Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 13.05.2005, Az.: 3 ZD 1/05

Ernstliche Zweifel an der Rechtsmäßigkeit der angeordneten vorläufigen Dienstenthebung eines Beamten wegen schuldhaft begangener Dienstvergehen

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
13.05.2005
Aktenzeichen
3 ZD 1/05
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2005, 50450
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2005:0513.3ZD1.05.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Oldenburg - 13.09.2004 - AZ: 14 B 838/04

Fundstelle

  • RiA 2006, 187-188

Gründe

1

Der Antragsteller wendet sich dagegen, das es dass Verwaltungsgericht in dem Beschluss vom 13. September 2004 abgelehnt hat, die unter dem 10. Februar 2004 angeordnete vorläufige Dienstenthebung des Antragstellers (nebst teilweiser Einbehaltung seiner monatlichen Dienstbezüge in Höhe von 10 %) auszusetzen.

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Die nach § 67 Abs. 1 und 3 BDG zulässige Beschwerde des Antragstellers - der Senat hat mit Beschluss vom 7. Februar 2005 - 3 MD 3/04 - auf Antrag des Antragstellers die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 13. September 2004 nach § 67 Abs. 3 BDG i. V. m. § 124 Abs. 2 Nr. 5 und § 138 Nr. 1 VwGO zugelassen - , hat Erfolg; denn an der Rechtmäßigkeit der mit Verfügung vom 10. Februar 2004 angeordneten vorläufigen Dienstenthebung des Antragstellers (nebst teilweiser Einbehaltung seiner Dienstbezüge) bestehen nach dem Kenntnisstand dieses Eilverfahrens ernstliche Zweifel i. S. des § 63 Abs. 2 BDG. Der mit der Beschwerde angefochtene Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 13. September 2004 ist daher zu ändern und die Anordnung der vorläufigen Dienstenthebung des Antragstellers (nebst teilweiser Einbehaltung seiner Bezüge) gem. § 63 Abs. 2 BDG auszusetzen.

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An der Rechtmäßigkeit der in der Verfügung vom 10. Februar 2004 angeordneten vorläufigen Dienstenthebung des Antragstellers (nebst teilweiser Einbehaltung seiner Dienstbezüge) bestehen nach dem Kenntnisstand dieses Eilverfahrens ernstliche Zweifel i. S. des § 63 Abs. 2 BDG.

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Ernstliche Zweifel i. S. des § 63 Abs. 2 BDG sind dann anzunehmen, wenn die Wahrscheinlichkeit, dass die Voraussetzungen der Anordnung nach § 38 Abs. 1 und 2 BDG nicht erfüllt sind, (mindestens) ebenso groß ist wie die Wahrscheinlichkeit, dass die Voraussetzungen erfüllt sind (Gansen, Disziplinarrecht in Bund und Ländern, Stand: Februar 2005, RdNr. 9 zu § 63). Dies bedeutet, dass neben der formellen Rechtmäßigkeit der Anordnung nach § 38 Abs. 1 und 2 BDG geprüft werden muss, ob die - in der Anordnung nach § 38 BDG liegende - Prognose gerechtfertigt ist, der Beamte werde im Disziplinarverfahren voraussichtlich aus dem Dienst entfernt werden (Gansen, aaO, RdNr. 10); ist es aber nach dem Kenntnisstand des Eilverfahrens (zumindest) ebenso wahrscheinlich, dass eine Entfernung des Beamten im Disziplinarverfahren nicht erfolgen wird, so sind ernstliche Zweifel i. S. des § 63 Abs. 2 BDG zu bejahen. Hier ist es nach dem derzeitigen Kenntnisstand dieses Eilverfahrens (mindestens) ebenso wahrscheinlich, dass der Antragsteller im Disziplinarverfahren nicht aus dem Dienst entfernt werden wird, wie die Prognose, dass der Antragsteller aus dem Dienst zu entfernen sein wird. Denn die Rechtmäßigkeit der Anordnung vom 10. Februar 2004 erscheint sowohl in formeller als auch in materieller Hinsicht mit Zweifeln behaftet, so dass derzeit die Entfernung des Antragstellers aus dem Dienst jedenfalls nicht überwiegend wahrscheinlich ist.

