Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 27.02.1996, Az.: I 90/91
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 27.02.1996
- Aktenzeichen
- I 90/91
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1996, 26874
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1996:0227.I90.91.0A
Fundstellen
- DB (Beilage) 1997, 20 (Kurzinformation)
- EFG 1996, 815 (Volltext mit amtl. LS)
- GmbH-StB 1997, 6 (Volltext mit amtl. LS)
- GmbHR 1997, 41-43 (Volltext mit amtl. LS)
In dem Rechtsstreit
wegen Feststellung 1983-;1987
hat der I. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts nach mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 27. Februar 1996, an der mitgewirkt haben:
Vorsitzender Richter . am Finanzgericht
Richter am Finanzgericht .
Richter am Finanzgericht .
ehrenamtlicher Richter .
ehrenamtlicher Richter .
für Recht erkannt:
Tenor:
Unter Änderung des Feststellungsbescheides vom 11. September 1989 in der Fassung des Einspruchsbescheids vom 25. Februar 1991 werden die Enkünfte der Gesellschaft . gesondert und einheitlich wie folgt festgestellt:
Für 1983:
in Höhe von -; 279. 357 DM, wovon auf die Gesellschafter -; 245. 208 DM,
+
32. 872 DM,
-
17. 336 DM,
-
23. 235 DM und
-
26. 450 DM
entfallen.
Für 1984:
in Höhe von -; 1.093. 673 DM, wovon auf die Gesellschafter
+
36. 369 DM,
-
265. 032 DM,
-
304. 156 DM,
-
266. 737 DM und
-
294. 117 DM
entfallen;
für 1985:
in Höhe von + 192. 353 DM, wovon auf die Gesellschafter
+
13. 863 DM,
+
41. 536 DM,
+
78. 385 DM,
+
72. 144 DM und
-
13. 575 DM
entfallen;
für 1986:
in Höhe von 300. 911 DM, wovon auf die Gesellschafter
+
38. 070 DM,
+
20. 934 DM,
+
92. 252 DM,
+
158. 768 DM und
n
-
9. 113 DM
entfallen;
für 1987:
in Höhe von -; 430. 712 DM, wovon auf die Gesellschafter
-
306. 478 DM,
-
55. 448 DM,
-
33. 134 DM,
-
16. 972 DM und
-
18. 680 DM
entfallen.
Die Revision wird zugelassen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Geldbetrages in Höhe der an die Kläger zu erstattenden Kosten abwenden, sofern die Kläger nicht zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Frage, ob Gesellschaftsanteile einer Kapitalgesellschaft zum Sonderbetriebsvermögen einer atypisch stillen Beteiligungsgesellschaft an dieser Kapitalgesellschaft gehören.
Die Kläger (Kl.) zu 2-;5 sind alleinige Gesellschafter der Fa. . GmbH in .. Das Unternehmen befaßt sich mit der Herstellung und dem Vertrieb von Fenstern und Rolläden und hat ein Stammkapital von 100. 000 DM. Von diesem Stammkapital hielt der Kl. P. zunächst 25. 000 DM, R. 23. 000 DM und die Kl. B. und . jeweils 26. 000 DM. Mit Wirkung vom 17. April 1984 kaufte der Kl. den Gesellschaftern B. und . je 1. 000 DM ihres Gesellschaftskapitals zum Nennbetrag ab, sodaß von diesem Zeitpunkt an alle Gesellschafter mit 25. 000 DM am Stammkapital beteiligt waren. Im Jahre 1982 trat bei der GmbH ein Liquiditätsengpaß auf. Die Kl. zu 2-;5 gründeten daraufhin zusammen mit der GmbH mit Vertrag vom 21. April 1982 eine atypisch stille Gesellschaft und führten der GmbH als stille Gesellschafter Kapital in Höhe von insgesamt 1,9 Mio. DM zu. Nach § 5 des Vertrages waren die stillen Gesellschafter am Gewinn und Verlust der GmbH beteiligt, nach § 7 stand ihnen ein Anteil an den stillen Reserven der GmbH zu. Zum Geschäftsführer der stillen Gesellschaft wurde die GmbH berufen. Zum 01. Juli 1987 wurde die stille Gesellschaft aufgelöst.
