Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 01.09.2010, Az.: 3 U 47/10
Pflicht des Steuerberaters zum Hinweis auf Regressansprüche des Mandanten
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 01.09.2010
- Aktenzeichen
- 3 U 47/10
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2010, 22897
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2010:0901.3U47.10.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hildesheim - 12.03.2010 - AZ: 4 O 241/09
Rechtsgrundlage
- § 68 StBerG
Fundstellen
- DStR 2011, 1292
- DStRE 2011, 1174-1176
- NWB 2011, 3090
- NWB direkt 2011, 986
- StuB 2011, 808
Amtlicher Leitsatz
Die Verpflichtung des Steuerberaters, den Mandanten auf eigene, Schadensersatzansprüche begründende Fehler hinzuweisen, beginnt nicht unmittelbar in dem Zeitpunkt, in dem der Berater die Möglichkeit, dass Schadensersatzansprüche gegen ihn selbst begründet wären, erkennt. Der gebotene Hinweis braucht vielmehr (nur) so rechtzeitig zu erfolgen, dass der Mandant in die Lage versetzt wird, ohne Zeitdruck fachkundigen Rat einzuholen, um gegebenenfalls die drohende Verjährung seiner Ansprüche durch gerichtliche Geltendmachung zu hindern. Hierfür genügt - auch vor einer anstehenden Operation des Steuerberaters - in der Regel ein Zeitraum von 6 Monaten.
In dem Rechtsstreit
1. N. S., ...,
2. R. S., ...,
Kläger und Berufungskläger,
Prozessbevollmächtigte zu 1, 2:
R., ...,
Geschäftszeichen: ...
gegen
C. M.K., ..., als Erbin nach dem verstorbenen Ehemann Wirtschaftsprüfer und Steuerberater J. M.K., vertreten durch die Betreuerin K. M.K.,
Beklagte und Berufungsbeklagte,
Prozessbevollmächtigte:
Anwaltsbüro G., ...,
Geschäftszeichen: ...
hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 18. August 2010 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Schneider, der Richterin am Oberlandesgericht Dr. Böttcher sowie des Richters am Oberlandesgericht Dr. Scholz für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Kläger gegen das am 12. März 2010 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des Landgerichts Hildesheim wird auf Kosten der Kläger zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Klägern bleibt nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von eines die vollstreckbare Forderung um 10 % übersteigenden Betrages abzuwenden, soweit nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit leistet, die die jeweils zu vollstreckende Forderung um 10 % übersteigt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Beklagte ist die Alleinerbin des am 16. Dezember 2002 verstorbenen Steuerberaters und Wirtschaftsprüfers J. M. K.. Sie wird durch ihre Tochter Frau K. M. K., die für die erkrankte Beklagte zur Betreuerin bestellt worden ist, vertreten.
Die Beklagte wird von den Klägern auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Die Kläger werfen dem verstorbenen Steuerberater M. K. vor, das mit ihnen bis zum Tod des Steuerberaters bestehende Mandatsverhältnis nicht ordnungsgemäß geführt und ihnen hierdurch einen steuerlichen Schaden zugefügt zu haben.
Die Kläger als auch die R. B. GmbH, deren Alleingesellschafter und Geschäftsführer der Kläger zu 1 war, waren Mandanten des Steuerberaters M. K.. Die überschuldete R. B. GmbH und der Kläger zu 1 schlossen am 21. Dezember 2000 einen Verschmelzungsvertrag. Hiermit wurde das steuerliche Ziel verfolgt, Verschmelzungsverluste der Gesellschaft beim Geschäftsführer N. S. persönlich zu aktivieren und so dessen zu versteuerndes Einkommen zu vermindern. Zur Vorbereitung der Verschmelzung wurde zunächst zwischen der R. B. GmbH und dem Kläger zu 1 eine auf den 10. Oktober 2000 datierte Vereinbarung (Schuldübernahmevertrag Anlage K 3) geschlossen, der zu Folge der Alleingesellschafter N. S. auf Rückzahlung eines der Gesellschaft gewährten Darlehens in Höhe von 1,3 Mio. DM, und darüber hinaus auf Ansprüche aus einer Pensionsrückstellung mit einem Bilanzwert per 31. Dezember 1999 in Höhe von 395.683,00 DM verzichtete. Das steuerlich erstrebte Ziel, diesen Verzicht als Verschmelzungsverlust beim Kläger zu 1 persönlich geltend zu machen, ist bislang das steuerliche Verfahren ist nicht rechtskräftig abgeschlossen gescheitert. Das zuständige Finanzamt H. hat mit Einkommensteuerbescheid vom 15. Mai 2002 wegen Gestaltungsmissbrauchs gemäß § 42 AO die Verschmelzungsverluste im Wesentlichen nicht berücksichtigt und lediglich einen Betrag in Höhe von 50.000 DM, der dem Verlust des Stammkapitals der Gesellschaft entspricht, beim Kläger zu 1 steuerlich als Verlust anerkannt. Gegen diesen Bescheid hat der Steuerberater M. K. mit Schreiben vom 13. Juni 2002 Einspruch eingelegt. Am 16. Dezember 2002 verstarb M. K.. Abwickler seiner Praxis ist der Steuerberater B.. Dieser hat für den verstorbenen Steuerberater mit Schreiben vom 14. Dezember 2005 auf die Einrede der Verjährung insoweit verzichtet, als nicht bereits Verjährung eingetreten war.
