Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 31.05.2005, Az.: 1 KN 335/03

Abwägung; Ausgleichsmaßnahme; Grundsatz der Lastengleichheit; Privateigentum

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
31.05.2005
Aktenzeichen
1 KN 335/03
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2005, 51091
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Die Gemeinde ist insbesondere dann zur Prüfung von Erschließungsvarianten verpflichtet, wenn es das verfolgte städtebauliche Konzept auch zulässt, Straßen und Wege über gemeindeeigene Grundstücke zu führen.

 2. Der Grundsatz der Lastengleichheit kann die Gemeinde insbesondere dann verpflichten, eine Erschließungsanlage über ein anderes als das bisher dazu ausersehene Grundstück zu führen, wenn dieses für die Erschließung seiner rückwärtigen Flächen ausreichend dimensioniert ist und die bislang favorisierte Variante im Wesentlichen nur Eigentümern anderer Grundstücke zugute käme.

Tatbestand:

1

Der Antragsteller greift den Bebauungsplan Nr. ... . C. der Antragsgegnerin mit der Begründung an, sein Interesse an weitergehender baulicher Ausnutzung seiner Grundstücksflächen sei ohne hinreichenden Grund hintangestellt worden. Außerdem sei die Eingriffsproblematik nicht bewältigt worden.

2

Die Antragsgegnerin fasste 1993 einen Aufstellungsbeschluss für einen Bebauungsplan betreffend den nördlichen Teil des gegenwärtigen Planbereiches. Es folgten 1994 die frühzeitige Bürgerbeteiligung sowie die Auslegung und 1995 ein Satzungsbeschluss. Der Plan wurde mangels Bekanntmachung nicht rechtswirksam. Die damalige Planung erfasste die Grundstücke des Antragstellers nur in geringen Teilbereichen.

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Der Antragsteller ist Eigentümer der Flurstücke ... und ..., Flur 3 der Gemarkung D.. Die insgesamt 6.640 m² großen Grundstücke liegen im westlichen Teil eines trapezförmig geschnittenen größeren Areals, dessen Breitseite im Norden an die Straße E. angrenzt, und das im Westen von der L 391 (D. er F.) und an den anderen beiden Seiten von der winkelförmig verlaufenden Straße G. umschlossen wird. Das Flurstück ... ist mit einem Mehrfamilienhaus bebaut. Das - deutlich größere - Flurstück ... ist unbebaut und reicht im Norden bis an ein kleines Gewässer (wasserführender Graben) heran.

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Die zum Teil bis zu 120 m tiefen Grundstücke dieses Areals sind bislang im Wesentlichen allein straßenseitig bebaut. Die Antragsgegnerin beabsichtigt, den Binnenbereich bebaubar zu machen. 1993 fasste ihr Rat den Beschluss, für den nordwestlichen Teil des Bereichs den Bebauungsplan Nr. ... aufzustellen. Das Verfahren gedieh bis zum Satzungsbeschluss im Jahre 1995. Das Plangebiet endete südlich des Gewässers, das die nördliche Begrenzung des Flurstücks ... bildet, und im Osten vor dem Grundstück E. 11. Es sollte als Mischgebiet festgesetzt und durch eine Stichstraße erschlossen werden, die etwa in der Mitte des Planbereichs von der Straße An der Königseiche nach Süden abgeht. Der Satzungsbeschluss wurde nicht bekannt gemacht, weil ihn die Aufsichtsbehörde wegen der festgesetzten Nutzungsart beanstandet hatte.

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Im Februar 1998 nahm die Antragsgegnerin das Planaufstellungsverfahren mit der frühzeitigen Bürgerbeteiligung und deutlich vergrößertem Planbereich sowie verändertem Konzept wieder auf.

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Die nunmehrige Planung bezweckt, aufgrund erheblicher Nachfrage im Plangebiet Wohnbauten zu ermöglichen und ein teils naturnahes Gewässer zu erhalten und zu entwickeln.