Zur Ermittlung des Gewinns der stillen Gesellschaft haben die Kl. für jeden stillen Gesellschafter Sonderbilanzen (teilweise auch Ergänzungsbilanzen genannt) gebildet, in denen die Wertentwicklung seiner Beteiligung festgehalten ist. Die Gewinne oder Verluste dieser Bilanzen wurden dann dem Gewinn der GmbH hinzugefügt und als Ergebnis der stillen Gesellschaft ausgewiesen. In den Sonderbilanzen haben die Kl. die Anteile eines jeden Gesellschafters an der GmbH aktiviert, und zwar im Jahre 1982 zunächst mit 1.500 bzw. 1.200 des Nominalwertes. Im Jahre 1984 haben sie Teilwertabschreibungen auf die GmbH-Anteile bis zum Nominalwert vorgenommen. In die Sonderbilanzen des stillen Gesellschafters E. sind außerdem Zinsaufwendungen für ein Darlehn eingeflossen, das er seinerzeit zum Kauf des GmbH-Anteils aufgenommen hatte.
Im Anschluß an eine Betriebsprüfung für das Jahr 1982 erkannte der Beklagte (Bekl.) die Einlage des GmbH-Anteils in das Sonderbetriebsvermögen der stillen Gesellschaft zunächst an. Davon abweichend vertritt das Finanzamt (FA) für die Streitjahre nunmehr die Auffassung, die GmbH-Anteile seien notwendiges Privatvermögen. Demzufolge buchte es die Anteile in den Sonderbilanzen der stillen Gesellschaft des Jahres 1983 erfolgsneutral aus und ließ auch die darauf vorgenommene Teilwertabschreibung im Jahre 1984 nicht mehr zu. Außerdem erkannte es die Zinsaufwendungen des stillen Gesellschafters E. für den Erwerb seines GmbH-Anteils nicht mehr gewinnmindernd an.
Dagegen haben die Kläger als Mitglieder der ehemaligen stillen Gesellschafter nach erfolglosem Vorverfahren Klage erhoben, mit der sie die Anerkennung der GmbH-Anteile als Sonderbetriebsvermögen der stillen Gesellschaft erstreben. Sie verweisen dazu auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, nach der ein atypisch stiller Gesellschafter Mitunternehmer im Sinne von § 15 Abs. 1 Nr. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) sei. Als Mitunternehmer könne er Sonderbetriebsvermögen bilden (Urteil des Bundesfinanzhofs -; BFH -; vom 2. Mai 1984 VIII R 276/81, BStBl. II 1984, 820). Zum Sonderbetriebsvermögen gehörten alle Wirtschaftsgüter, die der stille Gesellschafter dem Inhaber des Handelsbetriebs überlasse. Dazu gehöre im Streitfall die Beteiligung an der Kapitalgesellschaft. Bei der GmbH und Co. KG werde das unstreitig anerkannt. Da die atypisch stille Gesellschaft den Personengesellschaften gleichgestellt sei, könne es bei ihr nicht anders ein. Die Auffassung des FA, daß notwendiges Privatvermögen vorliege, müsse schon deshalb falsch sein, weil die Anteile nicht zu den Wirtschaftsgütern gehörten, die ihrer Natur nach zum privaten Vermögen gehörten. Man könne Anteile an einer Kapitalgesellschaft nicht mit einer privat genutzten Segeljacht oder einem eigengenutzten Einfamilienhaus gleichstellen. Man müsse sie wenigstens dem gewillkürten Betriebsvermögen zuordnen. Zum gewillkürten Betriebsvermögen gehörten solche Wirtschaftsgüter, die objektiv geeignet und vom Betriebsinhaber dazu bestimmt seien, den Betrieb zu fördern. Beides treffe auf die GmbH-Anteile zu. Zu diesem Ergebnis komme auch die Oberfinanzdirektion Hannover in ihrer Stellungnahme vom 9. Mai 1984 und das Gutachten Nr. 8364 des Deutschen Wissenschaftlichen Steuerinstituts der Steuerberater und Steuerbevollmächtigten e.V. vom 16. August 1989. Zusammen mit den GmbH-Anteilen müßten auch die Zinsaufwendungen des Kl. Eden für den Erwerb dieser Anteile im Sonderbetriebsvermögen Aufnahme finden.