Die Kläger haben behauptet, der Steuerberater M. K. habe ihnen zum Verschmelzungsvertrag geraten. Sie haben die Auffassung vertreten, dieser Rat sei fehlerhaft gewesen. Zur Erreichung des steuerlichen Ziels hätte keine Verschmelzung durchgeführt werden dürfen, vielmehr hätte die R. B. GmbH liquidiert werden müssen. Infolge der unzutreffenden steuerlichen Beratung sei ihnen ein Steuerschaden entstanden. Diesen beziffern sie unter Bezugnahme auf eine Aufstellung (Anlage K 16) für die Jahre 2002 bis 2006 auf 152.329,00 €. Darüber hinaus sei ein Verlust in Höhe von 457.583,74 € steuerlich nicht berücksichtigt, was die Feststellung einer weiteren Schadensersatzverpflichtung der Beklagten rechtfertige. Hierneben begehren sie die Erstattung außergerichtlicher Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 3.481,46 €.
Die Kläger haben beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger als Gesamtgläubiger 152.329,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf einen Betrag von
a) 34.187,64 € (66.865,00 DM) seit dem 13.01.2001
b) 24.632,11 € (48.176,00 DM) seit dem 14.06.2002
c) 35.012,25 € (68.478,00 DM) seit dem 26.12.2003
d) 6.540,00 € seit dem 2.03.2005
e) 24.648,00 € seit dem 2.03.2005
f) 15.440,00 € seit dem 19.08.2006 sowie
g) 11.869,00 € seit dem 13.01.2007
zu zahlen.
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an die Kläger als Gesamtgläubiger den ab den Veranlagungszeiträumen ab 2008 ff. sich ergebenden Schaden aus der Nichtberücksichtigung eines Verlustes in Höhe von 457.583,74 € zu zahlen.
3. die Beklagte zu verurteilen, die Kosten für die außergerichtliche Rechtsverfolgung in Höhe von 3.481,46 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagten haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie haben eine schadensursächliche Pflichtverletzung des Steuerberaters M. K. in Abrede genommen und erklärt, die Nichtanerkennung der Verschmelzungsverluste durch das Finanzamt beruhe nicht auf der steuerlichen Konstruktion, sondern auf § 42 Abgabenordnung. Grundsätzlich sei eine Verschmelzung ebenso wie eine Liquidation geeignet gewesen, die bei der GmbH bestehenden Verluste im Rahmen der Steuererklärung der gemeinsam veranlagten Kläger geltend zu machen. Die Aberkennung durch das Finanzamt beruhe darauf, dass die Verluste erst durch den Verzicht auf die Pensionsansprüche sowie den Darlehensrückzahlungsanspruch des Klägers zu 1 in unmittelbarer zeitlicher Nähe mit der Verschmelzung entstanden seien. Dies habe die Finanzverwaltung als Umgehung i. S. von § 42 Abgabenordnung angesehen, was bei einer Liquidation in gleicher Weise geschehen wäre. Tatsächlich liege auch weder ein Verschmelzungs- noch ein Liquidationsverlust vor, weil der maßgebliche Teilwert der Forderungen des Klägers zu 1 gegenüber der Gesellschaft im Zeitpunkt des Verzichts mit Null zu bewerten gewesen sei: Die Forderungen hätten bei wirtschaftlicher Betrachtung keinen Wert gehabt, da die Gesellschaft überschuldet war. Unter diesem Gesichtspunkt hat die Beklagte die Schadenshöhe bestritten. Schließlich hat sie die Einrede der Verjährung erhoben. Selbst wenn man annehmen wollte, dass dem verstorbenen Steuerberater M. K. eine Pflichtverletzung zur Last falle, sei ein etwaiger Schadensersatzanspruch der Kläger gemäß § 68 