Finanzgericht Niedersachsen
v. 05.02.1996, Az.: X 400/93
Einkommenssteuerfreiheit eines Kommunalen Erziehungsgeldes; Zahlung aus öffentlichen Mitteln; Beihilfecharakter einer finanziellen Leistung; Ausschließliche Bestimmung zur Erziehung; Entlastung berufstätiger Eltern; Entlastung von Kindergärten; Erzieherischer Charakter einer Betreuung
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 05.02.1996
- Aktenzeichen
- X 400/93
- Entscheidungsform
- Gerichtsbescheid
- Referenz
- WKRS 1996, 16446
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1996:0205.X400.93.0A
Rechtsgrundlage
- § 3 Nr. 11 EStG
Fundstelle
- EFG 1996, 1014-1016 (Volltext mit amtl. LS)
Verfahrensgegenstand
Kommunales Erziehungsgeld
Einkommensteuer 1991 und 1992
Redaktioneller Leitsatz
Erziehung ist eine planmäßige Tätigkeit zur körperlichen, geistigen und sittlichen Formung junger Menschen. Bezüge zur Förderung der Erziehung sind nur dann steuerfrei nach § 3 Nr. 11 Einkommensteuergesetz (EStG), wenn sie ausschließlich zur Erziehung bestimmt sind.
Der X. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts hat
durch
den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht ... und
die Richter am Finanzgericht ... und ...
am 5. Februar 1996
für Recht erkannt:
Tenor:
Unter Änderung des Einkommensteuerbescheides 1991 vom 16.08.1993 wird die Einkommensteuer 1991 auf 4.264,00 DM herabgesetzt.
Unter Änderung des Einkommensteuerbescheides 1992 vom 16.08.1993 wird die Einkommensteuer 1992 auf 4.606,00 DM herabgesetzt.
Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Der Gerichtsbescheid ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob das der Klägerin in den Streitjahren 1991 und 1992 von der Stadt ... gezahlte "Kommunale Erziehungsgeld" einkommensteuerpflichtig ist.
Die Kläger sind verheiratet und werden zur Einkommensteuer zusammen veranlagt.
Die Klägerin ist ausgebildete Diakonin und betreute ab 1. August 1991 im eigenen Haus eine Gruppe von fünf Kindern, zu der 1992 zusätzlich noch ihre Tochter K. gehörte, jeweils dreimal wöchentlich für drei Stunden pro Tag. Hierfür bezog sie vom Jugendamt der Stadt ... im Rahmen des Projektes "Kommunales Erziehungsgeld" eine Aufwandsentschädigung in Höhe von 150 DM und einen pauschalen Sachkostenersatz in Höhe von 100 DM pro Kind und Monat.
Die Vergabe des Kommunalen Erziehungsgeldes beruhte auf den Richtlinien zur Gewährung eines Kommunalen Erziehungsgeldes der Stadt ... vom 15.11.1990 (Richtlinien 1990) bzw. vom 24.02.1992 (Richtlinien 1992).
In den Richtlinien 1990 heißt es u.a.:
§ 1
Die Stadt ... gewährt auf Antrag den Eltern von drei- bzw. vierjährigen Kindern ein kommunales Erziehungsgeld entsprechend den nachfolgenden Vorschriften, wenn die Eltern die Sorge für das Kind ausüben und in ... wohnen.
In den Richtlinien für 1992 ist der im übrigen gleichlautende § 1 um einen zweiten Absatz ergänzt:
"In Ausnahmefällen wird auch den Eltern von fünfjährigen Kindern ein Kommunales Erziehungsgeld nach der ersten oder zweiten Alternative gewährt. Näheres regeln die Verwaltungsvorschriften".
In den Richtlinien heißt es gleichlautend weiter:
§ 3
I.
Ein monatlicher Betrag von 250 DM wird maximal zwei Jahre für drei- bis vierjährige Kinder gezahlt, wenn die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:
a.
Das Kind geht weder in einen Kindergarten noch in eine andere von der Stadt geförderte Einrichtung, wird aber aufgrund elterlicher Initiative in einer Gruppe von drei bis fünf Kindern betreut.b.
