Sozialgericht Osnabrück
Urt. v. 05.11.2018, Az.: S 20 AL 6/16
Angelegenheiten der Bundesagentur für Arbeit
Bibliographie
- Gericht
- SG Osnabrück
- Datum
- 05.11.2018
- Aktenzeichen
- S 20 AL 6/16
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2018, 74584
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:SGOSNAB:2018:1105.20AL6.16.00
In dem Rechtsstreit
A.,
A-Straße, A-Stadt
- Kläger -
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte B.,
A., B.
gegen
Bundesagentur für Arbeit, C. D., E.
- Beklagte -
hat die 20. Kammer des Sozialgerichts Osnabrück auf die mündliche Verhandlung vom 5. November 2018 durch die Richterin am Sozialgericht Y. sowie die ehrenamtlichen Richter F. und BP. für Recht erkannt:
Tenor:
Der Bescheid der Beklagten vom 28.10.2015 in der Gestalt der Bescheide vom 21.12.2015 wiederum in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 06.01.2016 und 11.01.2016 werden insoweit abgeändert, als der Ruhenszeitraum sich auf den Zeitraum 01.08.2015 bis 14.09.2015 beschränkt.
Die Beklagte wird weiter verurteilt, für die Zeit vom 15.09.2015 bis 30.09.2015 Arbeitslosengeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Die Beklagte trägt 2/3 der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich mit dem vorliegenden Verfahren gegen das Ruhen seines Anspruchs auf Arbeitslosengeld für die Zeit vom 15.09.2015 bis 30.09.2015.
Der Kläger stand in der Zeit vom 01.05.2001 bis 21.04.2015 Vollzeit als Serviceberater in einem Arbeitsverhältnis bei der Firma J. mit dem Beschäftigungsort I.
Am 20.04.2015 wurde dieses Arbeitsverhältnis zum 21.04.2015 gekündigt. Am 22.04.2015 meldete sich der Kläger arbeitslos. In dem Antrag gab er an, dass er noch Anspruch auf Urlaubsgeld und Überstunden hätte und ein arbeitsgerichtliches Verfahren vorbereitet würde.
Mit Bescheid vom 05.05.2015 bewilligte die Beklagte für die Zeit vom 22.04.2015 bis 21.04.2016 Arbeitslosengeld in Höhe von täglich 30,84 € bei einer Anspruchsdauer von 360 Tagen. Mit Schreiben vom selben Tag zeigte die Beklagte gegenüber der Firma J. einen Anspruchsübergang wegen potentieller Urlaubsabgeltungs- und Arbeitsentgeltansprüchen an.
Am 26.05.2015 schloss der Kläger mit seiner ehemaligen Arbeitgeberin J. einen arbeitsgerichtlichen Vergleich (Az.: K., Arbeitsgericht A-Stadt), in dem es wörtlich hieß:
"1. Die Parteien sind sich darüber einig, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund der ordentlichen Kündigung der Beklagten vom 20.04.2015 aus betrieblichen Gründen zum 30.09.2015 enden wird.
2. Die Beklagte stellt den Kläger unwiderruflich bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses von der Verpflichtung zur Erbringung der Arbeitsleistung frei. Die Parteien sind sich einig, dass dem Kläger sämtliche Urlaubs- und Freizeitausgleichsansprüche bereits gewährt wurden.
3. Die Beklagte rechnet das Arbeitsverhältnis für die Monate April bis September 2015 auf der Basis von 2.303,75 € brutto monatlich sowie die Zulage in Höhe von 150,00 € brutto monatlich ab und zahlt dem Kläger die sich hieraus ergebenden Nettobeträge unter Berücksichtigung bereits geleisteter Zahlungen und Anspruchsübergänge an Dritte aus. Darüber hinausgehende Vergütungs- oder Prämienansprüche stehen dem Kläger nicht zu.
4. Die Beklagte zahlt dem Kläger zum Ende des Arbeitsverhältnisses für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung gemäß §§ 9, 10 KSchG in Höhe von 14.700,00 € brutto.
5. Der Kläger ist berechtigt, durch schriftliche Erklärung gegenüber der Beklagten mit einer Ankündigungsfrist von einer Woche vorzeitig das Arbeitsverhältnis zu jedem beliebigen Zeitpunkt zu beenden. In diesem Fall erhöht sich die unter Ziffer 4 genannte Abfindung um 75 % der bis zum 30.09.2015 ausstehenden Bruttogehälter gemäß Ziffer 3.