Steuerberatergesetz drei Jahre nach Bekanntgabe der belastenden Steuerbescheide, mithin am 15. Mai 2005 verjährt. Auf die Einrede der Verjährung ist - unstreitig - erst am 14. Dezember 2005 und nur, soweit Verjährung nicht bereits zu diesem Zeitpunkt eingetreten war, verzichtet worden. Auf die Grundsätze der Sekundärverjährung könnten sich die Kläger nicht berufen. Selbst wenn die Nichtanerkennung der Verluste durch das Finanzamt aufgrund der Steuerbescheide vom 15. Mai 2002 für den Steuerberater M. K. hätte Anlass sein können, auf eine eigene Pflichtverletzung hinzuweisen, führe dies zu keinem Schadensersatzanspruch. M. K. sei nicht bereits im Zeitpunkt der Bekanntgabe des nachteiligen Steuerbescheides verpflichtet gewesen, die Kläger auf etwaige Schadensersatzansprüche gegen sich selbst hinzuweisen, sondern nur so zeitnah vor Verjährung etwaiger Ansprüche, dass den Klägern ausreichend Zeit geblieben wäre, sich steuerrechtlich und anwaltlich beraten zu lassen, um dann noch in unverjährter Zeit Schadensersatzansprüche geltend zu machen. Dass der verstorbene Steuerberater M. K. nicht bereits unmittelbar nach Erlass der belastenden Steuerbescheide auf etwaige Pflichtverletzungen und sich hieraus ergebende Schadensersatzansprüche der Kläger hingewiesen habe, stelle sich deshalb nicht als Pflichtverletzung dar. Vielmehr hätte M. K. durchaus den Ablauf des Einspruchsverfahrens abwarten können, zumal in einer Großzahl der Fälle Einsprüche der Steuerschuldner gegen Steuerbescheide erfolgreich seien. Im Regelfall würden die Einwände des Steuerpflichtigen erstmals im Einspruchsverfahren ernsthaft geprüft würden. Hieraus folge, dass eine sofortige Hinweispflicht des Steuerberaters nicht bestanden habe. Dass M. K. seine Pflicht zur Aufklärung der eigenen Mandanten über etwaige Ansprüche später nicht mehr habe erteilen können, falle ihm nicht als Verschulden zur Last, da er entgegen den Angaben der Kläger, die auf eine Krebserkrankung hinweisen, mit einem sofortigen Ableben nicht habe rechnen müssen. Er habe sich so der ergänzende Vortrag der Beklagten im Berufungsrechtszug vor Weihnachten des Jahres 2002 wegen einer Kehlkopfoperation ins Krankenhaus begeben. Man sei davon ausgegangen, dass er Weihnachten wieder zuhause sein und hiernach seine Arbeit würde fortsetzen können. Tatsächlich sei sein Tod auch nicht wegen der Schwere der Erkrankung, sondern wegen Komplikationen im Zusammenhang mit der Operation eingetreten.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Ansprüche der Kläger seien verjährt. Zu Lebzeiten des Steuerberaters M. K. sei mit einem möglichen Schaden der Kläger wegen Verjährungsablaufs erst nach über 2 Jahren zu rechnen gewesen. Zu diesem Zeitpunkt habe der Steuerberater M. K., der Einspruch gegen den belastenden Steuerbescheid eingelegt und in Korrespondenz mit dem Finanzamt gestanden habe, zu Recht noch davon ausgehen dürfen, dass das Einspruchsverfahren Erfolg haben würde. Von daher habe keine Pflicht bestanden, schon zu diesem Zeitpunkt die Kläger auf etwaige Regressansprüche hinzuweisen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Kläger, die ihr erstinstanzliches Begehren in vollem Umfang weiterverfolgen. Sie vertreten mit ihrer Berufung die Auffassung, M. K. sei verpflichtet gewesen, die Kläger bereits bei