Die Betreuung erfolgt durch eine in der Erziehung erfahrene Person und muß wöchentlich an mindestens drei Tagen mit je drei Stunden stattfinden.c.
Die Elterngruppe schließt mit der Betreuerin einen schriftlichen Betreuungsvertrag.Der Betreuungsvertrag ist der Stadt ... - Jugendamt - vorzulegen. Veränderungen sind unverzüglich anzuzeigen.
(nur Richtlinien 1992:
d.
Die Betreuerinnen verpflichten sich, einmal im Monat an einem Fachgespräch mit dem Jugendamt (Fachberaterin für Kindertagesstätten) teilzunehmen.e. Das Jugendamt hat die Möglichkeit, jederzeit Einblick in die Gruppenarbeit zu nehmen.
II.
Die Zahlung orientiert sich am Kindergartenjahr (01.08.-31.07.) und wird für Kinder gezahlt, die im Bezugszeitraum bis zum 31.12. das dritte Lebensjahr vollenden bzw. im Juni oder Juli des entsprechenden Jahres das vierte Lebensjahr vollenden und eine Absage des Kindergartens erhalten haben. (Nur Richtlinien 1992: In Ausnahmefällen kann Kommunales Erziehungsgeld nach dieser Alternative auch an fünfjährige Kinder gezahlt werden. Näheres hierzu regeln die Verwaltungsvorschriften).§ 4
Die Gewährung des Kommunalen Erziehungsgeldes schließt die Zugangsberechtigung zu einem Kindergarten oder einer von der Stadt zu fördernden Einrichtung nicht aus. Wird von den Eltern ein solcher Platz angenommen, erlischt der Anspruch auf die Fortzahlung des Kommunalen Erziehungsgeldes ...
In der zu den Richtlinien 1992 erlassenen Dienstanweisung der Stadt vom 27. Februar 1992 wird dazu u.a. ausgeführt:
"9. Fünfjährige Kinder haben Anspruch auf Kommunales Erziehungsgeld (zweite Alternative), wenn bei pünktlichem Eingang eines Antrages auf Aufnahme in den Kindergarten ein Kindergartenplatz nicht zur Verfügung steht."
In Anlehnung an diese Regelungen schloß die Klägerin mit den Eltern der von ihr betreuten Kinder am 4. Juni 1992 einen Betreuungsvertrag, nach dem die Betreuung im Hause der Klägerin jeweils dienstags bis donnerstags in der Zeit von 9.00-12.00 Uhr stattzufinden hatte. In dem Vertrag heißt es u.a.:
"6. Die Eltern fordern die Stadt ... auf, das Kommunale Erziehungsgeld auf das Betreuungskonto (...) von Frau Hoffmann zu überweisen.
(...)
8. über die Art der pädagogischen Betreuung und die Regelung in Konfliktfällen wurde ein Gespräch (Elternabend) geführt."
Für das Streitjahr 1991 hatte die Klägerin zuvor gleichgelagerte Regelungen getroffen, auf die insoweit Bezug genommen wird.
Entsprechend Ziff. 6 des genannten Vertrages, dessen Vorlage Bestandteil des Mustervertrages für Betreuungsverträge im Rahmen des Kommunalen Erziehungsgeldes ist, überwies die Stadt ... die Beträge jeweils direkt auf das Konto der Klägerin.
Nach Angaben der Kläger wurden und werden die Betreuungszeiten im wesentlichen durch Spiele verbracht, wobei die Klägerin die Kinder beaufsichtigt und pädagogisch auf ihr Verhalten und den Spielverlauf einwirkt. Vor Aufnahme eines neuen Kindes in die Gruppe findet jeweils ein Erziehungsgespräch statt, in dem die erzieherischen Prinzipien der Betreuung erörtert werden und Übereinstimmung zwischen Betreuerin und Eltern erzielt werden muß. Die Klägerin und andere Betreuerinnen im Rahmen des Projekts "Kommunales Erziehungsgeld" treffen sich in ca. sechswöchigem Abstand regelmäßig zum Erfahrungsaustausch und gemeinsamen Besprechungen.
Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, daß die Stadt ... das Kommunale Erziehungsgeld nicht als Alternative, sondern als Ergänzung zum Bau von Kindertagesstätten ansieht, die zu neuen Wegen in der außerfamiliären Betreuung führen könne, und das Projekt aus sozialpädagogischen Gründen begrüßt. Denn nach den Erfahrungen sollten und wollten nicht alle dreijährigen Kinder in den Kindergarten; im übrigen sei dies aus pädagogischer Sicht auch nicht wünschenswert. Nach den unstreitigen Angaben des Jugendamtes der Stadt ... liegt der Gewährung des Kommunalen Erziehungsgeldes der Gedanke zugrunde, daß die Betreuung in einer Gruppe mit ca. 25 Kindern an fünf Tagen in der Woche für vier Stunden viele dreijährige Kinder überfordert. Demgegenüber soll das Alternativangebot von drei Stunden Betreuung an drei Tagen je Woche in einer Kleingruppe den Dreijährigen die Möglichkeit geben, sich an eine Gruppe zu gewöhnen und "Kindergartenreife" zu erlangen. Weder von der Verwaltung noch seitens der Ratsgremien sei jemals daran gedacht worden, durch den Einsatz des Kommunalen Erziehungsgeldes den Aufbau von Kindergartenplätzen einzuschränken. In diesem Zusammenhang gibt die Stadt ... an, daß etwa 95 % der vier- und fünfjährigen Kinder auf Antrag in Kindergärten, Spielkreisen oder Vorschulen einen Platz erhalten haben und dies im Kindergartenjahr 1991/1992 nur in Einzelfällen - in Wohnortnähe - nicht möglich gewesen sei. Lediglich aus diesem Grund ordne § 3 Abs. 2 der Richtlinien an, das Kommunale Erziehungsgeld auch an die Eltern vierjähriger Kinder zu zahlen.
Aus ihrer Tätigkeit als Betreuerin bezog die Klägerin 1991 6.250 DM und 1992 18.000 DM.
Bei der Veranlagung der Kläger für die Streitjahre qualifizierte das beklagte Finanzamt (FA) die gesamten in 1991 vereinnahmten Beträge sowie 15.000 DM der 1992 zugeflossenen Beträge als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG und errechnete nach Abzug einer Betriebsausgabenpauschale in Höhe von 90 DM pro Kind und Monat Einkünfte der Klägerin von 4.000 DM für 1991 und 9.600 DM für 1992. Für 1992 berücksichtigte es ferner das für die Mitbetreuung der Tochter der Kläger gezahlte Kommunale Erziehungsgeld in Höhe von 3.000 DM bei den sonstigen Einkünften aus wiederkehrenden Bezügen gemäß § 22 Nr. 1 EStG und ermittelte nach Abzug der Werbungskostenpauschale von 200 DM weitere Einkünfte in Höhe von 2.800 DM, insgesamt also 12.400 DM.
Auf dieser Grundlage ergingen am 16.08.1993 geänderte Einkommensteuerbescheide gegen die Kläger.
Hiergegen richtet sich die Sprungklage der Kläger, zu der das FA seine Zustimmung erklärt hat.
Die Kläger vertreten die Ansicht, die Bezüge aus dem Kommunalen Erziehungsgeld seien gemäß § 3 Nr. 11 EStG als Bezüge aus öffentlichen Mitteln, die als Beihilfe zu dem Zweck bewilligt werden, die Erziehung unmittelbar zu fördern, von der Einkommensteuer befreit. Denn wie sich aus den Stellungnahmen der Stadt ... und dem mit der Schaffung des Kommunalen Erziehungsgeldes verfolgten Zweck ableiten lasse, dienten sie unmittelbar der Erziehung. Demgegenüber bezwecke das Kommunale Erziehungsgeld nicht die Entlastung der Kindergärten, was sich vor allem an der trotz Einführung des Kommunalen Erziehungsgeldes gleichbleibenden Deckung des Kindergartenbedarfs mit 90 % zeige. Ferner sei es gerade Ziel des Kommunalen Erziehungsgeldes, dreijährige Kinder auf den Kindergartenbesuch vorzubereiten.
