Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 25.01.2001, Az.: 11 M 4402/00

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
25.01.2001
Aktenzeichen
11 M 4402/00
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2001, 34564
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2001:0125.11M4402.00.0A

Fundstellen

  • NVwZ-RR 2001, 419 (Volltext mit amtl. LS)
  • NdsVBl 2001, 144-145

Tenor:

  1. Der Antrag der Antragsgegnerin auf Zulassung der Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Göttingen - 1. Kammer - vom 28. November 2000 wird abgelehnt.

    Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdezulassungsverfahrens.

    Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdezulassungsverfahren auf 8.000,- DM festgesetzt.

Gründe

1

Der Antrag der Antragsgegnerin auf Zulassung der Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts hat keinen Erfolg.

2

1.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses (§ 146 Abs. 4 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), die die Antragsgegnerin mit ihrer Antragsschrift vom 15.12.2000 der Sache nach im Sinne des § 146 Abs. 5 VwGO fristgerecht geltend gemacht hat, liegen nicht vor.

3

Das Verwaltungsgericht stellt in den Gründen seines Beschlusses tragend darauf ab, das von dem Ortsbrandmeister und der stellvertretenden Ortsbrandmeisterin der Freiwilligen Feuerwehr der Antragsgegnerin unterzeichnete Schreiben vom 12.7.2000, in dem bis auf weiteres die Suspendierung des Antragstellers vom Einsatzdienst angeordnet wird, stelle einen der Antragsgegnerin zuzurechnenden Verwaltungsakt dar, gegen den der Antragsteller Widerspruch erhoben habe und der deshalb nach § 80 Abs. 1 VwGO nicht vollzogen werden dürfe. Dies sei in analoger Anwendung des § 80 Abs. 5 VwGO festzustellen, da die Antragsgegnerin ungeachtet der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers bereits Vollzugsmaßnahmen getroffen habe bzw. treffe (sog. faktische Vollziehung). Im Zusammenhang mit der nach § 35 Satz 1 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 NVwVfG für die Annahme eines Verwaltungsakts erforderlichen unmittelbaren Rechtswirkung nach außen führt das Verwaltungsgericht aus, die ausgesprochene Suspendierung betreffe die mitgliedschaftliche Rechtsstellung des Antragstellers in der Freiwilligen Feuerwehr in umfassender Weise. Der Antragsteller habe glaubhaft gemacht, dass er seitens des Ortskommandos nicht nur von Einsätzen der Feuerwehr, sondern auch von sämtlichen übrigen Veranstaltungen einschließlich des Übungsbetriebes ausgeschlossen werde. Auf diese die Entscheidung des Verwaltungsgerichts tragenden Gründe bezieht sich die Antragsgegnerin in ihrem Vortrag im Beschwerdezulassungsverfahren nur insoweit, als sie geltend macht, die angegriffene Suspendierung betreffe ausschließlich den Einsatzdienst, stehe jedoch einer Teilnahme des Antragstellers am Übungsdienst und an sonstigen Veranstaltungen der Feuerwehr nicht entgegen.

