Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 19.01.2001, Az.: 8 L 1568/00
Erschließung; Erschließungszustand; privater Erschließungsträger; Verkehrswert; Vermessungsgebühren; Zerlegungsvermessung
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 19.01.2001
- Aktenzeichen
- 8 L 1568/00
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2001, 39858
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 07.03.2000 - AZ: 1 A 683/97
Rechtsgrundlagen
- § 194 BauGB
- § 3 WertV
- § 5 Abs 3 WertV
- § 1 ÖbVIKostO ND
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Bei der Ermittlung des Verkehrswerts von Grundstücken im Rahmen der Bemessung der Teilgebühr A für eine Zerlegungsvermessung ist der Umstand zu berücksichtigen, dass der private Erschließungsträger die Erschließungsanlagen noch nicht vollständig hergestellt hat.
Gründe
Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Berufungszulassungsgründe nicht vorliegen oder unzureichend dargelegt worden sind.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen den Widerspruchsbescheid der Beklagten, durch den diese die vom Kläger durch Leistungsbescheid erhobenen Vermessungsgebühren wegen der im Zeitpunkt der Vermessung noch unvollständigen Erschließung der Grundstücke herabgesetzt hat, mit der Begründung abgewiesen, der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig, weil die Erschließungssituation der Grundstücke bei der Bemessung der Teilgebühr A, die sich nach der Summe der Verkehrswerte der neu gebildeten Grundstücke richte, berücksichtigt werden müsse. Nach § 194 des Baugesetzbuchs - BauGB - i.d.F. des Gesetzes vom 5.10.1994 (BGBl. I S. 2911) seien alle rechtlichen, tatsächlichen und wirtschaftlichen Umstände für die Bemessung des Verkehrswerts bedeutsam. Da nach §§ 3 Abs. 2 Satz 2, 5 Abs. 3 der Zweiten Verordnung über die Grundsätze bei der Ermittlung der Verkehrswerte von Grundstücken - WertV - vom 6. Dezember 1988 (BGBl. I S. 2209) auch der beitrags- und abgabenrechtliche Zustand der Grundstücke zu berücksichtigen sei, müsse im Falle der gemeindlichen Erschließung der Grundstücke die voraussichtliche Höhe der zu zahlenden Erschließungsbeiträge von dem an sich anzunehmenden Verkehrswert abgerechnet werden. Ob die Erschließung von einer Gemeinde oder - wie im vorliegenden Fall - von einem privaten Erschließungsträger durchgeführt werde, sei letztlich aber unerheblich, weil auch der private Erschließungsträger die Erschließungskosten auf die Grundstückskäufer umlege. Das dafür entrichtete privatrechtliche Entgelt trete an die Stelle der zu zahlenden Erschließungsbeträge. Da der in der Bodenrichtwertkarte des Gutachterausschusses für Grundstückswerte des Landkreises A. ausgewiesene Bodenrichtwert Erschließungs- und Kanalbaubeiträge beinhalte, sei im Falle einer noch nicht beendeten Erschließung ein Abschlag in der voraussichtlichen Höhe dieser Kosten zu machen. Das gelte auch hier, weil die wegemäßige Erschließung der vermessenen Grundstücke bei Abschluss der Vermessungsarbeiten erst zu 25 % hergestellt gewesen sei.
Die dagegen erhobenen Einwände begründen entgegen der Annahme des Klägers keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), weil der tatsächliche Erschließungszustand der vermessenen Grundstücke bei der Bemessung der Teilgebühr A Berücksichtigung finden muss.
Wie das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt hat, bemisst sich die Teilgebühr A für eine Zerlegungsvermessung nach dem Gesamtwert der neu gebildeten Flurstücke, für den die Summe der Verkehrswerte der Flurstücke - ausschließlich der Gebäude - im Zeitpunkt der Beendigung der gebührenpflichtigen Vermessungsarbeiten maßgebend ist (vgl. § 1 Abs. 1 der Kostenordnung für das amtliche Vermessungswesen vom 31. Mai 1995 i. d. F. der Verordnung vom 20. März 1996 i.V.m. 10.1.1 des Gebührenverzeichnisses, Tabelle 1, A, 1. (Nieders. GVBl. S. 58); § 9 Abs. 2 des Niedersächsischen Verwaltungskostengesetzes i.d.F. des Gesetzes vom 7. November 1991 (Nieders. GVBl. S.295)). Der Verkehrswert eines Grundstücks wird gemäß § 194 BauGB durch den Preis bestimmt, der in dem Zeitpunkt, auf den sich die Ermittlung bezieht, im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach den rechtlichen Gegebenheiten und tatsächlichen Eigenschaften, der sonstigen Beschaffenheit und der Lage des Grundstücks ohne Rücksicht auf ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse zu erzielen wäre. Dementsprechend sind alle im maßgeblichen Zeitpunkt den Wert des Grundstücks beeinflussenden rechtlichen, tatsächlichen und wirtschaftlichen Umstände bei der Wertermittlung zu berücksichtigen. Dies ergibt sich auch aus § 3 Abs. 1 und 2 WertV. Danach bestimmt sich der Zustand eines Grundstücks, der bei der Wertermittlung berücksichtigt werden muss, nach der Gesamtheit der verkehrswertbeeinflussenden Gegebenheiten und tatsächlichen Eigenschaften, der sonstigen Beschaffenheit und der Lage des Grundstücks; hierzu gehören insbesondere der Entwicklungszustand, die Art und das Maß der baulichen Nutzung, die wertbeeinflussenden Rechte und Belastungen, der beitrags- und abgabenrechtliche Zustand, die Wartezeit bis zu einer baulichen oder sonstigen Nutzung, die Beschaffenheit und Eigenschaft des Grundstücks und die Lagemerkmale.