Bekanntgabe der belastenden Steuerbescheide auf etwaige Schadensersatzanprüche wegen fehlerhafter steuerlicher Beratung hinzuweisen. Insbesondere habe M. K. nicht darauf hoffen und deshalb abwarten dürfen, ob das Einspruchsverfahren, das er für die Kläger führte, Erfolg haben würde. Bei vorhersehbaren alters- und krankheitsbedingten Ausfallerscheinungen habe der Verpflichtete auch für diese einzustehen. Nach Kenntnis der Kläger sei M. K. einem Krebsleiden erlegen, weshalb sein naher Tod für ihn vorhersehbar gewesen sei. Unter diesen Umständen hätte er alles tun müssen, um die mögliche Vermögensgefährdung der Kläger durch einen Hinweis auf die ihm obliegende Schadensersatzverpflichtung zu verhindern. Dies habe er schuldhaft unterlassen. Da er seine Krebserkrankung gekannt habe, habe er keinesfalls davon ausgehen dürfen, dass ihm genügend Zeit verbleibe, um zu einem späteren Zeitpunkt auf Regressansprüche hinzuweisen. Die jetzt erhobene Verjährungseinrede verstoße unter diesen Voraussetzungen zudem gegen Treu und Glauben.
Die Kläger beantragen,
unter Abänderung des am 12. März 2010 und am 25. März 2010 zugestellten Urteils des Landgerichts Hildesheim die Beklagte zu verurteilen,
1. an die Kläger als Gesamtgläubiger 152.329,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % (gemeint: Prozentpunkten) über dem jeweiligen Basiszinssatz auf einen Betrag von
a) 34.187,64 € seit dem 13.01.2001
b) 24.632,11 € seit dem 14.06.2002
c) 35.012,25 € seit dem 26.12.2003
d) 6.540,00 € seit dem 2.03.2005
e) 24.648,00 € seit dem 2.03.2005
f) 15.440,00 € seit dem 19.08.2006 sowie
g) 11.869,00 € seit dem 13.01.2007
zu zahlen.
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an die Kläger als Gesamtgläubiger den ab den Veranlagungszeiträumen ab 2008 ff. sich ergebenden Schaden aus der Nichtberücksichtigung eines Verlustes in Höhe von 457.583,74 € zu zahlen.
3. die Beklagte zu verurteilen, die Kosten für die außergerichtliche Rechtsverfolgung in Höhe von 3.481,46 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Kläger zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Sach- und Rechtsvortrags, insbesondere zum Zweck und zu den statistischen Erfolgschancen des Widerspruchsverfahrens im Steuerrecht sowie zu den Umständen des Todes des Steuerberaters M. K.. Dieser sei bis unmittelbar vor seinem (geplanten) Krankenhausaufenthalt beruflich tätig gewesen, habe sich nicht in Lebensgefahr befunden und sei wie auch seine Familie davon ausgegangen, dass er das Krankenhaus noch vor Weihnachten 2002 würde verlassen können. Mit einem plötzlichen Versterben sei nicht zu rechnen gewesen.
Demgegenüber haben die Kläger replizierend behauptet, M.K. sei schon ein halbes Jahr zuvor erstmalig am Kehlkopf operiert worden. Bei einer zweiten Operation innerhalb so kurzer Zeit sei immer von Lebensgefahr auszugehen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils, wegen des Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin K. M. K.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Protokollniederschrift vom 18. August 2010 (Bl. 250 f. d. A.) verwiesen.
II. Die Berufung der Kläger ist zulässig, sie bleibt jedoch im Ergebnis ohne Erfolg. Den Klägern stehen gegenüber der Beklagten keine Schadensersatzansprüche zu. Solche wären im Übrigen auch verjährt.
