Höhe einer Geldstrafe von insgesamt 12.000 € (80 Tages-sätze à 150 €) wegen Untreue als Vorsitzender des ... Verein zur ... des ... e.V. beantragt (115 Js 30976/12). Der Strafbefehl ist nach Einspruch des Angeklagten nicht rechtskräftig. Die Hauptverhandlung wurde wegen Erkrankung des Klägers bis auf weiteres wegen Verhandlungsunfähigkeit ausgesetzt. Weiterhin habe die Staatsanwaltschaft ... den Erlass eines Strafbefehls über eine Geldstrafe von 3.000 € wegen Untreue zum Nachteil von ... ... beantragt (115 Js 26377/17), wobei der Kläger für den Geschädigten einen Betrag von 4.127,85 € erhalten habe, ohne diesen an den Geschädigten weiterzuleiten (5 C 475/15 Amtsgericht ...). Über den Strafbefehl ist ebenfalls noch nicht entschieden, weil der Kläger krankheitsbedingt nicht verhandlungsfähig sei.
Der Kläger hat im Rahmen des Anhörungsverfahrens mit Schriftsätzen vom 10. und 16. November 2017 Stellung genommen und mitgeteilt, dass Zahlungen erfolgt seien bzw. Gegenansprüche bestünden.
Gegen den Widerrufsbescheid vom 29. November 2017 hat der Kläger am 21. Dezember 2017 Klage erhoben. Er macht geltend, dass er nach Übernahme der Kanzlei von seinem Vater im Jahr 1995 mit Rechtsanwalt ... im Herbst 1996 sowie Anfang 2001 mit Rechtsanwalt ... Sozietätsverträge geschlossen haben. Dieser sei erstmals im Sommer 2013 und sodann erneut im Februar 2014 von den Rechtsanwälten ... und ... gekündigt worden. Eine abschließende Entscheidung oder Regelung über die wechselseitig geltend gemachten Ansprüche im Rahmen der Auseinandersetzung der Sozietät sei bislang nicht erfolgt.
Die vom Finanzamt ... festgesetzten Steuern beruhten auf Schätzungen. Insoweit sei jedoch nach der Kündigung der Sozietät durch die Rechtsanwälte ... und ... die Buchhaltung noch nicht vollständig überprüft worden. Ob insoweit seinerseits Schadensersatzansprüche bestünden, sei offen. Darüber hinaus seien die Forderungen des Arztes Dr. ..., der ... (in der Hauptsache), des Herrn ... ... sowie der ... ... GbR „längst bezahlt“. Hinsichtlich der Forderung von Herrn ... gebe es umfangreiche Abrechnungsprobleme, da dem Kläger noch erhebliche Honoraransprüche zustünden. Der Beitrag an die ... Versicherung sei ebenfalls bereits bezahlt. Hinsichtlich der Forderung der ... ... ... ... GmbH bestehe eine Auseinandersetzung, ob seine Krankenversicherung für die Behandlungskosten aufzukommen habe.
Der Kläger beantragt,
den Widerruf aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage vom 20. Dezember 2017 abzuweisen.
Die Beklagte trägt ergänzend vor, dass bei Eintragung im Zentralen Vollstreckungsgericht der Vermögensverfall gesetzlich vermutet werde. Die Eintragungen aufgrund der Steuerschulden beim Finanzamt ..., die sich zum 15. Januar 2018 auf 34.436,86 € erhöht hätten, sei erfolgt, nachdem der Kläger zum Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft nicht erschienen sei. Dies gelte entsprechend für die Forderung des Arztes Dr. .... Ob der Kläger nach den mit der Klage vorgelegten Unterlagen, die Verbindlichkeiten teilweise gezahlt habe, sei nicht vollständig erkennbar. Weiterhin sei wegen der Forderung der ... Verein zur ... des ... e.V. von 7.635,19 € nach dem Urteil des Landgerichts ... am 23. Februar 2017 Haftbefehl gegen den Kläger erlassen worden. Schließlich sei der Kläger auch zum Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft am 25. Januar 2018 nicht erschienen, der eine Forderung der ... ... ... ... GmbH über 2.304,87 € zugrunde liege.