7

Nach der ersten Auslegung des Planentwurfes wurde die Lage einer über das Grundstück des Antragstellers geplanten Erschließungsstraße leicht verändert. Nach einer zweiten Auslegung, während der der Antragsteller seine Bedenken gegen den Verlauf der Planstraße aufrecht erhielt, fasste der Rat der Antragsgegnerin am 21. Juni 2001 den Satzungsbeschluss für den Bebauungsplan Nr. ..., der am 21. Januar 2002 bekannt gemacht wurde.

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Die Planzeichnung besteht aus einer Übersichtskarte im Maßstab 1:10000 mit den Planbereichen A, B und C sowie aus einer Detailkarte für den Planbereich A im Maßstab 1:1000. Das Plangebiet A ist für Bebauung vorgesehen, die Plangebiete B und C für naturschutzrechtliche Ausgleichsflächen. Der Plan enthält weiter zahlreiche textliche Festsetzungen; ihm ist eine umfangreiche Begründung beigefügt. Der Flächennutzungsplan wurde im Parallelverfahren mit dem Bebauungsplan abgestimmt.

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Die Flurstücke ... und ... nördlich des Grabens stehen im Eigentum der Antragsgegnerin. Sie sind als Mischgebiet und allgemeines Wohngebiet festgesetzt. Die an der westlich begrenzenden Straße L 391 liegenden Flurstücke ... und ... südlich des Grabens stehen im Eigentum des Antragstellers. Das über 6000 m² große Flurstück ... erstreckt sich bis in das Zentrum des Plangebietes. Die Grundstücke des Antragstellers werden durch den Plan in einem 40 m breiten Streifen entlang der L 391 als Mischgebiet, das Innere des Plangebietes ist als allgemeines Wohngebiet ausgewiesen. Ein 10 m Streifen beiderseits des Grabens ist als Schutzzone für Natur festgesetzt. Südlich dieser Schutzzone sieht der Plan eine 5 m breite Erschließungsstraße für den Planinnenbereich vor. Diese Straße führt parallel zum Grabenverlauf nach Osten und teilt sich dann. Nach Süden hin endet sie in einem Wendehammer, von dem ein Rad- und Fußweg nach Osten zur Straße G. führt. Der nördliche Zweig wird als Straße an diese angeschlossen. Die Bauflächen auf den Grundstücken des Antragstellers sind bereits jetzt erschlossen bzw. auf dem Grundstück selbst erschließbar. Die Planstraße dient in erster Linie der Erschließung des rückwärtigen Teiles der Grundstücke, die an der östlichen Seite des Baugebietes liegen. Weitere 5 m südlich des Verlaufes der Erschließungsstraße liegt die Baugrenze auf den Grundstücken des Antragstellers. Zur westlichen Begrenzungsstraße hin orientiert sich die Baugrenze an dem baulichen Bestand (Mehrfamilienhaus). Der östliche Teil des Flurstückes ... ist nördlich der geplanten Erschließungsstraße als öffentliche Grünfläche mit Spielplatz festgesetzt. Von den insgesamt 6640 m2 Grundstücksfläche des Antragstellers sind nach dem Plan Nr. ... ca. 3500 m² überbaubar. Der Rest ist für die genannten öffentlichen Zwecke (Schutz-, Verkehrs- und Grünflächen) überplant.

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Die mit der Planung verbundenen Eingriffe in Natur und Landschaft sollen auf zwei Flächen ausgeglichen werden, die zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses nicht vollständig im Eigentum der Antragsgegnerin standen. Es bestehen für diese Flächen textliche Festsetzungen unter Angabe der betroffenen Flurstücknummern mit Anpflanzungsgeboten. Aus der Planbegründung geht hervor, dass die Teilfläche C dem Ausgleich von Eingriffen in Natur und Landschaft aufgrund des hier angegriffenen sowie eines weiteren Bebauungsplanes dienen soll. Der Plan beziffert die Flächenanteile, die dem jeweiligen Plan zugeordnet sind, bezeichnet aber nicht die Lage dieser Flächen innerhalb des Plangebietes C.

