Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 03.05.2005, Az.: 7 LA 300/04
Ablehnung eines Beweisantrags; Asylprozess; rechtliches Gehör; Verfahrensmangel; Verzögerung des Rechtsstreits; Wahrunterstellung; Zulassung der Berufung
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 03.05.2005
- Aktenzeichen
- 7 LA 300/04
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2005, 50674
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 04.11.2004 - AZ: 1 A 20/04
Rechtsgrundlagen
- § 78 Abs 3 Nr 3 AsylVfG
- § 86 Abs 2 VwGO
- § 87 b Abs 3 VwGO
- § 138 Nr 3 VwGO
Gründe
I. Mit dem angefochtenen Urteil hat das Verwaltungsgericht die Klage auf Asylgewährung und Feststellung von Abschiebungshindernissen nach den (in jenem Zeitpunkt noch geltenden) §§ 51, 53 AuslG abgewiesen. Asyl könne der Kläger, der die togoische Staatsangehörigkeit besitzt, bereits deshalb nicht beanspruchen, weil er über einen sog. sicheren Drittstaat nach Deutschland eingereist sei. Da er nicht glaubhaft gemacht habe, in seinem Heimatland politisch verfolgt worden zu sein, lägen auch Abschiebungshindernisse nach § 51 Abs. 1 AuslG nicht vor. Die Behauptung, er habe eine Jubelfeier aus Anlass der bevorstehenden Entlassung des CAR-Vorsitzenden B. initiiert und sei den Behörden deshalb nachhaltig negativ aufgefallen, sei unglaubhaft. Dem Beweisantrag, dass ein seine Aktivitäten bestätigendes Attest vom 24. März 2003 von Herrn B. persönlich unterschrieben worden sei, habe nicht entsprochen zu werden brauchen, weil dies als wahr unterstellt werden könne; denn es sei davon auszugehen, dass es sich dabei um eine reine Gefälligkeitsbescheinigung handele. Darauf, dass dieser Beweisantrag trotz Fristsetzung nach § 87b VwGO auch verspätet gestellt worden sei, komme es danach nicht mehr an. Auch dem weiteren im Schriftsatz des Klägers vom 14. November 2003 gestellten Beweisantrag - behauptete Straßenumbenennung - habe das Gericht deshalb nicht nachzugehen gebraucht. Was die exilpolitischen Aktivitäten des Klägers anbelange, seien diese nicht von herausgehobener Art gewesen, so dass auch sie keine Verfolgungsgefahr begründeten.
Mit seinem fristgerecht gestellten Berufungszulassungsantrag behauptet der Kläger, das Verwaltungsgericht habe seinen Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt. Es sei mit seiner Annahme, Herr B. habe seine, des Klägers, Schilderung bestätigt und ihm damit nur einen Gefallen getan, von einem falschen Sachverhalt ausgegangen. Tatsächlich habe, wie unter Beweis gestellt worden sei, Herr B. die Schilderung eines Dritten, nämlich die des weiteren Parteileiters C., bestätigt. Hätte das Verwaltungsgericht diesen Sachverhalt zutreffend zur Kenntnis genommen, hätte es seine, des Klägers, Glaubwürdigkeit wahrscheinlich insgesamt positiver eingeschätzt. Soweit das Gericht die Beweisanträge in der mündlichen Verhandlung als verspätet abgelehnt habe, trage diese Begründung nicht, weil die Anträge bereits im Schriftsatz vom 14. November 2003 formuliert worden seien. Seine diesbezügliche Gegenvorstellung in der mündlichen Verhandlung sei vom Gericht zurückgewiesen worden.
II. Der vom Kläger geltend gemachte Verfahrensmangel nach § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO liegt nicht vor, so dass die Berufung nicht zugelassen werden kann.
