Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 28.09.2010, Az.: 4 W 168/10
Zulässigkeit einer Beschwerde gegen die Ablehnung der Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens im selbständigen Beweisverfahren
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 28.09.2010
- Aktenzeichen
- 4 W 168/10
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2010, 24388
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2010:0928.4W168.10.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hannover - 26.01.2010 - AZ: 12 OH 5/06
Rechtsgrundlagen
- § 412 Abs. 1 ZPO
- § 485 Abs. 2 ZPO
- § 567 Abs. 1 ZPO
Fundstellen
- BauR 2010, 2166
- BauR 2011, 143-144
- IBR 2011, 123
- MDR 2011, 318-319
- NJW-Spezial 2010, 652
Amtlicher Leitsatz
Gegen die Ablehnung des Antrags auf Einholung des Gutachtens eines weiteren Sachverständigen nach § 412 Abs. 1 ZPO ist auch im selbständigen Beweisverfahren nicht der Beschwerdeweg eröffnet.
Tenor:
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 24. Februar 2010 gegen den ihr am 10. Februar 2010 zugestellten Beschluss der Einzelrichterin der 12. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 26. Januar 2010 wird, soweit sie sich mit ihr gegen die Ablehnung des Antrags wendet, gemäß § 412 Abs. 1 ZPO einen anderen Gutachter zu beauftragen, als unzulässig verworfen.
Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.
Gründe
Auf den gemäß § 321 Abs. 2 ZPO fristgerecht eingegangenen Antrag der Antragstellerin vom 27. September 2010 war der Senatsbeschluss vom 17. September 2010 zu ergänzen. § 321 ZPO findet auf Beschlüsse entsprechende Anwendung (Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 321 Rdnr. 1).
Das Ergänzungsbegehren der Klägerin ist auch begründet. Der Senat hat sich im Beschluss vom 17. September 2010 nur mit der Frage der Ablehnung des Sachverständigen befasst, weil Tenor und Entscheidungsgründe des angefochtenen Beschlusses auch ausdrücklich nur das Ablehnungsgesuch behandelt haben. Dabei ist allerdings übersehen worden, dass im Antrag der Beschwerdebegründung die Anordnung einer neuen Begutachtung als Hauptantrag weiter verfolgt wurde. Auch die Beschwerdeerwiderung und der Nichtabhilfebeschluss der Kammer vom 6. September 2010 gehen davon aus, dass ´zumindest implizit´ auch dieser Antrag Gegenstand des Beschlusses vom 26. Januar 2010 war, so dass jedenfalls deshalb die Entscheidung über die Beschwerde gegen eine Zurückweisung des Hauptantrages aus § 412 ZPO nachzuholen war.
Die Entscheidung über die Beschwerde führt allerdings zum Ergebnis ihrer Unzulässigkeit insoweit. Denn die nach § 412 Abs. 1 ZPO zu treffende Entscheidung, ob eine neue Begutachtung durch andere Sachverständige anzuordnen ist, ergeht von Amts wegen. Anträge wie die der Antragstellerin, entsprechend zu verfahren, sind rechtlich nur Anregungen der jeweiligen Partei. Deshalb sind entsprechende Entscheidungen der Gerichte im Rahmen von § 412 Abs. 1 ZPO unanfechtbar wie auch der Beweisbeschluss selbst. Die Besonderheiten des selbstständigen Beweisverfahrens rechtfertigen keine abweichende Entscheidung. Das gilt umso mehr, als in einem etwaigen Hauptverfahren die Frage der Handhabung des § 412 Abs. 1 ZPO im selbstständigen Beweisverfahren überprüft werden kann. Deshalb entspricht es auch der ganz überwiegenden Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum, dass auch im selbstständigen Beweisverfahren wie bei einem Beweisbeschluss gemäß § 355 Abs. 2 ZPO die Entscheidung nach § 412 Abs. 1 ZPO nicht isoliert mit der sofortigen Beschwerde nach § 567 Abs. 1 ZPO angreifbar ist. Die von den Oberlandesgerichten Frankfurt (MDR 2008, 585 [KG Berlin 04.03.2008 - 1 W 253/06][OLG Frankfurt am Main 07.12.2007 - 4 W 64/07] und BauR 2010, 832) und Stuttgart (NJWRR 2009, 497) vertretene Auffassung ist Minderheit geblieben. Auch der Senat verweist auf die bereits in der Beschwerdeerwiderung der Antragsgegnerin vom 22. März 2010 auf Seite 5 ff. zitierten Fundstellen, insbesondere auf die dort auszugsweise wörtlich wiedergegebenen Entscheidungen des OLG Düsseldorf (MDR 2009, 588) und Kammergerichts (BauR 2010, 260). Diese herrschende Auffassung wird im Übrigen ferner vertreten von Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 68. Aufl., § 412 Rdnr. 10 sowie Saenger/Eichele, Handkommentar Zivilprozessordnung, 3. Aufl. 2009, § 412 Rdnr. 8). Dieser herrschenden Auffassung schließt sich der Senat an.
Nur vorsorglich wird angemerkt, dass sich die Entscheidung der Vorinstanz jedenfalls nach gegenwärtigem Sach und Streitstand als zutreffend erweist. Denn die Anordnung eines weiteren Sachverständigengutachtens durch einen neuen Sachverständigen wird in der Regel nicht in Betracht kommen, solange nicht die Möglichkeiten zur ergänzenden Befragung des bereits bestellten Sachverständigen ausgeschöpft sind, was das Landgericht nach Aktenlage jedoch noch im Rahmen der Anordnung einer ergänzenden sachverständigen Stellungnahme des Gutachters W. durchzuführen beabsichtigt und (auch nach der von der Antragstellerin vorgelegten Entscheidung BGH NZBau 2005, 688 [BGH 13.09.2005 - VI ZB 84/04]) zunächst einmal möglich und geboten ist.
Der Senat hat im Übrigen ohne vorherige Anhörung der Antragsgegnerin über den Ergänzungsantrag der Antragstellerin entschieden, weil die Entscheidung durch diesen Ergänzungsbeschluss die Antragsgegnerin nicht belastet, sondern im Gegenteil auch ihrer bereits in der Beschwerdeerwiderung gegenüber dem Landgericht ausführlich begründeten Rechtsansicht entspricht.
Gerichtskosten im Ergänzungsverfahren nach § 321 ZPO fallen nicht an (Zöller/Vollkommer aaO. Rdnr. 12).