Amtsgericht Hannover
Urt. v. 13.05.2002, Az.: 608 F 4451/01 Kl

Bibliographie

Gericht
AG Hannover
Datum
13.05.2002
Aktenzeichen
608 F 4451/01 Kl
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2002, 36045
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:AGHANNO:2002:0513.608F4451.01KL.0A

Fundstellen

  • FPR 2002, 414-417
  • FamRZ 2002, 1722-1725 (Volltext mit amtl. LS)
  • IPRax 2005, 326-330 (Urteilsbesprechung von Prof. Dr. Nina Dethloff, LL.M. (Georgetown))
  • IPRax 2005, 356-358 (Volltext mit amtl. LS)
  • IPRspr 2002, 94

In der Familiensache

...

wegen Anfechtung der Vaterschaft

hat das Amtsgericht Hannover auf die mündliche Verhandlung vom 22.04.2002 durch den Richter am Amtsgericht für Recht erkannt:

Tenor:

  1. I.

    Es wird festgestellt, dass der Beklagte nicht der Vaters des Kindes ... ist.

  2. II.

    Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

  3. III.

    Der Streitwert wird auf 4.000.- DM festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Parteien haben am 12.8.1996 in Lagos / Nigeria die Ehe geschlossen. Die Klägerin ist Staatsangehörige der Kapverdischen Inseln, der Beklagte Staatsanghöriger von Nigeria. Die Ehe der Parteien wurde mit Urteil vom 27.4.2001, das seit dem 6.7.2001 rechtskräftig ist, geschieden (608 F 142 / 00). In der Anhörung zur Scheidung hat die Klägerin angegeben, dass eine dauerhafte Lebensgemeinschaft zwischen ihnen quasi nicht bestanden habe. Sie habe den Beklagten in Deutschland kennengelernt. Mit ihm sei sie nach 3 Monaten nach Nigeria gefahren, um dort für das Asylverfahren in Deutschland einen Pass zu beantragen. Sie sei dann nach der Heirat im September nach Deutschland zurückgekehrt. Sie habe danach ihren Mann nochmals für ca. 6 Wochen in Nigeria besucht. Danach sei es zur endgültigen Trennung gekommen.

2

Das Scheidungsurteil wurde dem Standesamt am 6. August 2001 formlos übersandt.

3

Während der Ehe war das Kind ... am 2.3.1998 geboren worden. Im Verfahren 608 F 1407/99 begehrte die Klägerin die Feststellung, dass ihr Ehemann nicht der Vater ihres Kindes sei. Hierzu trug sie vor, dass bereits seit Anfang 1997 keine ehelichen Beziehungen zwischen ihnen bestanden hätten. Zugleich benannte sie den leiblichen Vater des Kindes, der in das Abstammungsgutachten einbezogen wurde. Nach dem Ergebnis des Gutachtens war der Beklagte von der Vaterschaft ausgeschlossen, was mit Urteil vom 19.3.2001 festgestellt wurde.

4

Aus der Ehe war das gemeinsame Kind ... geb. am 29.5.1999 hervorgegangen, für das die Klägerin die alleinige elterliche Sorge hat.

5

Die Klägerin hat am 12.7.2001 ihre Tochter ... geboren. Unter dem 16.8.2001 wurde der Beklagte als Vater des Kindes in das Geburtenbuch eingetragen.

6

Die Klägerin behauptet, dass sie von ihrem geschiedenen Mann bereits seit 1998 endgültig getrennt lebe und den Kindesvater, Herrn ..., Anfang 2000 kennen gelernt habe. Mit ihm habe sie nicht zusammengelebt, es bestehe jedoch eine freundschaftliche Beziehung. Herr ... sei jedoch immer bereit gewesen die Vaterschaft anzuerkennen.

7

Die Klägerin beantragt

  1. festzustellen, das der Beklagte nicht der Vater ihres am 12.7.2001 geborenen Kindes ... sei.

  1. Der Beklagte stellt keinen Gegenantrag.

8

Das beigeladene Kind ist dem Verfahren nicht beigetreten.

9

Es wurde Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens, in das die Klägerin, das Kind und der Zeuge ... einbezogen wurden. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten vom 5.2.2002 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

10

Die Klage ist zulässig, insbesondere form - und fristgerecht eingelegt worden (§§ 1600a, 1600b BGB).

