Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 11.05.2005, Az.: 1 ME 54/05
Rechtmäßigkeit der Untersagung der Wohnnutzung eines Gebäudes wegen nicht ordnungsgemäßer Beseitigung von Abwasser; Fehlender Anschluss an ein Abwasserableitungssystem; Notwendigkeit der Verfügung gegenüber allen Bewohnern
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 11.05.2005
- Aktenzeichen
- 1 ME 54/05
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2005, 36124
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2005:0511.1ME54.05.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Stade - 23.02.2005 - AZ: 2 B 234/05
Fundstelle
- BauR 2005, 1364
Verfahrensgegenstand
Nutzungsuntersagung
In der Verwaltungsrechtssache
hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht - 1. Senat -
am 11. Mai 2005
beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stade - 2. Kammer - vom 23. Februar 2005 wird zurückgewiesen.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens zu je ein Drittel.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.377,50 EUR festgesetzt.
Gründe
Die Antragsteller wenden sich gegen eine mit Sofortvollzug versehene Verfügung des Antragsgegners, mit der ihnen untersagt wurde, das Gebäude {Drübber} 3 a zu Wohnzwecke zu nutzen. Die Antragsteller wohnen bzw. wohnten in dem Gebäude {Drübber} 3 a, dessen Eigentümerin die Antragstellerin des Parallelverfahrens 1 ME 22/05 ist. Die Antragsteller zu 2) und 3) wohnen mittlerweile nach eigenen Angaben in den Gebäuden Nr. 3 b und 3 c der Anlage. Der Antragsgegner hatte bereits mit Verfügung vom 30. November den Antragstellern die Wohnnutzung des Gebäudes untersagt mit dem Hinweis darauf, dass das anfallende Abwasser nicht ordnungsgemäß beseitigt werde, weil die ursprünglich vorhandene Abwasserleitung verschlossen sei, so dass kein Anschluss an ein Abwasserableitungssystem mehr bestehe. Auf den Antrag der Antragsteller hob das Verwaltungsgericht die Anordnung der sofortigen Vollziehung dieser Verfügung auf, weil der Antragsgegner nicht sämtlichen Bewohnern des Gebäudes die Nutzung untersagt habe. Daraufhin erließ der Antragsgegner auch gegen die weiteren ihm bekannten Bewohner Verfügungen, deren ordnungsgemäße Zustellung gegenüber den Empfängern zwar umstritten ist, die jedoch den Verwaltungsvorgängen nach abgegangen sind. Gleichzeitig setzte der Antragsgegner den Antragstellern eine neue Räumungsfrist und ordnete erneut die sofortige Vollziehung der Verfügung vom 30. November 2004 an. Dagegen wendeten sich die Antragsteller mit Widerspruch und dem Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes. Zur Begründung haben sie geltend gemacht, dass die Räumungsfrist von 10 Tagen zu knapp bemessen sei und darüber hinaus gegen eine Wohnnutzung auch keine Bedenken bestünden, weil Abwassermissstände nicht entstehen könnten.
Das Verwaltungsgericht hat den Antrag mit dem angegriffenen Beschluss, auf dessen Einzelheiten Bezug genommen wird, abgelehnt. Zur Begründung hat es u.a. ausgeführt, der Antragsgegner habe sich mittlerweile an alle in dem Gebäude wohnenden Personen gewandt. Daraus ergebe sich nunmehr, dass die Voraussetzungen für eine ordnungsgemäße Ermessensausübung gegeben seien. Die Widersprüche gegen die Verfügung seien aus den Gründen, die im Beschluss des Parallelverfahrens (2 B 2020/04) ausgeführt seien, nicht begründet. Die Fristsetzung sei ebenfalls nicht zu beanstanden, weil die Antragsteller bereits langfristig von den Bedenken des Antragsgegners gegenüber der Wohnnutzung Kenntnis gehabt hätten und darüber hinaus auch nicht erkennbar sei, dass ein kurzfristiger Auszug eine unzumutbare Belastung mit sich bringen könne.
Die dagegen erhobene, zulässige Beschwerde ist nicht begründet.
Der Senat nimmt gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO auf die zutreffenden Gründe der angegriffenen Entscheidung Bezug. Das Beschwerdevorbringen, auf dessen Überprüfung der Senat gemäß § 146 Abs.4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, kann zu keiner anderen Beurteilung führen.
Soweit sich die Antragsteller darauf berufen, dass eine Wohnnutzung in dem Gebäude Nr. 3 a grundsätzlich zulässig sei, ist auf den Beschluss in dem den Beteiligten bekannten Parallelverfahren gegenüber der Eigentümerin des Gebäudes vom heutigen Tage zu verweisen (1 ME 22/05). Der Vortrag der Antragsteller, dass der Antragsgegner nicht alle in dem Gebäude Nr. 3 a wohnenden Personen in Anspruch genommen habe, andererseits Personen in der Verfügung erwähnt worden seien, die dort nicht mehr wohnten, kann gegenüber dem Beschluss des Verwaltungsgerichts nicht durchgreifen. Soweit die Antragsteller nicht mehr in dem Gebäude wohnen, fehlt ihnen allenfalls das Rechtsschutzbedürfnis für das Verfahren, wenn sie der Verfügung bereits nachgekommen sind. Dies kann jedoch dahinstehen, weil die Beschwerde auch nicht begründet ist und darüber hinaus die Antragsteller selbst vortragen, sie hätten die Absicht, jederzeit das Gebäude zur Wohnnutzung wieder aufzusuchen. Die Rechtmäßigkeit der Verfügung hängt im Übrigen nicht davon ab, ob alle - wechselnden - Mieter tatsächlich lückenlos erfasst sind, solange eine rechtmäßige Ermessensausübung der Behörde erkennbar ist. Dafür ist notwendig, dass die Behörde sich bemüht, gleichmäßig die ihr bekannten Bewohner zu erfassen. Dies ist derzeit offensichtlich der Fall, wenn der Antragsgegner Verfügungen gleichen Inhalts gegenüber allen ihm bekannten oder bekannt werdenden Bewohner des Gebäudes erlässt.
Die Frage der Wirkung positiver Bauvorbescheide stellt sich in diesem Verfahren nicht, da der im Jahr 2003 erteilte Bauvorbescheid sich nicht auf das Gebäude Nr. 3 a bezieht. Hinweise der Antragsteller, dass das Gebäude bewohnt werden müsse, um Brandstiftung vorzubeugen, sind nicht geeignet, die Rechtmäßigkeit der Nutzungsuntersagungsverfügung in Zweifel zu ziehen. Zum einen bezieht sich diese im Wesentlichen darauf, dass die Frage der Abwasserbeseitigung ungeklärt ist, was schon aus tatsächlichen Gründen einer Wohnnutzung entgegensteht und zum anderen wird sich die Eigentümerin wohl nicht ihrer Mieter bedienen dürfen, um Brandstiftungsgefahren abzuwenden und damit ihre Mieter in hohem Maße zu gefährden. Vermutungen der Antragsteller, dass der Sofortvollzug der Nutzungsuntersagung deshalb angeordnet worden sei, um leerstehende Gebäude schneller der Brandstiftung zugänglich zu machen, lassen einen Zusammenhang mit der Frage der baurechtlichen Zulässigkeit der Wohnnutzung sowie der baurechtlich gerechtfertigten Nutzungsuntersagung nicht erkennen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 159 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO, die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG und entspricht der Streitwertannahme des Verwaltungsgerichts für das erstinstanzliche Verfahren.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
Berner-Peschau
Muhsmann