Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 06.02.1996, Az.: VIII 495/93

Abzug des Damnums über den im Einspruchsverfahren bereits zuerkannten Betrag hinaus; Vorkosten als alle Aufwendungen des Steuerpflichtigen, die vor Beginn der erstmaligen Nutzung zu eigenen Wohnzwecken entstehen ; Vor Bezug gezahltes Damnum; Damnum als laufzeitabhängige Zinsvorauszahlung; Damnum als laufzeitunabhängige Kreditbeschaffungskosten; Zusammenhang zwischen laufenden Zinsen und Damnum

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
06.02.1996
Aktenzeichen
VIII 495/93
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1996, 18636
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:1996:0206.VIII495.93.0A

Fundstellen

  • DStRE 1997, 186-187 (Volltext mit amtl. LS)
  • EFG 1996, 541 (Volltext mit amtl. LS)

Verfahrensgegenstand

Einkommensteuer 1990

Der VIII. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts hat
mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung
in der Sitzung vom 6. Februar 1996,
an der mitgewirkt haben:
1. Vorsitzender Richter am Finanzgericht ...
2. Richter am Finanzgericht ...
3. Richter am Finanzgericht ...
4. ehrenamtliche Richterin
5. ehrenamtliche Richterin ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden den Klägern auferlegt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Anerkennung eines Damnums in Höhe von 21.869,00 DM als Vorkosten i.S.v. § 10 e Abs. 6 EStG.

2

Streitjahr ist das Jahr 1990.

3

Die Kläger werden gem. § 26 b EStG zusammenveranlagt.

4

Die Kläger schlössen am 13.12.1990 einen Kaufvertragüber den Erwerb einer Doppelhaushälfte. Der Kaufpreis sollte lt. Kaufvertrag acht Tage nach Eintragung einer Auflassungsvormerkung im Grundbuch fällig werden. Die Eintragung der Vormerkung erfolgte Ende Mai 1991. Der Kaufpreis wurde dementsprechend am 10.06.1991 gezahlt.

5

Zur Finanzierung nahmen die Kläger zwei Darlehen bei der Sparkasse ... in Höhe von insgesamt 255.000,00 DM auf. Es wurde vertraglich vereinbart, daß ein Damnum von 9,5% der Darlehensbeträge fällig wird, wenn die ersten Teilbeträge der Darlehen ausgezahlt werden.

6

Im Dezember 1990 und im Januar 1991 riefen die Kläger insgesamt 24.800,00 DM von den beiden Darlehenskonten ab, um Notargebühren und Renovierungskosten zu zahlen. Da bereits im Dezember 1990 Teilbeträge von beiden Konten abgerufen wurden, wurden die Konten sofort mit dem gesamten Damnum von 24.249,73 DM belastet.

7

Die Kläger beantragten den Abzug des Damnums in voller Höhe im Jahre 1990 als Vorkosten i.S.d. § 10 e Abs. 6 EStG mit ihrer Einkommensteuererklärung für 1990. Das beklagte Finanzamt (FA) gewährte den Abzug zunächst, erließ den Steuerbescheid aber unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gem. § 164 AO. Nachdem festgestellt worden war, daß der Kaufpreis am 10.06.1991 gezahlt wurde, erließ das FA einen geänderten Einkommensteuerbescheid, wobei der Vorkostenabzug in voller Höhe verwehrt wurde.

8

Auf den hiergegen erhobenen Einspruch hat das FA einen Teilbetrag von 2.356,00 DM zum Sonderausgabenabzug zugelassen. Im übrigen wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen, weil nach Auffassung des FA zwischen Zahlung des Damnums und Auszahlung des Darlehens mehr als drei Monate gelegen hätten; damit habe kein wirtschaftlicher Zusammenhang bestanden. Ohne diesen wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen Zahlung des Damnums und Auszahlung des Darlehens sei ein Gestaltungsmißbrauch gem. § 42 AO anzunehmen, so daß der Abzug der gezahlten Beträge als Sonderausgaben gem. § 10 e Abs. 6 EStG zu verwehren sei.

9

Hiergegen richtet sich die Klage. Die Kläger vertreten die Ansicht, daß ein Gestaltungsmißbrauch nicht vorliege, weil sie wegen des Abrufens von Teilbeträgen im Dezember 1990 vertraglich zur Zahlung des Damnums verpflichtet gewesen seien.

