Sozialgericht Osnabrück
Urt. v. 28.06.2018, Az.: S 19 U 6/16
Bibliographie
- Gericht
- SG Osnabrück
- Datum
- 28.06.2018
- Aktenzeichen
- S 19 U 6/16
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2018, 73957
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Tenor:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von der Beklagten Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung als Hinterbliebene ihres im April 2015 verstorbenen Ehemanns.
Die Klägerin ist die Witwe des am A. geborenen und während des Verwaltungsverfahren am 02.04.2015 verstorbenen Versicherten Herrn B. A. (im Folgenden: Versicherter). Sie lebte mit dem Versicherten zur Zeit seines Todes in einem Haushalt und ist seine Erbin.
Der Versicherte wurde in der ehemaligen Sowjetunion geboren und war dort als landwirtschaftlicher Produktionshelfer (Traktorist) tätig. Nach Auswanderung in die Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1994 absolvierte er eine Ausbildung zum Maschinenbaumechaniker. Von 1997 bis Ende Mai 2010 war der Versicherte als Schweißer bei der Firma C. tätig. Seitdem war er arbeitslos, seit dem 01.03.2012 bezog er eine Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Im Februar 2011 leitete die Beklagte ein BK-Feststellungsverfahren ein, da sie Kenntnis darüber erlangt hatte, dass sich der Kläger aufgrund einer Atemwegserkrankung in ärztlicher Behandlung befand. Der Versicherte gab an, dass im Jahr 2005/2006 erstmals Beschwerden an den Atemwegen aufgetreten seien.
Nach den Berichten des Dr. D. (Facharzt für Innere Medizin, Lungen- und Bronchialheil-kunde) gab der Kläger im April 2007 einen seit 2 Jahren bestehenden Husten mit Auswurf und Dyspnoe sowie eine Lungenentzündung vor einigen Jahren an. Diagnostiziert wurde eine chronisch obstruktive Atemwegserkrankung (COPD) im Stadium IV (sehr schwer) mit respiratorischer Globalinsuffizienz (Bericht vom 25.04.2007). Nach den Berichten vom 17.06.2008 und 05.06.2009 bestand eine mittelschwere Obstruktion (COPD im Stadium III). Eine röntgenologische Untersuchung des Thorax vom 24.04.2007 ergab Zeichen einer Emphysembronchitis, die im Folgenden unverändert bestanden. Mit Computertomographie (CT) des Thorax vom 11.08.2011 wurden ferner auch narbige Veränderungen im Bereich des rechten Mittellappens mit leichten Traktionsbronchiektasen festgestellt. Eine geringe Verschattung der Zwerchfellrippenwinkel beidseits war bei der Nachuntersuchung im Jahr 2012 komplett rückläufig.
Dr. E. gab in seinem Bericht vom 07.07.2011 einen ausgeprägten Nikotinabusus über einen Zeitraum von 17 Jahren an (20 pack years). Aktuell bestünde ein leichtgradiger Nikotinabusus. Im Rahmen einer stationären Rehabilitation (Juli/August 2011) gab der Versicherte an, dass er seit drei Jahren täglich 4 Zigaretten rauche. Davor habe er eine Schachtel Zigaretten täglich über einen Zeitraum von 30 Jahren geraucht. Auch im Rahmen einer Begutachtung durch Dr. F. gab der Versicherte an, in den letzten 3-4 Jahren täglich 4 bis 5 Zigaretten zu rauchen, davor 30 Jahre eine Schachtel täglich (Gutachten vom 27.04.2012). Ein fortgesetzter Nikotinabusus wurde auch in dem Entlassungsbericht über eine stationäre Behandlung im Mai 2012 (G.) dokumentiert.
Der Präventionsdienst nahm am 05.04.2011 Stellung zu den Arbeitsbedingungen des Versicherten bei der Firma C.. Von 1997 bis 2007 arbeitete der Versicherte in einer großen Halle in H., die zwar natürliche Lüftungsmöglichkeit durch ein Tor, aber keine Fenster hatte. Es bestanden schlechte Lüftungsverhältnisse. Nach Umzug der Firma nach I. arbeitete der Versicherte bis Ende Mai 2010 in einer anderen Halle, die Fenster in der Decke hatte, welche jedoch selten bis gar nicht geöffnet wurden. Es bestand eine technische Absaugung an einer Wand, die jedoch nicht ausreichend war. Der Präventionsdienst führte aus, dass der Versicherte während seiner beruflichen Tätigkeit Schweißrauchen und Schweißgasen ausgesetzt gewesen sei. Es hätten Spuren von atembarem Chrom und Nickel in den Schweißrauchen vorgelegen. Eine Gefährdung durch chemisch allergisierende Stoffe habe vorgelegen.
Am 10.01.2012 erstattete der Dr. J. (Facharzt für Lungen- und Bronchialheilkunde, Innere Medizin, Allergologie, Umwelt- und Schlafmedizin) ein Gutachten nach ambulanter Untersuchung des Versicherten. Der Versicherte gab an, er habe seit seinem 17. Lebensjahr 15 bis 20 Zigaretten täglich geraucht, seit 2007 sei er Nichtraucher. Dr. J. diagnostizierte eine schwergradige COPD. Eine allergische Genese oder eine Schweißerlunge (Siderofibrose) konnten nicht festgestellt werden. Dr. J. verwies auf eine erhebliche inhalative Belastung durch die berufliche Tätigkeit als Schweißer. Sicherlich habe das inhalative Zigarettenrauchen zu einer Verschlimmerung der COPD beigetragen, ohne die berufliche Exposition sei aber eine so rasch progrediente Emphysembildung nicht zu erwarten gewesen. Dr. J. bejahte die Voraussetzungen der BK der Ziffer 4302 (durch chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankung) der Anlage zur BKV (im Folgenden: BK 4302).