Die Kläger beantragen,
- 1.
unter Änderung des Einkommensteuerbescheides 1991 vom 16.08.1993 die Einkommensteuer 1991 soweit herabzusetzen, wie sie sich bei Wegfall von Einkünften der Klägerin aus selbständiger Arbeit in Höhe von 4.000 DM ergibt;
- 2.
unter Änderung des Einkommensteuerbescheides 1992 vom 16.08.1993 die Einkommensteuer 1992 soweit herabzusetzen, wie sie sich bei Wegfall von Einkünften der Klägerin aus selbständiger Arbeit in Höhe von 9.600 DM sowie von sonstigen Einkünften in Höhe von 2.800 DM ergibt.
Das Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung beruft es sich auf das Schreiben des Bundesministers der Finanzen vom 27. November 1991 IV B 1 - S 2121 - 6/91(II), wonach das Kommunale Erziehungsgeld der Stadt ... nicht unmittelbar der Erziehung der Kinder, sondern in erster Linie der Entlastung der Kindergärten diene.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst den dazu überreichten Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Das den Klägern nach § 3 der Richtlinien der Stadt gezahlte Kommunale Erziehungsgeld unterliegt nicht der Einkommensteuer, denn es stellt eine nach § 3 Nr. 11 EStG steuerfreie Einnahme dar.
1.
Das Kommunale Erziehungsgeld zählt zu den gemäß § 3 Nr. 11 EStG steuerbefreiten "Bezügen aus öffentlichen Mitteln, die als Beihilfe zu dem Zweck bewilligt werden, die Erziehung unmitelbar zu fördern".
a.
Es wird aus öffentlichen Mitteln gezahlt.
Voraussetzung für die Annahme einer Zahlung aus öffentlichen Mitteln im Sinne dieser Vorschrift ist eine Verausgabung nach haushaltsrechtlichen Vorschriften (vgl. Bundesfinanzhof (BFH)-Urteil vom 9. April 1975 I R 251/72, BStBl II 1975, 577). Diese Voraussetzung ist nach Auffassung des Senats gegeben, denn der Finanzbedarf des vom Jugendamt gezahlten Kommunalen Erziehungsgeldes wird regelmäßig im Haushaltsplan der Stadt ... festgestellt. Zwar sieht § 1 der Richtlinien der Stadt ... die Verausgabung an die Eltern der betreffenden Kinder vor, die die Beträge dann an die Betreuerinnen weiterleiten sollen. Das steht jedoch der Annahme einer Zahlung aus öffentlichen Mitteln nicht entgegen. Denn § 1 ist vor dem Hintergrund des Kommunalen Erziehungsgeldes nach § 2 der Richtlinien zu sehen. Danach sind Zahlungen an die Eltern dreijähriger Kinder vorgesehen, um die Finanzierung eines Babysitters zu ermöglichen. Das ist jedoch nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits. Denn im Streitfall erfolgte die Zahlung des Kommunalen Erziehungsgeldes aufgrund § 3 der Richtlinien planmäßig stets direkt vom Jugendamt an die Betreuerinnen, die das Kommunale Erziehungsgeld letztlich vereinnahmen sollten. So sehen auch die von der Stadt erstellten und z.B. 1992 verwendeten Vertragsformulare zwischen Eltern und Betreuerinnen ohne Ausnahme von vornherein eine direkte Zahlung seitens des Jugendamtes an die Betreuerinnen vor (vgl. hier Ziff. 6 des Vertrages der Klägerin vom 04.06.1992 sowie Seite 2, 8. Absatz des Mustervertrages).
b.
Das Kommunale Erziehungsgeld hat auch den Charakter einer Beihilfe im Sinne des § 3 Nr. 11 Satz 1 EStG.