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Selbst wenn diese vornehmlich auf den Wortlaut des Schreibens vom 12.7.2000 bezogene Auslegung zutreffen sollte, folgt hieraus nicht, dass der streitigen Maßnahme die rechtliche Außenwirkung oder ein sonstiges der in § 35 Satz 1 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 NVwVfG aufgeführten Merkmale eines Verwaltungsakts abzusprechen wäre. Die Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr stehen auch dann, wenn sie nicht gemäß § 13 Abs. 2 NBrandSchG in ein Ehrenbeamtenverhältnis berufen worden sind, in einem besonderen öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnis zu ihrer Gemeinde (Scholz/Thomas, Nds. Brandschutzgesetz, 5. Aufl. 1999, § 11, Anm. 1, 5). Die Weisungen und Befehle, die im Rahmen dieses Rechtsverhältnisses ergehen und sich auf den Dienst beziehen, stellen zwar grundsätzlich keine gerichtlich überprüfbaren Verwaltungsakte dar (Scholz/Thomas, a.a.O., § 11, Anm. 5). Etwas anderes muss jedoch dann gelten, wenn ein Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr durch eine Anordnung in wesentlicher Weise in seiner mitgliedschaftlichen Rechts- und Pflichtenstellung betroffen wird. Diese Stellung wird durch die in § 11 Abs. 4 NBrandSchG aufgeführten Hauptpflichten der Teilnahme an Brandbekämpfungs- und Hilfeleistungseinsätzen einerseits und am Ausbildungsdienst andererseits gleichermaßen geprägt. Dementsprechend liegt ein wesentlicher Eingriff und mithin eine Maßnahme in Form eines Verwaltungsakts nicht erst im Fall eines Ausschlusses aus der Freiwilligen Feuerwehr (für die Annahme eines Verwaltungsakts in diesem Fall: OVG Lüneburg, Beschl. v. 11.2.1985 - 2 OVG A 34/85 -, Nds.Rpfl. 1986, 110f.; VG Hannover - 1. Kammer Osnabrück -, Urt. v. 28.2.1961 - I A 115/60 -, dng 1961, 247 f.; Scholz/Thomas, a.a.O., § 11, Anm. 3), sondern bereits dann vor, wenn ein Mitglied von der Ausübung einer seiner beiden Hauptpflichten für einen beachtlichen Zeitraum entbunden wird. Nach diesen Maßstäben wäre der Antragsteller auch dann, wenn sich die ihm gegenüber von der Antragsgegnerin verfügte Suspendierung nur auf den Einsatzdienst beziehen sollte, hierdurch in seiner mitgliedschaftlichen Rechts- und Pflichtenstellung derart erheblich betroffen, dass das Schreiben vom 12.7.2000 als Verwaltungsakt zu qualifizieren wäre. Da die Antragsgegnerin die Suspendierung des Antragstellers jedenfalls vom Einsatzdienst ersichtlich aufrecht erhalten will, ohne dass die Verfügung vom 12.7.2000 für sofort vollziehbar erklärt oder über den eingelegten Widerspruch des Antragstellers entschieden worden wäre, ist die von dem Verwaltungsgericht getroffene Feststellung, dass der Widerspruch des Antragstellers gegen die verfügte Suspendierung aufschiebende Wirkung habe, gerechtfertigt.

5

Das weitere Vorbringen der Antragsgegnerin zu der Kompetenz ihres Ortsbrandmeisters für den Erlass der Suspendierungsverfügung, dem behaupteten Fehlverhalten des Antragstellers im einzelnen und der Gewährung rechtlichen Gehörs ist zur Darlegung ernstlicher Richtigkeitszweifel an dem Beschluss des Verwaltungsgerichts von vornherein ungeeignet, da es sich nicht auf die entscheidungstragenden Gründe des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses bezieht, sondern nur die nicht entscheidungserheblichen Hinweise ("obiter dicta") betrifft, die das Verwaltungsgericht der Antragsgegnerin für das durchzuführende Widerspruchsverfahren gegeben hat.

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2.

Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 146 Abs. 4 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) greift ebenfalls nicht durch. Die Antragsgegnerin hat die ihrer Ansicht nach grundsätzlich klärungsbedürftige Frage, welche konkreten disziplinarischen Kompetenzen ein Ortsbrandmeister habe, insbesondere, ob er eine Suspendierung vom Einsatzdienst auszusprechen berechtigt sei, erst in ihrem Schriftsatz vom 16.1.2001 (Eingang bei Gericht: 19.1.2001) und damit nach Ablauf der zweiwöchigen Antragsfrist des § 146 Abs. 5 VwGO (Zustellung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses am 4.12.2000) aufgeworfen. Darüber hinaus ist die bezeichnete Frage nach den obigen Darlegungen nicht entscheidungserheblich (vgl. zu dieser Voraussetzung einer Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung: Kopp/Schenke, VwGO, 12. Aufl. 2000, § 124, Rn. 10; Meyer-Ladewig, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand: Januar 2000, § 124, Rn. 33).

7

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

8

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 14 Absätze 1 und 3, 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 Satz 2 GKG.

9

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.