11

Am 11. Dezember 2003 hat der Antragsteller den Normenkontrollantrag gestellt. Der Antragsteller bringt vor: Der Plan Nr. ... sei mangels Aufhebung des Planbeschlusses aus dem Jahr 1995 verfahrensfehlerhaft zustande gekommen. Die durch die Planung ermöglichten Eingriffe in Natur und Landschaft seien nicht ausgeglichen. Der Geltungsbereich des Planes erfasse nicht die Kompensationsflächen; deren Darstellung sei angesichts des gewählten Maßstabes und der fehlenden Zuordnung konkreter Ausgleichsflächen zum angegriffenen Plan zu unbestimmt. Hinsichtlich der Erschließungsstraße seien sich aufdrängende Planalternativen nicht ausreichend erwogen und dadurch seinen Grundstücken erheblich zu kleine Bauflächen zugeordnet worden.

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Der Antragsteller beantragt,

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den vom Rat der Antragsgegnerin am 21. Juni 2001 als Satzung beschlossenen Bebauungsplan Nr. ... „C.“ für unwirksam zu erklären.

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Die Antragsgegnerin beantragt,

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den Antrag abzulehnen.

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Die Antragsgegnerin bringt vor: Es liege kein Verfahrensfehler vor. Die Eingriffe in Natur und Landschaft seien in fehlerfreier Weise ausgeglichen. Im Normenkontrollverfahren hat die Antragsgegnerin eine Neuberechnung für den naturschutzrechtlichen Ausgleich vorgelegt. Sie führt dazu aus: Die Neubewertung des naturschutzrechtlichen Ranges von Eingriffsflächen ergebe, dass der Eingriff durch den angegriffenen Bebauungsplan Nr. ... auf den Teilflächen B und C sogar überkompensiert werde. Alle sich aufdrängenden Planalternativen bezüglich der Inanspruchnahme von Privateigentum des Antragstellers durch die Planstraße seien berücksichtigt worden.

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Wegen der näheren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vortrages der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin Bezug genommen, die in ihren wesentlichen Teilen Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

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Der fristgerecht gestellte Normenkontrollantrag ist zulässig. Es erscheint nicht ausgeschlossen, dass der Antragsteller in seinem Recht auf gerechte Abwägung seiner Belange bei der Planung (§ 1 Abs. 6 BauGB a.F.) dadurch verletzt ist, dass große Flächen seines Grundstückes mit Festsetzungen zugunsten öffentlicher Zwecke überplant worden sind. Die Erklärung der Antragsgegnerin vom September 2002, den Plan insoweit nur im Einvernehmen mit dem Antragsteller zu vollziehen, lässt das Rechtsschutzbedürfnis nicht entfallen, weil der Plan normativ auf das Eigentum einwirkt.

19

Der Normenkontrollantrag ist begründet.

20

Das Verfahren der Planaufstellung begegnet keinen Bedenken. Es bedurfte keiner gesonderten Aufhebung des nicht bekannt gemachten Ratsbeschlusses aus dem Jahr 1995. Im Februar 1998 fand eine erneute frühzeitige Bürgerbeteiligung fand. Dies zeigt, dass die Antragsgegnerin nicht von einer Änderung eines schon begonnenen Planungsverfahrens ausging, sondern ein neues Planungsverfahren begonnen hatte. Diesem stand der frühere Beschluss nicht entgegen. Einer gesonderten Aufhebung bedarf es schon bei rechtsverbindlichen Satzungsbeschlüssen nur dann, wenn eine Baurechtssatzung ersatzlos aufgehoben werden soll. Bei einer Ergänzung reicht der neue Satzungsbeschluss als lex posterior aus; der alte Satzungsbeschluss wird mit dem Änderungsbeschluss unwirksam (vgl. BVerwG, Urt. v. 10.8.1990 - 4 C 3.90 -, BVerwGE 85, 289; s.a. Battis, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 9. Aufl. 2005, § 1 Rn. 132; Schrödter, BauGB, 6. Aufl. 1998, § 2 Rn. 56). Das gilt erst recht, wenn es zu einer außenrechtlichen Rechtswirksamkeit gar nicht gekommen ist. Auch im Verhältnis einfacher Ratbeschlüsse zueinander geht der spätere Beschluss dem früheren vor, ohne dass es eines Aufhebungsverfahrens bedurfte.

