Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 17.09.2010, Az.: 3 U 154/10
Pflichten eines Anlageberaters
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 17.09.2010
- Aktenzeichen
- 3 U 154/10
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2010, 28450
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2010:0917.3U154.10.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hannover - AZ: 8 O 333/09
Rechtsgrundlage
- § 280 Abs. 1 BGB
Amtlicher Leitsatz
Zu den Voraussetzungen einer anleger und objektgerechten Beratung bei chancenorientiertem Verhalten des Anlegers in der Vergangenheit.
In dem Rechtsstreit
I. R., ...,
Klägerin und Berufungsklägerin,
Prozessbevollmächtigte:
Anwaltsbüro ...
gegen
XBank, ...,
Beklagte und Berufungsbeklagte,
Prozessbevollmächtigte:
Anwaltsbüro ...
Tenor:
beabsichtigt der Senat, die Berufung der Klägerin ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, da das Rechtsmittel der Klägerin keine Aussicht auf Erfolgt hat, der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Schadensersatz aus dem Verkauf von Bonuszertifikaten in Anspruch.
Die - mittlerweile in Rente befindliche - Klägerin war seit 1994 Kundin der XBank AG, deren Rechtsnachfolgerin die Beklagte ist. Seit 1996 nahm sie dort - insbesondere auch aktienbasierte - Wertpapiergeschäfte vor. Am 15. Februar 2007 erwarb die Klägerin nach einem Gespräch mit der für die Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden nur noch Beklagte) tätigen Kundenberaterin F. am 6. Februar 2007 geführten Gespräch 13 Zertifikate der LehmanBrothers Treasury Co. B.V. Global Champion ZT07 im Nennwert von jeweils 1.000 € zu einem Gesamtpreis von 13.000 €. Die Entwicklung der Anlage war an verschiedene Basiswerte - die Aktienindices Dow Jones EuroStoxx 50, Nikkei 225 und Standard & Poor's 500 - geknüpft und hing davon ab, dass keiner dieser Werte eine festgelegte Kursschwelle - 60 % des Schlusskurses am Emissionstag - berührte oder unterschritt. War dies nicht der Fall, erhielt der Anleger am Ende bestimmter im Vorhinein festgelegter Beobachtungszeiträume (dem 6. Mai 2008, 6. Mai 2009 und 6. Mai 2010) einen Bonus in Höhe von 8,75 % des Nennbetrags der Zertifikate. Wenn während der Laufzeit einer der Basiswerte die Kursschwelle berührte oder unterschritt, entfiel der Bonus auch für die künftigen Beobachtungszeiträume und am Verfallstag. In diesem Fall richtete sich die Rückzahlung des angelegten Kapitals nach der Wertentwicklung, die der Index, der die Kursschwelle am tiefsten unterschritten hatte, bis zum Verfallstag erreichte.
Anlässlich des vor Erwerb der Zertifikate geführten Beratungsgesprächs, an dem auch der Ehemann der Klägerin teilnahm, erkundigte sich dieser danach, ob es sich bei der Emittentin um eine "sichere" Bank ohne Insolvenzrisiko handele, woraufhin die Beraterin F. erklärte, es handele sich um eine der größten amerikanischen Investmentbanken, weshalb nur ein geringes Risiko, das eher theoretischer Natur sei, bestehe. Ferner erläuterte die Beraterin die Barriere und den "Sicherheitspuffer" von 39,99 %. Ob die Klägerin in diesem Zusammenhang die als Anlage B 4überreichten Produktinformationen ausgehändigt erhielt, ist zwischen den Parteien streitig.
Die Anlage entwickelte sich zunächst positiv, weshalb die Klägerin am 13. Mai 2008 eine Ausschüttung in Höhe von 1.137,50€ erhielt. Im Zuge der weltweiten Finanzmarktkrise musste die Emittentin im September 2008 Insolvenz anmelden. Die von der Klägerin erworbenen Zertifikate sind soweit ersichtlich - wertlos.