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Schon in formeller Hinsicht ergeben sich entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts gegen die Anordnung vom 10. Februar 2004 rechtliche Bedenken.

6

Diese Bedenken können allerdings nicht bereits daraus hergeleitet werden, dass, wie der Antragsteller meint, die Verfügung zur Einleitung des Disziplinarverfahrens gegen den Antragsteller von dem dafür zuständigen Dienstvorgesetzten, dem Geschäftsführer der Unfallkasse des Bundes (s. dazu § 17 Abs. 1 Satz 1 BDG, § 83 Abs. 1 BDG i. V. m. § 1 Abs. 2 Satz 2 der Verordnung zur Durchführung des Bundesdisziplinargesetzes bei den bundesunmittelbaren Körperschaften mit Dienstherrenfähigkeit im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung v. 24.2.2003, BGBl. I S. 300 - BDGBMGSDV -), am 10. Juli 2003 lediglich mit einer Paraphe abgezeichnet und nicht mit vollem Namenszug unterzeichnet worden ist. Auch wenn der Einleitung des behördlichen Disziplinarverfahrens gegen einen Bundesbeamten erhebliche Bedeutung zukommt, weil etwa einerseits durch die Einleitung des Disziplinarverfahrens die Fristen für ein Verbot einer Disziplinarmaßnahme wegen Zeitablaufs nach den Absätzen 1 bis 3 des § 15 BDG unterbrochen werden (§ 15 Abs. 4 BDG) und andererseits die Sechsmonatsfrist für einen Antrag auf ein gerichtliches Fristsetzungsverfahren nach § 62 BDG in Lauf gesetzt wird, ergibt sich hieraus nach Ansicht des Senats nicht, dass die Einleitungsverfügung in den Akten wie eine gerichtlich verfügte Fristsetzung, die nach der Bestimmung des § 56 VwGO zuzustellen und daher für ihre Wirksamkeit von dem Richter voll zu unterschreiben ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 4.3.1993 - BVerwG 8 B 186.92 -, NJW 1994, 746 = Buchholz 310 § 87 b VwGO Nr. 1 = NVwZ 1994, 482), in jedem Fall von dem Dienstvorgesetzten mit vollem Namen unterschrieben werden muss. Der Beamte ist nämlich über die Einleitung des Disziplinarverfahrens nach dem nunmehr geltenden Recht (s. § 20 Abs. 1 BDG) nur zu unterrichten, eine Zustellung der Einleitungsverfügung, wie dies noch nach § 33 Satz 3 BDO für das frühere förmliche Disziplinarverfahren bestimmt war, ist nicht mehr vorgesehen, auch enthält das Bundesdisziplinargesetz keine Formvorschriften dazu, wie die Einleitung des Disziplinarverfahrens aktenkundig zu machen ist. Vor diesem Hintergrund, d. h. einerseits angesichts der Bedeutung der Einleitung des Disziplinarverfahrens (s. o.) und insbesondere angesichts der Notwendigkeit, dass für die angesprochene Fristbestimmung für den Beamten, aber auch für das gegebenenfalls angerufene Gericht eindeutig sein muss, ob und wann ein Disziplinarverfahren eingeleitet worden ist, und angesichts der fehlenden Formvorschriften und des Wegfalls des Zustellungserfordernisses andererseits, kann es nur darauf ankommen, dass anhand des Aktenstücks, das die Einleitung des Disziplinarverfahrens enthält, zweifelsfrei geklärt werden kann, ob gegen den Beamten tatsächlich ein Disziplinarverfahren bereits eingeleitet werden sollte, also nicht nur der Entwurf einer Einleitungsverfügung vorliegt, und dass auch eindeutig sein muss, dass der zuständige Dienstvorgesetzte das Verfahren eingeleitet hat. Diesen Erfordernissen für das Vorliegen einer wirksamen Einleitungsverfügung genügt in der Regel nur die Unterzeichnung der (datierten) Einleitungsverfügung mit der vollen Namensunterschrift des zuständigen Dienstvorgesetzten. Ausnahmsweise kann aber auch die Abzeichnung der Verfügung durch eine Paraphe, die grundsätzlich auch die Herleitung auf den zuständigen Beamten zulässt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 18.7.2000 - BVerwG 2 B 19.00 -, Buchholz 316 § 37 VwVfG Nr. 12), ausreichen, wenn nach den Umständen gewährleistet ist, dass der betroffene Beamte und das im Streitfall angerufene Gericht mit hinreichender Gewissheit feststellen können, dass das die Einleitung beinhaltende Aktenstück von dem zuständigen Dienstvorgesetzten abgezeichnet worden ist und dass dieser hiermit nicht nur einen Entwurf, sondern die endgültige Fassung der Einleitungsverfügung hat abzeichnen wollen (vgl. BGH - Senat für Notarsachen, Beschl. v. 4.4.1996 - NotZ 30/95 -, NJW-RR 1996, 1015 = BGHR BDO § 30 Abs. 1 Disziplinarverfügung 1 u. OLG Celle, Urt. v. 19.1.1999 - Not 4/98 -, NdsRpfl. 1999, 289 - jeweils für die Einleitungsverfügung im förmlichen Disziplinarverfahren). So verhält es sich aber bei der Einleitungsverfügung vom 10. Juli 2003.