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Ob der Bebauungsplan aufgrund eines Verstoßes gegen § 1a Abs. 3 i.V. § 1 Abs. 6 BauGB a. F. rechtsfehlerhaft ist, kann offen bleiben. Nach diesen Vorschriften müssen durch den Plan verursachte Eingriffe in Natur und Landschaft durch geeignete Festsetzungen oder auf andere Art ausgeglichen werden.

22

Die Einbeziehung der Ausgleichsflächen in den Plan ist grundsätzlich fehlerfrei erfolgt. Die Planbegründung (siehe S. 4 zu Nr. 6 oben) begrenzt den Geltungsbereich des Gesamtplanes nicht auf das Plangebiet A, sondern stellt klar, dass der Plan aus den Planbereichen A, B und C besteht. Die Ausgleichsflächen B und C mussten nicht am Eingriffsort ausgewiesen werden; es handelt sich um einen geteilten Bebauungsplan, der zulässig ist (§ 9 Abs. 1a BauGB a. F.; Schrödter, aaO § 9 Rn. 170 g). Der räumliche Geltungsbereich der Planfläche A ergibt sich aus der Planzeichnung und der Planbegründung. Der Geltungsbereich der Planflächen B und C ergibt sich aus der Planzeichnung im Maßstab 1 : 10000 und den textlichen Festsetzungen (§ 3). Die Lage der Planbereiche B und C ist in der textlichen Festsetzung 5.1 nach Flurstücknummern präzise bestimmt.

23

Ob eine genaue Zuordnung von Teilflächen innerhalb des Ausgleichsgebietes C zum angegriffenen Plan erforderlich war, kann offen bleiben. Für eine solche Notwendigkeit spricht, dass andernfalls unklar bleibt, welche Teilfläche zum Ausgleich von Eingriffen durch den Plan Nr. ... dienen soll. Eine solche Klarheit kann unter Umständen für die Durchsetzung der Kompensationsmaßnahmen von Bedeutung sein.

24

Der durch den Plan verursachte Eingriff in Natur und Landschaft war nach der Planbegründung selbst nicht vollständig kompensiert. Die Anlage 2 zur Begründung des Planes errechnete bei Durchführung der Planung unter Berücksichtigung der Flächen B und C einen Minussaldo von 4607 Wertpunkten. Die Antragsgegnerin hätte zwar in der Abwägung dazu gelangen dürfen, auf Ausgleichsmaßnahmen in einem bestimmten Umfang zu verzichten, wenn dafür gewichtige Gründe gegeben wären (Schrödter, aaO § 1a Rn. 71). Die Planbegründung ging aber davon aus, dass eine hinreichende Kompensation gegeben sei. Eine Begründung dafür, warum keine Vollkompensation vorgenommen wurde, wurde nicht gegeben. Darin kommt entweder eine Fehleinstellung in den Abwägungsvorgang zum Ausdruck (wenn die Antragsgegnerin davon ausgegangen sein sollte, dass eine Vollkompensation vorlag) oder es handelt sich um eine Untergewichtung der Naturschutzbelange. Darin lag zunächst ein Verstoß gegen § 1 Abs. 6 BauGB a. F. i. V. § 1 a Abs. 3 BauGB. Dieser wäre gemäß § 233 Abs. 2 BauGB i.V. §§ 214, 215 BauGB alter und neuer Fassung beachtlich, weil er offensichtlich und es wahrscheinlich war, dass die Antragsgegnerin bei Kenntnis der fehlenden Ausgleichsleistung diese erbracht hätte.

25

Für die Normenkontrollentscheidung kann offen bleiben, ob sich an diesem Ergebnis durch die von der Antragsgegnerin im gerichtlichen Verfahren vorgelegte Neuberechnung der Wertigkeit der Eingriffe in Natur und Landschaft etwas änderte. Damit brachte sie sinngemäß vor, der Fehler habe nicht darin gelegen, dass ein zu geringer Ausgleich (auch im Ergebnis) festgesetzt worden sei, sondern darin, dass die Wertigkeit der Eingriffe im Abwägungsvorgang zu hoch angesetzt worden sei. Nur dadurch sei es zu einem Minussaldo beim Ausgleich gekommen. Wenn dieses Vorbringen zuträfe, dann hätte dieser Vorgangs- und Begründungsfehler keinen Einfluss auf das Abwägungsergebnis haben können, weil nach der Neuberechnung der Eingriff im Ergebnis überkompensiert gewesen wäre. Das Gericht kann offen lassen, ob die vom Antragsteller vorsorglich bestrittene Neuberechnung sachlich zutreffend ist. Denn der Plan beruht jedenfalls auf einem Fehler außerhalb der Problematik des Ausgleiches für Eingriffe in Natur und Landschaft, der insgesamt zu seiner Unwirksamkeit führt.