1. Zwischen den Klägern und dem Steuerberater M. K., für dessen Verbindlichkeiten seine Witwe, die Beklagte, als Gesamtrechtsnachfolgerin eintrittspflichtig ist, bestand ein umfassendes Steuerberatungsmandat. Aufgrund dieses Mandatsverhältnisses, das auch die Beratung der vom Kläger zu 1 als Alleingesellschafter und Geschäftsführer beherrschten R. B. GmbH umfasste, war der Steuerberater verpflichtet, den Kläger zu 1 steuerlich zu beraten, ihn vor möglichen Steuerschäden zu bewahren und im Rahmen der Gestaltungsberatung diejenigen Schritte anzuraten, die geeignet waren, ein bestimmtes steuerliches Ziel, wie es hier mit der Aktivierung von Verlusten der R. B. GmbH zur Verminderung der Einkommensteuerpflicht der Kläger erstrebt war, zu erreichen.
2. Der Senat unterstellt zugunsten der Kläger, dass der Steuerberater M. K. den Rat zum Formwechsel der R. B. GmbH auf das einzelkaufmännische Vermögen des Klägers zu 1 erteilt und diesem nahegelegt hat, zur Vorbereitung dieser Maßnahme auf seine Pensionsansprüche sowie den Anspruch auf Rückzahlung des der R. B. GmbH gewährten Darlehens über 1.300.000 DM zu verzichten. Zwar hat die Beklagte einen entsprechenden Rat des Steuerberaters M. K. mit Nichtwissen bestritten. Für die Richtigkeit des Vorbringens der Kläger spricht jedoch insbesondere das Schreiben ihres jetzigen Steuerberaters B. (Anlage B 6 - Bl. 80 d. A.), des Abwicklers der Steuerberaterkanzel M. K., der am 14. Februar 2003 gegenüber seiner Haftpflichtversicherung Anzeige von einem möglichen Regressfall gemacht und den Sachverhalt dahingehend geschildert hat, dass die Umwandlung der R. B. GmbH auf Rat des Steuerberaters M. K. erfolgt ist. Die Beklagte hat keine Umstände vorgetragen, die eine andere als die steuerliche Motivation für die genannte Gestaltung nachvollziehbar erscheinen ließen. ebenfalls ist nichts dafür erkennbar, dass ein anderer Dritter einen entsprechenden Rat erteilt haben könnte.
3. Schadensersatzansprüche der Kläger scheitern aber bereits daran, dass den Klägern durch eine steuerliche Empfehlung ihres Beraters M.K. kein Schaden entstanden ist. Entgegen der von ihnen vertretenen Auffassung hätte sich das erstrebte Ziel, die Verluste der R. B. GmbH im Rahmen ihrer eigenen Einkommensteuererklärungen zu nutzen, auch bei einer Liquidation der Gesellschaft nicht erreichen lassen.
a) Die R. B. GmbH war im Zeitpunkt der angeratenen Verschmelzung insolvenzreif. Ihr Fortbestand war bis dahin dadurch gesichert, dass der Kläger zu 1 als alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der GmbH dieser Darlehen in Höhe von insgesamt 1.300.000 DM gewährt hatte. Die von ihm wiederum selbst zur Finanzierung der Darlehen aufgenommenen Kredite (Anlagen K 12 f) waren durch Grundschulden auf seinen privaten Grundstücken gesichert. Bei einer Verschmelzung der GmbH ebenso wie bei der Liquidation waren diese Ansprüche des Klägers zu 1 gegenüber der Gesellschaft, da diese weder zur Rückzahlung der Darlehen noch zur Erfüllung der Pensionsverpflichtung in der Lage war, wirtschaftlich wertlos. Steuerlich konnten die mit dem Verlust der Forderungen eintretenden Verluste bei der Verschmelzung oder auch der Liquidation der Gesellschaft jedoch nicht im Rahmen der Einkommensteuererklärung von den - steuerlich gemeinsam veranlagten - Klägern geltend gemacht werden, da ein negativer Verschmelzungs oder auch Liquidationsbetrag steuerlich unbeachtlich war (vgl. § 4 Abs. 5 VerschG. § 17 EStG in der für das Jahr 1999 maßgeblichen Fassung). Etwas anderes galt lediglich hinsichtlich des Verlustes des Stammkapitals, bei dem der Gesellschafter einen Teil seines Privatvermögens verliert. Insoweit hat aber das Finanzamt einen Teilbetrag von 50.000 € ohnehin steuerlich als Verlust berücksichtigt.