10

Im übrigen seien sie davon ausgegangen, daß auch der Kaufpreis noch Anfang 1991 fällig werden würde, da der Antrag auf Eintragung einer Auflassungsvormerkung bereits im Dezember 1990 erfolgt sei. Es sei ihnen nicht anzulasten, daß die Eintragung erst am 27.05.1991 erfolgt sei. Darauf habe man keinen Einfluß gehabt. Steuerlich negative Folgen dürften daher nicht gezogen werden.

11

Die Kläger beantragen daher,

unter Aufhebung des Einspruchsbescheides und Änderung des Einkommensteuerbescheides in der Fassung vom 06.09.1993, die Einkommensteuer unter Berücksichtigung weiterer Sonderausgaben gem. § 10 e Abs. 6 EStG von 21.869,00 DM auf 9.478,00 DM festzusetzen.

12

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

13

Es vertritt die Auffassung, die Zahlung des Damnums im Jahre 1990 sei rechtsmißbräuchlich i.S.v. § 42 AO, weil die Zahlung mehr als drei Monate vor Auszahlung der Darlehensbeträge erfolgt sei. Es handele sich um eine willkürliche Vorauszahlung ohne wirtschaftlichen Grund. Grund der Gestaltung sei allein die Steuerminderung gewesen; diese habe 6.502,00 DM betragen, da das Damnum nicht abzugsfähig gewesen wäre, wäre es bei Auszahlung der Darlehen gezahlt worden. Denn zu diesem Zeitpunkt seien die Kläger schon in ihr Haus eingezogen. Den Klägern habe es frei gestanden, eine andere vertragliche Regelung mit der finanzierenden Bank zu schließen. Auch die Fälligkeit des Kaufpreises hätten die Kläger steuern können.

14

Am 9. Juni 1994 hat der erkenennde Senat ein Zwischenurteil erlassen, in dem die Klage für zulässig erachtet wurde.

15

Die Beteiligten haben mit Schreiben vom 21. Oktober 1994 bzw. 31. Januar 1996 auf mündliche Verhandlung verzichtet.

16

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten im einzelnen wird auf die zwischen ihnen im Klage- und Rechtsbehelfsverfahrens gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

17

Die Klage ist unbegründet.

18

Das Damnum kann über den im Einspruchsverfahren bereits zuerkannten Betrag hinaus nicht wie Sonderausgaben gem. § 10 e Abs. 6 EStG abgezogen werden.

19

Vorkosten nach § 10 e Abs. 6 EStG sind alle Aufwendungen des Steuerpflichtigen, die vor Beginn der erstmaligen Nutzung zu eigenen Wohnzwecken entstehen und im Falle der Vermietung als Werbungskosten abgezogen werden könnten. Daneben müssen sie unmittelbar mit der Anschaffung oder Herstellung der Wohnung zusammenhängen.

20

Aufwendungen sind nach betreffender Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH) entstanden, wenn sie wirtschaftlich einen Zeitraum betreffen, in dem der Steuerpflichtige die Wohnung noch zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat (BFH-Urteil vom 8. Juni 1994 X R 30/92, BFHE 174, 541, BStBl II 1994, 893). Es kommt also nicht auf den Zeitpunkt der Zahlung, sondern nur auf die wirtschaftliche Verursachung an.

21

Laufzeitbezogene Aufwendungen sind daher aufzuteilen und - unabhängig vom Zeitpunkt der Zahlung - als Vorkosten zu berücksichtigen, soweit sie wirtschaftlich auf eine Zeit vor Bezug der Wohnung entfallen (BFH-Urteil vom 8. Juni 1994 X R 26/92, BFHE 174, 535, BStBl II 1994, 930).

22

Ein vor Bezug gezahltes Damnum kann daher nur anteilig für die Zeit vor Bezug als Sonderausgabe nach § 10 e Abs. 6 EStG abgezogen werden, weil es sich um laufzeitabhängige Zinsvorauszahlungen und nicht um laufzeitunabhängige Kreditbeschaffungskosten handelt. Der Bundesgerichtshof (BGH) vertritt in neuerer Rechtsprechung die Auffassung, daß sich der Charakter des Damnums in den letzten Jahrzehnten geändert habe. In der Bankpraxis sei das Damnum heutzutage ein integraler Bestandteil der Zinskalkulation. Es bestehe eine feste Relation zwischen der Höhe des Damnums und der Höhe der laufenden Zinsen. Dies werde zusätzlich dadurch dokumentiert, daß die Deutsche Bundesbank seit 1982 bei Aufstellung ihrer Zinsstatistiken, das Damnum als Komponente der Zinshöhe berücksichtigt (Urteil des BGH vom 29.05.1990 XI ZR 231/89; BGHZ 111, 287).