11

Das angerufene Amtsgericht ist gemäß § 640 a Absatz 2 Nummer 2 ZPO international zuständig, auch wenn der Beklagte keinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat (Zöller-Philippi, 23.Aufl., § 640a Rz. 4). Nach § 640 a Absatz 1 ZPO ist auch das hiesige Amtsgericht örtlich zuständig, da das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt im hiesigen Zuständigkeitsbereich hat.

12

Die Klägerin hat auch ein auf Feststellung, dass der Beklagte nicht der Vater ihrer Tochter sei, gerichtetes Rechtsschutzbedürfnis. Auch für das vom Untersuchungsgrundsatz geprägte Kindschaftsverfahren (§§ 640 Abs. 1, 640 d ZPO) ist das Rechtsschutzbedürfnis Zulässigkeitsvoraussetzung. Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt unter anderem dann, wenn der Partei ein einfacherer Weg zur Verfügung steht, das verfolgte Ziel rechtlich zu erreichen (Zöller-Greger, 23. Aufl., Vor § 253 Rz. 18 b). Allerdings muss sich der Rechtssuchende nicht auf einen verfahrensmäßig unsicheren Weg verweisen lassen ( BGH NJW 1994, 1351 [BGH 24.02.1994 - IX ZR 120/93]).

13

Für das vorliegende Vaterschaftsanfechtungsverfahren könnte das Rechtsschutzbedürfnis deswegen fehlen, weil die Klägerin ihr Verfahrensziel auch dadurch erreichen könnte, dass sie den Standesbeamten in einem Verfahren nach § 45 Abs. 1 PStG zu einer Eintragung der Vaterschaft anweisen lässt, wonach nicht ihr geschiedenen Ehemann Vater des Kindes sei, sondern der Zeuge ... der sich zur Vaterschaft bekannt hat und zur Anerkennung bereit war.

14

Ein solches Verfahren nach § 45 Abs. 1 PStG schließt indes das Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin nicht aus. Grundsätzlich wäre es zwar möglich, die Eintragung des Zeugen ... auf diesem Weg erreichen zu können. Jedoch ist dieses Verfahrensziel, für das die Zivilabteilung des Amtsgerichts zuständig ist (§§ 50 Abs. 1 PStG; § 23 a GVG), im Hinblick auf die streitige Beurteilung der Rechtslage nicht als hinreichend sicher und wegen etwaiger Rechtsmittel (§ 49 PStG) auch nicht zeitnah zu erreichen.

15

Welches Recht auf die Abstammung des Kindes anwendbar ist, ist nach Art. 19 Abs. 1 EGBGB zu beurteilen. Danach unterliegt nach Satz 1 die Abstammung des Kindes dem Recht des Staates, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Da das Kind seit seiner Geburt in Deutschland lebt, ist hiernach deutsches Recht anzuwenden. Eine Vaterschaft ist nach deutschem Recht indes nicht begründet. Seit dem KindRG von 1998 gilt als Vater des Kindes nach § 1592 der Mann, der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter der Kindes verheiratet war (Nr. 1), der die Vaterschaft anerkannt hat (Nr. 2) oder dessen Vaterschaft gerichtlich festgestellt wurde (Nr. 3). Die nach dem alten Recht geltende Frist von 302 Tagen nach § 1593 BGB, wurde aufgehoben.

16

Nach dem neuen Abstammungsrecht ist daher eine Vaterschaft des Beklagten nach deutschem Recht nicht gegeben, denn die Ehe der Parteien wurde bereits am 27.4.2001, rechtskräftig seit dem 6.7.2001 geschieden. Das Kind ... wurde jedoch erst am 12. Juli geboren.

17

Gleichwohl wurde der Beklagte als Vater durch den Standesbeamten beurkundet, da nach § 268 Abs. 1 Satz 2 der Dienstanweisung für die Standesbeamten und ihre Aufsichtsbehörden (DA; Stand August 2001) entsprechend der Regelung in Art. 19 Abs. 1 EGBGB die Vaterschaft neben dem hier anwendbarem deutschen Recht auch nach Nr. 1 im Verhältnis zu jedem Elternteil nach dem Recht des Staates, dem dieser Elternteil angehört festgestellt werden kann. Damit kann im Verhältnis zum Beklagten die Vaterschaft gemäß Art. 19 Abs. 1 Satz 2 EGBGB nach dem Abstammungsrecht Nigerias eingetragen bzw. festgestellt werden.