Ziel der Kläger war es, diese steuerliche Folge auch hinsichtlich der der Gesellschaft gewährten Darlehen sowie des - wirtschaftlich wertlosen - Pensionsanspruchs zu erreichen. Dies kommt im Einzelfall dann in Betracht, wenn die Darlehen Eigenkapital ersetzenden Charakter haben und als Anschaffungskosten steuerrechtlich wie der Verlust von Stammkapital zu bewerten sind.
b) Für die vom Steuerberater M.K. angeratene Konstruktion, wonach der Kläger zu 1 zunächst als Gesellschafter der GmbH auf seine Pensions und Darlehensansprüche verzichtete und hiernach die Gesellschaft auf sein Privatvermögen verschmolzen wurde, hat das Finanzamt einen Steuerverlust deshalb nicht anerkannt, weil die erfolgte Gestaltung ausschließlich steuerlich motiviert war, weshalb § 42 Abgabenordnung einer Anerkennung entgegenstand. Ob dem, wie die Kläger jedenfalls im Einspruchsverfahren meinen, entgegengehalten werden kann, dass der Verzicht auf die dem Kläger zu 1 gegenüber der Gesellschaft zustehenden Ansprüche auch und vorrangig deshalb erfolgt ist, weil die Ansprüche ohnehin wertlos waren, kann dabei dahinstehen. Für die Beurteilung der Frage, ob und in welchem Umfang solche Verzichtserklärungen nachträglich als Anschaffungskosten anzuerkennen und steuerlich zu berücksichtigen sind, ist, wie sich aus den Schreiben des Finanzamts H. vom 12. August 2004 (Anlage K 8, dort Seite 3) sowie vom 29. März 2006 (Anlage K 9, dort Seite 4) ergibt, der Teilwert der jeweiligen Bilanzpositionen im Zeitpunkt des Verzichts maßgeblich. Teilwert ist dabei der Betrag, den ein Außenstehender für die jeweilige Forderung bezahlen würde. Da die Forderungen gegenüber der GmbH jedoch, wie unstreitig ist, wertlos waren, hätte auch ein Dritter hierfür keinerlei Leistungen erbracht. Der Teilwert der Forderungen war mithin Null, weshalb nachträglich Anschaffungskosten, die als Verlust des Klägers in dessen persönlichen Einkommenssteuererklärung zu berücksichtigen wären, nicht entstanden sind.
c) Hieran hätte sich auch bei einer Liquidation der Gesellschaft, wie sie nunmehr von den Klägern als geeignete steuergünstigere Regelung angesehen wird, nichts geändert. Richtig ist insoweit zwar, dass - jedenfalls nach dem Inhalt des Schreibens des Finanzamts vom 29. März 2006 unter Hinweis auf die Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 22. Februar 2005 (VIII R 89/00) - Verschmelzung und Liquidation im Hinblick auf die damals geltenden unterschiedlichen steuerrechtlichen Regelungen (§ 4 Abs. 5, § 6 Satz 2 UmwG einerseits, § 17 Abs. 4 EStG andererseits) unterschiedliche Folgen nach sich ziehen können. Auch im Fall einer Liquidation kommt eine Anerkennung nachträglicher Anschaffungskosten jedoch nur dann in Betracht, wenn die Forderungen, mit denen der Gesellschafter ausgefallen ist, tatsächlich werthaltig waren, woran es vorliegend fehlt und worauf das Finanzamt ebenfalls hingewiesen hat. Dafür, dass die Darlehensforderungen des Klägers in dem Zeitpunkt, in dem die Darlehen der Gesellschaft gewährt worden sind, werthaltig waren, ist nichts ersichtlich.
d) Nichts anderes lässt sich aus der Argumentation der Kläger herleiten, wonach der Teilwert der genannten Bilanzpositionen deshalb nicht mit Null anzusetzen gewesen sei, weil diese Ansprüche aus Sicht der darlehensgewährenden Sparkasse durch eine werthaltige Grundschuld gesichert waren. Diese Betrachtung vermengt unzulässigerweise die dem Kläger zu 1 gegenüber der Gesellschaft zustehenden Ansprüche mit denen der Sparkasse gegenüber ihm selbst aus dem zwischen ihm und der Sparkasse geschlossenen Darlehensverträgen.