23

Dieser Auffassung vom Charakter eines Damnums als laufzeitabhängiger Zins schließt sich der erkennende Senat an.

24

Die Auslegung des Kreditvertrages kann nach Auffassung des Senats nur dann dazu führen, ein Damnum als Abgeltung für einmalige Laufzeit unabhängige Kreditbeschaffungskosten zu qualizieren, wenn seine Höhe die üblicherweise entstehenden Kreditbeschaffungskosten nichtübersteigt. Selbst die vertragliche Vereinbarung, das Damnum sei zur Abgeltung dieser einmaligen Kosten bestimmt, rechtfertigt nach Meinung des Senats nicht die Auslegung, das Damnum diene nur zur Abgeltung von Kreditbeschaffungskosten, solange jedenfalls ein fester Zusammenhang zwischen Zinshöhe und Damnum besteht.

25

Auch der Wille des Gesetzgebers, das Damnum zu den Aufwendungen i.S.v. § 10 e Abs. 6 EStG zu rechnen (Bundestags-Drucksache 10/3633, S. 10), führt im Streitfall zu keiner anderen steuerrechtlichen Beurteilung. Der Wille des Gesetzgebers hat nämlich keinen Niederschlag im Gesetz gefunden. Nach dem Gesetzeswortlaut sind nur diejenigen Aufwendungen abzugsfähig, die vor Bezug entstanden sind. Damit kommt es somit allein auf die wirtschaftliche Verursachung und nicht auf die Zahlung an. Eine abweichende Regelung für ein vor Bezug gezahltes Damnum ist aus dem Gesetzestext nicht ersichtlich.

26

Für den Streitfall bedeutet dies, daß die Kläger nur die Teile des Damnums abziehen können, die wirtschaftlich auf die Zeit vor Bezug entfallen. Das Damnum, das die Kläger nach dem Kreditvertrag im Dezember 1990 zahlen mußten, da hier bereits Teilbeträge der Darlehensbeträge abgerufen wurden, betrug 9,5% der zugesagten Darlehensvaluta. Somit betrug das Damnum ca. 25.000,00 DM. Der Senat ist davonüberzeugt, daß ein Betrag in dieser Höhe nicht zur Abdeckung von einmalig entstehenden Kreditbeschaffungskosten verwendet wird. Vielmehr kann es sich dabei nur um die Vorauszahlung von Darlehenszinsen handeln. Der von der Zivilrechtsprechung geforderte Zusammenhang zwischen laufenden Zinsen und Damnum ist damit gegeben, so daß es sich bei dem Damnum, das die Kläger 1990 gezahlt haben, um laufzeitabhängige Zinszahlungen handelt.

27

Das Damnum i.H.v. 24.249,73 DM war nach alldem also auf den Zeitraum der Zinsfestschreibung zu verteilen. Bei dem vertraglich festgelegten Zinsfestschreibungszeitraum von 5 Jahren ergibt sich für 3 Monate ein abziehbarer Betrag von 1.212,49 DM. Das beklagte FA hat aber bereits einen Betrag von 2.356,00 DM zum Abzug zugelassen, so daß ein weiterer Betrag nicht zu mehr berücksichtigen ist.

28

Bei dieser Rechtslage konnte der Senat die Frage, ob ein Gestaltungsmißbrauch i.S.d. § 42 AO in der Inanspruchnahme des Damnums zu sehen ist, dahinstehen lassen. Darauf kam es im Streitfall nicht an.

29

Die Revision war zuzulassen, weil die Streitsache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). Bisheriger Rechtsprechung entsprach es nämlich in vergleichbaren Fällen den Vorkostenabzug in voller Höhe zuzulassen. Ob dies auch nach Änderung der BGH-Rechtsprechung für die Veranlagungszeiträume ab 1990 noch gilt, hat der BFH in seiner Entscheidung vom 08.06.1994 (X R 26/92, a.a.O.) ausdrücklich offen gelassen.

30

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.