Amtsgericht Hannover
Urt. v. 23.08.2002, Az.: 515 C 1003/02

Erstattung von Mehraufwendungen aufgrund der Annullierung eines Rückflugs aus einer Fern-Flug-Vollfamilienversicherung bzw. "Travel-Delay-Versicherung"; Unterbliebene Übergabe der Versicherungsbedingungen

Bibliographie

Gericht
AG Hannover
Datum
23.08.2002
Aktenzeichen
515 C 1003/02
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2002, 33257
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:AGHANNO:2002:0823.515C1003.02.0A

Fundstellen

  • RRa 2003, 139-141 (Volltext mit red. LS)
  • VersR 2003, 1570-1571 (Volltext mit red. LS)

Verfahrensgegenstand

Versicherungsleistung

In dem Rechtsstreit
...
hat das Amtsgericht Hannover - Abteilung -515-
auf die mündliche Verhandlung vom 09.08.2002
durch
die Richterin am Amtsgericht
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 102,26 € Zug um Zug gegen Rückgabe des Verrechnungsschecks der Beklagten vom 23.10.2001 über 200,00 DM - Commerzbank München, Scheck-Nr. 01008697 - zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe Von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Die Klägerin buchte in der Reiseagentur Meridian in Wunstorf für sich und ihre Tochter eine Flugpauschalreise in die USA, New York für die Zeit vom 05.09. bis 12.09.2001. Zugleich schloss sie bei der Beklagten eine Fern-Flugvoll-/Familienversicherung, Tarif FFV5 zu einer Versicherungsprämie in Höhe von 210,00 DM ab. In dem Prospekt der Beklagten ist auf S. 8 zur "Fern-Flug-Vollschutz" darauf hingewiesen:

2

"Extra: Travel-Delay-Versicherung.

3

Dieses kostenlose Extra für das Fern-Flug-Paket ersetzt Aufwendungen aus Anlaß einer nicht planmäßigen Abwicklung des gebuchten Flugs z. B. bei Verspätung von aufgegebenem Gepäck ab 6 Stunden bis 100,00 DM."

4

Sowie:

5

"Weitere Leistungsbeschreibungen finden Sie auf den Seiten 14 und 16."

6

Auf den Seiten 18/19 heißt es:

7

"Für sämtliche in dieser Broschüre aufgeführten Versicherungsparten gelten die jeweiligen Versicherungsbedingungen der ELVIA-Reiseversicherungen. Leistungs und Prämienänderungen vorbehalten.

8

....

9

Der Versicherungsschutz wird erst mit Prämienzahlung und der Übergabe von Versicherungsnachweis und Versicherungsbedingungen wirksam."

10

Durch die Terroranschläge in New York am 11.09.2001 konnte die Klägerin und ihre Tochter den Rückflug nicht buchungsgerecht antreten, der Rückflug erfolgte erst am 17.09.2001. Der Klägerin sind hierdurch gemäß Rechnung vom 17.09.2001 Hotelmehrkosten gemäß Rechnung des Hotel Milford Plaza vom 17.09.2001 in Höhe 988,84 Dollar entstanden. Bei einem Umrechnungskurs von 2,20 DM entspricht dies einem Betrag von 2.175,54 DM.

11

Die Beklagte hat der Klägerin, die unter anderem diese Mehrkosten geltend gemacht hat, am 23.10.2001 einen Verrechnungsscheck über 200,00 DM übersandt; in dem Schreiben heißt es:

12

"Erstattung der Höchstsumme von 100,00 DM pro Person gemäß der Travel-Delay-Versicherung § 2 Nr. 1 b AVB Travel-Delay Die Erstattung erfolgt ohne Anerkenntnis einer Rechtspflicht, da uns als Nachweis lediglich die Rechnung in Kopie vorliegt."

13

In den Versicherungsbedingungen der Beklagten, die in einem Heft zusammengefasst: sind, heißt es unter der Travel-Delay Versicherung- AVB DEL 00 - Unter § 2 Nr. 1 b:

14

"Die ELVIA ersetzt die Kosten für Verpflegung und notfalls für Hotelübernachtung, soweit nicht andersvereinbart, bis zu höchstens 100,00 DM, wenn

15

b)

der gebuchte Flug annulliert wird".