26

Die Antragsgegnerin hat bei der Abwägungsentscheidung nicht ausreichend erwogen, ob der Binnenbereich nicht durch ein anderes als das gewählte Straßen- und Wegesystem erschlossen werden kann. Das hat sich auf das Abwägungsergebnis in einer zur Gesamt-Unwirksamkeit des Planes führenden Weise ausgewirkt. Damit ist allerdings nicht gesagt, dass es der Antragsgegnerin schlechthin untersagt wäre, den Binnenbereich grundsätzlich in der Weise zu erschließen, wie dies der Plan festsetzt. Im einzelnen sind dazu folgende Ausführungen veranlasst:

27

Der Plan setzt die Erschließungsstraße von der westlichen Planbegrenzungsstraße über das Grundstück des Antragstellers nach Osten führend als öffentliche Verkehrsfläche nach § 9 Abs. 1 Nr. 11 BauGB fest. Zwar ist der öffentliche Charakter der Fläche nicht ausdrücklich festgesetzt, er ergibt sich jedoch aus dem Planzusammenhang. Wie der Senat bereits entschieden hat (OVG Lüneburg, Urt. v. 14.4.2004, - 1 KN 111/03 -, NdsRPfl 2004, 359 = NuR 2005, 116 [OVG Rheinland-Pfalz 28.10.2004 - 1 C 10517/04]), ist in die Abwägung bei einem Plan, der privates Grundstückseigentum als Fläche mit öffentlichem Zweck (öffentliche Grün-/Verkehrsfläche etc.) überplant, das Gewicht der Eigentumsgarantie in hervorgehobener Weise einzustellen und nur durch gewichtige öffentliche Belange zu überwinden (vgl. BVerfG, Urt. 15.5.1985 - 2 BvR 397-399/82 - BVerfGE 70, 35 (53); BVerfG, Beschl. v. 19.12.2002 - 1 BvR 1402/01 -, BauR 2003, 1338; BVerwG, Beschl. v. 6.10.1992 - 4 NB 36.92 -, BRS 54, Nr. 57; VGH Mannheim, Urt. v. 22.4.1996 - 5 S 833/95 -, BRS 58, Nr. 12). Bei der Ausweisung eines Privatgrundstückes als öffentlich zu nutzende Fläche ist zu prüfen, ob Alternativen - insbesondere auf gemeindlichem - Grund in Betracht kommen (BVerfG, Beschl. v. 19.12.2002, aaO; VGH Mannheim, Urt. v. 26.9.2003 - 3 S 1650/02 -, BauR 2004, 373; OVG NW, Urt. v. 24.9.2001 -7a D 77/00 NE - Juris; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Stand 2/2005, § 1 Rn. 202, 207). Eine gründliche Alternativenprüfung war hier in besonderem Maße geboten, weil als Alternative die Inanspruchnahme des Grundeigentums der Antragsgegnerin in Betracht kam, das nördlich des Grundstücks des Antragstellers und des dort fließenden kleinen Gewässers liegt (Flurstücke ... und ...). Es stand daher das Verbot unverhältnismäßiger Eigenbegünstigung im Raum (Söfker, aaO § 1 Rn. 186). Gemeindliches Eigentum ist nicht durch die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG geschützt, sondern lediglich im Rahmen des kommunalen Selbstverwaltungsrechts nach Art. 28 Abs. 2 GG. Schon dies legt nahe, dass zu prüfen ist, ob dieses Eigentum nicht für eine Verwaltungsaufgabe eingesetzt werden muss, wenn sich dies nach Lage der Dinge aufdrängt.

