Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 07.02.1996, Az.: XIII 303/90
Abzugsfähigkeit von Aufwendungen für einen Lehrerfachkurs in England als Werbungskosten
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 07.02.1996
- Aktenzeichen
- XIII 303/90
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1996, 16449
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1996:0207.XIII303.90.0A
Rechtsgrundlage
- § 12 EStG
Fundstelle
- EFG 1997, 333 (red. Leitsatz)
Verfahrensgegenstand
Fachkurs f. Englischlehrer als WK
Einkommensteuer 1988
In dem Rechtsstreit
hat der XIII. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts
nach mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 7. Februar 1996,
an der mitgewirkt haben:
Vorsitzender Richter am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
ehrenamtliche Richterin Geschäftsführerin ...
ehrenamtliche Richterin Großhandelskauffrau ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Unter Aufhebung des Einspruchsbescheids vom 15. Mai 1990 undÄnderung des Einkommensteuerbescheids vom 18. April 1990 wird die Einkommensteuer 1988 auf den Betrag 11.828 DM herabgesetzt.
Der Beklagte trägt die Kosten.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Hinterlegung des an den Kläger zu erstattenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet.
Tatbestand
Streitig ist, ob Aufwendungen für einen Lehrerfachkurs in England im Jahre 1988 als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abzugsfähig sind. Der Kläger ist Lehrer und unterrichtet an der Fachoberschule Englisch und in den Berufsschulklassen der Druckindustrie Gemeinschaftskunde, Deutsch, Technologie, technische Mathematik und Fachzeichnen. In seiner Einkommensteuererklärung für 1988 beantragte der Kläger u.a. die Berücksichtigung von Aufwendungen für einen Aufenthalt in England als Werbungskosten. Der Kläger hatte sich in der Zeit vom 20. November bis 3. Dezember 1988 in Großbritannien aufgehalten, um an einem Englischkurs für deutsche Lehrer teilzunehmen. Veranstalter war der pädagogische Austauschdienst des Sekretariats der ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland. Die Unterbringung und teilweise Verpflegung erfolgte in einer englischen Gastfamilie. Der Kläger war für diese Zeit vom Dienst freigestellt. Eine Kostenerstattung durch den Dienstherren fand nicht statt.
Der Beklagte lehnte die Anerkennung der Kosten für den Englandaufenthalt mit Hinweis auf § 12 EStG ab und setzte die Einkommensteuer für das Kalenderjahr 1988 entsprechend fest. Das Einspruchsverfahren blieb erfolglos.
Mit der vorliegenden Klage macht der Kläger geltend, bei dieser Lehrerfortbildung habe es sich nicht um einen reinen Sprachaufenthalt gehandelt; vielmehr seien pädagogische, methodische, didaktische und landeskundliche Inhalte vermittelt worden. Den Kurs habe das Niedersächsische Lehrerfortbildungsinstitut (NLI) ausgeschrieben. Die Kosten seien rein beruflich veranlaßt. Das Veranstaltungsprogramm habe sowohl zeitlich als auch inhaltlich wenig Raum für private Unternehmungen zugelassen. Auch der Aufenthalt in der ausgesuchten englischen Familie habe der Fortbildung gedient, da es für einen Englischlehrer unerläßlich sei, seine Sprachkenntnisse immer wieder aufzufrischen und somit seine Sprachkompetenz zu erhalten.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Einspruchsbescheids vom 15. Mai 1990 und Änderung des Einkommenststeuerbescheids vom 18. April 1990 1.726 DM weitere Werbungskosten anzuerkennen und die Einkommensteuer 1988 entsprechend niedriger festzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält die Programmgestaltung für nicht ausschließlich beruflich veranlaßt. Insbesondere beanstandet er die freien Zeiten am Donnerstag, den 24. November 1988, in Newcastle-upon-Tyne sowie den freien Nachmittag am Freitag, den 2. Dezember 1988, in London. Dabei handelt es sich um den Tag vor der Abreise nach Deutschland.