Da der Erschließungszustand eines Grundstücks eine den Wert des Grundstücks beeinflussende tatsächliche Grundstückseigenschaft darstellt (vgl. Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Kommentar, Band IV, § 194 RdNr. 52,101; Brügelmann, Baugesetzbuch, Kommentar, Band 5, § 194 RdNr. 14), ist dieser als tatsächliches Merkmal des Grundstücks bei der Wertermittlung zu berücksichtigen, sofern - wie im vorliegenden Fall - die Erschließung durch eine private Erschließungsgesellschaft erfolgt. Können für die Herstellung von Erschließungsanlagen hingegen von einer Gemeinde Erschließungsbeiträge erhoben werden, findet lediglich die beitragsrechtliche Situation Berücksichtigung, weil der beitrags- und abgabenrechtliche Zustand, für den die Pflicht zur Entrichtung öffentlich-rechtlicher Beiträge und nichtsteuerlicher Abgaben maßgebend ist (§ 5 Abs. 3 WertV), gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 WertV zu den verkehrswertbeeinflussenden rechtlichen Gegebenheiten des Grundstücks gehört; dies hat zur Folge, dass die für die Erschließungsmaßnahmen zu entrichtenden Erschließungsbeiträge bis zur Heranziehung zu Erschließungsbeiträgen verkehrswertmindernd berücksichtigt werden (vgl. Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Kommentar, Band V, § 5 WertV RdNr. 76).
Da die wegemäßige Erschließung der vermessenen Grundstücke nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts bei Abschluss der Vermessungsarbeiten nur zu etwa 25 % fertiggestellt war, liegt der der Bemessung der hier umstrittenen Teilgebühr A zugrunde zu legende Verkehrswert unter dem Bodenrichtwert von 45 DM/m², der Erschließungs- und Kanalbaubeiträge einschließt und sich damit auf vollständig erschlossene Grundstücke bezieht.
Dem kann der Kläger nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass die Grundstücke im Zeitpunkt der Beendigung der Vermessung bereits baureifes Land im Sinne von § 4 Abs. 4 WertV gewesen seien. Der Entwicklungszustand der Grundstücke ist zwar gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 4 Abs. 4 WertV bei der Ermittlung des Verkehrswerts zu berücksichtigen, weil er diesen beeinflusst (vgl. Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, Kommentar, 7. Auflage 1999, § 194 RdNr. 9). Dieser Umstand hat jedoch entgegen der Annahme des Klägers nicht zur Folge, dass der tatsächliche Erschließungszustand, bei dem es sich um ein weiteres verkehrswertbeeinflussendes Merkmal der Grundstücke handelt, bei der Ermittlung des Verkehrswerts außer Betracht bleiben dürfte.
Der Hinweis des Klägers, dass entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts bei der Ermittlung des Verkehrswerts unterschieden werden müsse, ob die Erschließungsanlagen von einem privaten Erschließungsträger oder einer Gemeinde hergestellt werden, ist hingegen berechtigt. Der daraus gezogene Schluss, dass im Falle der Herstellung der Erschließungsanlagen durch einen Erschließungsträger der Fertigstellungszustand der Erschließungsanlagen bei der Ermittlung des Verkehrswerts nicht von Bedeutung sei, weil die Grundstückseigentümer nicht mit der Heranziehung zu Erschließungsbeiträgen rechnen müssten, überzeugt indessen nicht. Diese Argumentation vernachlässigt, dass Wertermittlungsstichtag der Tag der Beendigung der Vermessung ist und dass der zu diesem Zeitpunkt vorhandene Erschließungszustand ein verkehrswertbeeinflussender tatsächlicher Umstand ist, der auch dann nicht außer Acht gelassen werden kann, wenn die Grundstückskäufer den Kaufpreis im Hinblick auf eine ihnen vertraglich zugesicherte volle Erschließung bereits gezahlt haben.