Die Personalakte des Klägers (Band I und II) hat vorgelegen und war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die Anfechtungsklage ist zulässig, insbesondere frist- und formgerecht eingelegt worden (§§ 112a Abs. 1, 112c Abs. 1 BRAO i.V.m. §§ 42 Abs. 1, 74 Abs. 1 VwGO). In der Sache hat die Klage indes keinen Erfolg. Die Beklagte hat die Zulassung des Klägers zur Rechtsanwaltschaft zu Recht mit Bescheid vom 29. November 2017 widerrufen.
1.
Die Zulassung eines Rechtsanwalts zur Rechtsanwaltschaft ist gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind.
a) Ein Vermögensverfall wird gesetzlich vermutet, wenn ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Rechtsanwalts eröffnet oder der Rechtsanwalt in das vom Insolvenzgericht oder vom Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis (§ 26 Abs. 2 InsO, § 882b ZPO) eingetragen ist. Dabei ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs auf den Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Widerrufsverfahrens abzustellen. Danach eingetretene Entwicklungen bleiben der Beurteilung in einem Wiederzulassungsverfahren vorbehalten (vgl. BGH, Beschl. v. 29. November 2011 – AnwZ (Brfg) 11/10, BGHZ 190, 187).
Der Kläger war zum hier maßgeblichen Zeitpunkt Mitte November 2017 im Schuldnerverzeichnis aufgrund von mindestens zwei Forderungen zu den Aktenzeichen DR II 469/17 sowie 318_232_00556 eingetragen, wobei jeweils die Nichtabgabe der Vermögensauskunft den Eintragungsgrund bildet. Ob darüber hinaus auch die Eintragung zum Aktenzeichen DR II 727/16 heranzuziehen ist, bedarf vorliegend keiner Entscheidung des Senats. Infolge dieser Eintragungen greift die gesetzliche Vermutung des Vermögensverfalls. Der Kläger hat nicht nachgewiesen, dass die Eintragungen unterdessen wegen Erfüllung der zugrundeliegenden Forderungen gelöscht wurden.
b) Darüber hinaus kommt ein Vermögensverfall in Betracht, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und er außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Hierfür können als Beweisanzeichen das Erwirken von Schuldtiteln sowie die Durchführung von Vollstreckungsmaßnahmen herangezogen werden (st. Rechtsprechung des BGH; BGH NJW 1991, 2083 [BGH 25.03.1991 - AnwZ B 80/90]; BGH, Beschl. v. 30. Mai 2017 – AnwZ (Brfg.) 16/17).
Auch diese Voraussetzungen sind vorliegend wegen der Vielzahl der gegen den Kläger gerichteten Vollstreckungsaufträge, wie sie im angefochtenen Bescheid aufgeführt sind, gegeben, auch wenn diese teilweise nach den mit der Klage vorgelegten Urkunden erfüllt sind.
Entgegen dem Vorbringen des Klägers kann der Senat nicht feststellen, dass die Verbindlichkeit bei Dr. ... zum Zeitpunkt des Widerrufsbescheids nicht mehr bestanden hatte. Zwar hat der Kläger Kopien der Vollstreckungsbescheide vom 4. April und 14. Juni 2017 vorgelegt, wobei sich auf letzterem ein – erkennbar nicht vom Kläger stammender – handschriftlicher Vermerk befindet, wonach die Zahlung am 4. September 2017 erfolgt sein soll. Einen Überweisungsbeleg, Kontoauszug oder eine Erklärung des Gläubigers über die erfolgte Zahlung hat der Kläger indes nicht vorgelegt.
Demgegenüber hat der Kläger unstreitig die Hauptforderung der ... Verein zur ... des ... e.V. von 18.015,35 € erfüllt. Gleichwohl hat der Kläger Zahlungen auf die titulierten außergerichtlichen Kosten von 1.321,85 € nebst den durch Kostenfestsetzungsbeschlüssen titulierten Verfahrenskosten weder konkret behauptet noch belegt. Entsprechendes folgt auch nicht aus der von ihm vorgelegten Forderungsaufstellung, in der ein noch offener Betrag von 6.887,65 € ausgewiesen ist.