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Rückabwicklung des Investments in Anspruch. Sie hat behauptet, eine eher konservative Anlegerin gewesen zu sein und eine ausgewogene Anlagestrategie bevorzugt zu haben, was sich auch aus ihrem Risikoprofil ergeben habe. Das angelegte Geld habe sie für ihre Altersvorsorge investieren wollen. Als Altersvorsorge sei das empfohlene Produkt indes völlig ungeeignet gewesen. Dass es ihr dabei auf die Sicherheit der Anlage angekommen sei, ergebe sich auch aus der Nachfrage ihres Ehemanns, um was für eine Bank es sich bei der Emittentin gehandelt habe. Aufgrund dieser Nachfrage hätte die Beklagte sie - wie die Klägerin meint - darüber aufklären müssen, dass in dem - wenn auch unwahrscheinlichen Fall - einer Insolvenz die Besonderheit bestehe, dass die konkrete Bank einem Einlagensicherungssystem nicht unterliege und deshalb der Totalverlust des eingelegten Kapitals möglich sei. Gerade in der Nachfrage nach dem Insolvenzrisiko habe sich zudem ein erhöhter Beratungsbedarf und ein besonderes Sicherheitsbedürfnis der Klägerin offenbart. Durch den Hinweis auf das nur theoretische Risiko habe die Beklagte der Klägerin indes suggeriert, dass es sich um eine nahezu risikofreie Anlage handele. Bei weitergehender Aufklärung hätte sie - die Klägerin - von der Kaufentscheidung Abstand genommen.
Die Beklagte ist dem entgegengetreten und hat nicht nur eine unzureichende Aufklärung bestritten, sondern auch, dass die Klägerin eine "sichere" Anlage gewünscht habe. Bei der Klägerin habe es sich um eine chancenorientierte Anlegerin gehandelt, was auch in ihrem bis dahin gezeigten Anlageverhalten zum Ausdruck gekommen sei. Entsprechendes habe die Klägerin - insoweit unstreitig bei einem Gespräch am 20. Juni 2006 gegenüber der Beklagten geäußert. Als Anlageziel habe sie ausschließlich die Vermögensanlage, nicht jedoch die Altersvorsorge genannt. Noch am 5. Juli 2007 habe sie - ebenfalls unstreitig - Zinsexpresszertifikate zum Preis von 12.877,80 € erworben, am 7. November 2007 Anleihen der YBank zum Preis von 7.812 €. Falsch sei auch die Behauptung, die Mitarbeiterin habe erklärt, die Anlage sei "nahezu risikofrei".
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Beklagte habe ihre Pflicht zur anleger und objektgerechten Beratung der Klägerin nicht verletzt. Bereits die Anlagehistorie der Klägerin belege, dass sie im Zeitpunkt des Erwerbs der streitgegenständlichen Zertifikate über einige Erfahrungen sowohl mit Zertifikaten als auch mit Aktieneinzelwerten und Investmentfonds verfügt habe. Die Empfehlung der Zertifikate habe damit nicht im Widerspruch zu der bisherigen Anlagestrategie der Klägerin gestanden, die in der Vergangenheit nicht als ausnehmend konservative Anlegerin in Erscheinung getreten sei. Vielmehr habe sich die Empfehlung der Zertifikate mit dem bisherigen Anlageverhalten der Klägerin gedeckt. Dass diese ihre Strategie habe wechseln wollen, sei weder substantiiert vorgetragen noch sonst ersichtlich. Dagegen spreche, dass sie auch nach Erwerb der Zertifikate weiterhin in aktienbasierte Wertpapieranlagen investiert habe. Die Klägerin sei auch nicht unvollständig und unzureichend über das Insolvenzrisiko der Emittentin aufgeklärt worden. Unstreitig sei dieses Risiko im Rahmen des Beratungsgesprächs erörtert worden. Die Bewertung des Insolvenzrisikos als eher theoretischer Natur sei angesichts fehlender spezifischer Hinweise auf Zahlungsschwierigkeiten oder gar eine bevorstehende Insolvenz der Emittentin nicht zu beanstanden. Eine Aufklärung über die fehlende Absicherung über ein Einlagensicherungssystem sei nicht erforderlich gewesen. Die Klägerin habe gewusst, dass es sich bei der Emittentin um eine USAmerikanische Investmentbank gehandelt habe. Insoweit sei bereits nicht ersichtlich, warum sie davon hätte ausgehen können, dass für die Zertifikate eine Einlagensicherung bestehe. Soweit die Klägerin geltend mache, über Rückvergütungen nicht aufgeklärt worden zu sein, habe sie eine entsprechende Aufklärungspflichtverletzung bereits nicht hinreichend dargelegt.