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Es ist eindeutig, dass der für die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen den Antragsteller zuständige Dienstvorgesetzte, der Geschäftsführer der Bundesunfallkasse (s. die §§ 17 Abs. 1 Satz 1, 83 BDG und § 1 Abs. 2 Satz 2 BDGBMGSDV ), Direktor B., die Einleitungsverfügung vom 10. Juli 2003 abgezeichnet hat. Denn die Verfügung (Bl. 277 der Beiakte C) ist mit einer in Grünschrift ausgeführten Paraphe abgezeichnet worden, auch stimmt die Paraphe mit den übrigen, dem Geschäftsführer zuzuordnenden Paraphen überein, weil der Geschäftsführer in den Akten auch andere für ihn bestimmte Aktenstücke mit diesem Farbstift abgezeichnet hat. Des Weitern kann es keinem Zweifel unterliegen, dass der Geschäftsführer am 10. Juli 2003 mit der aktenkundig gemachten Verfügung das Disziplinarverfahren gegen den Antragsteller einleiten wollte, es sich bei dem Aktenstück also nicht nur um einen - mit einer Paraphe abgezeichneten - Entwurf einer Einleitungsverfügung gehandelt hat. Denn in der Ziffer 2 der Verfügung wird der als Ermittlungsführer bestellte Verwaltungsoberrat C. auch angewiesen, den Antragsteller von der Einleitung des Disziplinarverfahrens zu unterrichten, was nur verständlich ist, wenn das behördliche Disziplinarverfahren nunmehr in Gang gesetzt werden sollte.