18

Nach dem Nigerianische Recht ist nach den "gültigen Regeln des Common Law ein Kind ehelich, wenn seine Eltern entweder im Zeitpunkt der Zeugung oder dem der Geburt miteinander in gültiger Ehe leben. (...) Gemäß See. 84 [des Gesetzes für Ehesachen] besteht eine widerlegbare gesetzliche Ehelichkeitsvermutung für das Kind während des Bestehens der Ehe und für 280 Tage nach ihrer Auflösung" (Bergmann/Ferid, Nigeria, S. 17; See. 84 als Beweisregel insoweit nicht abgedruckt).

19

Aufgrund dieser nachehelichen Ehelichkeitsvermutung wurde der Beklagte als Vater eingetragen.

20

Ob eine solche Eintragung bzw. Bestimmung der Vaterschaft nach Art. 19 Abs. 1 Satz 2 EGBGB zu Recht erfolgte, ist im Hinblick auf das Verhältnis verschiedenen Anknüpfungen streitig (vergl. hierzu ausführlich Hepting/Gaaz, PStR Bd. 2 RZ IV - 227 ff.; Hepting, StAZ 2000, 33 - 42; Henrich, Internationales Familienrecht, 2. Aufl., 2000, S. 225 ff., ders. StAZ 1998, 1 ff.; ders. FamRZ 1998, 1401 ff.; Gaaz, StAZ 1998, 241, 249 ff.; BayObLG, FG-Prax, 2002, 66 ff.).

21

Nach dem Gesichtspunkt der Regelanknüpfung besteht zwischen den Alternativen eine Rangordnung, so dass eine Anknüpfung nach Satz 2 nicht mehr möglich ist, wenn die Vaterschaft bereits nach Satz 1 bestimmt werden kann (Hepting, a.a.O., Rz. IV- 232 ff.; Palandt-Heldirch, 61. Aufl., Art. 19 EGBGB Rz. 6 Prioritätsprinzip).

22

Dem gegenüber wird von der h.M. von der Gleichrangigkeit der Anknüpfungen ausgegangen, wonach lediglich in der überwiegenden Zahl der Fälle bereits nach dem Recht am Aufenthaltsort des Kindes die Abstammung des Kindes und damit bereits nach Praktikabilitätsgründen die Vaterschaft festgestellt werden kann.

23

Für die Frage der Anknüpfung der Abstammung, wenn nebeneinander stehende Vaterschaftszurechnungsnormen bestehen und konkurrierende Vaterschaften möglich sind, wie dies vorliegend der Fall ist, führt der Streit nicht weiter. Allerdings sieht Hepting (a.a.O. Rz. IV-248) in dieser Konstellation einen neue Aufgabe des Günstigkeitsprinzips.

24

Vorliegend könnte jedoch bereits fraglich sein, ob überhaupt konkurrierende Vaterschaften bestehen. Dies ist deswegen zu bejahen, weil der Zeuge ... die Vaterschaft für das Kind anerkennen wollte, hieran jedoch durch die bestehende bzw. zumindest beurkundete Vaterschaft des Beklagten gehindert war. Der Zeuge war zum Vaterschaftsanerkenntnis bereit, die Klägerin wollte ihre Zustimmung nach § 1595 Abs. 1 BGB erteilen. Allein aufgrund der Eintragung des Beklagten unterblieb gemäß § 1594 Abs. 2 BGB eine entsprechende Beurkundung, wie die Klägerin mitgeteilt hat. Ein wirksames - ggf. pränatales (§ 1594 Abs. 4 BGB) - Anerkenntnis lag nicht vor.

25

Der Zeuge ... ist niederländischer Staatsangehöriger, so dass ein wirksames Anerkenntnis auch nach seinem Heimatrecht zu prüfen ist (Art. 19 Abs. 1 Satz 2 EGBGB). Das niederländische bürgerliche Gesetzbuch regelt die Anerkennung der Vaterschaft in den Art. 203 ff. Nach Art. 204 Abs. 1 lit. f) ist eine Anerkennung nichtig, wenn es bereits zwei Eltern gibt. Diese zwei Eltern bestehen zumindest nach dem Heimatrecht des Beklagten. Daher wäre auch ein Anerkenntnis nach dem Heimatrecht des biologischen Vaters nicht möglich.