Wegen der Einzelheiten der Programmgestaltung wird auf das vom Kläger vorgelegte Programm (Bl. 43/88 EStA) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat Erfolg.
Entscheidungserheblich nach der den Beteiligten bekannten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist allein, ob die private Mitveranlassung der Teilnahme an dem Kursus in einer zu vernachlässigenden Weise gering ist (Abzug als Werbungskosten) oder diesen Anteil übersteigt (Abzugsverbot). Unter Abwägung aller Umstände kommt der Senat zu derÜberzeugung, daß die private Mitveranlassung so gering war, daß sie zu vernachlässigen ist. Denn der Kursus war auf die besonderen beruflichen Bedürfnisse der Teilnehmer zugeschnitten (vgl. Anmerkung zum BFH-Urteil vom 23. Oktober 1981 VI R 71/78, BStBl II 1982, 69, in HFR 1982, 54). Das ergibt sich aus den Aufgaben eines Englischlehrers gemäß den Rahmenrichtlinien für den Englischunterricht: Angesichts einer sich wandelnden Sprache muß er seine schnell veraltende Sprachkompetenz erhalten, und er muß Land und Leute kennen, um über sie im Unterricht aus eigener Kenntnis berichten zu können. Diesen Zwecken entsprach der Aufbau des Kurses. Die Teilnehmer waren einzeln in Familien untergebracht, so daß sie gezwungen waren, die englische Alltagssprache zu hören und zu benutzen. Der Besuch von Schulen ermöglichte es, die beiden Schulsysteme mit ihren Vor- und Nachteilen zu vergleichen und erkannte Vorteile im eigenen Unterricht zu nutzen.
Die vom Beklagten herausgestellten "privaten" Unternehmen waren im Hinblick auf die von Englischlehrern erwartete Kenntnis der Landeskunde nur ein kleiner Ausschnitt dessen, was sie im Unterricht an geographischen und historischen Gegebenheiten Englands einbringen sollten. Der Beklagte verkennt, daß insoweit nicht der - auch vorhandene - Freizeitwert dieser Unternehmen Anlaß für die Teilnahme an dem Kursus war, sondern die von den Rahmenrichtlinien geforderte Kenntnis der Landeskunde. Unter diesen Gesichtspunkten mag auch ein freier Nachmittag in London neben einem nicht auszuschließenden privaten Interesse dazu geeignet sein, einen in der Klasse vermittelbaren Eindruck der Auswirkungen eines Weltreichs auf seine Hauptstadt hinsichtlich Architektur und seiner Bevölkerung zu gewinnen.
Darüber hinaus darf auch nicht außer acht gelassen werden, daß angesichts leerer Kassen der öffentlichen Hand an das Engagement der Lehrer heutzutage besondere Anforderungen gestellt werden. Ist die strenge Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs mit dem Alles- oder Nichts-Prinzip des § 12 in weiten Bevölkerungskreisen schon kaum zu vermitteln, führt die vom Beklagten hervorgehobene "private" Veranlassung der Reise im Ergebnis dazu, daß kein Lehrer sich mehr bereiterklärt, an Fortbildungsmaßnahmen oder Klassenfahrten auf eigen Kosten teilzunehmen, wenn er nicht mal in den Genuß einer Steuererstattung kommen kann. Gerade im Bereich von Schulen steht das allgemeinbildende Element im Vordergrund. Es wäre nicht wünschenswert im Sinne der Schülerschaft, wenn die Lehrer ihr berufliches Engagement und ihren Idealismus aus finanziellen Überlegungen aufgäben.
Die Einkommensteuer errechnet sich danach wie folgt:
zu versteuerndes Einkommen bisher | 48.105 DM |
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abzüglich weiterer Werbungskosten | 1.726 DM |
zu versteuerndes Einkommen lt. Urteil | 46.379 DM |
darauf entfallende Einkommensteuer | 11.828 DM |
(Grundtabelle) |
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 155 Abs. 1 FGO i.V.m.§§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.