16

Die Klägerin behauptet eine Versicherungspolice mit den Versicherungsbedingungen in einem Heft nicht erhalten zu haben. Sie habe lediglich den Versicherungsnachweis sowie einen Prospekt der Beklagten über deren angebotenen Versicherungsschutz erhalten.

17

Sie meint, die Beklagte sei mangels Einbeziehung der Versicherungsbedingungen in den Versicherungsvertrag entsprechend dem Hinweis zu der "TravelDelay Versicherung" in der auf eine Haftungsbeschränkung nicht hingewiesen sei, zur Erstattung der angefallenen Mehrkosten aufgrund der Annullierung des gebuchten Rückfluges verpflichtet.

18

Den von der Beklagten übersandten Scheck hätte sie nicht einlösen müssen, sie sei nicht verpflichtet, eine Teilleistung anzunehmen.

19

Die Klägerin beantragt,

20

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.112,29 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.11.2001 zu zahlen.

21

Die Beklagte beantragt,

22

die Klage abzuweisen.

23

Sie behauptet, die Klägerin hätte das Versicherungsheft mit Police und den Versicherungsbedingungen erhalten.

24

Die Klägerin hat in einem nicht nachgelassenen Schriftsatz für die Beklagte das Originalschreiben mit Scheck eingereicht.

25

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

26

Die Klage ist lediglich zu einem geringen Teil und zudem noch unter einer Zugumd Zugleistung, nämlich Herausgabe des von der Beklagten übersandten Schecks- begründet; ein darüber hinausgehender Anspruch auf Erstattung der Mehraufwendungen im Zusammenhang mit dem annullierten Rückflug wegen der Terroranschläge in New York am 11.09.2001 steht der Klägerin nicht zu.

27

Die Beklagte hat die der Klägerin zustehende Versicherungsleistung aufgrund der abgeschlossenen Versicherung und dem sodann eingetretenen Versicherungsfall durch Übersendung des Schecks in Höhe von 200,00 DM ordnungsgemäß erbracht.

28

Die Klägerin hat bei der Beklagten ausweislich des von ihr eingereichten Versicherungsnachweises eine Fern-Flug-Voll-Familienversicherung FFV 5 abgeschlossen. Allerdings lässt sich der Leistungsumfang, insbesondere auch der Zusatz der kostenlosen Travel-Delay-Versicherung hieraus nicht entnehmen. Die Klägerin kann sich daher auf den ihr ausgestellten Versicherungsnachweis für einen Anspruch auf Versicherungsleistungen aus der Travel-Delay-Versicherung nicht beziehen.

29

Soweit die Klägerin auf die ihr im Reisebüro ausgehändigten Prospekte der Leistungsbeschreibung der Beklagten abstellt, ergibt sich zunächst, dass die von der Klägerin vorgelegten Versicherungsbedingungen sich nicht auf die von der Klägerin abgeschlossene Versicherung beziehen. Bei gehörigem Lesen dieser Unterlagen hätte die Klägerin dies feststellen und auch reklamieren müssen, da es sich bei Aushändigung der nicht einschlägigen Versicherungsbedingungen offensichtlich um ein Versehen des Reisebüros handelte.

30

Die Klägerin hat lediglich - sofern ihr das Versicherungsheft, das die Beklagte als Blancomuster eingereicht hat, nicht ausgehändigt worden ist - Kenntnis von dem Umfang der abgeschlossenen Fern-Flug-Vollfamilienversicherung aus der ihr weiterhin vom Reisebüro ausgehändigten Broschüre der Beklagten "Reiseschutz nicht vergessen" erhalten. Dort ist nämlich auf S. 8 der Leistungskatalog der Fern-Flug-Vollschutzversicherung angegeben und auf das kostenlose Extra: Travel-Delay-Versicherung" hingewiesen worden. Wenn die Klägerin sich aber auf diesen Leistungskatalog der von ihr abgeschlossenen Versicherung bezieht, so muss sie sich dann auch die Hinweise der Beklagten auf S. 18/19 der Broschüre entgegenhalten lassen. Dort heißt es:

31

"Für sämtliche in dieser Broschüre aufgeführten Versicherungsparten gelten die jeweiligen Versicherungsbedingungen der ELVIA-Reiseversicherungen"

32

und

33

"Der Versicherungsschutz wird erst mit Prämienzahlung und der Übergabe von Versicherungsnachweis und Versicherungsbedingungen wirksam."

