Amtsgericht Hannover
Beschl. v. 06.08.2002, Az.: 71 II 211/02
Einbau von Wasseruhren als bauliche Veränderung am Gemeinschaftseigentum; Einstimmigkeitserfordernis bei Beschluss über Einbau von Wasseruhren
Bibliographie
- Gericht
- AG Hannover
- Datum
- 06.08.2002
- Aktenzeichen
- 71 II 211/02
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2002, 25039
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:AGHANNO:2002:0806.71II211.02.0A
Rechtsgrundlagen
- § 21 Abs. 3 WEG
- § 16 Abs. 2 WEG
Verfahrensgegenstand
Wohnungseigentümergemeinschaft
In der Wohnungseigentumssache
hat das Amtsgericht Hannover - Abteilung für WEG-Sachen -
auf die mündliche Verhandlung vom 6. August 2002
beschlossen:
Tenor:
Die Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom 22.05.2001 zu TOP 3, 4, 5 und 6 werden für ungültig erklärt.
Im Übrigen werden die Anträge zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten tragen die Antragstellerin sowie gesamtschuldnerisch die Antragsgegner jeweils zur Hälfte. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Der Geschäftswert wird auf 6.000,- Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin ist als Eigentümerin der Wohnungen Nr. 7 und Nr. 8 Mitglied der eingangs erwähnten Wohnungseigentümergemeinschaft, die von dem Beteiligten zu 3) verwaltet wird.
In der Eigentümerversammlung vom 22.05.2002 wurde zu TOP 3 die Hausgeldabrechnung 2000 genehmigt und zu TOP 4 für dieses Jahr dem Verwalter Entlastung erteilt, zu TOP 5 die Hausgeldabrechnung für 2001 genehmigt und zu TOP 6 dem Verwalter für dieses Jahr Entlastung erteilt, zu TOP 10 der Austausch der Wasseruhren sowie zu TOP 11 die Gebühr für Reparaturen bei Ein- oder Auszug beschlossen; wegen der Einzelheiten wird auf das Versammlungsprotokoll (Bl. 10 ff. d. A.) verwiesen.
Gegen diese Beschlüsse wendet sich die Antragstellerin. Hinsichtlich TOP 3 und der zugrunde liegenden Jahresabrechnungen (Bl. 14 f. d. A.) bemängelt sie einen falschen Kostenverteilungsschlüssel nach Personen bezüglich des Allgemeinstroms und der Müllabfuhr. Diese Verteilung widerspreche der gesetzlichen Regelung, eine anderweitige Kostenverteilung durch Beschluss sei angesichts der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes unwirksam. Auch die mit Beschluss zu TOP 5 beschlossene Abrechnung (Bl. 17 und 19 d. A.) sei hinsichtlich der Kostenverteilung aus den genannten Gründen für unwirksam zu erklären. Das Gleiche gilt für die entsprechenden Entlastungsbeschlüsse zu TOP 4 und 6. Soweit zu TOP 10 der Austausch der Wasseruhren beschlossen worden sei, enthalte dies auch eine unzulässige, weil nur mehrheitliche Beschlussfassung. Hinsichtlich dieser Änderung des Kostenverteilungsschlüssels sei auch nicht wirksam eingeladen worden. Im Übrigen sollen grundsätzlich intakte, vollfunktionsfähige und wenige Jahre alte Wasseruhren ausgetauscht werden. Auch die mit TOP 11 lediglich mit Mehrheit beschlossene Gebühr für Reparaturen bei Ein- und Auszug wäre ein einstimmiger Beschluss erforderlich gewesen, weil eine neue Kostenart eingeführt werde.
Die Antragstellerin beantragt,
die in der Wohnungseigentümerversammlung der Wohnungseigentümergemeinschaft ..., am 22.05.2002 zu TOP 3 (Genehmigung der Hausgeldabrechnung 2000), TOP 4 (Entlastung des Verwalters für das Jahr 2000), TOP 5 (Genehmigung der Hausgeldabrechnung 2001), TOP 6 (Entlastung des Verwalters für das Jahr 2001), TOP 10 (Austausch der Wasseruhren) und TOP 11 (Gebühren für Reparaturen bei Einzug oder Auszug) gefassten Beschlüsse werden für ungültig erklärt.
Die Antragsgegner beantragen,
die Anträge zurückzuweisen.
Sie stellen nicht in Abrede, dass der Verteilungsschlüssel hinsichtlich der Positionen Allgemeinstrom, Müllabfuhr, Schornsteinfeger, Treppenhaus und Verwaltung angesichts eines vereinbarungsabändernden Beschlusses aus dem Jahre 1983 fehlerhaft sei. Was die Vorverfahren betrifft, seien jedoch die Fehler im Übrigen bereinigt. Hinsichtlich der Wasseruhren verweisen sie darauf, dass ein Mehrheitsbeschluss zum Kaltwasserzählereinbau zulässig sei, was dann logischerweise auch für die entsprechende Umlegung der Wasserkosten gelten müsse. Hinsichtlich TOP 11 verweisen sie darauf, dass angesichts der Stimmenverhältnisse es zu keinem Beschluss über die Einführung einer Gebühr für Reparaturen für Ein- und Auszug gekommen sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die gemäß § 43 Abs. 1 Ziff. 4 WEG zulässigen Anträge sind nur teilweise begründet, nämlich hinsichtlich der Anfechtung der Beschlüsse TOP 3 bis 6. Im Übrigen sind sie unbegründet und waren deshalb zurückzuweisen.