Die Kl. beantragen,
unter Änderung der Feststellungsbescheide vom 11. September 1989 und Aufhebung des Einspruchsbescheides vom 25. Februar 1991 die Einkünfte der atypisch stillen Gesellschaft Pollmann und Renken GmbH und Still wie folgt gesondert und einheitlich festzustellen:
Für 1983:
in Höhe von -; 279. 357 DM, wovon auf die Gesellschafter
- | 245. 208 DM, | ||
---|---|---|---|
+ | 32. 872 DM. | ||
- | 17. 336 DM, | ||
- | 23. 235 DM | und | |
- | 26. 450 DM |
entfallen.
Für 1984:
in Höhe von -; 1.093. 673 DM, wovon auf die Gesellschafter
+ | 13. 863 DM, | ||
---|---|---|---|
+ | 41. 536 DM, | ||
+ | 78. 385 DM, | ||
+ | 72. 144 DM | und | |
- | 13. 575 DM |
entfallen.
für 1986:
in Höhe von 300. 911 DM, wovon auf die Gesellschafter
+ | 38. 070 DM, | ||
---|---|---|---|
+ | 20. 934 DM, | ||
+ | 92. 252 DM, | ||
+ | 158. 768 DM | und | |
9. 113 DM |
entfallen;
für 1987:
in Höhe von -; 430. 712 DM, wovon auf die Gesellschafter
- | 306. 478 DM, | ||
---|---|---|---|
- | 55. 448 DM, | ||
- | 33. 134 DM, | ||
- | 16. 972 DM | und | |
- | 18. 680 DM |
entfallen.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Bekl. verweist auf die Gründe seiner Einspruchsentscheidung, in der er die Auffassung vertritt, daß durch die Entscheidungen des BFH vom 2. Mai 1984 (BStBl. II 1984, 820) und vom 12. November 1985 (BStBl. II 1986, 311) festgestellt worden sei, daß zum Sonderbetriebsvermögen einer atypisch stillen Gesellschaft nicht deren Anteile an einer GmbH gehörten. Da die atypisch stille Gesellschaft kein gewerbliches Unternehmen betreibe, könne sie auch kein Betriebsvermögen ausweisen. Es sei lediglich Sonderbetriebsvermögen vorhanden, das dem Betrieb der stillen Gesellschaft oder der Begründung und Stärkung einer Beteiligung daran diene. Die GmbH-Anteile selbst dienten jedoch weder dem Betrieb der stillen Gesellschaft noch stärkten sie die Beteiligung der stillen Gesellschafter daran.
Wegen des Vortrags der Parteien im übrigen wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze im Klageverfahren sowie im Vorverfahren verwiesen.
Gründe
I.
Die Klage hat Erfolg.
1.) Gem. § 180 Abs. 1 Nr. 2 a Abgabenordnung (AO) sind einkommensteuerpflichtige Einkünfte und mit ihnen im Zusammenhang stehende Besteuerungsgrundlagen gesondert festzustellen, wenn an den Einkünften mehrere Personen beteiligt sind und die Einkünfte diesen Personen steuerlich zuzurechnen sind. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor.
Das Gericht geht mit den Beteiligten davon aus, daß eine stille Gesellschaft zwischen der Kapitalgesellschaft und ihren Gesellschaftern bürgerlich-rechtlich und ertragsteuerlich wirksam begründet worden ist. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH -; zuletzt noch im Urteil vom 15. Dezember 1992 VIII R 42/90, BFHE 170, 345, BStBl. II 1994, 702, können sich Gesellschafter einer GmbH an dieser still beteiligen. Eine derartige Gesellschaft vermittelt ihren Gesellschaftern eine Mitunternehmerstellung im Sinne von § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG, wenn sie eine Mitunternehmerinitiative entfalten können und ein Mitunternehmerrisiko tragen. Im Streitfall sind beide Voraussetzungen gegeben. Als alleinige Gesellschafter der GmbH beeinflussen die Kl. deren Geschäftsführung und sie sind nach dem Beteiligungsvertrag am Gewinn und Verlust der Kapitalgesellschaft sowie an deren stillen Reserven beteiligt. Sie sind damit atypisch still an ihr beteiligt.