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Bedenken in formeller Hinsicht ergeben sich auch nicht daraus, dass der Antragsteller erst am 13. August 2003 von der Einleitung des Disziplinarverfahrens unterrichtet worden ist. Allerdings war diese erst einen Monat nach der Einleitung erfolgte Unterrichtung nicht mehr unverzüglich i. S. des § 20 Abs. 1 Satz 1 BDG. Denn es ist nicht ersichtlich, dass besondere Umstände i. S. des § 20 Abs. 1 Satz 1 BDG eine so späte Unterrichtung gerechtfertigt hätten. Vielmehr erfolgte die späte Unterrichtung nur deshalb, weil der Geschäftsführer der Unfallkasse das Schreiben, mit dem der Antragsteller von der Einleitung des Disziplinarverfahrens unterrichtet werden sollte und in dem die gegen den Antragsteller erhobenen Vorwürfe benannt wurden, selbst noch nach seinem Urlaub redigieren wollte, auch wenn er den Ermittlungsführer C., der das Unterrichtungsschreiben weisungsgemäß auch verfasst hat, mit der Unterrichtung des Antragstellers beauftragt hatte. Dieser Verstoß gegen die in § 20 Abs. 1 BDG statuierte Pflicht zur unverzüglichen Unterrichtung des Beamten, die zugleich einen Verstoß gegen das in § 4 BDG niedergelegte Beschleunigungsgebot darstellt, kann aber entgegen der Ansicht des Antragstellers nicht zur Folge haben, dass das (behördliche) Disziplinarverfahren gegen den Antragsteller in entsprechender Anwendung des § 55 Abs. 3 Satz 3 BDG einzustellen und damit die umstrittene Dienstenthebungsverfügung vom 10. Februar 2004 ernstlichen Zweifeln an ihrer Richtigkeit ausgesetzt wäre. Die Verletzung des Beschleunigungsgebots kann nämlich grundsätzlich keine verfahrensrechtlichen Folgen nach sich ziehen (Gansen, aaO, RdNr. 6 zu § 4 m. w. Nachw.). Zumindest rechtfertigt der Verstoß gegen die Pflicht zur unverzüglichen Unterrichtung des Beamten gem. § 20 Abs. 1 BDG nicht eine Einstellung des (behördlichen) Disziplinarverfahrens. Gerade die von dem Antragsteller angeführte Bestimmung des § 55 Abs. 3 Satz 3 BDG zeigt, dass nach dem nunmehr geltenden Recht sogar wesentliche Mängel des (behördlichen) Disziplinarverfahrens noch geheilt werden können, also nicht ipso iure zur Rechtswidrigkeit des Verfahrens und der in diesem Verfahren ergangenen Maßnahmen führen. Hinzu kommt, dass nicht ersichtlich ist, dass die Verteidigung des Antragstellers im Disziplinarverfahren durch seine verspätete Unterrichtung wesentlichen erschwert worden ist, so dass auch nicht festgestellt werden kann, dass sich der Verfahrensverstoß der verspäteten Unterrichtung zu Lasten des Antragstellers materiell ausgewirkt hat.

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Demgegenüber ergeben sich in formeller Hinsicht ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verfügung vom 10. Februar 2004 aber daraus, dass nicht hinreichend deutlich ist, dass die Verfügung auch von dem dafür nur zuständigen Geschäftsführer der Unfallkasse des Bundes (s. die §§ 38, 34 Abs. 2 BDG, § 1 Abs. 2 Satz 2 BDGBMGSDV ) und nicht etwa von der Unfallkasse selbst erlassen worden ist.

10

Die Dienstenthebungsverfügung vom 10. Februar 2004 ist auf Briefbögen der Unfallkasse des Bundes gefertigt worden, auf denen sich im Briefkopf nur die Bezeichnung "Unfallkasse des Bundes" befindet. Allerdings enthält die erste Seite der 31 Seiten umfassenden Verfügung auch die Bezeichnung "Geschäftsführung", woraus das Verwaltungsgericht geschlossen hat, es sei damit deutlich, dass die Verfügung von dem Geschäftsführer selbst stammt, zumal dieser auch nicht mit dem Zusatz "i. V." oder "i. A." unterzeichnet habe. Der Zusatz "Geschäftsführung" (unter dem Briefkopf "Unfallkasse des Bundes") deutet nach Ansicht des Senats für den Adressaten der Verfügung aber gerade darauf hin, dass der Geschäftsführer, Direktor D., hier in seiner Eigenschaft als Organ der Unfallkasse für diese bundesunmittelbare Körperschaft und nicht selbst als von der obersten Dienstbehörde ermächtigte Behörde i. S. des § 38 BDG tätig geworden ist. Gerade weil der Geschäftsführer hier - auch für die der Unfallkasse angegliederte Künstlersozialkasse, bei der der Antragsteller dienstlich verwendet worden ist - eine Doppelstellung in Bezug auf das Disziplinarrecht und die Vertretung der Unfallkasse bzw. der Künstlersozialkasse einnimmt, wäre es erforderlich gewesen, dass bei der Disziplinarmaßnahme nach § 38 BDG in der betreffenden Verfügung nach außen unmissverständlich klargestellt worden wäre, dass der Geschäftsführer hier nicht als Organ der Körperschaft Unfallkasse des Bundes, sondern als zuständige Disziplinarbehörde tätig werden wollte. Dies ist aber nicht geschehen, da auch im Text der Verfügung ein entsprechender Hinweis fehlt und auch das Fehlen des Zusatzes "i. V." bzw. "i. A." nicht hinreichend deutlich macht, in welcher Eigenschaft der unterzeichnende Direktor D. tätig geworden ist, zumal der Geschäftsführer auch in seiner Eigenschaft als Behördenleiter ohne entsprechende Zusätze unterzeichnet.