Auf Empfehlung des Arbeitsmediziners Dr. K. (Stellungnahme vom 23.11.2012) veranlasste die Beklagte weitere Ermittlungen zur beruflichen Exposition. Dr. L. führte in der Stellungnahme vom 17.12.2012 nach telefonischer Befragung des Versicherten aus, dass dieser ausschließlich mittels Metall-Aktivgasschweißverfahren (MAG-Verfahren) Massivdraht-elektroden geschweißt habe. Dr. L. führte aus, dass nur die Schweißrauchexposition berücksichtigt werden müsse, da die Entstehung von Stickoxiden und Ozon bei diesem Verfahren keine Rolle spiele. Bei der Bewertung der Schweißrauchkonzentration müsse die Elektrodenbrenndauer berücksichtigt werden. Für Vollzeitschweißer werde eine Brenndauer von maximal 70 % der Schweißarbeit angenommen; die eigentliche Schweißzeit liege auch bei Vollzeitschweißern deutlich unter 8 Stunden. Vorliegend müsse zudem berücksichtigt werden, dass keine langen Schweißnähte mit entsprechend langer Brenndauer gefertigt worden seien. Es könne keine sichere Einhaltung der Arbeitsplatzgrenzwerte angenommen werden. Arbeits-hygienisch ungünstige Bedingungen (Schweißen in Rohren, engen Behältern oder kleine Räume ohne Absaugung) hätten nicht vorgelegen. Dr. K. führte sodann am 31.01.2013 aus, dass von einer relevanten, wenn auch moderaten Schweißrauchexposition über einen Zeitraum von 13 Jahren auszugehen sei. Zwar habe der Versicherte seit dem 17. Lebensjahr 15 bis 20 Zigaretten täglich geraucht (1978 bis 2007), dennoch sei eine Mitursächlichkeit der Schweißrauchexposition anzunehmen. Er schätzte in Übereinstimmung mit Dr. J. (ergänzende Stellungnahme vom 19.04.2013) die beruflich verursachte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) mit 30 v.H. ein.
Am 08.05.2014 erfolgte eine weitere Stellungnahme der Präventionsabteilung der Beklagten zur Höhe der Arbeitsplatzexposition nach Ermittlungen an einem Vergleichsarbeitsplatz. Der Versicherte habe bis 2007 den Schweißroboter bestückt, der in einer Vorrichtung Metallteile selbständig zusammenschweißte. Auf dem Vorbereitungsplatz habe der Versicherte die Metallteile von Hand geheftet, die geschweißten Teile geprüft und z.T. nachgeschweißt. Die Schweißvorgänge hätten zwischen 4 und 10 Minuten gedauert, die reine Schweißdauer beim Heften und Ausbessern durchschnittlich 2 Minuten pro Produkt. Nach dem Umzug der Firma im Jahr 2007 habe der Versicherte hauptsächlich an einem Schweißbock gearbeitet und Teile von Hand zusammengeschweißt. Die reine Schweißdauer habe ca. 15 Minuten pro Stunde betragen. Der Versicherte habe ausschließlich im Metall-Inert-Schweißgasverfahren (MIG-Verfahren) sowie im MAG-Verfahren gearbeitet. 90 % der Materialien seien unbeschichtete Normalstähle gewesen, zu etwa 10 % seien Edelstähle verarbeitet worden.
Die Dipl.-Chemikerin Frau Dr. M. schloss sich in ihrer Stellungnahme vom 11.12.2013 den Ausführungen des Dr. L. an, dass eine sichere Einhaltung der Grenzwerte nicht angenommen werden könne. In der Stellungnahme vom 17.06.2014 führte sie ergänzend aus, dass weder die Schweißböcke mit einer Absaugung ausgerüstet gewesen seien, noch die Helme mit einer Belüftung. Von einer gefährdenden Schweißrauchbelastung sei auszugehen.
Mit Bescheid vom 12.11.2014 erkannte die Beklagte eine BK 4302 an mit der Folge einer chronisch verengenden Atemwegserkrankung mit verengendem Emphysem (Überblähung der Lungenbläschen) durch dauerhaftes Einatmen von Schweißschmauchgasen. Unabhängig von der BK bestünde eine Verschlimmerung der obstruktiven Atemwegserkrankung durch inhalatives Zigarettenrauchen. Die Beklagte gewährte dem Versicherten eine Verletztenrente in Höhe von 30 v.H. ab dem 16.01.2010.
Im Widerspruchsverfahren verwies der Versicherte darauf, dass er zu etwa 25 % mit Edelstahl gearbeitet habe. Inzwischen sei bei ihm auch ein Bronchialkarzinom diagnostiziert worden. Er habe daher Anspruch auf Zahlung einer höheren Verletztenrente.
Nachdem noch die röntgenologische Untersuchung des Thorax am 09.12.2013 weder eine Pneumonie noch einen tumorösen Prozess gezeigt hatte, wurde im Rahmen eines stationären Aufenthaltes vom 18.06.14 bis 01.07.14 ein kleinzelliges zentrales Bronchialkarzinom im Stadium „limited disease“ festgestellt und eine kurative Therapie (kombinierte Radiochemotherapie) eingeleitet.
Die Beklagte leitete ein Feststellungsverfahren zur BK 4109 ein und bat Dr. K. um beratungsärztliche Stellungnahme. Dieser führte am 23.02.2015 aus, dass das Bronchialkarzinom keine Folge der Schweißrauchexposition sei. Der Versicherte habe überwiegend Normalstäbe und nicht Edelstähle verarbeitet, eine relevante Chrom VI- und/oder Nickelexposition habe nicht bestanden. Wesentliche Ursache sei die Zigarettenrauchinhalation.
Mit Widerspruchsbescheid vom 11.03.2015 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 12.11.2014 als unbegründet zurück.
Am 02.04.2015 verstarb der Versicherte während einer palliativmedizinischen und strahlentherapeutischen stationären Behandlung. Diagnostiziert wurden ein mehrere Teilbereiche überlappendes Bronchialkarzinom mit Metastasen im Bereich der Wirbelsäule und des Atlas.
Am 02.04.2015 nahm die Präventionsabteilung der Beklagten Stellung zur Dosisberechnung der Nickelbelastung. Unter der Annahme der Verarbeitung nickelhaltiger Stähle im MIG/MAG-Verfahren zu etwa 25 % der Arbeitszeit wurde eine kumulative Dosis von 1,7 mg/m³ Nickel-Jahren berechnet.
Mit Bescheid vom 14.04.2015 (gerichtet an Versicherten) lehnte die Beklagte eine BK 4109 sowie Ansprüche auf Leistungen ab. Mit Schreiben vom 30.04.2015 bat die Beklagte um Rücksendung des Bescheides. Es sei zum Zeitpunkt der Erteilung des Bescheides nicht bekannt gewesen, dass der Versicherte verstorben sei. Der Bescheid gelte daher als nicht zugestellt. Nach Eingang werde erneut ein rechtsbehelfsfähiger Bescheid an die Klägerin als Sonderrechtsnachfolgerin erteilt werden.
Am 28.05.2015 erließ die Beklagte sodann einen neuen Bescheid – gerichtet an die Klägerin als Erbin und Sonderrechtsnachfolgerin. Bei dem Versicherten habe keine BK 4109 bestanden. Es habe keine Einwirkung von DG. im erforderlichen Umfang vorgelegen. Daher bestünde auch kein Anspruch auf Leistungen, auch nicht auf Hinterbliebenenleistungen.
Im Widerspruchsverfahren trug die Klägerin – vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten – vor, dass eine erhöhte Konzentration aufgrund der absolut unzureichenden Belüftung bestanden habe.
Dr. N. vom Präventionsdienst der Beklagten führte in seiner Stellungnahme vom 05.11.2015 aus, dass der Versicherte arbeitstäglich ca. 15 Minuten reine Schweißtätigkeiten ausgeübt habe. Etwa 10 % der bearbeiteten Stähle seien Edelstähle gewesen. Bei Annahme einer gefährdenden Tätigkeit von 0,25 % des Arbeitstages (Schweißrauch mit Nickeloxid) und unter Berücksichtigung des Arbeitsplatzgrenzwertes von 0,5 mg/m3 Nickeloxid sei die hohe Belastung durch schlecht funktionierende Absaugung bereits berücksichtigt worden. Eine Änderung der Nickeljahre sei nicht vorzunehmen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 17.11.2015 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegrün-det zurück.
Hiergegen richtete sich die 15.12.2015 vor dem Sozialgericht Osnabrück erhobene Klage (Az.: S 19 U 347/15). Die Klage ist mit Urteil der Kammer vom heutigen Tag abgewiesen worden.
Mit Bescheid vom 10.06.2015 lehnte die Beklagte einen Anspruch der Klägerin auf Hinterbliebenenleistungen ab. Der Versicherte sei nicht an den Folgen der BK 4302 verstorben.
Im Widerspruchsverfahren trug die Klägerin vor, dass das Karzinom Folge der obstruktiven Atemwegserkrankung mit Emphysem sei.
Dr. K. wies in seiner Stellungnahme vom 29.09.2015 darauf hin, dass bereits das CT des Thorax vom 19.06.2014 ein großes zentrales Bronchialkarzinom mit Infiltration des Hauptbronchus gezeigt habe. Aufgrund des fortgeschrittenes Befund sei keine operative Behandlung möglich gewesen. Auch, wenn keine Einschränkung der Lungenfunktion durch die COPD bestanden hätte, sei der Tod nicht um 1 Jahr vorverlegt worden.
Mit Widerspruchsbescheides vom 11.12.2015 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.
Hiergegen richtet sich die am 14.01.2016 vor dem Sozialgericht Osnabrück erhobene Klage. Es sei bekannt, dass COPD-Erkrankte häufiger ein Bronchialkarzinom entwickeln. Es handele sich um eine systemische Erkrankung. Durch die Verengung der Atemweg steige das Risiko, an Lungenkrebs zu erkranken.
Die Klägerin beantragt,
1. den Bescheid des Beklagten vom 10.06.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2015 aufzuheben,
2. die Beklagte zu verurteilen, ihr Hinterbliebenenleistungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist auf die Gründe ihrer Bescheide.
Die Kammer hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen Dr. D. nach Aktenlage. Auf das pneumologisch-internistische Gutachten vom 02.01.2017 und dessen ergänzende Stellungnahme vom 26.06.2017 wird Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte zu diesem Verfahren sowie zum Verfahren S 19 U 347/15 und auf die Verwaltungsakten der Beklagten zu diesem Verfahren sowie zum Verfahren S 19 U 347/15 verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung, Beratung und Entscheidungsfindung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben. Sie ist jedoch unbegründet. Denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen wegen des Todes des Versicherten, da nicht festgestellt werden kann, dass der Tod infolge eines Versicherungsfalls eingetreten ist.
Rechtsgrundlage für die Gewährung von Hinterbliebenenleistungen bildet § 63 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch - Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII). Voraussetzung für die Gewährung dieser Leistungen ist, dass der Ehegatte der Klägerin infolge eines Versicherungsfalls, also eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit, zu Tode gekommen ist.
Ansprüche der Hinterbliebenen sind danach nur begründet, wenn ein Arbeitsunfall oder eine BK tatsächlich vorgelegen hat und zwischen ihm und dem Tode des Versicherten zwingend ein ursächlicher Zusammenhang besteht (Mehrtens/Brandenburg, Kommentar zur BKV, E § 63 SGB VII, Rdnr. 1). Der Tod muss somit rechtlich wesentliche Folge des Versicherungsfalls sein.
Das Begehren auf Verurteilung der Beklagten zu Hinterbliebenenleistungen umfasst diesen Anspruch unter jedem rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkt. Die Frage, ob ein Versicherungsfall vorgelegen hat und welcher es genau war, ist kein selbstständiger Gegenstand des Verwaltungsverfahrens, über den durch Verwaltungsakt entschieden werden dürfte, sondern nur eine Tatbestandsvoraussetzung des streitgegenständlichen Anspruchs. Der Hinterbliebene kann sich daher darauf beschränken vorzutragen, beim Versicherten habe irgendein Versicherungsfall (Arbeitsunfall, Listen-BK, Wie-BK) vorgelegen, der dessen Tod herbeigeführt habe. Es muss dann allein darüber entschieden werden, ob das vom Hinterbliebenen verfolgte Recht auf Hinterbliebenenleistungen besteht oder nicht besteht (Urteil des BSG vom 29.11.2011, Az.: B 2 U 26/10 R). Daher ist über den Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen unabhängig von dem Ergebnis früherer Feststellungen über eine Verletztenrente mit Todesfall neu zu entscheiden (Bereiter-CN./Mehrtens, Kommentar zum SGB VII, § 63 SGB VII, Rdnr. 3; Mehrtens/Brandenburg, Kommentar zur BKV, E § 63 SGB VII, Rdnr. 2). Ein bereits vorliegender Rentenbescheid über das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines Versicherungsfalls hat somit weder für noch gegen die Angehörigen verbindliche Wirkung. Dies bedeutet, dass die Entscheidung über eine Hinterbliebenenleistung genauso zu treffen ist, wie wenn ein zuerkennender Verwaltungsakt gegenüber dem Versicherten überhaupt nicht ergangen wäre.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kann im vorliegenden Fall nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, dass der Tod des Versicherten infolge eines Versicherungsfalls eingetreten ist. Der Tod ist nicht durch (mittelbare) Folgen der anerkannten BK 4302 wesentlich (mit)verursacht worden (hierzu unter I.). Es kann auch nicht festgestellt werden, dass der Tod Folge einer anderen Listen-BK gem. § 9 Abs. 1 SGB VII (hierzu unter II.) oder einer Wie-BK nach § 9 Abs. 2 SGB VII gewesen ist.
I.
Der Versicherte verstarb am 02.04.2015 im Alter von 53 Jahren an den Folgen eines metastasierten kleinzelligen Bronchialkarzinoms. Vorliegend vermag die Kammer nicht davon auszugehen, dass der Tod des Versicherten infolge der mit Bescheid vom 12.11.2014 anerkannten BK 4302 eingetreten oder hierdurch zumindest um ein Jahr beschleunigt worden ist.
Zur Beurteilung der Ursächlichkeit gelten auch im vorliegenden Fall die allgemeinen, im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung gültigen Kausalitätsgesichtspunkte, somit die Theorie der wesentlichen Bedingung. Danach ist jedes Ereignis Ursache des Erfolges, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio-sine-qua-non). Als rechtserheblich werden aber nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Es kann dabei auch mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen geben. Ist jedoch eine Ursache - allein oder gemeinsam mit anderen Ursachen - gegenüber anderen Ursachen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur die erstgenannte(n) Ursache(n) "wesentlich" und damit Ursachen(n) im Sinne des Sozialrechts. Eine Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber nicht als "wesentlich" anzusehen ist, kann auch als "Gelegenheitsursache" oder "Auslöser" bezeichnet werden (vgl. hierzu Urteil des BSG vom 09.05.2006, Az.: B 2 U 1/05 R).
Der Tod kann unmittelbar durch die BK oder durch weitere Erkrankungen im Anschluss an die BK oder durch mittelbare Schädigungsfolgen auftreten. Bei der Konkurrenz zweier Leiden – BK-bedingt und BK-unabhängig – ist rechtlich wesentlich die Ursache, die wegen ihrer besonderen qualitativen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen hat. Somit ist die BK für den Tod dann rechtlich wesentlich, wenn gerade und nur durch ihr Hinzutreten zu den anderen Ursachen der Tod eintreten konnte, nicht jedoch, wenn die BK von anderen Ursachen in den Hintergrund gedrängt wird. Hätten die BK-unabhängigen Leiden auch ohne die BK zum Tode geführt, so bilden die BK-Folgen dennoch eine wesentliche Ursache für den Tod, wenn sie diesen um mindestens ein Jahr beschleunigt haben. Zu beachten ist hierbei jedoch, dass die Beweisfrage der Lebensverkürzung um ein Jahr nur dann eine brauchbare Entscheidungshilfe ist, wenn eine sichere ungünstige Prognose eines Leidens besteht, nicht aber, wenn die Prognose unsicher oder offen ist. Wenn sich eine Gesundheitsstörung nicht zwangsläufig lebensverkürzend auswirkt, ist die Frage nach der Lebensverkürzung nicht zu stellen (Mehrtens/Brandenburg, a.a.O., E § 63, Rdnr. 3.1, 3., 3.3, 3.4).
Die Kammer stützt sich auf das überzeugende Gutachten des Sachverständigen Dr. D. vom 02.01.2017 und dessen ergänzende Stellungnahme vom 26.06.2017. Danach liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die COPD mitursächlich für den Tod des Versicherten gewesen ist.
An der COPD ist der Versicherte nicht gestorben. Dafür, dass diese für den Tod mitursächlich gewesen ist, haben sich keine Anhaltspunkte ergeben. Dr. D. hat schlüssig und nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass zwischen dem Bronchialkarzinom und der als BK 4302 anerkannten COPD kein Kausalzusammenhang existiert.
Zwar ist bekannt, dass COPD-Erkrankte häufiger ein Bronchialkarzinom entwickeln. Allein dieser klinische Umstand, dass beide Erkrankungen häufig zeitgleich oder nacheinander vorliegen, folgt aber entgegen der Ansicht der Klägerin nicht, dass diese beiden Erkrankungen auch kausal miteinander verknüpft sind.
Die COPD mit Lungenemphysem sowie das Bronchialkarzinom sind zwei grundsätzlich voneinander zu unterscheidende Krankheiten. Bei der COPD handelt es sich nach den schlüssigen Ausführungen des Sachverständigen Dr. D. um eine initiale Entzündungsreaktion der Bronchialschleimhaut mit vermehrter Schleimbildung bei gleichzeitig gestörtem Abtransport des Schleims. Im weiteren Verlauf greift die Erkrankung auf die umgebende glatte Muskulatur der Bronchien über. Parallel dazu entwickelt sich eine fortschreitende Zerstörung der Lungenbläschen mit der Folge einer Überblähung. Das bei dem Versicherten diagnostizierte kleinzellige Bronchialkarzinom zählt zu den aggressivsten, d.h. zu den schnell wachsenden und früh metastasierenden Tumoren. Weltweit werden ca. 85 bis 90 % der Bronchialkarzinome bei Männern durch inhalatives Tabakrauchen verursacht. Dagegen sind klassische Präkanzerosen beim Bronchialkarzinom nicht bekannt, hierzu zählt auch nicht die COPD.
Die COPD ist als Volkskrankheit nahezu regelhaft mit Komorbiditäten vergesellschaftet. Hierzu zählen kardivaskuläre Erkrankungen, Osteoporose, Diabetes, obstruktives Schlaf-Apnoe-Syndrom, Kachexie, gastroösophageale Refluxkrankheit, Angst und Depression und weitere Erkrankungen. Bekannt ist, dass obstruktive und/oder restriktive Ventilationsstörungen zu Sauerstoffmangel und Anstieg der Kohlensäure im Blut führen. Es kommt zu einer erhöhten Nachlast für die rechte Herzkammer mit der Folge eines chronischen Cor pulmonale. (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Auflage 2017, S. 1047, 1072).
Die kausale Entwicklung eines Bronchialkarzinoms als Folge einer COPD ist jedoch nach den schlüssigen Ausführungen des Sachverständigen Dr. D. nicht bekannt. Dies ergibt sich auch nicht aus den Merkblättern zur BK 4302 sowie zu den Berufskrankheiten der Ziffern 4301 und 1315, in denen ein Bronchialkarzinom als mittelbare Folge einer obstruktiven Atemwegserkrankung (Verschlimmerung) nicht aufgeführt ist (vgl. hierzu Mehrtens/Brandenburg, Kommentar zur BKV, M 4302, M 4301 und M 1315; Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 1105 ff.).
Zwar kann unter extremer und langjähriger Einwirkung von Schweißrauchen und Schweißgase auch eine Siderofibrose (BK der Ziffer 4115 der Anlage zur BKV) entstehen, nicht jedoch ein Bronchialkarzinom. Nach neuen Studien haben Steinkohlebergleute, die an einer Quarzstaublunge leiden, ein deutlich erhöhtes Lungenkrebsrisiko. Ferner ist auch bekannt, dass Asbest, Chrom und DG. eine kanzerogene Wirkung haben. Das Schweißen und Schneiden sowie die mechanische Bearbeitung cadmiumhaltiger Materialien kann ebenfalls einen Lungenkrebs induzieren, nicht jedoch eine COPD (vgl. hierzu die Wissenschaftliche Stellungnahme zu der BK der Ziffer 1104 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung „Erkrankungen durch Cadmium oder seine Verbindungen“ – Bekanntmachung des BMAS vom 20.01.2014 - http://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/Thema-Soziale-Sicherung/stellungnahme-cadmium.pdf?__blob=publicationFile).
Daher ist zwar bekannt, dass die COPD Begleiterkrankung des Bronchialkarzinoms sein kann (und umgekehrt das Bronchialkarzinom Begleiterkrankung der COPD). Ein zwingender ursächlicher Zusammenhang zwischen der COPD und dem Bronchialkarzinom lässt sich aber nach dem derzeitigen Kenntnisstand nicht feststellen. Zu beachten ist, dass häufig die gemeinsame Ursache für das zeitgleiche Auftreten der beiden Erkrankungen der inhalative Tabakrauch ist. Dieser ist geeignet, beide Erkrankungen zu verursachen und hat auch im vorliegenden Fall vorgelegen.
Die chronische COPD gilt bei Rauchern als chronischer Summationsschaden. Differentialdiagnostisch ist das chronische Inhalationsrauchen daher zu berücksichtigen (vgl. hierzu Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 1116, 1119). Bei Rauchern ist ein zehnfach erhöhtes Risiko, an Lungenkrebs zu erkranken, bekannt (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, 8. Auflage 2009, S. 1095). Im vorliegenden Fall hat der Versicherte seit seinem Jugendalter über einen Zeitraum von 30 Jahren eine Schachtel Zigaretten täglich geraucht (30 pack years). Nach Bekanntwerden der Diagnose COPD im Jahr 2007 hat er den Zigarettenkonsum zwar reduziert, entgegen den Berichten von Dr. D. und den Angaben des Versicherten gegenüber Dr. J. aber nicht völlig eingestellt, sondern weiterhin täglich 4 bis 5 Zigaretten geraucht (Angaben des Versicherten im Rahmen der stationären Rehabilitation im Juli/August 2011, der Begutachtung durch Dr. F. (Gutachten vom 27.04.2012) sowie der stationären Behandlung im Mai 2012 (G.).
Der Sachverständige Dr. D. hat daher in Übereinstimmung mit Dr. K. (beratungsärztliche Stellungnahme vom 23.02.2015) schlüssig und nachvollziehbar auf die langjährige Zigarettenrauchinhalation als Ursache für die Entwicklung des Bronchialkarzinoms hingewiesen.
Es besteht auch kein Hinweis dafür, dass der Verlauf der Tumorerkrankung aufgrund der COPD in relevanter Weise ungünstig beeinflusst worden ist.
Trotz leitliniengerechter Therapie des im Juni 2014 festgestellten Karzinoms ist es zum weiteren Progress und zur Metastasierung gekommen. Der rasche Verlauf der Erkrankung von nur 10 Monaten zwischen Diagnosestellung und Tod am 02.04.2015 liegt zwar etwas unterhalb der aus der Literatur bekannten zeitlichen Verlaufsdauer (ca. 15,5 Monate), jedoch ist zu berücksichtigen, dass der Primärtumor bei Diagnosestellung bereits sehr groß gewesen ist. Daher könnte nach den schlüssigen Ausführungen des Sachverständigen Dr. D. allenfalls unterstellt werden, dass der rasche Krankheitsverlauf ohne COPD vielleicht um einige Wochen bis wenige Monate länger ausgefallen wäre. Es kann aber nicht festgestellt werden, dass sich die COPD zwangsläufig lebensverkürzend ausgewirkt hat. Somit liegt auch keine Lebensverkürzung um 1 Jahr als Voraussetzung für den geltend gemachten Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen vor.
II.
Der Tod aufgrund des Bronchialkarzinoms ist auch keine Folge einer anderen in der BKV aufgeführten BK (sog. Listen-BK).
Berufskrankheiten sind gem. § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheit bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz begründenden Tätigkeit erleiden. Entsprechend diesem gesetzlich vorgesehenen "Listenprinzip" können nur die Gesundheitsstörungen als Berufskrankheit anerkannt werden, die in der in Anlage 1 zur BKV enthaltenen Auflistung aufgeführt sind.
Die Feststellung einer BK als sog. Listen-BK hat zur Voraussetzung, dass zum einen die arbeitstechnischen Voraussetzungen in der Person des Klägers gegeben sind (sogenannter haftungsbegründender Zusammenhang), zum anderen bei ihm das typische Krankheitsbild dieser BK vorliegt und dies im Sinne der unfallversicherungsrechtlichen Kausalitätslehre wesentlich ursächlich auf die berufliche Tätigkeit zurückzuführen ist (sogenannter haftungsausfüllender Zusammenhang). Dabei müssen die versicherte Tätigkeit, die schädigenden Einwirkungen sowie die Erkrankung im Sinne des Vollbeweises nachgewiesen sein. Es muss bezüglich jeder dieser Voraussetzungen ein so hoher Grad von Wahrscheinlichkeit vorliegen, dass alle Umstände des Einzelfalles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung hiervon zu begründen. Bei Unaufklärbarkeit eines Umstandes fallen jedoch die Folgen der objektiven Beweislast demjenigen zur Last, der eine ihm günstige Rechtsfolge geltend macht. Dabei macht es keinen Unterschied, ob die Unmöglichkeit des Nachweises in den besonderen Umständen des Einzelfalls oder in der generellen Eigenart des Leidens wurzelt; in beiden Fällen muss der Beweisfällige die Ablehnung seines Begehrens hinnehmen.
1.
Eine BK 4109 hat dem Versicherten nicht vorgelegen. Denn es kann nicht festgestellt werden, dass der Versicherte während seiner versicherten Tätigkeit einer relevanten Exposition gegenüber Nickeloxid ausgesetzt gewesen ist, die geeignet gewesen ist, ein Bronchialkarzinom zu verursachen.
Aufgrund einer unzureichenden Datenlage kann ein mit einer Risikoverdoppelung für Lungenkrebs assoziiertes Dosismaß für Einwirkungen von DG. und seinen Verbindungen derzeit wissenschaftlich nicht abgeleitet werden. Bei dem arbeitsmedizinisch genannten Grenzwert von 5.000 µm/m³ x Jahre für DG. und seine Verbindungen nach einer Metaanalyse aus dem Jahre 1994 von Norpoth und Popp handelt es sich deshalb um eine Konvention, somit um einen Orientierungswert. Hierbei wird eine Nickeloxid-Konzentration von 0,5 mg/m3 zugrunde gelegt (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 1179; Urteil des LSG Niedersachen-C-Stadt vom 15.11.2012, Az.: L 6 U 92/07).
Da keine konkreten Belastungswerte am Arbeitsplatz des Versicherten erhoben wurden, folgt die Kammer dem Vorschlag des Präventionsdienstes der Beklagten in dessen Stellungnahmen vom 05.11.2015 und 02.05.2016 und zieht zur Beurteilung diese Orientierungswerte heran. Nach den ausführlichen Ermittlungen des Präventionsdienstes hat der Versicherte arbeitstäglich ca. 15 Minuten pro Stunde reine Schweißtätigkeiten ausgeführt. Jedoch sind nach sämtlichen Ermittlungen (vgl. hierzu insbesondere die Stellungnahme vom Frau Dr. M. vom 17.06.2014) nur in einem Umfang von etwa 10 % Edelstähle mit einem Nickelanteil von 8-10,5 % bearbeitet worden. Trotz dieses Ermittlungsergebnisses hat der Präventionsdienst der Beklagten nicht nur einen einwirkungsrelevanten Arbeitsanteil von 1,5 Minuten pro Stunde (oder 2,5 % der täglichen Arbeitszeit) berücksichtigt. Vielmehr hat er seiner Berechnung zugrunde gelegt, dass der Versicherte insgesamt ca. 15 Minuten pro Stunde (oder 25 % der täglichen Arbeitszeit) Edelstähle geschweißt hat. Diese Annahme ist aufgrund der Schwierigkeiten erfolgt, die Schweißdauer konkret zu ermitteln und die schlechte Absaugung am Arbeitsplatz zu bewerten. Somit hat der Präventionsdienst unterstellt, der Versicherte habe im vollen Umfang ausschließlich nur Edelstähle bearbeite – und nicht zur zu 10 %. Der Präventionsdienst hat somit im Rahmen einer sog. „worst-case-Berechnung“ aufgrund der 14jährigen Schweißarbeit des Versicherten einen Umfang von insgesamt 3,5 Expositionsjahren ermittelt (14 Jahre x 0,25). Unter Zugrundelegung einer Nickeloxid-Konzentration von 0,5 mg/m3 hat der Präventionsdienst sodann einen Wert von 1,7 mg/m3 x Nickeljahre errechnet (3,5 Nickeljahre x 0,5 mg/m3), somit von 1.700 µg/m3 x Jahre.
Eine für den Versicherten günstigere Berechnung ergibt sich nicht aus dem Vortrag der Klägerin, der Versicherte habe 45 Minuten pro Stunde geschweißt und hierbei zu 25 % Edelstähle bearbeitet. Unabhängig davon, dass es kaum möglich ist, dass der Versicherte 45 Minuten pro Stunde reine Schweißtätigkeiten ausgeübt hat, ergibt sich aus diesem Vortrag eine Berechnung, die deutlich ungünstiger für den Versicherten ausfällt, als die Berechnung des Präventionsdienstes der Beklagten. Denn bei einem Anteil von 45 Minuten pro Stunde hätte der Versicherte zwar Schweißarbeiten in einem Umfang von 75 % seiner Arbeitszeit ausgeführt. Da aber angegeben wird, er habe zu 25 % Edelstähle bearbeitet, hätte er insgesamt nur 11,25 Minuten pro Stunde (oder 18,75 % der Arbeitszeit) einwirkungsrelevante Edelstähle mit Nickellegierung geschweißt. Hieraus würde sich ein Umfang von 2,6 Nickeljahre errechnen, somit eine Belastung von 1,31 mg/m3 x Nickeljahre (1312,5 µg/m3 x Jahre). Daher würde selbst unter Annahme einer verdoppelten Nickeloxid-Konzentration aufgrund der schlechten Belüftung der Orientierungswert nur zur Hälfte erreicht (2,6 mg/m3 x Jahre bzw. 2.600 µg/m3 x Jahre). Daher hat sich die Kammer auch im Hinblick der Angaben der Klägerin nicht zu weiteren Ermittlungen veranlasst gesehen.
Der somit ermittelte Wert liegt somit selbst unter Berücksichtigung der Angaben der Klägerin so deutlich von dem Orientierungswert von 5.000 µg/m3 x Jahre entfernt, dass hierdurch die positive Feststellung einer beruflichen Mitverursachung schon im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne auch unter Berücksichtigung des Konventionscharakters nicht möglich ist.
Dagegen ist der Versicherte aufgrund des jahrelangen chronischen Inhalationsrauchens einer unversicherten Einwirkung ausgesetzt gewesen, die geeignet ist, ein Bronchialkarzinom zu verursachen.
Daher kann im Rahmen der zweiten Stufe der Kausalitätsprüfung nicht festgestellt werden, dass die Nickeloxid-Einwirkung das Bronchialkarzinom rechtlich verursacht hat. Zwar ist die Feststellung einer BK 4109 nicht von vornherein nur Nichtrauchern vorbehalten (vgl. zur BK der Ziffer 1103 der Anlage zur BKV – Erkrankungen durch Chrom oder seine Verbindungen: Urteil des BSG vom 30.03.2017, Az.: B 2 U 6/15 R). Wenn aber im vorliegenden Fall bereits auf der ersten Stufe der Kausalitätsprüfung die Wesentlichkeit der beruflichen Einwirkung nicht im Sinne der conditio-sine-qua-non (naturwissenschaftlicher Zusammenhang) bejaht werden kann, kann auch die rechtliche Wesentlichkeit nicht bejaht werden. Vielmehr ist das jahrelange chronische Inhalationsrauchen als wesentliche Einwirkung anzusehen.
Die Kammer verweist im Übrigen auf Ihr Urteil vom heutigen Tag im Verfahren S 19 U 347/15.
2.
Von den in der Anlage zur BKV bezeichneten Listen-Berufskrankheiten kommt im Falle des Versicherten keine weitere BK in Betracht.
Eine Einwirkung von VI-wertigen-Chromverbindungen, die bekannt für ihre kanzerogene Wirkung sind, hat nicht vorgelegen. Denn diese Verbindungen entstehen nur beim Lichtbogen-Hand-Schweißen mit umhüllten Stabelektroden oder beim Schweißen mit selbstschützenden Fülldrähten (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S.1180). Diese Schweißverfahren hat der Versicherte nicht angewandt, so dass keine BK der Ziffer 1103 (Erkrankungen durch Chrom oder seine Verbindungen) der Anlage zur BKV festgestellt werden kann.
Es ist auch weder ersichtlich noch vorgetragen, dass der Versicherte einer beruflichen Asbeststaubexposition (BK der Ziffer 4104 der Anlage zur BKV) oder einer Einwirkung von kristallinem Siliziumdioxid (BK der Ziffer 4112 - Lungenkrebs durch die Einwirkung von kristallinem Siliziumdioxid bei nachgewiesener Quarzstaublungenerkrankung - der Anlage zur BKV) ausgesetzt gewesen ist.
III.
Ein Anspruch der Klägerin auf Hinterbliebenenleistungen ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer Wie-BK im Sinne des § 9 Abs. 2 SGB VII.
Danach haben die Unfallversicherungsträger eine Krankheit, die nicht in der BKV bezeichnet ist oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine Berufskrankheit als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung als BK nach § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII erfüllt sind. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist hierin keine allgemeine Härteklausel zu sehen, die ermöglichen soll, eine im Einzelfall nachweisbar beruflich verursachte Erkrankung zu entschädigen, obwohl sie nicht in der Anlage 1 zur BKV als BK anerkannt ist. Denn Zweck der Vorschrift ist es vielmehr, nur die Härten auszugleichen, die dadurch entstehen, dass zwar die gesetzlichen Voraussetzungen einer BK-Anerkennung vorliegen, die Bundesregierung als Verordnungsgeber aber eine entsprechende Anpassung der BK-Liste bisher unterlassen hat.
Aus diesem Grund sind Tatbestandsmerkmale für die Feststellung einer Wie-BK – neben dem Fehlen einer in der Anlage 1 zur BKV bezeichneten Krankheit – das Vorliegen der allgemeinen Voraussetzungen für die Bezeichnung der geltend gemachten Krankheit als BK nach § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII – was sich aus neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen ergeben muss – sowie außerdem die individuellen Voraussetzungen für die Feststellung der Krankheit als Wie-BK im Einzelfall bei dem Versicherten.
Die allgemeinen Voraussetzungen für die Bezeichnung als Berufskrankheit sind nach der aktuellen BSG-Rechtsprechung das Vorliegen einer versicherten Tätigkeit, durch die bestimmte Personengruppen in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung besonderen Einwirkungen ausgesetzt sind und die nach den neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft nachgewiesene Verursachung einer Erkrankung durch diese Einwirkungen.
Dabei sind die Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft nur dann als "neu" anzusehen, wenn sie erst nach dem Erlass der letzten BKV entstanden oder zu diesem Zeitpunkt zwar bereits im Ansatz vorhanden gewesen sind, aber trotz einer Nachprüfung als nicht ausreichend bewertet worden sind und sich erst anschließend zur "BK-Reife" verdichtet haben. Hintergrund ist, dass durch den Versicherungsfall der Wie-BK nur solche durch die berufliche Tätigkeit verursachten Krankheiten wie eine BK entschädigt werden sollen, die allein deshalb nicht in die BK-Liste aufgenommen worden sind, weil neue Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft über die besondere Gefährdung bestimmter Personengruppen durch ihre jeweilige berufliche Tätigkeit bei der letzten Fassung der Liste noch nicht bestanden haben oder vom Verordnungsgeber nicht hinreichend berücksichtigt worden sind. Im Ergebnis knüpft die Anerkennung einer Wie-BK damit an dieselben materiellen Voraussetzungen an, die der Verordnungsgeber nach § 9 Abs. 1 S 2 SGB VII bei der Aufnahme einer bestimmten Erkrankung in die BK-Liste zu beachten hat.
Entsprechend „neue“ Erkenntnisse zum Kausalzusammenhang zwischen einer Exposition gegenüber Schweißrauchen und Schweißgasen und einem Bronchialkarzinom liegen derzeit nicht vor. Der Ärztliche Sachverständigenbeirat „Berufskrankheiten“ beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat nur zu der Fragestellung der beruflichen Verursachung von Lungenentzündungen bei Schweißern eine Vorprüfung durchgeführt und nach wissenschaftlicher Prüfung der publizierten Literatur in seiner 113. Sitzung am 20. Juni 2017 beschlossen, Beratungen über die Empfehlung einer neuen BK hierzu nicht aufzunehmen (http://www.bmas.de/DE/Themen/Soziale-Sicherung/Gesetzliche-Unfallversicherung/vorpruefung-zur-werursachung-von-lungenentzuendung-bei-schweissern-abgeschlossen.html). Der Ärztliche Sachverständigenbeirat hat hierzu ausgeführt, dass verschiedene Studien bei Schweißern und verwandten Berufen zwar ein allgemeines, unspezifisch erhöhtes Risiko ergeben habe, an einer Lungenentzündung zu erkranken; die wissenschaftliche Erkenntnislage reiche insgesamt aber nicht aus, die gesetzlichen Voraussetzungen nach § 9 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch für eine neue Berufskrankheit zu erfüllen. Insbesondere habe die Studienlage derzeit nicht ausgereicht, um besondere, risikoerhöhende Schweißverfahren bzw. risikoerhöhende Metalle oder andere Stoffe zu identifizieren.
In der 118. Sitzung am 12. Juni 2018 hat der Ärztliche Sachverständigenbeirat beschlossen, die geltenden Anerkennungskriterien für die BK der Ziffer 4112 beizubehalten. Auf der Basis der neuesten wissenschaftlichen Literatur gebe es keine ausreichende Evidenz dafür, dass eine Exposition gegenüber alveolengängigem Staub mit kristallinem Siliziumdioxid auch ohne bestehende Silikose zu einem erhöhten Lungenkrebsrisiko führen könne.
Damit haben auch die Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK nach § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII nicht vorgelegen.
Da somit unter keinem rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt ein Anspruch der Klägerin auf Hinterbliebenenleistungen besteht, war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.