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit der Berufung, mit der sie ihre erstinstanzlichen Klaganträge weiterverfolgt und ihr bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft. Sie behauptet, die Klägerin habe über keinerlei Erfahrungen mit den in Rede stehenden Anlageprodukten verfügt, was das Landgericht verkannt habe. Dies ergebe sich insbesondere daraus, dass die Klägerin - in der mündlichen Verhandlung nach ihren derzeitigen Anlagen befragt - angegeben habe, "eine" Aktie zu besitzen. Diese Antwort offenbare - wie die Klägerin meint - ihre fundamentale Unkenntnis. Das Wissen ihres Ehemanns, der im Beratungstermin die Fragen gestellt habe, müsse sie sich nicht zurechnen lassen. Der Klägerin sei so behauptet sie - jedenfalls nicht bewusst gewesen, dass ihr im Falle einer Insolvenz der emittierenden Bank schlimmstenfalls der Verlust des eingelegten Kapitals drohe. Ferner habe die Beklagte mit der Empfehlung die von der Klägerin gewählte "ausgewogene" Anlagestrategie missachtet. Bei dieser Strategie habe der Anlagenschwerpunkt auf Rentenanwartschaften liegen und Spezialprodukte hätten lediglich einen Anteil von bis zu 20 % einnehmen sollen. Der Beklagten sei bekannt gewesen, dass die Klägerin eine sicherheitsorientierte Anlegerin gewesen sei, weil sie ein finanzielles Polster für die kommenden Lebensjahre habe schaffen wollen.
II. Die zulässige Berufung der Klägerin hat keine Aussicht auf Erfolg. Der Sache kommt zudem weder grundsätzliche Bedeutung zu noch ist die Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung oder zur Fortbildung des Rechts geboten. Der Senat hält daher die Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 ZPO für gegeben.
1. Zu Recht hat das Landgericht einen Schadensersatzanspruch der Klägerin, der sich vorliegend nur aus § 280 Abs. 1 BGB im Zusammenhang mit einem zwischen den Parteien geschlossenen Beratungsvertrag ergeben kann, abgelehnt.
a) Unzweifelhaft und unstreitig ist zwischen den Parteien zumindest stillschweigend ein Beratungsvertrag in Bezug auf das Anlagegeschäft dadurch zustande gekommen, dass sich die Klägerin hinsichtlich der Anlage eines Geldbetrages hat beraten lassen und die Beraterin der Beklagten, F., die Investition in die in Rede stehenden Bonuszertifikate empfohlen hat.
Inhalt und Umfang der Beratungspflichten hängen von den Umständen des Einzelfalls ab. Die Beratung muss anleger und objektgerecht sein. Sie richtet sich einerseits nach dem Wissensstand, der Risikobereitschaft und dem Anlageziel des Kunden und muss andererseits die allgemeinen und speziellen Risiken, die sich aus den besonderen Umständen des Anlagenobjekts ergeben, thematisieren. In welcher Form dies zu geschehen hat, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Der Berater schuldet dem Kunden eine zutreffende, vollständige und verständliche Mitteilung von Tatsachen sowie darüber hinaus eine fachmännische Bewertung, um eine dem Anleger und der Anlage gerecht werdende Empfehlung abgeben zu können (BGHZ, 123, 129. BGH, Urteil vom 27. Oktober 2009, aaO., 2303, 2304 m. w. N.). Während die Aufklärung des Kunden über diese Umstände richtig und vollständig zu sein hat, muss die Bewertung und Empfehlung des Anlagenobjekts unter Berücksichtigung der genannten Gegebenheiten ex ante betrachtet lediglich vertretbar sein. Das Risiko, dass sich eine Anlageentscheidung im Nachhinein als falsch erweist, trägt der Kunde (vgl. etwa BGH, Urteil vom 21. März 2006 - XI ZR 63/05, WM 2006, 851 ff, zitiert nach juris Rn. 12. Urteil vom 27. Oktober 2009 - VI ZR 337/08, WM 2009, 2303, 2305[BGH 27.10.2009 - XI ZR 337/08]).