1.) Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisantrags verstößt nicht bereits dann gegen den in § 138 Nr. 3 VwGO normierten Gehörsgrundsatz, wenn der Antrag vom Gericht sachlich unrichtig behandelt worden ist. Ein Verstoß liegt erst vor, wenn die Ablehnung im Prozessrecht keine Stütze mehr findet, der Antrag also schlechthin nicht hätte abgelehnt werden dürfen (GK-AsylVfG, Rn. 355 u. 356 zu § 78 AsylVfG m.w.N.). Es ist zweifelhaft, ob die Ablehnung der im Schriftsatz des Klägers vom 14. November 2003 zwar angekündigten, innerhalb der vom Verwaltungsgericht im Vorfeld der mündlichen Verhandlung gesetzten Frist von ihm aber nicht wiederholten Beweisanträge vom Prozessrecht "schlechthin" nicht gedeckt war. Das Verwaltungsgericht hat die Anträge in der mündlichen Verhandlung mit Beschluss nach § 86 Abs. 2 VwGO abgelehnt und zur Begründung dafür eine Verzögerung des Rechtsstreits, § 87b Abs. 3 Nr. 1 VwGO, angeführt. Das hält sich im gesetzlichen Rahmen. Es liegt auf der Hand, dass bei Durchführung der beantragten Beweisaufnahme das Urteil nicht so zügig wie geschehen hätte erlassen werden können. Bei der Beurteilung des Eintritts einer Verzögerung ist grundsätzlich auf die Zulassung in der mündlichen Verhandlung und nicht darauf abzuheben, ob bei gründlicherer Terminsvorbereitung die beantragte weitere Sachaufklärung bereits hätte vorgenommen werden können (BVerwG, Urt. v. 18.02.1998 - 11 A 6.97 -, NVwZ 1998, S. 592). Allerdings ist die Ablehnung nach § 87b Abs. 3 VwGO ermessensfehlerhaft, wenn die Nichterhebung der Beweise trotz der in einem früheren Schriftsatz bereits enthaltenen entsprechenden Anregungen als unzulängliche Terminsvorbereitung anzusehen wäre, so dass die Ablehnung in der mündlichen Verhandlung den Gehörsanspruch unzulässig einschränken würde (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl., Rn 11 zu § 87b). Hierbei ist indessen zu berücksichtigen, dass gerade in Asylverfahren Beweisanregungen in großer Zahl und breitem Umfang gegeben zu werden pflegen, deren Relevanz im Vorfeld der Entscheidung regelmäßig nicht vollständig überblickt werden kann, so dass die gerichtliche Aufforderung nach § 87b Abs.2 VwGO sich grundsätzlich auch auf Tatsachen und Beweismittel erstrecken darf, die bereits in gewechselten Schriftsätzen aufgeführt worden sind. Es hängt vom jeweiligen Einzelfall ab, ob sich dem Gericht bereits eine Tatsachenermittlung aufdrängen musste, um sie für eine nochmalige Benennung durch den Kläger nach einer Aufforderung gem. § 87b Abs. 2 VwGO überflüssig zu machen.
Einer definitiven Beantwortung dieser Frage bedarf es hier jedoch nicht. Denn eine Verletzung von § 138 Nr. 3 VwGO liegt im Ergebnis auch dann nicht vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiserhebung in der mündlichen Verhandlung in zu beanstandender Weise abgelehnt haben sollte.
2.) § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG beinhaltet keine unwiderlegliche Vermutung, dass ein im Ansatz vorliegender Verfahrensverstoß stets ursächlich für das Urteil ist. Das Berufungsgericht ist zur Zulassung nicht verpflichtet, wenn mit Sicherheit auszuschließen ist, dass sich der - bei Zugrundelegung der Tatsachenfeststellungen und Rechtsansichten des Verwaltungsgerichts - entscheidungserhebliche, zulassungsrechtlich beachtliche Rechtsfehler auf das endgültige Entscheidungsergebnis auswirken kann. Insoweit ist der Rechtsgedanke des § 144 Abs. 4 VwGO im Zulassungsverfahren anwendbar, nach dem es nicht dem Sinn der Vorschriften über die Zulassung eines Rechtsmittels entspricht, ein im Ergebnis »nutzloses« Rechtsmittelverfahren wegen eines Fehlers durchzuführen, der mit Sicherheit für das endgültige Ergebnis bedeutungslos bleiben wird (GK-AsylVfG, Rn. 84 zu § 78 AsylVfG m.w.N.).