26

Die Problematik der Konkurrenz des beabsichtigten Vaterschaftsanerkenntnisses nach Art. 19 Abs. 1 Satz 1 EGBGB und der gesetzlich vermuteten Vaterschaft nach Art. 19 Abs. 1 Satz 2 EGBGB wird unter dem Gesichtspunkt der konkurrierenden Vaterschaften diskutiert.

27

Soweit man dem Prioritätsprinzip folgt, war die Vaterschaft des Beklagten nach Art. 19 Abs. 1 Satz 2 EGBGB nach nigerianischem Recht erfolgt und hinderte die Eintragung des leiblichen Vaters kraft Anerkenntnis (Palandt-Heldrich, 61. Aufl., Art. 19 EGBGB Rz. 6 m.w.Nw.; BayObLG, FG-Prax 2002, 66 ff. unter Bezugnahme auf BayObLG, FamRZ 2000, 699, 700 [BayObLG 29.10.1999 - 1Z BR 79/99] zur Konkurrenz von deutschem und griechischem Recht zur Beurteilung des Familiennamens). Maßgebend sei bei einer Konkurrenz der Abstammungsstatute diejenige Rechtsordnung, nach der eine Abstammung zuerst wirksam festgestellt worden ist. Die Anwendung einer anderen Rechtsordnung komme erst dann in Betracht, wenn die vorliegende wirksame Feststellung der Abstammung durch Anfechtung beseitigt worden ist.

28

Zu einem anderen Ergebnis kann man gelangen, wenn man dem Günstigkeitsprinzip folgt. Henrich vertritt die Ansicht, dass einer der beiden Anknüpfungsalternativen der Vorrang nach dem für das Kind günstigsten Weg einzuräumen sei (Internationales Familienrecht, 2. Aufl., S. 228 für das Verhältnis deutsches und türkisches Recht, ders. StAZ 1998, 1, 2; ders. FamRz 1998, 1401, 1402). Das dem Kind günstigste Recht sei dasjenige, das ihm ohne Umwege zu seinem wirklichen Vater verhelfe. Die vorherige Anfechtung einer gesetzlich bestehenden Vaterschaft aufgrund einer anderen Anknüpfung sei daher ungünstiger. Zugleich führt Henrich als Argument die Regelung in § 1599 Abs. 2 BGB an, wonach eine Anerkennung trotz bestehender Vaterschaft eines anderen Mannes möglich sei.

29

Über die Anerkennung des leiblichen Vaters hinaus erweitert Henrich das Günstigkeitsprinzip dahingehend, dass das Einverständnis des früheren Ehemannes des Mutter nicht in jedem Fall vorliegen müsse, da der Kontakt zwischen beiden nach der Scheidung häufig verloren gehe und seine vorherige Einwilligung formalistisch erscheine. Deshalb sollte bei einer Konkurrenz des unwahrscheinlichen Vaters mit dem wahrscheinlichen Vater die Rechtsordnung sich durchsetzen, "die dem Kind unmittelbar - also ohne vorherige Anfechtung der Vaterschaft oder ausdrückliche Einwilligung des früheren Ehemannes - zu seinem wahrscheinlichen Vater verhilft" (a.a.O., S. 229). Allein aus Gründen der Rechtssicherheit müsse der Dritte in analoger Anwendung des § 1599 Abs. 2 BGB die Vaterschaft binnen 1 Jahres anerkennen.

30

Die von Henrich bevorzugte Anknüpfung nach Satz 1 überwiegend unter Hinweis darauf kritisiert, dass damit sogar die Vaterlosigkeit des Kindes mit den Unterhalts- und erbrechtlichen Folgen in Kauf genommen werde (Hepting/Gaaz, a.a.O. Rz. IV-434 f.; Hepting, StAZ 2000, ff.; Gaaz, StAZ 1998, 241, 250 f.) Deshalb sei die Rechtsordnung günstiger, die zu einem Vater führe, auch wenn dies nicht der biologische Vater sei. Eine Chance des Kindes auf die Feststellung der Vaterschaft genüge nicht. Liege eine wirksame pränatale Anerkennung nicht vor und bestehe eine gesetzliche Vaterschaft so genüge die Anerkennungsbereitschaft eine Vaters nicht, vielmehr sei dem Kind auch die unwahrscheinlich Vaterschaft des früheren Ehemannes günstiger (Hepting, StAZ 2000, 33, 39 ff.). Allein für den Fall, dass das wirksame Vaterschaftsanerkenntnis eines sich zu dem Kind bekennenden Vaters mit der gesetzlichen Vaterschaft des Ehemannes konkurriere sei dem der Anerkennung der Vorzug zu gebe (Hepting/Gaaz, Rz. IV-436 f.). Weiterhin stützt Hepting seine Ansicht auf die Gesichtspunkte der Statusklarheit im Zeitpunkt der Geburt, das legitime Ziel der Unterhaltssicherung und die Rechtssicherheit ( StAZ 2000, 33, 40 f.).