Dabei kann dahinstehen, ob der Begriff "Beihilfe" nur Leistungen bis zu einer bestimmten Höhe umfaßt (so FG Düsseldorf, Urteil vom 27. April 1977 VII 273/76 E, EFG 1977, 467) und daneben Eigenleistungen des Erziehenden voraussetzt, denn mit dem Kommunalen Erziehungsgeld war kein vollständiger Ersatz des sachlichen und zeitlichen Aufwands der Betreuerinnen beabsichtigt. Eine nach Arbeitszeit bemessene Vergütung läge deutlich über der gezahlten Aufwandsentschädigung in Höhe von 150 DM pro Kind und Monat, da unter Zugrundelegung einer wöchentlichen Arbeitszeit von 9 Stunden und einer monatlichen Arbeitszeit von 4,3 × 9 Std. = 38,7 Std. pro Kind nur eine stündliche Aufwandsentschädigung von 3,87 DM gezahlt wurde und hiervon noch Beträge für Zusatzrentenversicherung, Zusatzberufshaftpflichtversicherung und Krankenversicherung abzuführen waren. Zudem lag auch der Bestandteil des Erziehungsgeldes, der pauschal für Sachkosten incl. Verpflegung gezahlt wurde, zumindest 1991 mit insgesamt 2.500 DM deutlich unter den von den Klägern errechneten und vom FA anerkannten Sach- und Verpflegungskosten in Höhe von 3.200 DM.
c.
Mit dem Kommunalen Erziehungsgeld wurde die Klägerin gemäß § 3 Nr. 11 Satz 3 EStG auch nicht zu einer Arbeitnehmertätigkeit verpflichtet. Denn bereits aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, daß diese Bezüge nicht zur Bestreitung des Lebensunterhalts der Klägerin gewährt wurden und dadurch kein Leistungsaustauschverhältnis begründet wurde, sondern lediglich der zeitliche und sachliche Aufwand zum Teil abgedeckt werden sollte.
d.
Das Kommunale Erziehungsgeld gehört auch zu Bezügen, die im Sinne des § 3 Nr. 11 Satz 1 EStG bewilligt werden, um die Erziehung unmittelbar zu fördern.
Als Erziehung ist nach der Rechtsprechung des BFH, der der Senat folgt, eine planmäßige Tätigkeit zur körperlichen, geistigen und sittlichen Formung junger Menschen anzusehen (BFH-Urteile vom 21. Dezember 1965 V 24/62 U, BStBl III 1966, 182; vom 17. Mai 1990 IV R 14/87, BStBl II 1990, 1018). Bezüge zur Förderung der Erziehung sind nur dann steuerfrei nach § 3 Nr. 11 EStG, wenn sie ausschließlich zur Erziehung bestimmt sind (BFH-Urteile vom 28. Juni 1984 IV R 49/83, BStBl II 1984, 571; vom 17. Mai 1990 a.a.O.). Diese Einschränkung ist nach der Ansicht des BFH, der der Senat sich anschließt, notwendig, weil nahezu jede längerdauernde Beschäftigung mit Kindern zugleich deren Erziehung zum Gegenstand hat. Erziehungsgelder sind danach nur dann ausschließlich zur Erziehung bestimmt, wenn die in der Pflegestelle weiter ausgeübte Tätigkeit der Unterbringung, Verköstigung, Beaufsichtigung und sontigen Betreuung nur notwendige Hilfstätigkeit zur erzieherischen Tätigkeit ist. Maßgeblich ist dafür der der Pflegeperson erteilte Auftrag. Die vom BFH zur Abgrenzung gewerblicher Kinderheime von freiberuflich betriebenen Erziehungseinrichtungen entwickelten Grundsätze sind hier entsprechend anzuwenden (vgl. BFH-Urteil vom 17. Mai 1990 a.a.O.). Danach ist entscheidend, ob der erzieherische Anteil für die Gesamttätigkeit der Klägerin prägend ist.
Nach Auffassung des Senats ist das im Streitfall zu bejahen. Das Kommunale Erziehungsgeld dient ausschließlich der Erziehung, die das Tätigkeitsbild der Klägerin prägt. Demgegenüber tritt die bloße Unterbringung, Verköstigung, Beaufsichtigung und sonstige Betreuung als bloße notwendige Hilfstätigkeit vollständig in den Hintergrund.
Dies zeigt sich anhand von Zielsetzung, Vertragsgestaltung und Durchführung des Projekts nach § 3 Abs. 2 der jeweils geltenden Richtlinien.