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Spricht somit Überwiegendes dafür, dass die Verfügung vom 10. Februar 2004 nicht von dem dafür nur zuständigen Geschäftsführer, sondern von der nicht zuständigen Unfallkasse des Bundes (vertreten durch den Geschäftsführer) erlassen worden ist, so muss dieser Mangel auch als erheblich angesehen werden; denn der Verstoß gegen die sachliche Zuständigkeit ist nicht nach dem hier gem. § 3 BDG entsprechend anzuwendenden § 46 VwVfG unbeachtlich (vgl. Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 7. Aufl. 2000, RdNr. 23 zu § 46). Andererseits kann dieser Mangel auch nicht zur Nichtigkeit der Verfügung vom 10. Februar 2004 führen, weil es sich nicht um einen in dem Katalog des § 44 Abs. 2 VwVfG aufgeführten Mangel handelt und angesichts der hier einschlägigen (komplizierten) Zuständigkeitsvorschriften und des äußeren Erscheinungsbildes der Verfügung vom 10. Februar 2004 nicht von einem besonders schwerwiegenden und offensichtlichen Fehler des Verwaltungsaktes i. S. des § 44 Abs. 1 VwVfG gesprochen werden kann.

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Der aufgezeigte Mangel der Verfügung vom 10. Februar 2004 ist für sich genommen aber noch nicht geeignet, ernstliche Zweifel an der Verfügung zu begründen, die eine Aussetzung nach § 63 Abs. 2 BDG rechtfertigen können. Hierzu ist nämlich zu berücksichtigen, dass der Mangel noch dadurch geheilt werden kann, dass die Verfügung von dem Geschäftsführer mit eindeutiger Kennzeichnung seiner disziplinarrechtlichen Funktion nochmals erlassen wird. Denn die Tatsache, dass die Verfügung nach ihrem äußeren Erscheinungsbild nicht von dem disziplinarrechtlich nur zuständigen Geschäftsführer erlassen worden ist, fällt nicht unter die in § 32 Abs. 1 Nrn. 1 - 3, Abs. 2 BDG geregelten Fälle, auch stellt sie keinen nicht behebbaren Mangel i. S. des § 32 Abs. 1 Nr. 4 BDG dar, weil der Mangel auf Dauer einer etwaigen disziplinaren Verfolgung des Antragstellers nicht entgegensteht (vgl. Köhler, in: Köhler/Ratz, BDG, 3. Aufl. 2003, RdNr. 3 zu § 55). Damit könnte der Mangel der Dienstenthebungsverfügung als wesentlicher Mangel i. S. des § 55 BDG noch in dem in dieser Bestimmung geregelten Verfahren geheilt werden, was im Rahmen diese Aussetzungsverfahrens zu berücksichtigen ist.