6. Die Beklagte verfolgt die Forderung gegen den Kläger aus dem Werkstattauftrag Nr. L. und Nr. M. (327,40 €) nicht mehr weiter.
7. Die Beklagte erteilt dem Kläger ein wohlwollendes Zeugnis, das sich auf Leistung und Führung im Arbeitsverhältnis erstreckt, mit der Gesamtwertung "gut".
8. Damit ist der vorliegende Rechtsstreit erledigt."
Mit Schreiben vom 15.06.2015 bezifferte die Beklagte gegenüber der Firma J. ihren übergegangenen Anspruch mit 1.202,76 €.
Am 15.06.2015 erließ die Beklagte einen Änderungsbescheid dahingehend, dass für den Zeitraum 22.04.2015 bis 30.09.2015 gem. § 157 Abs. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) der Arbeitslosengeldanspruch aufgrund Arbeitsentgeltzahlung ruhe. Für die Zeit vom 01.10.2015 bis 30.09.2016 wurde ferner ein tägliches Arbeitslosengeld in Höhe von 30,84 € für die Dauer von 360 Tagen bewilligt.
Zum 01.08.2015 nahm der Kläger eine Beschäftigung beim Autohaus N. in O. auf. Mit Bescheid vom 07.09.2015 hob die Beklagte daraufhin die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab dem 01.08.2015 auf.
Am 07.09.2015 meldet sich der Kläger aufgrund fristloser sowie fristgerechter Kündigung vom 31.08.2015 zum 14.09.2015 erneut arbeitslos. Eine Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht wurde erhoben.
Mit vorläufigen Bescheid vom 25.09.2015 und 28.09.2015 stellte die Beklagte für die Zeit vom 07.09.2015 bis 30.09.2015 erneut das Ruhen gem. § 157 Abs. 1 SGB III fest. Für den Zeitraum 07.09.2015 bis 25.11.2015 werde der Kläger ein gesondertes Schreiben erhalten. Ab dem 26.11.2015 bis zum 25.08.2016 wurde Arbeitslosengeld in Höhe von 30,84 € täglich für eine Anspruchsdauer von 360 Tagen bewilligt.
Dagegen legte der Kläger am 09.10.2015 Widerspruch ein. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass für den Kläger ab September 2015 ebenfalls Arbeitslosengeld zu gewähren sei. Die Kündigung seitens der Firma N. sei Gegenstand eines Kündigungsschutzverfahrens. Die fristlose Kündigung sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit rechtsunwirksam. Von der Verhängung einer Sperrzeit solle daher abgesehen werden. Die Parteien des arbeitsgerichtlichen Rechtsstreits stünden ferner in erfolgsversprechenden Vergleichsverhandlungen. Die Höhe des Arbeitslosengeldes sei noch klärungsbedürftig. Die Abrechnungen der Firma J. und N. würden vorgelegt.
Mit abschließendem Bescheid vom 28.10.2015 stellte die Beklagte das Ruhen gem. § 157 Abs. 1 SGB III für den Zeitraum 15.09.2015 bis 30.09.2015 weiterhin fest und bewilligte ab dem 01.10.2015 bis zum 30.09.2016 ein tägliches Arbeitslosengeld von 30,84 € bei einer Anspruchsdauer von 360 Tagen.
Dagegen legte der Kläger am 09.11.2015 erneut Widerspruch ein. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass für den Zeitraum 15.09.2015 bis 30.09.2015 kein Arbeitsentgelt bezogen worden sei. Aus dem arbeitsgerichtlichen Vergleich vom 09.11.2015 (Az.: P., Arbeitsgericht O.) gehe hervor, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund ordentlicher und fristgerechte Kündigung zum 14.09.2015 beendet sei, sodass ab dem 15.09.2015 entsprechend Leistungen durch die Beklagte zu gewähren seien.
Die Beklagte teilte dem Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 11.11.2015 daraufhin mit, dass der Anspruch auf Arbeitslosengeld aufgrund seitens der Firma J. bis zum 30.09.2015 zu zahlenden Arbeitsentgelts ruhen würde.