2.) Im Gegensatz zur Form der Beteiligung steht die Gewinnermittlung der Mitglieder einer stillen Gesellschaft, die sich als Gesellschafter einer GmbH gleichzeitig atypisch still an der Kapitalgesellschaft beteiligen, noch nicht in allen Einzelheiten fest. So ist insbesondere noch nicht entschieden, ob die GmbH-Anteile der Kapitalseigner zu deren Sonderbetriebsvermögen als stille Gesellschafter gehören.
Ausgehend von der Regelung in § 230 Handelsgesetzbuch (HGB), wonach die Einlage des Dritten in das Vermögen des Inhabers des Handelsgeschäftes übergeht, hat die stille Gesellschaft -; auch in ihrer atypischen Beteiligungsform -; als solche kein eigenes Gesamthandsvermögen (BFH-Urteil vom 2. Mai 1984 VIII R 276/81, BFHE 141, 498, BStBl. II 1984, 820). Sie ist eine reine Innengesellschaft, die nach außen nicht in Erscheinung tritt. Gleichwohl ist anerkannt, daß die atypisch stillen Gesellschafter Sonderbetriebsvermögen bilden können (BFH, BFHE 141, 498 [BFH 02.05.1984 - VIII R 276/81]). Dies ist eine Konsequenz aus der Tatsache, daß der atypisch stille Gesellschafter Mitunternehmer im Sinne von § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG ist, er bezieht aus der Gesellschaft gewerbliche Einkünfte und nicht etwa -; wie ausdrücklich aus § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG hervorgeht -; Einkünfte aus Kapitalvermögen. Wenn der atypisch stille Gesellschafter durch seine Beteiligung an der Kapitalgesellschaft einem gewerblichen Mitunternehmer gleichgestellt wird, dann ist es nach Auffassung des Senats folgerichtig, ihm die Einlage solcher Wirtschaftsgüter in sein Sonderbetriebsvermögen zu gestatten, die auch andere Mitunternehmer einer Personengesellschaft darin aufnehmen können. Dies sind alle Wirtschaftsgüter, die der Beteiligung des Gesellschafters an der Gesellschaft dienen (sog. Sonderbetriebsvermögen II, vgl. BFH-Urteil vom 9. September 1993 IV R 14/91, BFHE 173, 40 BStBl. II 1994, 250). Dazu muß man im Streitfall die GmbH-Anteile zählen, denn sie vermitteln den atypisch stillen Gesellschaftern Einfluß auf die Geschäftsführung der Kapitalgesellschaft, begründen damit zugleich ihre Mitunternehmerinitiative und Mitunternehmereigenschaft und schließlich gewähren sie ihnen Einfluß auf die Geschäftsführung der stillen Gesellschaft, die nach dem Beteiligungsvertrag der GmbH zustand (ebenso Schmidt, EStG, 14. Auf. § 15 Rdz. 357, Knobbe-Keuk, Bilanz und Unternehmenssteuerrecht, 8. Aufl. § 9 II 4 b cc). Es begegnet deshalb keinen rechtlichen Bedenken, daß die Kl. im Streitfall ihre GmbH-Anteile in ihr Sonderbetriebsvermögen eingelegt haben. Dies hat auch der Bekl. für das hier nicht streitige Vorjahr anerkannt. In gleicher Weise sind auch die Zinsaufwendungen des Klägers E. für den Erwerb der GmbH-Anteile in sein Sonderbetriebsvermögen aufzunehmen.
3.) Ordnet man die Anteile an der Kapitalgesellschaft dem Sonderbetriebsvermögen der Gesellschafter zu, dann bestehen gegen die vorgenommene Teilwertabschreibung als solche keine Bedenken. Das Zahlenwerk hat einer Betriebsprüfung standgehalten und ist zwischen den Parteien nicht streitig.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO). Die übrigen Nebenentscheidungen ergeben sich aus § 151 Abs. 3 i.V.m. § 155 FGO und §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozeßordnung.
Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§ 115 Abs. 2 FGO). Soweit ersichtlich, liegt höchstrichterliche Rechtsprechung zu der Frage, ob Anteile an einer Kapitalgesellschaft zum Sonderbetriebsvermögen eines atypisch stillen Gesellschafters gehören, noch nicht vor.