Soweit der Kläger mit der Klagschrift die vollstreckbaren Ausfertigungen von Vollstreckungstiteln in Kopie vorgelegt hat, geht der Senat allerdings mit der Beklagten davon aus, dass der Kläger die zugrundeliegenden Forderungen erfüllt hat. Dies gilt für die Forderungen der Gläubiger .../... über 11.466,04 € nach dem Urteil des Landgerichts ... vom 22. November 2016 und den in diesen Verfahren ergangenen Kostenfestsetzungsbeschlüssen vom 3. Februar und 15. Juni 2017, wobei die Zahlung nach dem handschriftlichen Vermerk wohl am 28. August 2017 und damit vor Erlass des angefochtenen Widerrufsbescheids erfolgt sein soll. Dass der Kläger darüber hinaus nach zwei Überweisungsaufträgen vom 13. Dezember 2017 Zahlungen an die ... ... AG für das Verfahren 5 C 394/17 über 150,38 € sowie auf den Kostenfestsetzungsbeschluss in diesem Verfahren über 273,39 € erbracht haben will, ist für die Beurteilung ungeordneter Vermögensverhältnisse nicht maßgeblich, weil auf den Zeitpunkt des Widerrufs der Rechtsanwaltszulassung am 29. November 2017 abzustellen ist.
Soweit der Kläger mit seiner Klagbegründung geltend macht, dass er weitere von der Beklagten im Widerrufsbescheid angeführte Forderungen „längst bezahlt“ habe, hat er diesen Vortrag weder im gerichtlichen Verfahren auf das Bestreiten der Beklagten noch auf deren entsprechende Aufforderungen vor Erlass des Widerrufsbescheids nachgewiesen bzw. belegt.
Danach bestehen zum Teil auch geringfügige Forderungen gegen den Kläger. Gerade dieser Umstand ist ein wesentliches Anzeichen für einen Vermögensverfall (vgl. BGH, Beschl. v. 30. Januar 2017 – AnwZ (Brfg) 61/16), weil er auch geringe Verbindlichkeiten nicht erfüllen kann und es deswegen zu Vollstreckungsmaßnahmen kommt.
c) Um die gesetzliche Vermutung des Vermögensverfalls zu widerlegen, muss der Rechtsanwalt, der im Schuldnerverzeichnis eingetragen ist, ein vollständiges und detailliertes Verzeichnis seiner Gläubiger und Verbindlichkeiten vorlegen und – ggf. unter Vorlage eines nachvollziehbaren bzw. realistischen Tilgungsplans – dartun, dass seine Vermögens- und Einkommensverhältnisse bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt des Widerrufsbescheids nachhaltig geordnet waren (BGH, Beschl. v. 4. April 2012 – AnwZ (Brfg) 1/12; BGH, Beschl. v. 29. Juli 2016 AnwZ (Brfg) 9/16).
Diese Voraussetzungen hat der Kläger ebenfalls nicht dargetan. Er hat weder eine vollständige Auflistung der bestehenden Forderungen noch die Tilgung der mit dem Widerrufsbescheid angeführten Verbindlichkeiten konkret unter Vorlage entsprechender Belege nachgewiesen.
Auch die Angaben zu seinen Forderungen aufgrund ausstehender Zahlungen rechtfertigen keine andere Beurteilung. Die vom Kläger behaupteten Zahlungen auf Ansprüche i.H.v. 60.000 € aus seinen laufenden Einnahmen können vom Senat mangels näherer Darlegung nicht geprüft werden. Hierauf kommt es jedoch deswegen nicht an, weil die Zahlungen auf die im Widerrufsbescheid angeführten Verbindlichkeiten ersichtlich nicht – oder nur zum Teil – bezogen waren. Der Kläger hat auch nicht konkret dargelegt, dass er über liquide Mittel verfügt, die ihm aus der Veräußerung von Anteilen aus einer Grundstücksgesellschaft zustehen sollen. Dass der Kläger entsprechende Ansprüche aus Einlagen über rund 60.000 € im Hinblick auf die bestehende prekäre eigene finanzielle Situation nicht durchgesetzt hätte, ist nicht nachvollziehbar oder ein Indiz für die Werthaltigkeit eines evtl. Anspruchs. In welchem Zusammenhang hier ein Anspruch über rund 18.000 € gegen eine Bank stehen soll, die der Kläger zur Insolvenztabelle angemeldet habe, erschließt sich dem Senat nicht. Dies gilt letztlich auch für Ansprüche über 105.000 € aus notarieller Tätigkeit für die ... Immobilien GmbH & Co KG, über deren Vermögen jedoch ebenfalls das Insolvenzverfahren eröffnet worden sein soll. Auch hierzu fehlt hinsichtlich etwaiger Ansprüche jeglicher Nachweis.