b) Eine Pflichtverletzung der Beklagten, vertreten durch die Beraterin F., ist vor diesem Hintergrund nicht zu erkennen.
aa) Dass die Empfehlung zum Kauf der Bonuszertifikate nicht anlegergerecht war, lässt sich nicht feststellen.
Zutreffend hat das Landgericht darauf hingewiesen, dass die Investition eines im Übrigen nicht allzu großen Geldbetrages in die streitgegenständlichen Lehman Zertifikate mit der bisherigen Anlagestrategie der Klägerin im Einklang stand und nichts dafür erkennbar ist, dass sie an dieser Anlagestrategie nicht (mehr) festhalten wollte. Jedenfalls hat sie dies der Beklagten gegenüber nicht hinreichend zum Ausdruck gebracht.
Die Behauptung der Klägerin, eine vor allem konservative Anlegerin gewesen zu sein, die ausschließlich an einer sicheren Altersvorsorge interessiert gewesen sei, ist schon deshalb nicht plausibel, weil sie seit Anfang 2004 eine ganze Reihe von Werten erworben hat, die vor allem chancenorientiert, mithin auf die Erzielung einer möglichst hohen Rendite gerichtet waren, was wiederum entsprechend hohe Risiken beinhaltete. So hat die Klägerin seit 2004 Zertifikate auf Aktienwerte der T.AG, Aktieneinzelwerte sowie eine Reihe von reinen Aktienfonds erworben, wobei sie - etwa mit Blick auf die T.Zertifikate - auch erfahren hat, dass derartige Geschäfte mit Verlusten verbunden sein können. Nach Erwerb des in Rede stehenden Zertifikats hat die Klägerin weiter in aktienbasierte Wertpapieranlagen investiert, insbesondere im Juli 2007 Zinsexpresszertifikate und im November des Jahres festverzinsliche Anleihen der YBank gezeichnet. Auch diese Anlagen waren grundsätzlich mit dem Risiko behaftet, dass der jeweilige Emittent zahlungsunfähig werden könnte.
Schon dieses Anlageverhalten zeigt, dass die Klägerin zugunsten höherer Erträge bereit war, ein gewisses Risiko einzugehen. Die Empfehlung der Lehman Zertifikate wich von der bisherigen Strategie nicht ab. Angesichts des Risikopuffers, der sich aus der Koppelung der Basiswerte an eine bestimmte Kursschwelle ergab, wurden gewisse Abwärts und Seitwärtsbewegungen der Aktienindices zudem abgefedert und gaben dem Investment bei hoher Rendite in gewissem Rahmen Sicherheit. Die Anlage kann mithin nur als moderat risikobewusst angesehen werden, wenngleich nicht zu verkennen ist, dass die Koppelung an drei Basiswerte wiederum eine Erhöhung des Risikos bedeutete. Dass dies selbst bei einer ausgewogenen Anlagestrategie, die eine Beimischung an risiko aber auch ertragreicheren Werten beinhaltet, aus dem Rahmen fällt, kann nicht angenommen werden. Es ist auch nicht ersichtlich, dass zum damaligen Zeitpunkt vorhersehbar war, dass die Basiswerte - die Aktienindices des Dow Jones EuroStoxx 50, Standard & Poor's 500 und Nikkei 225, die jeweils die führenden Unternehmen in Europa, den USA und Japan umfassten, während der Laufzeit des Zertifikats auf oder unter den Barrierewert sinken würden. Dass dies dennoch geschah, war vor allem Auswirkung der globalen Finanzmarktkrise, die in ihrem Umfang nicht vorherzusehen war.