Aufgrund des Alters der betreuten Kinder von in der Regel drei bis vier Jahren erfolgte die Betreuung nach den unwidersprochenen Angaben der Kläger, an denen zu zweifeln der Sachverhalt keinen Anlaß gibt, im wesentlichen durch Planung und Durchführung von Spielen unter Mitwirkung der Klägerin. Dabei nahm die Klägerin zielgerichtet auf die Kinder und ihr Verhalten im Spiel Einfluß. Nach der Zielsetzung des Kommunalen Erziehungsgeldes in der zweiten Variante, d.h. nach § 3 der Richtlinien, sollten auf diese Weise die Kinder so geschult werden, daß ihnen im Alter von vier Jahren der Besuch eines Kindergartens mit größeren Gruppen und an fünf statt drei Wochentagen möglich sein würde. Diese erzieherische Tätigkeit bildet den Kern der von der Klägerin durchgeführten Betreuung.
Demgegenüber war die Unterbringung der Kinder nur eine notwendige Folge der erzieherischen Tätigkeit, welche aufgrund der Gruppensituation nicht jeweils bei den Eltern der Kinder, sondern im Hause der Klägerin durchgeführt werden mußte.
Die Verköstigung bestand regelmäßig nur aus der Verabreichung von Getränken, da die Betreuungszeiten zwischen Frühstücks- und Mittagessenszeit lagen. Lediglich anläßlich der im Jahresverlauf anfallenden Feste, wie z.B. Osterfest, Weihnachtsfest oder auch Laternenfest, wurden die Kinder auch mit Frühstück versorgt, was aufgrund der wenigen Ausnahmen an der Beurteilung der Verköstigung als notwendiger Hilfstätigkeit nichts zu ändern vermag.
Die bloße Beaufsichtigung, wie sie in typischen Kindertagesstätten über beachtliche Zeiträume (z.B. Mittagsschlaf) weithin üblich ist, spielte dagegen vorliegend keine Rolle. Hierfür sprechen bereits die kompakten Betreuungszeiten von lediglich drei Stunden pro Tag an drei Tagen pro Woche. Bei der Ausnutzung des Zeitraums von 9.00 bis 12.00 Uhr spricht bereits der erste Anschein dagegen, daß Teile der Betreuungszeit mit Mittagsschlaf verbracht werden. Die Auswahl dieses knappen Zeitraums spricht vielmehr gerade für eine Beschränkung auf eine unter spezifisch pädagogischen Gesichtspunkten ausgewählte Beschäftigung mit den Kindern. Bei diesen kurzen Zeiträumen liegt zudem erfahrungsgemäß die Konzentrationsfähigkeit auch drei- und vierjähriger Kinder noch so hoch, daß eine pädagogische Betreuung sinnvoll durchgeführt werden kann.
Insgesamt gesehen war damit eine bloße Entlastung berufstätiger Eltern von der Beaufsichtigung der Kinder, wie sie in nicht unerheblichem Umfang von Kindertagesstätten oder Kindergärten bezweckt und erreicht wird, vom Kommunalen Erziehungsgeld nach § 3 der Richtlinien nicht in nennenswertem Umfang zu realisieren und auch nicht beabsichtigt. Schon deshalb vermag der Senat der Auffassung des Bundesministers der Finanzen lt. Schreiben vom 27. November 1991, die auch das FA vertritt, nicht zu folgen.
Das Argument einer Entlastung der Kindergärten ist schon deshalb nicht stichhaltig, weil im Rahmen des Kommunalen Erziehungsgeldes nach § 3 der Richtlinien die Erziehung der Kinder der Tätigkeit der Betreuerin das Gepräge gibt und demgegenüber Unterbringung, Verköstigung, Beaufsichtigung und sonstige Betreuung als notwendige Hilfstätigkeit zu der erzieherischen Tätigkeit in den Hintergrund treten. Damit kann auch eine partielle Entlastung der Kindergärten, wie sie vom FA aus den Richtlinien geschlossen wird, nicht zu einer abweichenden Beurteilung führen.
Darüber hinaus sieht der Senat eine solche Entlastung in nennenswertem Umfang aber auch nicht als gegeben an.