4. Unabhängig hiervon wären etwaige Schadensersatzansprüche der Kläger auch verjährt. Nach der für den vorliegenden Sachverhalt anwendbaren Regelung des § 68 Abs. 1 StBerG verjähren Ersatzansprüche des Mandanten gegenüber dem Steuerberater wegen einer diesem vorzuwerfenden Pflichtverletzung binnen einer Frist von 3 Jahren ab Entstehung des Anspruchs. Dies ist der Zeitpunkt, zu dem der nachteilige Steuerbescheid bekannt gemacht wird, hier der 15. Mai 2002. Demnach ist die Frist für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen am 15. Mai 2005 abgelaufen. Der seitens der Beklagten erklärte Verzicht auf die Einrede der Verjährung vom 14. Dezember 2005 blieb, da er nur hinsichtlich derjenigen Ansprüche erklärt worden ist, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht verjährt waren, ohne Bedeutung. Maßgeblich ist, ob der Steuerberater M.K. vor Ablauf der Primärverjährung Anlass hatte, seinen Mandanten auf etwaige Schadensersatzansprüche gegen sich selbst hinzuweisen und ob er gegen diese Pflicht schuldhaft verstoßen hat.
a) Anlass für einen solchen Hinweis bestand hier deshalb, weil in der Begründung des Finanzamtes, das die Anerkennung der steuerlichen Verluste bei der Berechnung der Einkommensteuer des Klägers zu 1 und seiner gemeinsam mit ihm veranlagten Ehefrau verweigert hat, darauf hingewiesen wird, dass die seitens des Beklagten vorgeschlagene und gewählte Gestaltung gegen das Umgehungsverbot nach § 42 Abgabenordnung verstieß.
b) Allerdings ist die Verpflichtung des Steuerberaters (oder Anwalts), den Mandanten auf eigene, Schadensersatzansprüche begründende Fehler hinzuweisen, nicht bereits unmittelbar in dem Zeitpunkt, in dem der Berater die Möglichkeit, dass Schadensersatzansprüche gegen ihn selbst begründet wären, erkennt, zu erfüllen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat der gebotene Hinweis durch den Steuerberater (nur) so rechtzeitig zu erfolgen, dass der Mandant in der Lage ist, ohne Zeitdruck anderweitigen Rechtsrat einzuholen, um gegebenenfalls die Verjährung durch gerichtliche Geltendmachung zu unterbrechen (BGH IX ZR 31/91 vom 14.11.1991. BGH IX ZR 328/97 vom 15.04.1999). Nach dieser Rechtsprechung ist der Rechtsanwalt oder Steuerberater, der einen konkreten Anlass hat, sein Verhalten auf von ihm begangene Fehler zu überprüfen, nicht gehalten, sofort den Mandanten auf die Möglichkeit eines Regressanspruchs gegen sich selbst und dessen mögliche Verjährung hinzuweisen. Vielmehr genügt es, wenn der Steuerberater oder Anwalt dies so rechtzeitig tut, dass die Verjährung noch unterbrochen werden kann. Demgegenüber scheidet eine Sekundärhaftung dann aus, wenn der Mandant noch so rechtzeitig vor Ablauf der Verjährungsfrist von seinem Anspruch und dem Zeitpunkt der Verjährung erfährt, dass er bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt die Verjährung durch gerichtliche Geltendmachung unterbrechen kann. Dies rechtfertigt sich aus der Überlegung, dass es Zweck der Belehrungspflicht ist, die Verjährung etwaiger Ersatzansprüche des Mandanten zu unterbinden. Hierfür genügt, dass der Mandant so rechtzeitig auf die Ansprüche hingewiesen wird, dass er deren Verjährung verhindern kann. Im Regelfall wird hierfür ein Zeitraum von 6 Monaten vor Beendigung der Primärverjährungsfrist ausreichend sein. Die gegenteilige Auffassung der Kläger liefe im Regelfall auch dem Interesse der jeweiligen Mandanten entgegen. Wie die Beklagte zutreffend vorgetragen hat, haben die Einsprüche Steuerpflichtiger in einer Vielzahl von Fällen Erfolg. Schon deshalb erscheint es wenig zweckmäßig, dass ein Steuerberater immer dann, wenn ein belastender, aber nicht bestandskräftiger Steuerbescheid vorliegt, sogleich den Mandanten auf etwaige Regressansprüche hinweist. In diesem Fall müsste der Mandant, um keine Rechtsnachteile zu erleiden, sogleich anderweitig Rat einholen, was nicht nur Kosten verursacht, sondern im Hinblick darauf, dass in einer Vielzahl der Fälle die Einspruchsverfahren erfolgreich sind, grundlos das Vertrauensverhältnis zwischen Steuerberater und Mandanten untergraben und zerstören würde.
