Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 07.02.1996, Az.: XIII 188/93
Abzugsfähigkeit von Aufwendungen für einen Lehrerfachkurs in England als Werbungskosten
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 07.02.1996
- Aktenzeichen
- XIII 188/93
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1996, 16466
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1996:0207.XIII188.93.0A
Rechtsgrundlage
- § 12 EStG
Fundstelle
- EFG 1997, 11 (Volltext mit red. LS)
Verfahrensgegenstand
Fachkurs f. Englischlehrer als WK
Einkommensteuer 1989
In dem Rechtsstreit
hat der XIII. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts
nach mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 7. Februar 1996,
an der mitgewirkt haben:
Richter am Finanzgericht als Vorsitzender ...
Richter am Finanzgericht ...
Richterin am Finanzgericht ...
ehrenamtliche Richterin ... Geschäftsführerin
ehrenamtliche Richterin ... Großhandelskauffrau
für Recht erkannt:
Tenor:
Unter Änderung des Einkommensteuerbescheids vom 15. Oktober 1991 in der Fassung des Einspruchsbescheids vom 21. April 1993 wird die Einkommensteuer 1989 auf 12.816,- DM herabgesetzt.
Der Beklagte trägt die Kosten.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Hinterlegung des an die Kläger zu erstattenden Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit leisten.
Tatbestand
Streitig ist, ob Aufwendungen für einen Lehrerfachkurs in England im Jahre 1989 als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abzugsfähig sind. Die Klägerin ist Lehrerin und unterrichtet Englisch. In der gemeinsamen Einkommensteuererklärung für 1989 beantragten die Kläger u.a. die Berücksichtigung von Aufwendungen für einen Aufenthalt in England als Werbungskosten. Die Klägerin hatte sich in der Zeit vom 12. November bis 25. November 1989 in Cheltenham/Großbritannien aufgehalten, um an einem Englischkurs für deutsche Lehrer teilzunehmen. Veranstalter war der pädagogische Austauschdienst des Sekretariats der ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland. Die Unterbringung und teilweise Verpflegung erfolgte in einer englischen Gastfamilie. Die Klägerin war für diese Zeit vom Dienst freigestellt. Eine Kostenerstattung durch den Dienstherrn fand nicht statt.
Der Beklagte lehnte die Anerkennung der Kosten für den Englandaufenthalt mit Hinweis auf § 12 EStG ab und setzte die Einkommensteuer für das Kalenderjahr 1989 entsprechend fest. Das Einspruchsverfahren blieb erfolglos.
Mit der vorliegenden Klage machen die Kläger geltend, bei dieser Lehrerfortbildung habe es sich nicht um einen reinen Sprachaufenthalt gehandelt; vielmehr seien pädagogische, methodische, didaktische und landeskundliche Inhalte vermittelt worden. Die Kosten seien rein beruflich veranlaßt. Das Veranstaltungsprogramm habe sowohl zeitlich als auch inhaltlich wenig Raum für private Unternehmungen zugelassen. Auch der Aufenthalt in der ausgesuchten englischen Familie habe der Fortbildung gedient, da es für einen Englischlehrer unerläßlich sei, seine Sprachkenntnisse immer wieder aufzufrischen und somit seine Sprachkompetenz zu erhalten.
Die Kläger beantragen sinngemäß,
unter Änderung des Einkommensteuerbescheids vom 15. Oktober 1991 in der Fassung des Einspruchsbescheids vom 21. April 1993 1.920 DM weitere Werbungskosten anzuerkennen und die Einkommensteuer 1989 entsprechend niedriger festzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält die Programmgestaltung für nicht ausschließlich beruflich veranlaßt. Insbesondere beanstandet er die freien Zeiten am Montag, den 20. November 1989, in Oxford, am Donnerstagnachmittag in Stratford on Avon, sowie den freien Nachmittag am Freitag, den 24. November 1989, in London. Dabei handelt es sich um den Tag vor der Abreise nach Deutschland,
Wegen der Einzelheiten der Programmgestaltung wird auf das vom Kläger vorgelegte Programm (Bl. 4/89 EStA) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat Erfolg.