Eine Entlastung der Kindergärten kommt nur insoweit in Betracht, als das Kommunale Erziehungsgeld sich an Kinder wendet, die auch einen Kindergartenplatz in Anspruch nehmen könnten. Hierbei ist aber zu bedenken, daß das Betreuungsangebot des Kommunalen Erziehungsgeldes von nur neun Stunden pro Woche gerade die Beaufsichtigungsfunktion des Kindergartens über einen längeren Zeitraum, der den Eltern die Berufstätigkeit ermöglichen soll, nicht erfüllt und deshalb die "Kostkinder"-Rechtsprechung des BFH (vgl. Urteile vom 28. Juni 1984 und vom 17. Mai 1990 a.a.O.) nicht einschlägig ist. Darüber hinaus nehmen nach den unstreitigen Erfahrungen der Stadt ... gerade die Eltern dreijähriger Kinder freie Kindergartenplätze zumeist nicht an, da den Kindern die erforderliche Reife zum Umgang mit Großgruppen über einen längeren Zeitraum an fünf Tagen pro Woche noch fehlt. Auch insoweit kann ein auf den Betreuungszweck durchgreifendes Konkurrenzverhältnis zwischen Betreuungsmaßnahmen, die mit dem Kommunalen Erziehungsgeld gemäß § 3 der Richtlinien gefördert werden und Kindergärten oder Kindertagesstätten nicht festgestellt werden. Denn das zentrale Anliegen des Kommunalen Erziehungsgeldes für Gruppenbetreuung liegt nach den übereinstimmenden Angaben der Betreuerinnen und der Stadt gerade darin, dreijährigen Kindern Kindergartenreife zu vermitteln. Hierfür spricht auch, daß die Eltern zahlreicher Dreijähriger bewußt nicht den Kindergarten, sondern das Kommunale Erziehungsgeld wählen. Zudem sollte das Angebot an Kindergartenplätzen durch die Einführung des Kommunalen Erziehungsgeldes nicht vermindert werden, sondern gleichbleiben, was sich bereits daran zeigt, daß die Stadt ... auch nach der Einführung des Kommunalen Erziehungsgeldes unvermindert eine Versorgung mit Kindergartenplätzen für 90 % der Kinder eines Kindergartenjahrgangs anstrebt.
Der ausschließlich erzieherische Charakter der Betreuung wird schließlich noch dadurch unterstrichen, daß die Richtlinien in § 3 I b eine in der Erziehung erfahrene Person als Betreuer voraussetzen und z.B. über die Art der pädagogischen Betreuung sowohl nach dem Mustervertrag der Stadt ... als auch nach Ziff. 8 des Betreuungsvertrages 1992 der Klägerin ein Elternabend abgehalten werden muß. Ferner spricht hierfür auch der in regelmäßigen Abständen von ca. sechs Wochen durchgeführte Erfahrungsaustausch unter den Betreuerinnen.
Da somit das Kommunale Erziehungsgeld nach § 3 der Richtlinien auch bewilligt wird, um die Erziehung unmittelbar zu fördern, mußte die Klage Erfolg haben.
2.
Die Steuer berechnet sich danach wie folgt:
a)
1991
zu versteuerndes Einkommen bisher: | 43.455,00 DM |
---|---|
abzüglich Einkünfte der Klägerin lt. Urteil in Höhe von | 4.000,00 DM |
zu versteuerndes Einkommen lt. Urteil | 39.455,00 DM |
Einkommensteuer | 5.764,00 DM |
abzüglich Kinderermäßigung nach § 34 f EStG | 1.500,00 DM |
festzusetzende Einkommensteuer lt. Urteil | 4.264,00 DM |
b)
1992
zu versteuerndes Einkommen bisher | 53.423,00 DM |
---|---|
abzüglich Einkünfte lt. Urteil | 12.400,00 DM |
zu versteuerndes Einkommen lt. Urteil | 41.023,00 DM |
Einkommensteuer | 6.106,00 DM |
abzüglich Kinderermäßigung nach § 34 f EStG | 1.500,00 DM |
festzusetzende Einkommensteuer lt. Urteil | 4.606,00 DM |
3.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 Abs. 3 und 1 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
4.
Gegen den Gerichtsbescheid ist die Revision zugelassen worden.
Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.