Daraufhin trug der Prozessbevollmächtigte des Klägers vor, dass ausweislich der Ziffer 5 des seinerzeit zwischen dem Kläger und der Firma J. geschlossenen gerichtlichen Vergleichs ein Eigen-/Sonderkündigungsrecht des Klägers vorgesehen gewesen sei. Aufgrund dieses Sonderkündigungsrechts habe der Kläger einen höheren Abfindungsanspruch. Aufgrund eines laufenden Verbraucherinsolvenzverfahrens sei der seinerzeitige Abfindungsbetrag aus dem gerichtlichen Vergleich direkt an Frau Q. als Rechtsanwältin und Treuhänderin im Verbraucherinsolvenzverfahren geflossen. Der Kläger habe von seinem eingeräumten Sonderkündigungsrecht gegenüber der Firma J. - über seine Rechtsanwälte am 18.06.2015 - Gebrauch gemacht. Das Arbeitsverhältnis sei zum 31.07.2015 gekündigt worden. Es seien daher keine Arbeitsentgeltansprüche mehr bis zum 30.09.2015 zu beanspruchen.
Die Beklagte forderte daraufhin eine neue Arbeitgeberbescheinigung der Firma J. an, aus welcher sich ergab, dass dem Kläger insgesamt eine Abfindung in Höhe von 18.155,62 € gezahlt worden sei (Bescheinigung vom 03.12.2015).
Mit Bescheid vom 21.12.2015 stellte die Beklagte fest, dass für die Zeit vom 15.09.2015 bis 30.09.2015 keine Leistungen beansprucht werden könnten. Der Kläger habe wegen der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses eine Leistung in Höhe von 18.155,62 € erhalten oder zu beanspruchen. Der Anspruch ruhe deshalb. Die Frist für eine ordentliche Kündigung sei nicht eingehalten worden. Leistungen könne der Kläger erst nach dem Ruhenszeitraum erhalten. Der Zeitraum, für den der Anspruch ruhe, werde aus 45 % der Arbeitgeberleistungen berechnet. Der sich so ergebende Betrag werde durch das kalendertägliche Arbeitsentgelt geteilt. Hieraus ergebe sich die Zahl der Ruhenstage. Sei das Arbeitsverhältnis befristet gewesen, ende der Ruhenszeitraum spätestens mit dem Ende der Befristung. Der Ruhenszeitraum betrage längstens ein Jahr. Der Leistungsanspruch des Klägers ruhe bis zum 30.09.2015. Die Entscheidung beruhe auf § 158 SGB III.
Die Beklagten erließ ebenfalls am 21.12.2015 einen entsprechenden Änderungsbescheid, aus welchem sich die geänderte Rechtsgrundlage für den Ruhenszeitraum ergab.
Der Kläger legte am 05.01.2016 vorsorglich erneut Widerspruch ein. In der Begründung verwies der Prozessbevollmächtigte des Klägers darauf, dass die seinerzeit geflossene Abfindung vollständig an die Insolvenzverwalterin gegangen sei. Die jeweiligen Fristen für die ordentlichen Kündigungen seien eingehalten worden. Die Wahrnehmung des eigenen Kündigungsrechts aus dem seinerzeitigen Vergleich vor dem Arbeitsgericht A-Stadt sei aufgrund entsprechenden üblichen Vereinbarungen getroffen worden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 06.01.2016 änderte die Beklagte die Entscheidung vom 28.10.2015 dahingehend ab, dass Arbeitslosengeld bis zum 30.09.2015 deshalb nicht gezahlt werde, weil eine Entlassungsentschädigung gezahlt worden sei. Der Ruhenszeitraum wegen des Anspruchs auf Arbeitsentgelt entfalle deshalb. Im Übrigen werde der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen. Die Tatsache, dass dem Kläger eine Entlassungsentschädigung in Höhe von 18.155,62 € gezahlt worden sei führe dazu, dass in der Zeit vom 15.09.2015 bis zum 30.09.2015 kein Arbeitslosengeld gezahlt werden könne. Ein entsprechender Bescheid sei bereits am 21.12.2015 erstellt worden. Die Höhe des Arbeitslosengeldes sei zudem korrekt bemessen worden. Am 22.04.2015 sei Arbeitslosengeld beantragt und bewilligt worden. Gegenüber der ehemaligen Arbeitgeberin, der Firma J. sei jedoch ein Anspruchsübergang angemeldet worden, weil ein Klageverfahren gelaufen sei. Am 26.05.2015 sei ein Vergleich geschlossen worden, wonach das Arbeitsverhältnis bis zum 30.09.2015 andauern und eine Abfindung gezahlt würde. Daraufhin sei der Anspruchsübergang gegenüber der Firma J. beziffert und Arbeitslosengeld ab dem 01.10.2015 wieder bewilligt worden. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld sei am 22.04.2015 zu Recht entstanden. Aus diesem Grund sei auch das zuvor erzielte Arbeitsentgelt zu berücksichtigen. Die Berechnung werde in dem Bewilligungsbescheid vom 05.05.2015 erläutert.