c) Etwas anderes gilt allerdings - aber auch nur - dann, wenn der Steuerberater erkennt, dass er im weiteren Verlauf an der gebotenen Aufklärung des Mandanten über etwaige Regressansprüche verhindert sein wird, wie dies etwa bei einer Beendigung des Mandats der Fall ist. Vorliegend wäre dies anzunehmen, wenn der Steuerberater M.K., nachdem der die Kläger belastende Steuerbescheid ergangen war, wegen seiner Erkrankung hätte annehmen müssen, dass er durch weiteres Zuwarten den Regressanspruch seiner Mandanten verhindern würde. Dies würde zumindest voraussetzen, dass er, bevor er im Dezember 2002 wegen einer Krebserkrankung - erneut - das Krankenhaus aufsuchen musste, erkannt hätte, dass er wegen der Schwere seiner Erkrankung nicht mehr in sein Büro zurückkehren und deshalb nicht mehr in der Lage sein würde, die gegenüber dem Kläger zu 1 gebotene Belehrung vorzunehmen.
Diese Voraussetzungen waren jedoch, wovon der Senat nach Durchführung der Beweisaufnahme überzeugt ist, nicht gegeben. Die Tochter des Steuerberaters M.K. hat bei ihrer Vernehmung dem Senat gegenüber glaubhaft und überzeugend geschildert, dass ihr Vater von einer alsbaldigen Genesung, jedenfalls von seiner Entlassung aus dem Krankenhaus noch vor Weihnachten des Jahres 2002 ausgegangen ist. Die Zeugin hat geschildert, dass sich ihr Vater während seines Krankenhausaufenthaltes regelmäßig die Büropost ins Krankenhaus hat bringen lassen. Von dort aus hat er weiter Anweisungen erteilt, welche Maßnahmen vorzunehmen waren. Es sei geplant gewesen, dass er nach dem Weihnachtsfest 2002 wieder ins Büro zurückkehren würde. Tatsächlich sei auch nicht die Erkrankung selbst Ursache seines plötzlichen Versterbens gewesen, sondern Komplikationen infolge der Operation sowie ein Darmverschluss. Dies sei für die gesamte Familie völlig überraschend gewesen. Für die Richtigkeit dieser Angaben spricht, dass Herr M.K., bevor er sich ins Krankenhaus begab, nicht für eine Vertretung in seiner Steuerberaterkanzlei, auch nicht für die Einarbeitung eines etwaigen Nachfolgers, Sorge getragen hat. Damit fehlt es jedenfalls an dem für eine Pflichtverletzung erforderlichen Verschulden des Steuerberaters M.K., für das dessen Ehefrau als seine Erbin einzutreten hätte.
d) Die Beklagte ist auch nicht nach Treu und Glauben, § 242 BGB, daran gehindert, sich auf die Einrede der Verjährung zu berufen. Zwar kann die Erhebung der Verjährungseinrede durch einen Steuerberater gegenüber dem Schadensersatzanspruch des Mandanten gegen das Verbot der unzulässigen Rechtsausübung verstoßen. Allerdings verlangt es der Zweck der Verjährungsregelungen, an diesen Einwand strenge Anforderungen zu stellen (vgl. BGHZ 94, 380, 391f. WM 1996, 1106, 1108. WM 1988, 127f. WM 2001, 1677, 1679[BGH 21.06.2001 - IX ZR 73/00]). Diese sind dann als gegeben zu erachten, wenn der Steuerberater seinen Mandanten in der Weise von der Geltendmachung von Ersatzansprüchen abgehalten hat, dass er diesem gegenüber den Eindruck erweckt hat, er werde sich gegenüber seiner Inanspruchnahme nur mit Einwendungen in der Sache selbst verteidigen (vgl. BGH IX ZR 180/09 vom 15. Juli 2010). Diese Voraussetzungen liegen ersichtlich nicht vor.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Voraussetzungen, bei deren Vorliegen die Revision zuzulassen ist (§ 543 Abs. 2 ZPO), sind nicht gegeben.
Dr. Böttcher
Dr. Scholz