Soweit die Klägerin erstmals mit der Berufungsbegründung behauptet, der Anlageschwerpunkt habe zu 75 % auf Rentenanwartschaften gelegen und die Beimischung von "Spezialprodukten" habe nur 20 % betragen sollen, ist dies schon deshalb unbeachtlich, weil die Klägerin bereits zu der Zusammensetzung ihres Portfolios nicht im Einzelnen vorträgt. Das von ihr erwähnte Risikoprofil legt die Klägerin überdies nicht vor. Sie hat den Vortrag der Beklagten, noch 2006 als Anlageziel ausschließlich die Vermögensanlage und nicht die Altersvorsorge genannt zu haben, überdies nicht ausdrücklich bestritten. In Anbetracht dessen wäre es jedoch erforderlich gewesen, die Anlageberaterin bei dem Beratungsgespräch ausdrücklich auf ihren Wunsch nach einer konservativen Anlage hinzuweisen, was nicht geschehen ist.
Allein die (mehrfach gestellte) Nachfrage des Ehemanns nach der Emittentin und das für diese bestehende Insolvenzrisiko, konnte die Beraterin F. nicht in der Weise verstehen, dass die Klägerin damit zum Ausdruck bringen wollte, an einer sicherheitsorientierten (und damit renditeärmeren) Anlage interessiert zu sein.
Aus dem Umstand, dass die Klägerin zum wiederholten Mal Papiere erworben hat, die chancenorientiert waren, auf eine gewisse Anlageerfahrung und damit ein geringeres Aufklärungsbedürfnis zu schließen, ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Dabei muss sich die Klägerin auch zurechnen lassen, dass durch die fachkundigen Fragen ihres Ehemanns zusätzlich der Eindruck vermittelt worden ist, der Klägerin sei z.B. die Bedeutung des Emittentenrisikos geläufig. Dass sie selbstüber entsprechende Sachkunde nicht verfügt haben will, was aufgrund der bis dahin getätigten Anlagegeschäfte wenig plausibel erscheint, hat die Klägerin der Beraterin gegenüber nicht zu erkennen gegeben.
Soweit die Klägerin mit der Berufungsbegründung behauptet, nicht nur das in Rede stehende, sondern alle anderen chancenorientierten Anlagegeschäfte abgeschlossen zu haben, ohne im Einzelnen zu wissen, worauf sie sich einließ, ist weder substantiiert dargelegt noch glaubhaft. Die Klägerin trägt zu dem Verlauf der anlässlich der vorhergehenden Anlagegeschäfte geführten Beratungsgespräche und der ihr dabei erteilten Informationen überdies nichts vor. Selbst wenn man unterstellt, dass sich vor allem der Ehemann der Klägerin mit den Anlagegeschäften auseinandergesetzt hat, kann der Klägerin bei der Vielzahl der getätigten Geschäfte und der Entwicklung der gezeichneten Anlagen deren grundsätzliches Risikopotenzial nicht entgangen sein. Dass es sich bei dem Erwerb von Zertifikaten und Aktienfonds nicht um konservative Produkte handelt, dürfte auch der Klägerin bewusst gewesen sein, zumal sie - wie ausgeführt - zumindest mit den Zertifikaten der T. AG Verluste erlitten hat.
Die Klägerin stützt ihre Behauptung im Wesentlichen auch nur auf eine Äußerung im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht, wonach sie auf die Frage nach ihrem Aktienbesitz erklärt haben soll - protokolliert ist dies jedenfalls nicht, sie besitze noch eine T.Aktie, was im Übrigen jedenfalls theoretisch denkbar wäre. Selbst wenn sich aus einer solchen Äußerung ein mangelndes Verständnis über Anlagegeschäfte ergeben sollte, was - wie ausgeführt - zweifelhaft ist, ändert dies nichts daran, dass sich daraus nicht herleiten lässt, die Klägerin sei nicht anlegergerecht beraten worden.
bb) Ebenso wenig lässt sich aus dem Hinweis auf das fehlende wirtschaftliche Verständnis der Klägerin darauf schließen, die Aufklärung über die allgemeinen und speziellen Risiken des in Aussicht genommenen Geschäfts sei nicht ausreichend gewesen. Es wäre auch insoweit Sache der Klägerin gewesen, ihr nach einer größeren Anzahl von Anlagegeschäften immer noch fundamentales Unverständnis zu offenbaren. Denn ohne konkrete Anhaltspunkte durfte die Mitarbeiterin F. ihrer Beratung eine gewisse Anlageerfahrung der Klägerin zugrunde legen.