31

Das BayObLG folgt dieser Ansicht mit der Begründung, dass die Rechtsordnung für das Kind günstiger sei, die dem Kind zuerst zum Vater verhelfe. Gegenüber der völligen Vaterlosigkeit sei dies schon wegen der Unterhalts- und erbrechtlichen Konsequenzen der Fall (FG-Prax 2002, 66, 67). Eine Ausnahme lässt das BayObLG aufgrund der Vaterschaftswahrscheinlichkeit für den Fall zu, dass bereits im Zeitpunkt der Geburt das Kind, aber auch danach (Seite 68) wirksam zwei Vätern zugeordnet werden könne, insbesondere bei einem vorgeburtliches Anerkenntnis (§ 1594 Abs. 4 BGB) vorliegt.

32

Für die vorliegende Fallkonstellation, der gesetzlich vermuteten, jedoch unwahrscheinlichen Vaterschaft und dem anerkennungsbereiten und wahrscheinlichen Vater, kann die herrschende Ansicht nicht überzeugen. Sie führt zu keinem für das Kind günstigeren Ergebnis, da die Vaterschaft erst nach Abschluss eines Anfechtungsverfahrens anerkannt werden kann. Für das Kind ist die Anwendung des deutschen Rechts günstiger, weil der biologische Vater zur Anerkennung der Vaterschaft bereit ist.

33

Für das Kind ist es günstiger, dass die Vaterschaft beurkundet wird, die nach der Ehescheidung von der Kindesmutter angegeben und von dem biologischen Vater anerkannt wird. Praktisch kann man die Mutter nicht auf die Regelung des § 1599 Abs. 2 BGB verweisen, da zu dem geschiedenen Ehemann i.d.R. kein Kontakt mehr besteht, wie dies vorliegend nach Nigeria ebenfalls nicht der Fall ist, oder sich der geschiedene Ehemann im Ausland nicht um die gesetzlich vermutet Vaterschaft kümmert.

34

Dem steht der biologische Vater gegenüber, der von der Mutter bereits zum Zeitpunkt der Geburt benannt werden kann und der auch zu einem zeitnahen Anerkenntnis bereit ist. In dieser Situation verdichtet sich die Vaterschaftswahrscheinlichkeit zu einer rechtlich hinreichenden Vaterschaftssicherheit, die den Vorrang gegenüber einer gesetzlich vermuteten unwahrscheinlichen Vaterschaft genießt. Sobald Mutter und der biologische Vater zu den entsprechenden Erklärungen bereit sind, kann man nicht mehr von einer unsicheren Vaterschaftschance sprechen. Sollte eine entsprechende Erklärung konkret vom biologischen Vater nicht abgegeben werden, wäre der nach der nach Art. 19 Abs. 1 Satz 2 EGBGB berufenen Rechtsordnung feststehende Vater einzutragen.

35

Die mit der gesetzlich vermuteten Vaterschaft und bereits im Zeitpunkt der Geburt bestehenden Rechte des Kindes stehen der hier vertretenen Ansicht nicht entgegen. Die Unterhaltsansprüche des Kindes lassen sich in der Praxis gegen den gesetzlich vermuteten Vater, zu dem die Kindesmutter keinen Kontakt mehr hat und der häufig im Ausland lebt, nicht durchsetzen. Auf erbrechtliche Ansprüche wird man ebenfalls nicht abstellen können, da selbst nach dem Tod des Scheinvaters noch ein Anfechtungsverfahren durchgeführt werden kann (§ 1600 b Abs. 2 BGB).