Mit Widerspruchsbescheid vom 11.01.2016 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 21.12.2015 als unbegründet zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Kläger wegen der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses eine Entlassungsentschädigung in Höhe von 18.155,62 € zu beanspruchen habe. Es komme nicht darauf an, ob er die Entlassungsentschädigung tatsächlich erhalten habe. Laut Gesetzestext sei diese auch dann zu berücksichtigen, wenn er diese zu beanspruchen habe und die Kündigungsfrist nicht eingehalten worden sei. Aus der Arbeitsbescheinigung vom 03.12.2015 gehe hervor, dass eine Abfindung in Höhe von 18.155,62 bezahlt worden sei. Das Arbeitsverhältnis sei am 20.04.2015 zum 31.07.2015 beendet worden. Die Einhaltung der Kündigungsfrist von 5 Monaten zum Monatsende sei nicht eingehalten worden. Das Arbeitsverhältnis sei damit vorzeitig beendet worden. Es komme dabei nicht darauf an, wer kündige. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruhe deshalb von dem Ende des Arbeitsverhältnisses an grundsätzlich bis zu dem Tag, an dem das Arbeitsverhältnis bei Einhaltung der maßgeblichen Kündigungsfrist geendet hätte (§ 158 Abs. 1 Satz 1 SGB III). Er ruhe längstens ein Jahr (§ 158 Abs. 2 Satz 1 SGB III). § 158 Abs. 2 Sätze 2 und 3 SGB III könnten diesen Zeitraum verkürzen, weil die Entlassungsentschädigung nicht voll, sondern nur anteilig berücksichtigt werde. Der Anteil betrage höchstens 60 %, mindestens aber 25 % der Entlassungsentschädigung. Er verringere sich um 5 % je 5 Jahre des Arbeitsverhältnisses im selben Betrieb und 5 % je 5 Jahre nach Vollendung des 35. Lebensjahres. Der Kläger sei am Ende des Arbeitsverhältnisses 42 Jahre alt und 10 Jahre und mehr im Betrieb beschäftigt gewesen. Die Entlassungsentschädigung werde daher nur zu 45 % berücksichtigt; das seien 8.170,03 €. Dieser Anteil der Entlassungsentschädigung sei dem kalendertäglichen Arbeitsentgelt gegenüberzustellen, das der Widerspruchsführer während seiner letzten Beschäftigungszeit verdient hätte. Berücksichtigt würden dabei die am Tage des Ausscheidens aus dem Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträume der letzten 12 Monate (§ 158 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 und Satz 4 SGB III). Der Kläger habe in dieser Zeit kalendertäglich 78,14 € erzielt. Der Anteil der Entlassungsentschädigung entspreche folglich einem Entgelt für 104 Tage. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruhe daher wegen der Entlassungsentschädigung bis zum 30.09.2015. Auf die Gründe, aus denen das Arbeitsverhältnis beendet worden sei, komme es nach dem Willen des Gesetzgebers nicht an.