Entscheidungserheblich nach der den Beteiligten bekannten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist allein, ob die private Mitveranlassung der Teilnahme an dem Kursus in einer zu vernachlässigenden Weise gering ist (Abzug als Werbungskosten) oder diesen Anteil übersteigt (Abzugsverbot). Unter Abwägung aller Umstände kommt der Senat zu der Oberzeugung, daß die private Mitveranlassung so gering war, daß sie zu vernachlässigen ist. Denn der Kursus war auf die besonderen beruflichen Bedürfnisse der Teilnehmer zugeschnitten (vgl. Anmerkung zum BFH-Urteil vom 23. Oktober 1981 VI R 71/78, BStBl II 1982, 69, in HFR 1982, 54). Das ergibt sich aus den Aufgaben eines Englischlerers gemäß den Rahmenrichtlinien für den Englischunterricht: Angesichts einer sich wandelnden Sprache muß er seine schnell veraltende Sprachkompetenz erhalten, und er muß Land und Leute kennen, um über sie im Unterricht aus eigener Kenntnis berichten zu können. Diesen Zwecken entsprach der Aufbau des Kurses. Die Teilnehmer waren einzeln in Familien untergebracht, so daß sie gezwungen waren, die englische Alltagssprache zu hören und zu benutzen. Der Besuch von Schulen ermöglichte es, die beiden Schulsysteme mit ihren Vor- und Nachteilen zu vergleichen und erkannte Vorteile im eigenen Unterricht zu nutzen.
Die vom Beklagten herausgestellten "privaten" Unternehmen waren im Hinblick auf die von Englischlerern erwartete Kenntnis der Landeskunde nur ein kleiner Ausschnitt dessen, was sie im Unterricht an geographischen und historischen Gegebenheiten Englands einbringen sollten. Der Beklagte verkennt, daß insoweit nicht der - auch vorhandene - Freizeitwert dieser Unternehmen Anlaß für die Teilnahme an dem Kursus war, sondern die von den Rahmenrichtlinien geforderte Kenntnis der Landeskunde. Unter diesen Gesichtspunkten mag auch in freier Nachmittag in London neben einem nicht auszuschließenden privaten Interesse dazu geeignet sein, einen in der Klasse vermittelbaren Eindruck der Auswirkungen eines Weltreichs auf seine Hauptstadt hinsichtlich Architektur und seiner Bevölkerung zu gewinnen.
Darüber hinaus darf auch nicht außer acht gelassen werden, daß angesichts leerer Kassen der öffentlichen Hand an das Engagement der Lehrer heutzutage besondere Anforderungen gestellt werden. Ist die strenge Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs mit dem Alles- oder Nichts-Prinzip des § 12 EStG weiten Bevölkerungskreisen schon kaum zu vermitteln, führt die vom Beklagten hervorgehobene "private" Veranlassung der Reise im Ergebnis dazu, daß kein Lehrer sich mehr bereiterklärt, an Fortbildungsmaßnahmen oder Klassenfahrten auf eigene Kosten teilzunehmen, wenn er nicht mal in den Genuß einer Steuererstattung kommen kann. Gerade im Bereich allgemeinbildender Schulen steht das allgemeinbildende Element im Vordergrund. Es wäre nicht wünschenswert i. S. der Schülerschaft, wenn die Lehrer ihr berufliches Engagement und ihren Idealismus aus finanziellen Überlegungen aufgäben. Der Beklagte verkennt, daß ein privates Moment im Monat November in Großbritannien schon von der Jahreszeit her zu vernachlässigen sein dürfte.
Die Einkommens teuer errechnet sich danach wie folgt:
zu versteuerndes Einkommen bisher | 64.027 DM |
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abzüglich weiterer Werbungskosten | 1.920 DM |
zu versteuerndes Einkommen lt. Urteil | 62.107 DM |
darauf entfallende Einkommensteuer (Splittingtabelle) | 12.816 DM |
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO); die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 155 Abs. 1 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozeßordnung (ZPO).