So liegt es hier:
Das Verwaltungsgericht hat in den Entscheidungsgründen seines Urteils die Ablehnung der Beweisanträge nicht mehr auf § 87b Abs. 3 VwGO gestützt. Es hat dafür vielmehr angeführt, dass die behauptete Tatsachen als wahr unterstellt werden könnten, ohne dass dies dem Klagebegehren zum Erfolg verhelfe. Das begegnet im Ergebnis keinen Bedenken. Im Verwaltungsprozess kommt eine "Wahrunterstellung" für nicht entscheidungserhebliche tatsächliche Behauptungen in Frage (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.03.1987 - 9 C 47.85 -, BVerwGE 77, 150 <156>; Beschl. v. 12.08.1998 - 7 B 162.98 -, zit. nach juris). Von einer solchen ist nach den mit beachtlichen Zulassungsgründen nicht angreifbaren Annahmen des Verwaltungsgerichts auszugehen. In seinem Schriftsatz vom 14. November 2003 hatte der Kläger eine Auskunft des Auswärtigen Amtes u.a. dafür - nur noch darum geht es - angeboten, dass das Fax (vom 24. März 2003) "vom Parteivorsitzenden B. unterschrieben wurde, nachdem ihm inhaltlich das, was in dieser Bescheinigung den Kläger betreffend beschrieben wird, von Herrn C. bestätigt wurde". Das Verwaltungsgericht hat dazu ausgeführt, dass es die Tatsache der Ausstellung und Unterschrift durch den Parteivorsitzenden als geschehen unterstelle. Damit war die beantragte Beweiserhebung, die sich nur auf die Authentizität des Attestes beziehen konnte, überflüssig. Aus der Wahrunterstellung der Beweistatsachen folgt indes nicht, dass sich das von Herrn B. bekundete Geschehen auch tatsächlich so zugetragen hat. Das Verwaltungsgericht hat dies verneint, ohne dass diese Bewertung mit zulassungsrelevanten Argumenten angegriffen werden kann. Es ist insoweit auch von keinem falschen Sachverhalt ausgegangen. Wenn es in den Urteilsgründen heißt, die Bestätigung sei durch Herrn B. gegeben worden, "nachdem der Kläger ihm den Sachverhalt geschildert hat", so trifft das zu. Objektiv angesprochen ist damit der Umstand, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers dem Bundesamt mit Schriftsatz vom 13. August 2003 mitgeteilt hatte, dass er bei Herrn B. per E-Mail angefragt habe, "ob die Angaben des Klägers überprüft und ggf. bestätigt werden könnten". Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass das Verwaltungsgericht den Inhalt des Attestes, zu dem in der Tat die Befragung des Herrn C. zur Schilderung des Klägers gehört, nicht oder nicht vollständig zur Kenntnis genommen hat. Auch inhaltlich leitet das Gericht die Unglaubhaftigkeit des Attestinhalts nicht maßgeblich daraus ab, dass der Kläger der maßgebliche Informant des Herrn B. gewesen sei. Vielmehr stellt es das Attest in eine Reihe mit der Oberflächlichkeit und Widersprüchlichkeit des gesamten Klagevortrags und wertet vor allem deshalb auch den in der Bescheinigung geschilderten Vorgang als unglaubhaft.
Damit war die in der mündlichen Verhandlung abgelehnte Beweiserhebung für das Entscheidungsergebnis ohne Bedeutung und kann nicht zur Berufungszulassung führen, auch wenn die für die Ablehnung (zunächst) gegebene Begründung fehlerhaft gewesen sein sollte.