Am 12.01.2016 und 14.01.2016 hat der Kläger gegen die Widerspruchsbescheide vom 06.01.2016 und 11.01.2016 Klage erhoben. Ergänzend wird vorgetragen, dass zunächst ein Abfindungsbetrag in Höhe von 14.700,00 € brutto bei Beendigung zum 30.09.2015 vereinbart worden sei. Aufgrund der vereinbarten "Sprinterprämie" sei aufgrund des Sonderkündigungsrechts des Klägers gemäß Ziffer 5. des seinerzeitigen Vergleichs die Abfindungssumme auf einen Betrag in Höhe von 18.155,62 € erhöht worden. Dies deswegen, da das Arbeitsverhältnis zwei Monate vor Ablauf der ursprünglichen Kündigungsfrist aufgrund der Wahrnehmung des Sonderkündigungsrechts des Klägers und der Aufnahme einer neuen Beschäftigung aufgrund eines neuen Arbeitsplatzes bei der Firma N. beendet worden sei. Der Abfindungsbetrag sei jedoch aufgrund der gesetzlichen Regelungen vollständig an die Insolvenzverwalterin auszukehren gewesen. Nach den entsprechenden insolvenzrechtlichen Regelungen gelte auch eine erworbene Abfindungszahlung als im Rahmen der Wohlverhaltensphase als der Pfändung unterliegendes Arbeitsentgelt. Dem Insolvenzanderkonto seien 11.696,14 € gutgeschrieben worden. Dem Kläger seien gemäß des Beschlusses des Amtsgerichts A-Stadt als Insolvenzgericht vom 20.08.2015 lediglich 3.251,75 € belassen worden. Der Kläger habe somit aufgrund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Firma N. Anspruch auf Zahlung von Arbeitslosengeld ab dem 15.09.2015 bis zum 30.09.2015.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagte vom 28.10.2015 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 21.12.2015 wiederum in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.01.2016 sowie den weiteren Bescheid der Beklagten vom 21.12.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.01.2016 aufzuheben und dem Kläger für den Zeitraum 15.09.2015 bis 30.09.2015 Arbeitslosengeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hält an ihrer bisherigen Auffassung fest.
Die Kammer hat die Klageverfahren S 20 AL 6/16 und S 20 AL 7/16 gem. § 113 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) verbunden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift vom 05.11.2018, die gewechselten Schriftsätze und auf die Gerichtsakten sowie auf die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und begründet.
Die angegriffenen Bescheide erweisen sich insoweit als rechtswidrig und beschweren den Kläger in seinen Rechten. Das Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs nach § 158 Abs. 1 SGB III war hier auf 44 Tage vom 01.08.2015 bis zum 14.09.2015 zu begrenzen, da nur der Mehrbetrag in Höhe von 3.455,62 € als Entlassungsentschädigung zu berücksichtigen war.
1.
Nachdem die Höhe des Arbeitslosengeldes zwischen den Beteiligten zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht mehr streitig war und die sonstigen Voraussetzungen eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld erfüllt waren, ging es nur noch um die Frage, in welcher Höhe eine Entlassungsentschädigung anzurechnen, mithin ein Ruhen des Anspruchs festzustellen war. Das Verbraucherinsolvenzverfahren des Klägers zu jenem Zeitpunkt hat dabei keinen Einfluss auf den Anspruch.
2.
Rechtsgrundlage hierfür ist § 158 SGB III. Hat hiernach die oder der Arbeitslose wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung (Entlassungsentschädigung) erhalten oder zu beanspruchen und ist das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet worden, so ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld nach § 158 Abs. 1 Satz 1 SGB III von dem Ende des Arbeitsverhältnisses an bis zu dem Tag, an dem das Arbeitsverhältnis bei Einhaltung dieser Frist geendet hätte.
Die Vorschrift basiert auf der Überlegung, dass Entlassungsentschädigungen, die bei vorzeitiger Beendigung eines Arbeitsverhältnisses gezahlt werden, dann zumindest teilweise Lohnansprüche für die Zeit zwischen der vereinbarten Beendigung der Beschäftigung und dem Ende der ordentlichen Kündigungsfrist enthalten, wenn das Arbeitsverhältnis zu einem Zeitpunkt vor Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist beendet wird (vgl. Gagel/Bender, 71. EL September 2018, SGB III § 158 Rn. 35). Begrenzt ist der Zeitraum des Ruhens durch den Zeitpunkt, zu dem der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis ohne Mitwirkung des Arbeitnehmers beenden konnte (BSG SozR 4100 § 117 Nr. 2). Denn nur bis zu diesem Zeitpunkt trägt die - unwiderlegbare (BSG SozR 4100 § 117 Nr. 13 und 26; BSG SozR 3-4100 § 117 Nr. 20) - Vermutung, die es rechtfertigt, der Entlassungsentschädigung wie dem Arbeitsentgelt (§ 157 SGB III) ruhensbegründende Wirkung beizumessen. Nämlich die Vermutung, dass solche Arbeitgeberleistungen, die auch auf den Zeitraum vor Kündbarkeit zu beziehen sind, nicht allein als Entschädigung für den Verlust des sozialen Besitzstandes anzusehen sind, sondern auch (zu 25-60 %, Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 und Satz 3) Arbeitsentgeltansprüche abdecken (BT-Drucksache 8/857 S. 9).