Dass ein vertraglicher Anspruch auf vollständige Herstellung der Erschließungsanlagen besteht, ändert ebenfalls nichts daran, dass der tatsächliche Erschließungszustand bei der Ermittlung des Verkehrwerts zu berücksichtigen ist. Ein derartiger Anspruch trägt zwar zur Erhöhung des Verkehrswerts bei, wenn es sich bei ihm um eine verkehrswertbeeinflussende rechtliche Gegebenheit im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 1 WertV handelt. Dieser Verkehrswert bleibt jedoch hinter dem Verkehrswert eines bereits voll erschlossenen Grundstücks zurück, weil im Hinblick auf die ungewisse Durchsetzbarkeit eines derartigen Anspruchs bei der im vorliegenden Fall maßgebenden objektiven Betrachtung Risikoabschläge vorzunehmen sind. Abgesehen davon kann nicht außer Betracht bleiben, dass die Nutzbarkeit eines Grundstücks eingeschränkt ist, solange seine Erschließung noch nicht abgeschlossen ist. Dieser Umstand bewirkt ebenfalls, dass der Verkehrswert eines noch unvollständig erschlossenen Grundstücks hinter dem Verkehrswert eines Grundstücks, das von einem privaten Erschließungsträger bereits voll erschlossen worden ist, zurückbleibt. Davon ist jedenfalls auszugehen, wenn - wie im vorliegenden Fall - wesentliche Teile der Erschließungsanlagen noch nicht fertiggestellt sind.
Der Kläger geht schließlich zu Unrecht davon aus, dass § 194 BauGB die Begriffe "Verkehrswert" und "Kaufpreis" gleichsetzt. § 194 BauGB unterscheidet vielmehr beide Begriffe (Battis/Krautzberger/Löhr, § 194 RdNr. 2), indem er vorsieht, dass der Verkehrswert durch den Preis bestimmt wird, der in dem Zeitpunkt, auf den sich die Ermittlung bezieht, ohne Rücksicht auf ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse zu erzielen wäre. Der Verkehrswert wird demnach durch einen fiktiven Preis bestimmt (vgl. Battis/Krautzberger/ Löhr, § 19 RdNr. 2).
Der Kläger kann daher nicht mit Erfolg einwenden, der Verkehrswert der vermessenen Grundstücke am hier maßgeblichen Wertermittlungsstichtag habe dem Verkehrswert voll erschlossener Grundstücke entsprochen. Damit ist die Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils aus den von ihm angeführten Gründen nicht ernstlich zu bezweifeln.
Die Berufung kann auch nicht wegen besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zugelassen werden. Der Kläger hat den Berufungszulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zwar geltend gemacht, es aber versäumt, konkrete Rechts- oder Tatsachenfragen, deren Beantwortung nur unter besonderen Schwierigkeiten möglich sein soll, zu bezeichnen und darüber hinaus zu erläutern, worin solche Schwierigkeiten konkret bestehen könnten. Damit genügt die Darlegung dieses Berufungszulassungsgrundes § 124 a Abs. 1 Satz 4 VwGO nicht.
Die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) kommt ebenfalls nicht in Betracht. Die vom Kläger zunächst aufgeworfene Frage, "ob es für die Ermittlung des Verkehrswertes im Sinne von § 194 BauGB von rechtlicher Bedeutung ist, ob die Erschließung nach den Festsetzungen des B-Planes von der Gemeinde oder aufgrund eines Erschließungsvertrages von einem privaten Erschließungsträger hergestellt wird und zwar einschl. der Kanalisationsanlagen", verleiht seiner Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung, weil sie im Berufungsverfahren nicht entscheidungserheblich wäre. In diesem Verfahren wäre lediglich zu entscheiden, ob der angefochtene Widerspruchsbescheid rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt. Daher wäre nur darüber zu befinden, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der Verkehrswert hinter dem Bodenrichtwert zurückbleibt, wenn die Erschließungsanlagen von einem privaten Erschließungsträger hergestellt werden. Eine Entscheidung darüber, ob und inwieweit Unterschiede zur Erschließung durch eine Gemeinde bestehen, könnte hingegen unterbleiben.
Die weitere Frage, "ob die in einem Gesamtkaufpreis enthaltenen anteiligen Erstattungen auf Erschließungsaufwendungen des Verkäufers/Erschließungsträgers bei der Ermittlung des Verkehrswertes unberücksichtigt bleiben können", rechtfertigt die Zulassung der Berufung ebenfalls nicht. Die aufgeworfene Frage ist in dieser Form nicht entscheidungserheblich. Im Berufungsverfahren wäre nämlich nicht zu prüfen, ob die im Gesamtkaufpreis enthaltenen Erstattungen auf Erschließungsaufwendungen des Verkäufers bei der Ermittlung des Verkehrswerts unberücksichtigt bleiben können. Vielmehr wäre darüber zu befinden, ob der Umstand, dass die Erschließungsanlagen noch nicht vollständig hergestellt sind, den Verkehrswert der Grundstücke mindert, obwohl die Käufer dem Verkäufer die Aufwendungen für Erschließungsmaßnahmen bereits erstattet haben. Diese Frage ist indessen aus den eingangs genannten Gründen anhand der gesetzlichen Bestimmungen zu bejahen, so dass sie der Rechtssache des Klägers keine grundsätzliche Bedeutung verleiht (vgl. dazu BVerwG, Beschl. v. 8.2.1996 - 3 B 91/95 -).