1)
Die Beschlüsse zu TOP 3 bis 6 betreffend die Jahresabrechnungen 2000 und 2001 sowie die entsprechenden Entlastungsbeschlüsse waren für ungültig zu erklären, weil sie den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung gem. § 21 Abs. 3 WEG nicht entsprechen. Denn sie legen einen falschen Kostenverteilungsschlüssel zugrunde.
Gemäß § 16 Abs. 2 WEG haben die Wohnungseigentümer die Lasten des gemeinschaftlichen Eigentums nach dem Verhältnis ihres Anteils zu tragen. Etwas anderes gilt nur, soweit Abweichendes vereinbart wurde, was vorliegend in der Teilungserklärung nicht der Fall ist. Da der Allgemeinstrom und die Müllabfuhr in der Abrechnung 2000 nach Personen abgerechnet sind und in der Abrechnung 2001 nach "Personentage" liegt eine vom Gesetz abweichende Kostenverteilung vor. Ob die Abrechnungsmängel, die Gegenstand des Verfahrens Amtsgericht Hannover 70 II 211/01 mittlerweile berichtigt worden sind, kann an der Unrichtigkeit der Abrechnung aufgrund der oben dargestellten Umstände nichts ändern.
Da die Abrechnungen 2000 und 2001 aufgrund falscher Kostenverteilung für ungültig zu erklären waren, musste dies auch hinsichtlich der entsprechenden Entlastungsbeschlüsse zu TOP 4 und 6 geschehen.
2)
Dagegen waren die Beschlüsse zu TOP 10 und 11 nicht für ungültig zu erklären.
Dies kam bezüglich Beschluss TOP 11 (Aus- und Einzugsgebühr) bereits deshalb nicht in Betracht, weil ausweislich des Versammlungsprotokolls angesichts der gleichen Ja- und Neinstimmen es zu einem Beschluss hierzu überhaupt nicht gekommen ist, so dass auch eine Anfechtung eines Beschlusses nicht in Betracht kommt.
Der Beschluss zu TOP 11 (Wasseruhren) ist als Mehrheitsbeschluss wirksam zustande gekommen, weil er nicht eine Einstimmigkeit gem. § 22 Abs. 1 WEG bedurfte.
Entgegen der früher allgemein anerkannten Meinung handelt es sich nach vordringender Auffassung in Literatur und Rechtsprechung, der sich das Amtsgericht Hannover bereits in mehreren Entscheidungen angeschlossen hat (z.B. 71 II 120/01), bei dem Einbau von Wasseruhren pro Sondereigentumseinheit nicht um eine bauliche Veränderung am Gemeinschaftseigentum, die gem. § 22 Abs. 1 WEG einer einstimmigen Beschlussfassung bedarf, sondern um eine sondereigentumsbezogene, so dass ein Mehrheitsbeschluss ausreicht. Denn bei dem Einbau von Wasseruhren geht es darum, bezogen auf das jeweilige Eigentum genauere und damit gerechtere Verbräuche zu messen. Hieraus ergibt sich die Sondereigentumsbezogenheit. Soweit hierdurch sich eine Änderung des Kostenverteilungsschlüssels ergibt, muss dieses - hier anders als in obigen Fällen - in logischer Konsequenz ebenfalls als zulässig angesehen werden. Der Einbau der Kaltwasseruhren entspricht auch den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung, soweit er den tatsächlichen Verbrauch nach dem Kostendeckungsprinzip im Innenverhältnis in Rechnung stellt, so dass eine verbrauchsabhängige Abrechnung der Wasserkosten nicht dem gesetzlichen Kostenverteilungsschlüssel gem. § 16 Abs. 2 WEG widerspricht, sondern ihn zutreffend anwendet (Bub, NZM 2001, Seite 743 f.). Soweit es in dem vorliegenden Fall konkret zunächst nur darum geht, die Zählwerke auszutauschen und erst in einem zweiten Schritt möglicherweise die Wasseruhren auszutauschen, bleibt es dabei, dass es um die gerechtere Messung der Verbräuche bezogen auf das Sondereigentum geht, mithin die Maßnahme sich nicht auf das Gemeinschaftseigentum, sondern auf das jeweilige Sondereigentum bezieht. Es bleibt also bei der Mehrheitsherrschaft aufgrund entsprechender Beschlusskompetenz der Gemeinschaft.
3)
Die Kostenentscheidung folgt gem. § 47 WEG. Danach haben gemäß der Billigkeit im Verhältnis des Obsiegens und Unterliegens die Antragstellerin und gesamtschuldnerisch die Antragsgegner hälftig die Gerichtskosten zu tragen. Im übrigen bleibt es bei dem allgemeinen Grundsatz der freiwilligen Gerichtsbarkeit, dass außergerichtliche Kosten nicht erstattet werden; dies gilt auch hinsichtlich der für ungültig erklärten Abrechnungen, weil die Rechtslage um den zitierten Beschluss des BGH vom 20.09.2000 immer noch nicht als abschließend geklärt angesehen werden kann.
4)
Die Entscheidung über den Geschäftswert folgt aus § 48 Abs. 3 WEG, wobei es angemessen erscheint, die Anfechtung der Abrechnungen und der Entlastungsbeschlüsse mit dem Regelgeschäftswert zu bemessen, dagegen die Anfechtung der Beschlüsse zu TOP 10 und 11 jeweils mit dem hälftigen Regelgeschäftswert.
Streitwertbeschluss:
Der Geschäftswert wird auf 6.000,- Euro festgesetzt.