Das Arbeitsverhältnis ist im vorliegenden Fall letztlich ohne Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist der seinerzeitigen Arbeitgeberin, der Firma J., seitens des Klägers zum 31.07.2015 statt zum 30.09.2015 - Ende bei Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist - beendet worden. Der Kläger hatte sich im seinerzeitigen arbeitsgerichtlichen Vergleich am 26.05.2015 mit der Firma J. darauf verständigt, wegen des Verlustes seines Arbeitsplatzes bei Einhaltung der arbeitgeberseitigen ordentlichen Kündigungsfrist zum 30.09.2015 eine Abfindung in Höhe von 14.700,00 € brutto zu erhalten. Darüber hinaus sollte der Kläger aber berechtigt sein, durch schriftliche Erklärung gegenüber der Firma J. mit einer Ankündigungsfrist von einer Woche vorzeitig das Arbeitsverhältnis zu jedem beliebigen Zeitpunkt zu beenden. In diesem Fall erhöhe sich die genannte Abfindung um 75 % der bis zum 30.09.2015 ausstehenden Bruttogehälter. Da der Kläger zum 01.08.2015 ein neues Arbeitsverhältnis bei der Firma Autohaus N. in O. anfing und dies rechtzeitig am 18.06.2015 anzeigte, trat jener Fall ein. Die Abfindung erhöhte sich um 3.455,62 €. Wegen der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Firma J. erhielt der Kläger somit einen Betrag in Höhe von 3.455,62 €.
Die ursprüngliche Vereinbarung - Abfindung in Höhe von 14.700,00 € bei Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist nach § 622 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) - löste nach Auffassung der Kammer und dem Wortlaut des § 158 Abs. 1 Satz SGB II entsprechend kein Ruhen des Anspruchs aus. Eine Abfindung in diesen Fällen wirksamer Beendigung des Arbeitsverhältnisses kann grundsätzlich keine Entgeltteile enthalten.
Nach Ansicht der Kammer waren daher als Entlassungsentschädigung iSd § 158 Abs. 1 SGB III nur die zusätzlichen 3.455,62 € bei der Berechnung des Ruhenszeitraums zu berücksichtigen, da nur diese Entschädigung wegen der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlt wurde.
3.
Der Betrag von 3.455,62 € war bei Anwendung des § 158 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 SGB III nicht nach § 158 Abs. 2 Satz 2 ff. SGB III zu kürzen.
Nach § 158 Abs. 2 SGB IIII ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld längstens ein Jahr. Er ruht nach Satz 2 Nr. 1 nicht über den Tag hinaus, bis zu dem die oder der Arbeitslose bei Weiterzahlung des während der letzten Beschäftigungszeit kalendertäglich verdienten Arbeitsentgelts einen Betrag in Höhe von 60 Prozent der zu berücksichtigenden Entlassungsentschädigung als Arbeitsentgelt verdient hätte. Der zu berücksichtigende Anteil der Entlassungsentschädigung vermindert sich nach Satz 3 sowohl für je fünf Jahre des Arbeitsverhältnisses in demselben Betrieb oder Unternehmen als auch für je fünf Lebensjahre nach Vollendung des 35. Lebensjahres um je 5 Prozent.
Danach wäre grundsätzlich nur ein Anteil von 45% der Entlassungsentschädigung berücksichtigungsfähig. Eine solche Kürzung ist hier jedoch nicht vorzunehmen, da im vorliegenden Fall die sog. "Sprinter-Prämie" ausschließlich für die Verkürzung der Kündigungsfrist gezahlt wurde. Deshalb ist der Anwendungsbereich von § 158 Abs. 2 Satz 3 f. SGB III auslegungsbedürftig dahingehend, dass bei offenkundig ausschließlicher Lohnersatzfunktion ohne weitergehenden Sinn und Zweck, was anhand der zwei unterschiedlichen Abfindungen zu erkennen ist, eine vollständige Berücksichtigung zu erfolgen hat.
Unter Berücksichtigung der 3.455,62 € und dem seitens der Beklagten errechneten Tagessatz von 78,14 € brutto ergibt sich ein Zeitraum von ca. 44 Tagen (01.08.2015 bis 14.09.2015), den die Kammer zugrunde gelegt hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG. Hierbei hat die Kammer berücksichtigt, dass sich der Kläger zunächst auch gegen die Höhe des Arbeitslosengeldes gewehrt hatte.
Die Berufung war nach § 144 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen.