Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 30.01.2001, Az.: 4 M 3703/00

einmalige Beihilfe; einmalige Leistung; Gebrauchsgut; Hausrat; Hilfe zum Lebensunterhalt; Kochtopf; Sozialhilfe; Topf

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
30.01.2001
Aktenzeichen
4 M 3703/00
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2001, 40317
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 28.09.2000 - AZ: 7 B 4457/00

Gründe

1

Der Zulassungsantrag ist gemäß §§ 146 Abs. 4, 124 Abs. 1 VwGO statthaft und auch sonst zulässig. Dabei hat der Senat von Amts wegen als Antragstellerin des Rechtsmittelverfahrens - anstelle der beim Verwaltungsgericht aufgetretenen minderjährigen Salima B. - deren im bisherigen Verfahren als gesetzliche Vertreterin aufgetretene Mutter geführt, weil dieser als Vorstand des gemeinschaftlichen Haushalts ein Anspruch auf einmalige Leistungen zum Lebensunterhalt zur Beschaffung von Gegenständen des hauswirtschaftlichen Bedarfs der hier streitigen Art zusteht.

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Der Zulassungsantrag ist auch begründet. Die geltend gemachten ernstlichen Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung bestehen auch aus den im Folgenden dargelegten Gründen.

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Aus diesen Gründen ist die zugelassene Beschwerde begründet. Die Antragstellerin hat glaubhaft gemacht, dass Anordnungsgrund und -anspruch im Sinne des § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO für die begehrte einstweilige Anordnung gegeben sind. Es ist hinreichend wahrscheinlich, dass die Antragstellerin die begehrte einmalige Leistung gemäß § 21 Abs. 1 a Nr. 6 BSHG in Höhe von 55,90 DM zur Beschaffung zweier Töpfe beanspruchen kann und dass zur Deckung dieses Bedarfs eine einstweilige Regelung nötig ist.

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Zwar sind in der Küche zum Kochen benötigte Töpfe dem Hausrat zuzurechnen, für dessen Beschaffung - wenn er von geringem Anschaffungswert ist - laufende Hilfe zum Lebensunterhalt gemäß §§ 21 Abs. 1, 22 Abs. 1 BSHG, 1 Abs. 1 Satz 2 RegelsatzVO nach Regelsätzen gewährt wird. Doch steht dies weiteren, einmaligen Leistungen gemäß § 21 Abs. 1 a Nr. 6 BSHG zur Beschaffung von Gebrauchsgütern von längerer Gebrauchsdauer und höherem Anschaffungswert, zu denen auch die genannten Töpfe zählen können, dann nicht entgegen, wenn die Wertgrenze des § 1 Abs. 1 Satz 2 RegelsatzVO überschritten und diejenige des § 21 Abs. 1 a Nr. 6 BSHG erreicht ist.

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Zur Bestimmung dieser Wertgrenze ist - mit dem Verwaltungsgericht und entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin - der Regelung in § 22 Abs. 1 Satz 2 BSHG zur Abweichung vom Regelsatz im Einzelfall nichts zu entnehmen. Denn diese Regelung betrifft ausdrücklich nur Abweichungen von dem durch Regelsätze zu deckenden laufenden Bedarf eines Hilfesuchenden, also nicht daneben benötigte einmalige Leistungen (Beihilfen). Zu einer bezifferten Festlegung der genannten Wertgrenze hat der Senat bisher Veranlassung noch nicht gesehen, zumal sie - unter Berücksichtigung der jeweiligen Bedarfsgruppe und der Gebrauchsdauer des jeweiligen Bedarfsgegenstandes - wahrscheinlich auch nicht ohne (zeitliche) Einschränkungen gelten könnte. Den Anschaffungswert eines Fahrradhelms für Kinder hat er kürzlich mit ungefähr 50,-- DM angenommen und als jedenfalls "höheren" Wert im Sinne von § 21 Abs. 1 a Nr. 6 BSHG beurteilt (Urt. v. 11.10.2000 - 4 L 1963/00 -). Auch im vorliegenden Fall bedarf es keiner weitergehenden Festlegung der Wertgrenze: Der Wert der von der Antragstellerin derzeit benötigten zwei Töpfe beträgt nach ihren (glaubhaft gemachten) Angaben (29,95 DM + 25,95 DM =) 55,90 DM (der in der Antragsschrift vom 19. September 2000 genannte Gesamtbetrag von 45,90 DM beruht offenbar auf einem Rechenfehler, auch in den Gründen des angefochtenen Beschlusses ist der Antrag offenbar fehlerhaft wiedergegeben) und liegt damit jedenfalls innerhalb des Bereichs eines höheren Anschaffungswertes im Sinne von § 21 Abs. 1 a Nr. 6 BSHG.

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Der Senat hält es ferner für glaubhaft, dass im Haushalt der Antragstellerin (mindestens) zwei Kochtöpfe (gleichzeitig) unbrauchbar geworden sind und die Antragstellerin deshalb eine einmalige Leistung in Höhe des gesamten Wertes beider Töpfe benötigt. Diese Angaben der Antragstellerin sind in Anbetracht ihrer Lebensverhältnisse deshalb plausibel, weil sie nach ihrer Trennung von ihrem Lebensgefährten den gemeinsamen Hausrat aufgeteilt hat und deshalb früher als sonst üblich Ersatz beschaffen muss. Des Weiteren bemisst der Senat den aktuellen Bedarf der Antragstellerin auch der Höhe nach auf der Grundlage ihrer (glaubhaft gemachten) Angaben, also nicht auf der Grundlage der Ermittlungen der Antragsgegnerin (12,99 DM je Topf). Nach der Rechtsprechung des Senats muss ein Hilfesuchender sich nämlich nicht stets auf das jeweils allerbilligste Produkt zur Deckung seines notwendigen Bedarfs verweisen lassen (Senatsbeschl. v. 15.6.1988

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- 4 OVG B 229/88 -; zuletzt Beschl. v. 20.1.2000 - 4 M 25/00 -, info also 2000, 80 = FEVS 51, 476). Dem Senat ist bekannt, dass auch die von der Antragstellerin angegebenen Preise für neue Töpfe im unteren Bereich liegen. Die Verweisung auf die jeweils billigsten auf dem Markt angebotenen Produkte lässt sich schließlich nicht mit der Erwägung rechtfertigen, auch Einkommensbezieher, insbesondere Angehörige der unteren Lohn- und Gehaltsgruppen, die nicht Hilfe zum Lebensunterhalt erhielten, machten von solchen Billigstangeboten Gebrauch, so dass es für Hilfeempfänger nicht unzumutbar sei, sich ebenfalls mit solchen Angeboten zu begnügen. Denn Einkommensbezieher, die nicht auf Hilfe zum Lebensunterhalt angewiesen sind, können sich frei entscheiden, ob und in welchem Umfang sie (zusätzlich) von Billigstangeboten Gebrauch machen und wofür sie die dadurch eingesparten Mittel einsetzen (z.B. für das Halten eines Pkw oder für eine Urlaubsreise). Hilfeempfänger dagegen haben solche Kompensationsmöglichkeiten nicht. Soweit im Einzelfall das Einkommen so niedrig ist, dass es zur Deckung einmaliger Bedürfnisse nicht oder nicht vollständig reicht, ist ein Fall des § 21 Abs. 2 BSHG gegeben, in dem einmalige Leistungen auch dann zu gewähren sind, wenn der Hilfesuchende zwar laufende Leistungen zum Lebensunterhalt nicht benötigt, aber den Lebensunterhalt aus eigenen Kräften und Mitteln nicht voll beschaffen kann. Machen Einkommensbezieher aus Unkenntnis oder Scheu vor dem Gang zum Sozialamt ihnen danach zustehende Ansprüche auf einmalige Leistungen nicht gelten und weichen sie stattdessen in erheblichem Umfang auf Billigstangebote aus, kann ein solches Verhalten Ansprüche von Hilfe-empfängern auf ihnen gesetzlich zustehende Leistungen nicht einschränken. Das gilt für einmalige Leistungen ebenso wie für laufende Leistungen zum Lebensunterhalt. So dürfen laufende Leistungen nach § 22 Abs. 1 Satz 2 BSHG nicht mit der Begründung niedriger als die Regelsätze bemessen werden, dass es Menschen gibt, die mit weniger auskommen oder - wie etwa Leistungsberechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz oder Personen, die Leistungseinschränkungen nach den §§ 25, 25 a BSHG unterliegen - auskommen müssen.

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Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beruht auf § 166 VwGO i.V.m. §§ 114 ff., 121 Abs. 2 ZPO. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO.

9

Diese Entscheidung ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.