28

Es fehlt hier zudem an einer umfassenden Prüfung weiterer naheliegenden Alternativen. Die von dem Antragsteller vorgeschlagene Alternative, die östliche Straßenseite der östlichen Begrenzungsstraße des Baugebietes zu bebauen (Anregung des Antragstellers), ist von der Antragsgegnerin allerdings erwogen und aus Gründen des Boden- und Außenbereichsschutzes vertretbar zurückgewiesen worden. Der Antragsteller hat aber weiter vorgetragen, dass als Alternative eine Erschließung des Blockinnenbereiches durch eine Straße in nördlicher Parallellage zum Graben in Betracht gekommen wäre. Ebenso wäre es denkbar gewesen, den geplanten Fußweg zur Nordgrenze oder den geplanten Fuß- und Radweg zur Ostgrenze des Baugebietes hin als Straße auszubauen. Entgegen den Darstellungen der Antragsgegnerin ist der Begründung nichts für die Annahme zu entnehmen, diese Varianten seien als Alternativen erwogen worden. Der gestalterische Wert einer Parallelführung der Straße zum Graben hätte auch durch eine Trasse nördlich des Gewässers erreicht werden können. Ein baulicher Bestand, der geschützt werden müsste, ist lediglich in Gestalt des Kindergartens im Norden des Plangebietes vorhanden, bis zu dem allerdings ohnehin ein Erschließungsstraßenstück ausgebaut werden soll. Selbst wenn man akzeptiert, dass am Kindergarten kein Durchgangsverkehr vorbeiführen sollte, bleiben die Varianten der nördlichen Parallelführung, der Erschließung durch eine Sackgasse oder durch einen Ausbau des Fuß- und Radweges als Straße hin zur östlichen Plangrenze. Vor allem die letztgenannte Variante hätte sich hier angeboten. Das ergibt sich insbesondere aus dem Gesichtspunkt der Lastengleichheit (vgl. dazu unter anderem BVerwG, B. v. 19. April 2000 - 4 BN 16.00 -, NVwZ-RR 2000, 532). Dieser besagt, dass Anlieger bei den für den Bau von Erschließungsstraßen erforderlichen Grundabtretungen möglichst gleichmäßig zu belasten sind. Das bedeutet nun zwar nicht, dass die von der Planung betroffenen Grundeigentümer stets gleich zu behandeln seien; die berührten privaten Belange dürfen vielmehr nur nicht ohne sachliche Rechtfertigung ungleich behandelt werden. Es ist aber stets zu prüfen, ob und welchen Umfangs die mit dem Verlauf einer Straße verbundenen Belastungen besonders den aufzuerlegen sind, die von dem Bebauungsplan den meisten Nutzen haben. Das ist allerdings stets mit anderen städtebaulichen Gesichtspunkten abzuwägen. Dazu gehört namentlich die Prüfung, ob eine ungleiche Behandlung durch das Erfordernis gerechtfertigt wird, die neue Straße mit einer sinnvollen und übersichtlichen Linie zu führen.

29

Danach wäre hier ernstlich in Betracht gekommen, den Binnenbereich ausschließlich über eine U-förmige Anlage zu erschließen, die im nördlichen Bereich der Straße G. abgeht und weiter südlich wieder in sie mündet. Die dort gelegenen Grundstücke profitieren in ganz besonderem Maße von der Neuplanung. Ihre rückwärtigen Bereiche sind ganz verbreitet besonders tief und nach dem vor Planaufstellung geltenden Städtebaurecht überhaupt nicht bebaubar gewesen. Das Grundstück des Antragstellers wäre immerhin in seinem nördlichen straßenzugewandten Bereich mit mindestens einem weiteren Gebäude bebaubar gewesen. Dessen Flächen sind überdies so gestaltet, dass er zur Erschließung der rückwärtigen Flächen nicht auf die Inanspruchnahme anderer Grundstücke angewiesen ist/wäre. Die von der Antragsgegnerin gewählte Erschließungsvariante ermöglicht es zwar, von West nach Ost oder in umgekehrter Richtung zwischen den Straßen G. und der D. er F. einen Einbahnverkehr zu führen. Soweit die Straße auf seinem Grundstück verläuft, hat der Antragsteller aus den vorgenannten Gründen hierdurch indes keinen besonderen Nutzen. Das ist bei den Eigentümern der an der Westseite der Straße G. gelegenen Grundstücke grundsätzlich anders. Diese erhalten auf ihren ausgedehnten rückwärtigen Grundstücksbereichen verbreitet sogar zwei Bauteppiche. Dies würde es rechtfertigen, ihnen die mit der Binnenerschließung entstehenden Nachteile allein aufzuerlegen.

30

Das würde aller Voraussicht nach technisch auch zu machen sein. Eine ohne Fortsetzung nach Westen geführte U-förmige Straße brauchte nicht wesentlich verbreitert zu werden, weil sie ebenfalls im Einbahnverkehr geführt werden könnte. Der Raum zwischen den Gebäuden G. Nrn. 21 und 19 ist breit genug, den bislang als Fuß- und Radweg festgesetzten Teil zu einer vollwertigen Straße zu verbreitern. Dass dort Nebengebäude stehen, muss eine solche Planung nicht zwingend hindern; denn solche Nebengebäude stehen auch im nördlichen Bereich dieser Straße (Flurstück 42/4).

31

Eine gründliche Alternativenprüfung lag auch deswegen besonders nahe, weil die Verwaltung der Antragsgegnerin - unbestritten im Einvernehmen mit ihrem Rat - nach Planbeschluss die Erklärung abgegeben hatte, der das Grundstück des Antragstellers betreffende Planteil werde nicht gegen den Willen des Antragstellers vollzogen werden. Die Inanspruchnahme dieses Grundstückes scheint danach für die Verwirklichung des planerischen Konzeptes nicht (zwingend) erforderlich zu sein.

32

Die mangelnde Abwägung der in Betracht kommenden Planalternativen stellt einen Abwägungsvorgangsfehler dar. Er ist gemäß § 233, 214 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 2, 2. HS BauGB beachtlich, weil er offensichtlich ist und Einfluss auf das Abwägungsergebnis hatte. Das Fehlen einer Alternativenprüfung ergibt sich hier zwar nicht eindeutig aus den Planaufstellungsunterlagen. Es darf jedoch erschlossen werden, weil der Antragsgegner sich trotz aufdrängender Planalternativen keinerlei Begründung für die gewählte Variante gegeben hat (vgl. Schmaltz, in: Schrödter, aaO § 214 Rn. 48; OVG Berlin, U. v. 24.3.1995 - 2 A 4.94 -, BRS 57 Nr. 12); auch in einem solchen Fall ist Offensichtlichkeit gegeben. Angesichts mehrerer denkbarer Alternativen betreffend die Lage und Länge der Planstraße kann weiter nicht ausgeschlossen werden, dass ein mangelfreier Abwägungsvorgang hinsichtlich der Führung der Erschließungsstraße zu einem anderen Planergebnis geführt hätte (vgl. zum Maßstab BVerwG, U. v. 21.8.1981 - 4 C 57.80 -, BVerwGE 64, 33).

33

Dieser Mangel führt zur Gesamtunwirksamkeit des angegriffenen Planes. Es ist nicht möglich, die Fehlerfolgen auf einen bestimmten Planbereich zu begrenzen. Die geschilderten Erschließungsvarianten betreffen praktisch alle Planbereiche. Selbst wenn man nur die letztgenannte Variante (Führung einer U-förmigen Straße von und zur Straße G.) verfolgte, könnte nicht eindeutig entschieden werden, wo die Fehlerfolgen räumlich enden sollten. Insbesondere ist es nicht möglich, nur diese U-förmige Erschließungsanlage stehen zu lassen. Denn diese ist so schmal und die angeschlossenen Bauteppiche so umfangreich, dass der Verkehr nicht allein über den nördlichen Ast geführt werden könnte; dazu wäre vielmehr erforderlich, den bislang als Fuß- und Radweg geplanten Teil zu einer vollständigen Erschließungsanlage zu erweitern. Das kann aber allein durch eine räumliche Beschränkung der Fehlerfolgen nicht geschehen. Außerdem wäre nicht verlässlich vorherzusehen, ob von dieser Straße der Stutzen abgehen sollte, der derzeit nach Westen zum Grundstück des Antragstellers hinweist.