36

Soweit Hepting darauf abstellt, dass insbesondere im Abstammungsrecht Statusklarheit gegeben sein müssen, lässt sich zumindest für die vorliegende Konstellation ein rechtlich nicht hinzunehmender Schwebezustand nicht erkennen. Auch Henrich hat die Gefahr einer fortdauernden Vaterschaftslosigkeit gesehen und ist dafür eingetreten die Jahresfrist von § 1599 Abs. 2 BGB insoweit anzuwenden. Von der herrschenden Meinung wird angeführt, dass der anerkennungsbereite Vater seine Ansicht ändern könne, wenn er zwischenzeitlich erfahren habe, dass die Mutter auch zu anderen Männern eine Beziehung gehabt habe.

37

Jedoch werden damit bereits wieder andere Fallgruppen gebildet, die mit der vorliegenden Konstellation gerade nicht übereinstimmen. Denn hier ist der biologische Vater vorhanden, jedoch an einem Anerkenntnis rechtlich gehindert (§ 1594 Abs. 2 BGB). Nicht selten wird auch eine Lebensgemeinschaft bestehen. Vor diesem Hintergrund sollte eine deutlich kürzere Frist als von einem Jahr gewählt werden. Ohne dass es in diesem Zusammenhang entscheidungserheblich wäre, könnte eine Frist von einem bis zwei Monaten angemessen sein.

38

Auch der Gesichtspunkt der Rechtssicherheit spricht nicht gegen eine Fallgruppenbildung. Diese ist dem internationalen Privatrecht keineswegs grundsätzlich fremd. Rechtssicherheit besteht jedenfalls dann, wenn die Fallgruppen klar gebildet und konkretisiert werden. Das das beigeladene Kind vertretene Jugendamt hat darauf hingewiesen, dass in der Praxis zunehmend häufiger Fälle der vorliegenden Konstellation gegeben seien, so dass ein praktisches Bedürfnis nach einer entsprechenden Klärung, damit jedoch zugleich auch nach der Fallgruppenbildung besteht.

39

Schließlich ist seit dem KindRG in § 1599 Abs. 2 BGB die an die Ehe anknüpfende Vermutung der Vaterschaft zurück gedrängt worden und die privatautonomen Vaterschaftszuordnung anerkannt worden. Dieser Regelungsgehalt wird in der gerichtlichen Praxis als Anhaltspunkt dafür genommen, dass ein Abstammungsgutachten nicht einzuholen ist, wenn die Eheleute getrennt leben und die Eheleute und der anerkennungswillige Vater übereinstimmend bekunden, dass der Ehemann nicht der Vater sein könne ( AG Hannover, FamRZ 2001, 254; AG Hamburg, DAVorm 1999, 156 ff.; ablehnend Gaul, FamRZ 2000, 1461, 1467 f.).

40

Nach dem Günstigkeitsprinzip ist daher vorliegend für die Abstammung auf deutsches Recht abzustellen, so dass die Eintragung des Beklagten zu Unrecht erfolgte. Wie dargestellt kann die Klägerin jedoch nicht auf den unsicheren Weg eines personenstandsrechtlichen Verfahrens verwiesen werden.

41

Die Klage ist begründet.

42

Der Beklagte gilt nach dem dargestellten und nach Art. 19 Abs. 1 Satz2 EGBGB angewandten nigerianischem Recht als Vater des Kindes.

43

Gemäß §§ 1600, 1600e Abs.1, 1589 BGB hat das Gericht auf die erhobene Anfechtungklage zu entscheiden, ob das Kind tatsächlich, also genetisch von dem Beklagten abstammt.

44

Die Vaterschaftsvermutung ist aufgrund der Beweisaufnahme widerlegt.

45

Nach dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. ... vom 5.2.2002, für das Kosten von 1.389,- € entstanden sind, ist die Vaterschaft des Zeugen ... mit einer Wahrscheinlichkeit von 99,99998 % mit dem verbalen Prädikat "Vaterschaft praktisch erwiesen" gegeben.

46

Vor diesem Hintergrund ist die Vaterschaft des Beklagten ausgeschlossen. Aufgrund seines Aufenthalts konnte der Beklagte nicht in das Gutachten einbezogen werden.

47

Anhaltspunkte, die gegen die Richtigkeit des Gutachtens sprechen könnten, haben sich in der mündlichen Verhandlung nicht ergeben. Vielmehr bestätigte die Klägerin die Beziehung zum Zeugen ... .

48

Die Kostenentscheidung beruht auf § 93c ZPO.