34

Dies bedeutet, da nach eigenem Vortrag der Klägerin ihr die Versicherungsbedingungen nicht ausgehändigt worden sind, dass ggf. eine wirksame Versicherung nicht zustande gekommen ist oder aber, wenn die Klägerin auf die Übergabe der Versicherungsbedingungen verzichtet hat, wovon hier vorliegend auszugehen ist, diese vereinbart worden sind und die Klägerin diese gegen sich gelten lassen muss.

35

Nach den Versicherungsbedingungen für die Travel-Delay-Versicheung AVB DL 00 ist die Leistungspflicht aber für den betreffenden Versicherungsfall gemäß § 2 Abs. 1 b auf 100,00 DM pro Person und Versicherungsfall beschränkt, also vorliegend auf 200,00 DM.

36

Diese Versicherungsleistung hat die Beklagte durch Übersendung des Verrechnungsschecks vom 23.10.2001 erbracht.

37

Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang darauf verweist, dass sie nicht verpflichtet, gewesen sei, den Scheck als Teilleistung anzunehmen, gilt dies bereits unter dem Aspekt, dass hiermit nicht eine Teilleistung, sondern vielmehr die gesamte Versicherungsleistung erbracht wurde, fehl. Abgesehen davon wäre die Klägerin, auch wenn lediglich eine Teilleistung erbracht worden wäre, verpflichtet gewesen wäre, den Scheck als Teilleistung anzunehmen, zumal diese Scheckhergabe, deren Auszahlung bei entsprechenden Versicherungen Wie der Beklagten einer garantierten Zahlungszusage entsprechen, als Leistung an Erfüllungs Statt anzusehen ist. Hiergegen spricht auch nicht der Hinweis der Klägerin, die Leistung sei ausweislich des Begleitschreibens der Beklagten ohne Anerkenntnis einer Rechtspflicht erbracht worden und somit der Rückforderung unterstellt worden. Denn die Beklagte hat sich eine Rückforderung nicht vorbehalten, der Hinweis auf "ohne Anerkenntnis einer Rechtspflicht" ist vielmehr deshalb erfolgt, weil die Leistungspflicht der Beklagten mangels Vorlage einer Originalrechnung noch nicht fällig war.

38

Die Beklagte hat im Laufe dieses Verfahrens aber ihre Einstandspflicht in Höhe von 200,00 DM anerkannt. Da die Klägerin den Scheck bisher aber nicht eingelöst hat und zum jetzigen Zeitpunkt im Hinblick auf die Währungsumstellung eine Einlösung des Schecks nicht mehr möglich ist, ist die Zug um Zug-Verurteilung erfolgt.

39

Unberücksichtigt hat insoweit zu bleiben, dass die Klägerin nach der mündlichen Verhandlung das Originalschreiben mit Scheck für die Beklagte eingereicht hat. Dies war der Klägerin nicht vorbehalten. Vielmehr war ihr lediglich vorbehalten worden, die Kopie des Schreibens entsprechend des Beschlusses vom 31.07.2002 einzureichen. Vielmehr ist in der mündlichen Verhandlung die Klägerin ausdrücklich sowohl vom Gericht wie von der Beklagten aufgefordert worden, den Scheck der Beklagten auszuhändigen. Dies ist dort nicht erfolgt. Die Übersendung des Originalschecks für die Beklagte stellt keinen Grund für die Wiedereröffnung der Verhandlung gemäß § 156 ZPO dar.

40

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO.

41

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.