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Der Aussetzungsantrag muss aber in jedem Fall deshalb Erfolg haben, weil die Verfügung vom 10. Februar 2004 nicht nur in formeller Hinsicht fehlerhaft ist, sondern auch in materieller Hinsicht zu ernstlichen Zweifeln an ihrer Richtigkeit Anlass bietet. Dies ergibt sich aus Folgendem:

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Nach dem Kenntnisstand dieses Eilverfahrens muss es als offen angesehen werden, ob dem Antragsteller alle in der Verfügung vom 10. Februar 2004 und in der Klageschrift der vor dem Verwaltungsgericht anhängig gemachten Disziplinarklage - 14 A 1238/04 - aufgeführten Verfehlungen tatsächlich als von ihm schuldhaft begangene Dienstvergehen vorgehalten werden können. Denn der Antragsteller hat im zweitinstanzlichen Verfahren, und zwar in seinen Schriftsätzen vom 25. Oktober 2004 und vom 1. März 2005 in einer Vielzahl von Punkten beachtliche Gegenargumente in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht angeführt, die es zweifelhaft erscheinen lassen, ob die im angefochtenen Beschluss vom 13. September 2004 vorgenommene Würdigung, der Antragsteller habe dadurch (schuldhaft) gravierende Dienstvergehen begangen, dass er Anordnungen seiner Vorgesetzten nicht ausgeführt, den Dienstweg nicht eingehalten, seine Vorgesetzten nicht beraten und unterstützt sowie die Pflicht zu achtungs- und vertrauensgerechtem Verhalten in eklatanter Weise verletzt habe, aufrecht erhalten werden kann. Allerdings muss sich der Antragsteller auf jeden Fall vorhalten lassen, dass er in seinem "Kampf um das Recht" in seinem Verhalten, insbesondere in seinen schriftlichen Äußerungen die Grenzen überschritten hat, die auch bei einer sachlich berechtigten Kritik im Interesse einer zukünftigen vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Angehörigen einer Behörde eingehalten werden müssen und deren Beachtung einen vernünftigen Umgang mit Vorgesetzten und Kollegen auf Dauer nur zulassen. Auch ist ihm vorzuhalten, dass er nicht bereit gewesen ist, seine Kritik an von ihm zu Recht oder zu Unrecht festgestellten Missständen in seinem Arbeitsumfeld in dem nach Beamtenrecht vorgesehenen Formen, und zwar im Rahmen des ihm nur zustehenden Remonstrationsrechts vorzubringen, weil er sich immer wieder unter Umgehung des Dienstweges mit seinen Anliegen an höhere Stellen gewandt und auch hierbei in seiner Kritik an Vorgesetzten und Kollegen in Form und Inhalt das zulässige Maß überschritten hat. Des Weiteren ist nicht zu verkennen, dass es sich bei dem Antragsteller offenbar um einen Beamten handelt, der erhebliche Schwierigkeiten im Umgang gerade mit Vorgesetzten hat (s. etwa das Verfahren 2 M 6359/95 und dort den Beschluss des 2. Senats des beschließenden Gerichts v. 20.12.1995), und dass in der Vergangenheit wiederholt, aber letztlich vergeblich versucht worden ist, die zwischen dem Antragsteller und anderen Behördenbediensteten, namentlich Vorgesetzten immer wieder aufgetretenen Spannungen durch personalwirtschaftliche Maßnahmen wie Versetzungen oder Zuweisung geänderter Dienstposten abzubauen, ohne dass dies bei dem Antragsteller zu einer Veränderung seines Verhaltens im Dienst geführt hat.