Nach alledem kann der Senat nicht feststellen, dass der Kläger über liquide finanzielle Mittel verfügt, um bestehende Verbindlichkeiten begleichen zu können.
d) Nach der in § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zum Ausdruck gekommenen gesetzgeberischen Wertung ist mit dem Vermögensverfall eines Rechtsanwalts grundsätzlich auch eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verbunden. Im vorrangigen Interesse der Rechtsuchenden kann diese nur in seltenen Ausnahmefällen verneint werden, wobei den Rechtsanwalt die Feststellungslast trifft. Die Annahme einer derartigen Sondersituation setzt voraus, dass der Rechtsanwalt seine anwaltliche Tätigkeit nur noch für eine Rechtsanwaltssozietät ausübt und mit dieser rechtlich abgesicherte Maßnahmen verabredet hat, die eine Gefährdung der Mandanten effektiv verhindert (BGH, Beschl. v. 17. März 2016 AnwZ (Brfg) 6/16). Auch diese Voraussetzungen hat der Kläger nicht dargetan, zumal der Kläger nach Kündigung des Sozietätsvertrages als Einzelanwalt tätig war. Demgegenüber ist eine Gefährdung von Mandantengeldern in der Vergangenheit festzustellen, weil gegen den Kläger in zwei Verfahren von der Staatsanwaltschaft Stade der Vorwurf der Untreue zulasten von Mandanten erhoben wurde, weil der Kläger Versicherungsleistungen an diese nicht weitergeleitet habe.
Ob der Kläger aktuell seine Tätigkeit noch ausübt, könnte im Hinblick auf die Mitteilung der Beklagten, dass das Mietverhältnis für die Kanzleiräume gekündigt, der Kläger mit Versäumnisurteil vom 12. Juni 2018 (4 O 52/18) zu deren Räumung verurteilt worden ist und Termin zur Zwangsräumung der Anwaltskanzlei auf den 24. August 2018 festgesetzt wurde, fraglich sein, bedarf aber vorliegend keiner Beurteilung durch den Senat. Darüber hinaus hat die Beklagte mitgeteilt, dass der Kläger zum Termin beim Landgericht ... im Räumungsverfahren „orientierungslos und betrunken“ erschienen sei. Nach Angaben des Obergerichtsvollziehers ... soll der Kläger seit Wochen nicht in seiner Kanzlei gewesen sein und seiner Mitarbeiterin selbst ihr Gehalt nicht gezahlt haben.
Nach dem Schreiben der ... ... AG vom 4. Juli 2018 ist die dortige Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung zum 16. Februar 2017 beendet. Der Kläger wurde von der Beklagten mit Schreiben vom 9. Juli 2018 aufgefordert, den Nachweis für eine Berufshaftpflichtversicherung bis zum 19. Juli 2018 zu erbringen. Mit Bescheid vom 2. August 2018, der dem Kläger am 7. August 2018 zugestellt wurde, hat die Beklagte die Zulassung des Klägers zur Rechtsanwaltschaft gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 9 BRAO widerrufen, weil dieser nicht die gesetzlich vorgeschriebene Berufshaftpflichtversicherung unterhält und zugleich die sofortige Vollziehung der Widerrufsverfügung angeordnet.
III.
Ein Anlass, die Berufung nach §§ 112 Abs. 1, 112e BRAO, 124 Abs. 2 VwGO zuzulassen, besteht nicht. Weder weist die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten auf, noch hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, § 124 Abs. 2 Nr. 2 und 3 VwGO. Ein Fall der Divergenz nach § 124 Abs. 2 Nr. 4 VsGO ist ebenfalls nicht gegeben.
IV.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 112c Abs. 1 BRAO, 154 Abs. 1, § 167 Abs. 1 und 2 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO.