Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 15.08.2022, Az.: 1 A 4213/20

Absetzung; Absetzungsmenge; Abwassergebühr; Gartenwasserzähler; Schätzung; Schmutzwassergebühr; Zwischenzähler; Absetzung von für die Gartenbewässerung verwendeten Wassermengen bei der Bemessung von Schmutzwassergebühren

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
15.08.2022
Aktenzeichen
1 A 4213/20
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2022, 63630
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGHANNO:2022:0815.1A4213.20.00

Amtlicher Leitsatz

Wird eine nicht in die öffentliche Abwasseranlage gelangte Frischwasserwassermenge für den aktuell abzurechnenden Schmutzwassergebührenzeitraum zwar fristgerecht gemeldet, ist sie aber entgegen der Mitteilung tatsächlich in mehreren Jahren angefallen, kann eine auf den Angaben beruhende fehlerhafte Festsetzung eines Gebührenguthaben nach § 11 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b NKAG i. V. m. § 130 Abs. 2 AO korrigiert werden. Die auf den aktuellen Erhebungszeitraum entfallende Absetzungsmenge ist in einer solchen Situation zu schätzen.

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

Die Kläger wenden sich gegen einen Bescheid, mit dem die ein Guthaben ausweisende Festsetzung von Schmutzwassergebühren für das Jahr 2019 geändert wurde.

Die Kläger sind Eigentümer des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks A-Straße in G.. Auf einem mitbewirtschafteten Grundstück befindet sich ein Gartenteich, dessen Füllstand mit Leitungswasser reguliert wurde; auch wird dieses Grundstück mit Frischwasser bewässert. Neben einem Hauptwasserzähler ist auf dem Grundstück ein Zwischenwasserzähler vorhanden, welcher der Ermittlung der Wassermengen dient, die über den Hauptwasserzähler bezogen werden, aber nicht in den Schmutzwasserkanal gelangen. Mit Bescheiden vom 25. Januar 2017, 25. Januar 2018 und 25. Januar 2019 wurden für die Jahre 2016, 2017 und 2018 jeweils Schmutzwassergebühren festgesetzt, ohne dass nicht in die Kanalisation gelangte Abwassermengen in Abzug gebracht worden wären. Eine Mitteilung der Zählerstände des Zwischenzählers war jeweils nicht erfolgt, so dass der Stand jeweils mit 0 m3 angesetzt wurde. Der Hauptwasserzähler wurde am 29. August 2017 aufgrund eichrechtlicher Vorgaben ausgewechselt, wobei eine im Vergleich zum Vorjahr (151 m3) deutlich erhöhte Abnahmemenge (967 m3) festgestellt wurde. Darüber wurden die Kläger unter dem 14. September 2017 von der Stadtwerke A-Stadt GmbH unterrichtet. Eine Reaktion erfolgte nicht. Mit Ablesedatum 25. Dezember 2019 teilten die Kläger einen Zählerstand für den Hauptwasserzähler von 1.005 m3 und für den Zwischenwasserzähler von 1.107 m3 mit.

Mit Abwassergebührenbescheid vom 29. Januar 2020 setzte die Stadtwerke A-Stadt GmbH im Namen und Auftrag der Beklagten für den Zeitraum vom 1. Januar 2019 bis zum 31. Dezember 2019 eine Schmutzwassergebühr i. H. v. - 1.342,08 EUR fest und ging dabei von einer bezogenen Wassermenge von 550 m3 und einer abzusetzenden Wassermenge von 1.126 m3 aus. Nachdem bei den Stadtwerken aufgefallen war, dass bezogen auf 2019 mehr Abwasser abgesetzt als bezogen wurde, wurde die Auszahlung des Guthabens gesperrt. Die Kläger forderten, dass entweder das Guthaben ausgezahlt wird oder die Abwassergebührenbescheide für 2016 bis 2018 korrigiert werden. Unter dem 14. April 2020 hörte die Beklagte die Kläger zu einer beabsichtigten Änderung des Abwassergebührenbescheides für das Jahr 2019 an. Der Bescheid sei im Teilbereich Schmutzwasser offensichtlich fehlerhaft. Der mitgeteilte bzw. berücksichtigte Zählerstand des Zwischenwasserzählers sei nicht plausibel und könne nicht in voller Höhe anerkannt werden. Es könne keine Absetzmenge gebührenmindernd anerkannt werden, die größer als die eigentliche Einleitungsmenge sei. Die Absetzmenge von 1.126 m3 sei aufgrund von Kulanz gleichmäßig auf die Jahre 2016 bis 2019 zu verteilen. Nachdem die Kläger unter dem 18. Mai 2020 ihr Einverständnis damit erklärt hatten, die vom Zwischenzähler erfassten Mengen auf die Jahre 2016 bis 2019 aufzuteilen und für vier Jahre entsprechende Änderungsbescheide zu erlassen, stellte die Beklagte unter dem 11. Juni 2020 klar, dass lediglich eine Änderung des Gebührenbescheides für das Jahr 2019 beabsichtigt sei. Eine Änderung der Gebührenbescheide für 2016 bis 2018 werde abgelehnt, solange die tatsächlichen Zählerstände über die jeweiligen Jahresmengen nicht nachvollziehbar belegt würden. Die Kläger teilten mit Schreiben vom 29. Juni 2020 mit, dass nicht mehr nachvollzogen werden könne, warum die Werte des Zwischenzählers von 2016 bis 2018 nicht abgelesen worden wären. Dies hätte von Amts wegen geschehen müssen, da mit Schreiben vom 14. September 2017 bereits Unregelmäßigkeiten mitgeteilt worden seien. Der Hauptzähler habe ganz offensichtlich falsch gezählt.

Mit Bescheid vom 2. Juli 2020 wurde der Abwassergebührenbescheid vom 29. Januar 2020 für den Teilbereich Schmutzwasser dergestalt geändert, dass die zugrunde gelegte Einleitungsmenge für das Jahr 2019 von - 576 m3 auf + 268 m3 geändert und die Schmutzwassergebühr auf 624,44 EUR festgesetzt wurde. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Zählerstandsmeldung des Zwischenwasserzählers vom 25. Dezember 2019 nicht plausibel sei. Es werde davon ausgegangen, dass die Menge von 1.126 m3 im Zeitraum von 2016 bis 2019 angefallen sei. Um in 2019 eine anteilige Anerkennung vertreten zu können, sei die Gesamtmenge auf den gesamten Zeitraum umgelegt worden. Es seien daher 282 m3 als nicht in den Kanal eingeleitete Abwassermenge anzuerkennen. Das sich unter Berücksichtigung der Abschläge ergebende Guthaben vermindere sich auf 179,56 EUR.

Die Kläger haben am 4. August 2020 Klage erhoben. Die inzident zu prüfende Satzung sei rechtswidrig. Es werde nicht in Abrede gestellt, dass die im Garten verwendeten Wassermengen für die Kalenderjahre 2017 bis 2019 erst im Zusammenhang in 2020 abgegeben worden seien. Der mitgeteilte Wert von 1.107 m3 sei richtig gewesen und in dem Bescheid vom 29. Januar 2020 ordnungsgemäß verarbeitet worden. Der Bescheid sei also in jeder Hinsicht rechtmäßig gewesen und hätte deshalb von der Beklagten nicht geändert werden dürfen. Ein Widerruf in entsprechender Anwendung des § 49 Abs. 2 VwVfG sei unzulässig. Das Verwaltungsverfahrensgesetz sei auch anzuwenden. Eine offenbare Unrichtigkeit im Sinne des § 129 AO liege nicht vor, weil die Kläger den abgelesenen Zählerstand keineswegs als unrichtig empfunden hätten. Vielmehr seien die ursprünglichen Bescheide für 2016, 2017 und 2018 im Ergebnis unrichtig, denn es sei nicht in Zweifel zu ziehen, dass jeweils Frischwassermengen nicht in die städtische Kanalisation geleitet worden seien. Die Beklagte habe eine Schätzung für das Kalenderjahr 2019 vorgenommen und sei gehalten gewesen, dies auch für die Jahre 2016, 2017 und 2018 zu tun. Auch § 130 AO sei nicht anwendbar, weil der Bescheid vom 29. Januar 2020 keineswegs rechtswidrig gewesen sei, sondern die tatsächliche Rechtslage widerspiegele. Die Abzugsmengen hätten sich nach Fertigstellung der Teichanlage in 2007 stets um 150 m3 bewegt. In 2017 sei die Teichanlage erneuert bzw. erweitert worden, was zu einem Verbrauch um die 1.000 m3 geführt habe. Die Beklagte hätte auf fehlende Meldungen des Zwischenzählers hinweisen müssen. Zivilrechtlich wäre ein solcher Sachverhalt als ungerechtfertigte Bereicherung einzustufen. Die Beklagte sei gehalten, ein nachvollziehbares Rechenwerk anzuwenden.

Die Kläger beantragen,

den Bescheid der Beklagten vom 2. Juli 2020 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Änderung des Abwassergebührenbescheides vom 29. Januar 2020 sei zu Recht erfolgt. Es könne eine jederzeit zu berichtigende offenbare Unrichtigkeit nach § 11 NKAG i. V. m. § 129 AO angenommen werden. Es liege auf der Hand, dass durch die Nutzung der öffentlichen Einrichtung zur Schmutzwasserentsorgung im Erhebungszeitraum kein Guthaben entstehen könne. Das sei so handgreiflich offensichtlich, dass die Kläger trotz der begünstigenden Wirkung kein Vertrauen hierauf haben könnten. Wenn eine Korrektur nach § 11 NKAG i. V. m. § 129 AO nicht in Betracht käme, wäre der Bescheid nach § 11 NKAG i. V. m. § 130 Abs. 2 Nrn. 3 und 4 AO teilweise aufzuheben gewesen. Den Klägern sei die offenbare Unrichtigkeit des Abwassergebührenbescheides vom 29. Januar 2020 bekannt. Darüber hinaus sei der Bescheid auf der Grundlage unrichtiger Angaben zustande gekommen. Die gemeldete Absetzmenge sei erkennbar über einen längeren Zeitraum entstanden. Die Kläger hätten diese Mengen für die Vorjahre geltend machen können, was aber unterblieben sei. Dies liege in ihrem Verantwortungsbereich. Die Beklagte sei nicht verpflichtet, fehlende Meldungen des Zwischenwasserzählers anzumahnen. Im Übrigen würden Zwischenwasserzähler zugleich mit der Ablesekarte für die Frischwasserzähler abgefragt. Im Erhebungszeitraum 2019 könne die mitgeteilte Absetzmenge von 1.126 m3 nicht zugrunde gelegt werden, da erkennbar weniger Wasser bezogen worden sei. Die Schätzung der Absatzmenge für den Erhebungszeitraum sei nicht zu beanstanden. Ob die Kläger auf dem Grundstück einen Teich bewirtschaften, sei der Beklagten unbekannt und ändere auch nichts an den bestandskräftigen Festsetzungen der Vorjahre.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Über die Klage entscheidet nach dem Übertragungsbeschluss der Kammer vom 2. November 2021 der Einzelrichter (§ 6 Abs. 1 VwGO). Der Einzelrichter entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO).

Die zulässige Klage hat keinen Erfolg, sie ist unbegründet. Die Änderung der Festsetzung der Schmutzwassergebühr für das Jahr 2019 auf der Grundlage eines von - 576 m3 auf + 268 m3 geänderten Wertes für die in die Kanalisation gelangte Abwassermenge durch den angegriffenen Bescheid vom 2. Juli 2020 verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Die Änderung bzw. Teilrücknahme der berücksichtigten Absetzungsmenge des Zwischenwasserzählers von 1.126 m3 auf 282 m3 findet ihre Rechtsgrundlage in § 11 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b NKAG i. V. m. § 130 Abs. 1 und Abs. 2 Nrn. 3 und 4 AO. Entgegen der Auffassung der Kläger finden nicht die Regelungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Bundes i. V. m. § 1 Nds. VwVfG, sondern die genannten Regelungen der Abgabenordnung Anwendung, da es sich bei Schmutzwassergebühren um kommunale Abgaben handelt, für die die spezielle Verweisungsnorm des § 11 NKAG die Anwendung der im Einzelnen bezeichneten Verfahrensvorschriften der Abgabenordnung vorsieht. Dementsprechend sind die von den Klägern thematisierten Vorschriften in §§ 48, 49 VwVfG für den von der Beklagten erlassenen Änderungsbescheid von vornherein nicht einschlägig (vgl. zur insoweit vergleichbaren Rechtslage in Sachsen: Sächs. OVG, Beschl. v. 27.07.2020 - 5 A 558/18 -, juris Rn. 8 f.).

Nach der mithin anwendbaren Bestimmung des § 130 Abs. 1 AO kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. § 130 Abs. 2 AO regelt, dass ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), nur dann zurückgenommen werden darf, wenn u. a. der Begünstigte den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren (Nr. 3) oder seine Rechtswidrigkeit dem Begünstigten bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht bekannt war (Nr. 3). Die genannten Voraussetzungen für eine Teilrücknahme in Gestalt der Reduzierung der berücksichtigten Absetzungsmenge für den Erhebungszeitraum 2019 liegen vor.

Der Abwassergebührenbescheid vom 29. Januar 2020 stellt sich hinsichtlich der Festsetzung einer Schmutzwassergebühr unter Berücksichtigung einer Absetzungsmenge von 1.126 m3 als rechtswidrig dar. Rechtliche Grundlage für die Festsetzung von Schmutzwassergebühren ist die Satzung der Beklagten über die Erhebung der Abgaben für die Abwasserbeseitigung (Abwasserbeseitigungsabgabensatzung - ABAS). Nach § 14 Abschnitt I Satz 1 ABAS wird die Abwassergebühr für die Schmutzwasserentsorgung nach der Abwassermenge bemessen, die in die öffentliche Abwasseranlage gelangt; dabei gilt nach § 14 Abschnitt I Abs. 1 Nr. 1 ABAS als in die öffentliche Abwasseranlage gelangt insbesondere die dem Grundstück aus öffentlichen oder privaten Wasserversorgungsanlagen zugeführte und durch Wasserzähler ermittelte Wassermenge. Nach § 14 Abschnitt I Abs. 4 ABAS werden Wassermengen, die nachweislich nicht in die öffentliche Abwasseranlage gelangt sind, auf Antrag abgesetzt, wobei der Antrag nach Ablauf des Kalenderjahres innerhalb von zwei Monaten bei der Stadt einzureichen ist. Der Nachweis hat nach § 14 Abschnitt I Abs. 4 Satz 3 ABAS i. V. m. § 14 Abschnitt I Abs. 3 Sätze 2 bis 4 ABAS durch den Bestimmungen des Eichgesetzes genügende Wasserzähler zu erfolgen, die der Gebührenpflichtige auf seine Kosten einbauen muss. Wenn die Stadt auf solche Messeinrichtungen verzichtet, kann sie als Nachweis über die Wassermengen prüfbare Unterlagen verlangen. Sie ist berechtigt, die Wassermengen zu schätzen, wenn diese auf andere Weise nicht ermittelt werden können. Nach § 18 Abs. 1 ABAS ist Erhebungszeitraum grundsätzlich das Kalenderjahr; soweit die Gebühr nach den durch Wasserzähler ermittelten Wassermengen erhoben wird, gilt nach § 18 Abs. 4 ABAS als Berechnungsgrundlage für den Erhebungszeitraum der Wasserverbrauch der Ableseperiode, die jeweils dem 31. Dezember des Kalenderjahres vorausgeht.

Unter Zugrundelegung dieser satzungsrechtlichen Bestimmungen hätte im Erhebungszeitraum 2019 nicht die von den Klägern angegebene vollständige Wassermenge des Zwischenwasserzählers von 1.126 m3 von der in diesem Zeitraum über den Hauptwasserzähler bezogenen Wassermenge in Abzug gebracht werden dürfen. Eine Absetzung von über den Zwischenwasserzähler gelaufenen Wassermengen, die für die Gartenbewässerung und die Regulierung des Wasserstandes im Gartenteich Verwendung fanden, war lediglich auf Antrag innerhalb von zwei Monaten nach Ablauf des jeweiligen Kalenderjahres möglich. In den Jahren vor 2019 war zwar ein Zwischenzähler vorhanden, die einzelnen Zählerstände bzw. die jeweiligen Absetzungsmengen wurden aber - unstreitig - nicht innerhalb des jeweiligen Zeitfensters nach Ablauf der Vorjahre mitgeteilt, sondern gesammelt erstmalig nach Ablauf des Kalenderjahres 2019. Der Zählerstand des Zwischenwasserzählers war zwar als solcher zutreffend, gleichwohl durfte er nicht in Gänze für den Erhebungszeitraum 2019 berücksichtigt werden, da es sich nicht um die Wassermengen handelte, die in 2019 für die Gartenbewässerung und die Regulierung des Wasserstands im Gartenteich verwendet wurden. Der Bescheid vom 29. Januar 2020 stellt sich hinsichtlich der vollen Berücksichtigung des Zwischenzählerwasserstandes und des sich daraus ergebenden Guthabens mithin als rechtswidrig dar. Richtigerweise wäre nach Auffassung des Einzelrichters von vornherein eine Schätzung vorzunehmen gewesen, infolge derer eine möglichst wirklichkeitsnahe Absetzungsmenge für 2019 hätte ermittelt werden müssen. Es drängt sich nämlich insoweit eine Parallele zur Schätzung des Wasserverbrauchs in den Fällen auf, in denen ein Hauptwasserzähler zwar nicht fehlerhaft anzeigt, der angezeigte Wasserverbrauch aber ersichtlich nicht im letzten Erhebungszeitraum angefallen ist, weil in der Vergangenheit falsch abgelesen wurde (vgl. dazu Urt. d. Kammer v. 02.12.2021 - 1 A 1252/20 -, juris m. w. N.). Satzungsrechtliche Schätzungstatbestände für "typische" Situationen - wie hier etwa in § 14 Abschnitt 1 Abs. 2 ABAS für den Fall, dass der Wasserzähler nicht richtig oder überhaupt nicht anzeigt - sind nicht abschließend und sperren die gesetzliche Regelung in § 11 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b und Abs. 6 NKAG i. V. m. § 162 Abs. 1 AO nicht (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 19.12.2018 - 9 LA 48/18 -, juris Rn. 20 f.; Urt. d. Kammer v. 02.12.2021 - 1 A 1252/20 -, juris Rn. 15; vgl. aber OVG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 07.10.2021 - 2 MB 3/21 -, juris Rn. 14, das von einem abschließenden Charakter der satzungsrechtlichen Schätzungstatbestände auszugehen scheint). Nicht anders liegt es bei absetzbaren Wassermengen eines Gartenwasserzählers. Letztlich geht es bei der Abwassergebühr immer um eine möglichst wirklichkeitsnahe Ermittlung der in die Kanalisation gelangten Abwassermengen. Eine Nichtberücksichtigung erkennbar nicht in die Kanalisation gelangter erheblicher Wassermengen steht damit nicht in Einklang. Der - auch von der Beklagten gewählte - Frischwassermaßstab als Gebührenmaßstab für die Abwassergebühr ist nämlich als Wahrscheinlichkeitsmaßstab nur zu rechtfertigen, wenn die Gebührensatzung die Möglichkeit vorsieht, nachweisbar in erheblichem Umfang nicht in die Kanalisation eingeleitete Wassermengen abzusetzen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 28.03.1995 - 8 N 3/93 -, juris Rn. 16; OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 15.12.2016 - 4 L 162/15 -, juris Rn. 25); die durch die Absetzbarkeit nicht in die Abwasserkanalisation eingeleiteter Frischwassermengen bewirkte Verfeinerung des an die bezogene Frischwassermenge anknüpfenden Wahrscheinlichkeitsmaßstabes ist rechtlich geboten (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 03.12.2012 - 9 A 2646/11 -, juris Rn. 71).

Entgegen der Auffassung der Kläger wäre die für 2019 deshalb von vornherein gebotene Schätzung - es handelte sich nicht etwa um eine bloße Kulanz - allerdings nicht mit einer entsprechenden Schätzung und Korrektur der Bescheide für die Vorjahre 2016 bis 2018 zu verbinden gewesen. Die Vorstellung der Kläger, dass entweder eine Korrektur der Bescheide für die Vorjahre stattzufinden habe oder aber der Bescheid vom 29. Januar 2020 als rechtmäßig anzusehen sei, trifft nicht zu. Bei der Einforderung eines plausiblen Rechenwerkes für die gesamten Jahre 2016 bis 2019 verkennen die Kläger schlichtweg, dass die Gebührenzeiträume bereits bestandskräftig abgewickelt und die jeweiligen Zeiträume für die Meldung der Zählerstände des Zwischenwasserzählers (zwei Monate nach Ablauf des jeweiligen Kalenderjahres) längst abgelaufen waren. Abgesehen davon sind die Jahre 2016 bis 2018 überhaupt nicht streitgegenständlich, denn der im Klageantrag allein in Bezug genommene Bescheid vom 2. Juli 2020 betrifft - wie der dadurch geänderte Bescheid vom 29. Januar 2020 - lediglich den Erhebungszeitraum 2019. Bei dem von den Klägern eingenommenen Blickwinkel einer ungerechtfertigten Bereicherung, die durch eine Aufrechterhaltung des Bescheides vom 29. Januar 2020 auszugleichen sei, verschließen sie sich der Erkenntnis, dass sich die Abwassergebühren nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften richten, die auch die Rechtssicherheit bei abgeschlossenen Erhebungszeiträumen im Blick haben. Dies dient auch dazu, eine verlässliche Kalkulation von Gebührensätzen überhaupt erst zu ermöglichen.

Der hinsichtlich der Schmutzwassergebührenfestsetzung mithin rechtswidrige Bescheid vom 29. Januar 2020 ist nach Auffassung des Einzelrichters als begünstigender Verwaltungsakt i. S. d. § 11 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b NKAG i. V. m. § 130 Abs. 2 AO anzusehen, so dass die dort verankerten Einschränkungen der Rücknahmemöglichkeit Geltung beanspruchen. Zwar enthält die Festsetzung einer Gebühr regelmäßig nicht die begünstigende Regelung, dass eine höhere Gebühr nicht geschuldet werde, so dass eine Nacherhebung in den Fällen einer zu niedrig festgesetzten Kommunalabgabe grundsätzlich zulässig und im Interesse eines rechtsstaatlichen, am Gleichheitsgrundsatz orientierten Verwaltungsvollzugs sogar geboten ist (vgl. etwa Bayer. VGH, Beschl. v. 20.09.2019 - 4 ZB 19.572 -, juris Rn. 13 m. w. N.), wenn nicht nach dem spezifischen Kommunalabgabenrecht des Landes die Vorschriften der Abgabenordnung über eine erhöhte Bestandskraft von Steuerbescheiden (vgl. insbesondere die "Änderungssperre" in § 173 AO) Anwendung finden, was in Niedersachsen aber nicht der Fall ist. Nach Auffassung des Einzelrichters ist indessen bei der Festsetzung eines "Guthabens" ausnahmsweise ein begünstigender Charakter der getroffenen gebührenrechtlichen Regelung anzunehmen, denn es geht letztlich bei der hier erfolgten "Minusfestsetzung" um eine Gebührenerstattung, der zweifellos ein begünstigender Charakter zukommt.

Die einschränkenden Voraussetzungen für die teilweise Rücknahme der begünstigenden "Minusfestsetzung" sind aber in zweifacher Hinsicht erfüllt: Zum einen ist die in Ansatz gebrachte Absetzungsmenge i. S. d. § 11 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b NKAG i. V. m. § 130 Abs. 2 Nr. 3 AO durch in wesentlicher Beziehung unvollständige Angaben erwirkt worden. Zwar wurde der Beklagten zum Jahreswechsel 2019/2020 der "richtige" und nicht etwa ein manipulierter Zählerstand des Zwischenwasserzählers übermittelt. Die Kläger haben aber schlichtweg verschwiegen, dass sich der Zählerstand durch Wassermengen ergeben hat, die nicht nur in 2019, sondern in mehreren Jahren zwecks Gartenbewässerung und Teichbefüllung durch den Zwischenwasserzähler gelaufen waren. Dass dies bei der Erstellung des Bescheides an sich von vornherein hätte auffallen müssen, weil die Absetzungsmenge sogar die bezogene Wassermenge überstieg, lässt nach Auffassung des Einzelrichters den Tatbestand der "Erwirkung" des Bescheides durch unvollständige Angaben nicht entfallen. Weiterhin geht der Einzelrichter davon aus, dass den Klägern die Rechtswidrigkeit der "Minusfestsetzung" wenn nicht bekannt, so doch aber infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt war (vgl. § 11 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b NKAG i. V. m. § 130 Abs. 2 Nr. 4 AO). Die Kläger werden vor der erstmaligen Übermittlung des Standes des Zwischenwasserzählers bemerkt haben, dass sie dies in den Vorjahren vergessen hatten. Dass eine Absetzungsmöglichkeit (nur) bezogen auf das jeweilige Kalenderjahr bestand, hätten sie unschwer den Gebührenbescheiden für 2016 bis 2018 entnehmen können, in denen ein Zwischenwasserzähler jeweils mit 0 m3 aufgeführt war. Auch die Frist in § 14 Abschnitt I Abs. 4 ABAS muss als bekannt vorausgesetzt werden, denn wer die Mühen der Installation eines Gartenwasserzählers auf sich nimmt, dürfte sich auch mit den Modalitäten der Absetzungsmöglichkeit vertraut gemacht haben. Dass der - zunächst sogar erfolgreiche - Versuch, das in mehreren Jahren Versäumte "auf einmal" nachzuholen, nur in eine rechtswidrige Festsetzung münden könnte, hätte den Klägern bewusst sein müssen.

Dass der angegriffene Änderungsbescheid sich nicht explizit mit den einschlägigen Rechtsnormen befasst und infolgedessen auch keine als solche bezeichneten Ermessenserwägungen enthält, ist nach Auffassung des Einzelrichters vorliegend unschädlich. Dem vor Erlass des Bescheides geführten Schriftverkehr, der Anhörung und der darauf bezogenen Begründung des Bescheides lässt sich nämlich entnehmen, dass die Beklagte eine sorgfältig abgewogene Einzelfallentscheidung getroffen hat. Zudem sind die angestellten Erwägungen im Laufe des Klageverfahrens ergänzt worden (vgl. § 11 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b NKAG i. V. m. § 126 Abs. 2 AO, § 114 Satz 2 VwGO). Dass die Beklagte sich infolge einer offensichtlichen Fehlerhaftigkeit des Bescheides vom 29. Januar 2020 überhaupt zur Korrektur veranlasst war, ist nicht zu beanstanden. Wenn ein Abgabenbescheid eindeutig fehlerhaft ist und nur durch eine Korrektur ein rechtmäßiger Zustand hergestellt werden kann, ist die Behörde dazu in der Regel auch gehalten, ohne dass Vertrauensschutzinteressen entgegenstehen (vgl. Tipke/Kruse, Kommentar zur AO und FGO, Stand: Juli 2022, § 130 AO Rn. 37). Die Abwägung und die der Sache nach durchgeführte Schätzung - wenn auch unter der fehlerhaften Annahme einer bloßen "Kulanz" - bezüglich der Aufteilung der Absetzungsmengen auf die einzelnen Jahre dürfte dabei eher zu Gunsten der Kläger ausgefallen sein, denn es wurde eine gleichmäßige Verteilung auf die Jahre vorgenommen, obwohl nach eigener Darstellung der Kläger wegen der Erneuerung und Erweiterung der Teichanlage in 2017 eine "Verbrauchsspitze" vorlag. Dadurch, dass dem Jahr 2017 bei der Verteilung auf die Jahre ab 2016 eine zu geringe Absetzungsmenge zugeschlagen wurde, sind die Kläger bezüglich der allein zu ändernden Festsetzung für 2019 ersichtlich nicht in ihren Rechten verletzt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11 und § 711 Satz 1 und 2 ZPO.