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Der Senat kann in diesem Eilverfahren aber letztlich offen lassen, in welchem Umfang dem Antragsteller die ihm in der Verfügung vom 10. Februar 2004 und in der Klageschrift vom 18. März 2004 gemachten Vorwürfe i. S. eines schuldhaft begangenen Dienstvergehens anzulasten sind. Denn selbst wenn der Antragsteller insoweit ein Dienstvergehen begangen haben sollte, rechtfertigt dies nach Auffassung des Senats noch nicht die in der Anordnung vom 10. Februar 2004 getroffene Maßnahme der vorläufigen Dienstenthebung (nebst Einbehaltung von Teilen der Dienstbezüge). Der Senat vermag nämlich nach dem Kenntnisstand dieses Eilverfahrens bei der gebotenen objektiven Würdigung aller Umstände (vgl. Gansen, aaO, RdNr. 22 zu § 13) nicht zu erkennen, dass das Vertrauensverhältnis zwischen dem Antragsteller und seinem Dienstherrn so nachhaltig i. S. des § 13 Abs. 2 Satz 1 BDG zerrüttet ist, dass es auch vor dem Hintergrund der dem Antragsteller gemachten (gravierenden) Vorwürfe nicht wiederhergestellt werden könnte, mithin zu der in Aussicht genommenen Entfernung aus dem Dienst keine Alternative zu erkennen ist. Hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass sich der Antragsteller mit einer persönlichen Erklärung vom 24. Juni 2004, wenn auch reichlich spät und sicherlich auch unter dem Eindruck dieses Verfahrens und der gegen ihn erhobenen Disziplinarklage, für sein bisheriges Verhalten sowohl bei dem Geschäftsführer der Unfallkasse des Bundes als Dienstvorgesetzten als auch bei den drei von ihm in der Vergangenheit besonders angegriffenen Kollegen ausdrücklich entschuldigt, eine Änderung seines Verhaltens gelobt und dem Dienstvorgesetzten versichert hat, dass er sich für die restlichen von ihm noch abzuleistenden vier Dienstjahre um eine Zusammenarbeit in gedeihlicher Form zum Wohle der Behörde bemühen werde. Weiter ist zu berücksichtigen, dass der Antragsteller bisher disziplinarrechtlich nicht - nicht einmal mit der milden Disziplinarmaßnahme des Verweises - in Erscheinung getreten ist und dass sein seit längerem andauerndes Verhalten, auf das nach dem Willen des Dienstherrn nunmehr sogleich mit der disziplinarrechtlichen Höchstmaßnahme, der Entfernung aus dem Dienst, geantwortet werden soll, dem Dienstherrn zuvor offenbar keine Veranlassung geben hat, gegen den Antragsteller eine unterhalb der Höchstmaßnahme liegende Disziplinarmaßnahme zur Pflichtenmahnung zu verhängen oder den Antragsteller unter Androhung von zu verhängenden Disziplinarmaßnahmen abzumahnen und auf diese Weise eine Verhaltensänderung bei dem Antragsteller zu bewirken. Insgesamt gesehen erscheint es daher fraglich, ob eine Entfernung des Antragstellers aus dem Dienst im disziplinarrechtlichen Klageverfahren von dem Dienstherrn durchgesetzt werden kann oder ob die Verhängung dieser schwersten Disziplinarmaßnahme hier nicht als unvereinbar mit dem Grundsatz der stufenweise Steigerung von Disziplinarmaßnahmen (vgl. dazu Köhler, aaO, A. IV. 2 RdNr. 78) angesehen werden müsste; denn es dürfte zweifelhaft sein, ob das Verhalten des Antragstellers, wie das Verwaltungsgericht meint, dahingehend zu würdigen ist, dass der Antragsteller im Kernbereich seiner Pflichten versagt hat. Zumindest kann es bei dieser Sachlage, die möglicherweise eine Degradierung des Antragstellers rechtfertigt (vgl. NDH, Urt. v. 6.11.2003 - 2 NDH L 4/02 -), nicht als überwiegend wahrscheinlich angesehen werden, dass der Antragsteller aus dem Dienst entfernt werden wird, weshalb seinem Aussetzungsantrag (auch in Bezug auf die mit der Dienstenthebung verbundene teilweise Einbehaltung seiner monatlichen Dienstbezüge) nach § 63 Abs. 2 BDG zu entsprechen ist.

16

Die Kostenentscheidung folgt aus § 77 Abs. 4 BDG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO.

17

Dieser Beschluss ist nach § 3 BDG i. V. m. § 152 Abs. 1 VwGO nicht anfechtbar.