Auch im Übrigen lässt sich nicht feststellen, dass die Klägerin nicht objektgerecht beraten worden wäre. Insbesondere hat die Beklagte unbestritten vorgetragen, der Klägerin die Barriere und den Sicherheitspuffer des Zertifikats konkret erläutert zu haben. Dass der Klägerin die Funktionsweise des Zertifikats erläutert worden ist und sie dies auch verstanden hat, ergibt sich im Übrigen aus ihrem Schreiben an die Beklagte vom 10. Juni 2009 (Anlage B 5, Bl. 84 GA).
Das Insolvenzrisiko der emittierenden Bank ist auch nach dem Vortrag der Klägerin bei dem Beratungsgespräch ausdrücklich erörtert worden, wobei es nicht darauf ankommt, wer diesen Punkt thematisiert hat. Die Beraterin F. hat auf die Frage des Ehemanns der Klägerin, ob es sich bei der Emittentin um eine "sicherer" Bank handele, wahrheitsgemäß erläutert, dass ein Insolvenzrisiko theoretisch bestehe, bei der Lehman Brothers Bank, der damals drittgrößten Investmentbank der USA, eine Insolvenz aber nicht zu erwarten sei. Damit hat sie das Risiko auch nicht verharmlost, um die Klägerin und ihren Ehemann von weiteren Nachfragen abzuhalten oder ihnen eine falsche Sicherheit der Anlage vorzuspiegeln. Vielmehr entsprach diese Auskunft dem damaligen Sachstand. Mit der Insolvenz der Lehman Brothers Treasury Co. BV und damit einem Totalausfall der Einlage war im Februar 2007 nicht zu rechnen. Deren Insolvenz im Herbst 2008 als Folge der weltweiten Finanzkrise kam für alle beteiligten Kreise überraschend. Im Zeitpunkt der Zeichnung der Zertifikate durch die Klägerin war sie weder vorherzusehen noch erschien sie als mehr als eine rein hypothetische Möglichkeit. Vielmehr wiesen die Zertifikate damals ein positives Rating der im Wertpapierhandel maßgeblichen Standardagenturen (etwa Moody's Investors Service oder Standard & Poor's Rating Services bzw. Fitch Rating) auf.
Über die fehlende Einlagensicherung musste die Beklagte nicht aufklären. Neben der hier erörterten Frage des Emittentenrisikos kommt dem Hinweis auf die fehlende - hier ohnehin fernliegende - Einlagensicherung keine maßgebliche Bedeutung mehr zu (OLG Hamburg, WM 2010, 1029 ff., [OLG Hamburg 23.04.2010 - 13 U 117/09] juris Rn. 62). Die Klägerin greift diesen Gesichtspunkt mit der Berufungsbegründung auch nicht mehr auf.
cc) Zutreffend hat das Landgericht schließlich darauf hingewiesen, dass es keinen Anhalt für an die Beklagte gezahlte Rückvergütungen gibt. Dies nimmt die Berufung ebenfalls hin.
2. Demzufolge kann die Klägerin auch weder Freistellung von den ihr entstandenen außergerichtlichen Rechtsanwaltkosten noch die begehrte Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten verlangen.
III. Die Klägerin erhält Gelegenheit, zur beabsichtigten Zurückweisung ihres Rechtsmittels binnen einer Frist von zwei Wochen ab Zugang dieses Beschlusses Stellung zu nehmen oder auch, insbesondere zur Vermeidung weiterer Gerichtskosten, ihre Berufung zurückzuweisen.