Sozialgericht Osnabrück
Urt. v. 14.11.2018, Az.: S 26 EG 4/17
Beanspruchung höheren Elterngeldes ohne Berücksichtigung von Einkommen aus einer selbständigen Tätigkeit
Bibliographie
- Gericht
- SG Osnabrück
- Datum
- 14.11.2018
- Aktenzeichen
- S 26 EG 4/17
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2018, 40742
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlage
- § 2 Abs. 4 S. 1 BEEG
Fundstelle
- DStR 2019, 1872-1873
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger verlangt höheres Elterngeld ohne Berücksichtigung von Einkommen aus einer selbständigen Tätigkeit.
Der Kläger ist selbständiger Physiotherapeut und privat kranken- und pflegeversichert. Im Jahr 2014 erzielte er Einkünfte in Höhe von ca. 84.000 EUR (Einkommenssteuerbescheid für 2014 vom 9. April 2015).
Am 12. August 2015 wurde seine Tochter A. geboren. Er beantragte am 5. Oktober 2015 Elterngeld für die ersten beiden Lebensmonate. Mit Bescheid vom 10. November 2015 bewilligte der Beklagte durch die für ihn handelnde Stadt A-Stadt vorläufig Elterngeld in Höhe von 300,00 EUR pro Monat. Der Kläger erzielte in der streitigen Zeit Einnahmen und tätigte Ausgaben für seinen Betrieb. Diesbezüglich wird auf die überreichten Kontoauszüge Bezug genommen.
Der Beklagte forderte den Kläger zur Bezifferung seiner Einkünfte in der streitigen Zeit auf. Der Steuerberater des Klägers übersandte betriebswirtschaftliche Auswertungen für die Monate August 2015 bis einschließlich Oktober 2015. Danach ergab sich ein Gewinn in den einzelnen Monaten in Höhe von 19.349,00 EUR, 1.188,00 EUR und 17.994,00 EUR.
Mit Bescheid vom 3. Mai 2016 verfügte der Beklagte, dass sich eine Änderung gegenüber der vorläufigen Bewilligung nicht ergeben habe. Er ging von einem durchschnittlichen Einkommen in Höhe von ca. 10.000 EUR aus und zog pauschal 3.677,21 EUR für Steuern ab. Abzüge für Sozialabgaben erfolgten nicht.
Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein. Er machte geltend, dass Einnahmen erst nachträglich zufließen würden. Weiterhin seien Ausgaben für zusätzliche Mitarbeiter angefallen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27. März 2017 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Die Einkommensberechnung sei zutreffend. Der Beklagte sei von der BWA für die Monate August bis Oktober 2017 ausgegangen. Daraus ergebe sich ein Gewinn, der nach § 2 Abs. 3 BEEG dazu führt, dass Elterngeld nur in Höhe des Mindestbetrages gezahlt werden könne.
Der Kläger hat am 28. April 2017 Klage erhoben.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 4. Mai 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. März 2017 zu verurteilen, dem Kläger weitere 3.000 EUR zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Kammer hat die Verwaltungsakte beigezogen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet. Der angegriffene Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat nach keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch auf Zahlung höheren Elterngeldes.
Der Kläger hatte nur Anspruch auf Zahlung des Mindestbetrages nach § 2 Abs. 4 S. 1 BEEG.
Durch Anwendung des § 2 Abs. 3 BEEG ergibt sich kein höheres Elterngeld. § 2 Abs. 3 BEEG ist einschlägig, weil der Kläger unstreitig nach der Geburt des Kindes und im Bezugszeitraum Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit erzielte. Der Unterschiedsbetrag des Einkommens vor der Geburt und des Einkommens im Bezugszeitraum ist 0 EUR, wobei im Bemessungszeitraum vom Höchsteinkommen in Höhe von 2.770,00 EUR pro Monat auszugehen ist.
Das Einkommen aus selbständiger Tätigkeit ist nach § 2d BEEG zu berechnen. Für den Bemessungszeitraum ist das Einkommen aus dem Einkommenssteuerbescheid zu entnehmen. Die Jahreseinkünfte über 84.000 EUR liegen deutlich über 2.770,00 EUR pro Monat.
Für die Zeit des Bezugs von Elterngeld kann das Einkommen nicht festgestellt werden. Aus Gründen der Beweislast, die der Kläger als Anspruchsteller trägt, ist von mindestens 2.770,00 EUR auszugehen. Eine Feststellung des Einkommens ist nicht möglich, weil eine Gewinnermittlung, die den Anforderungen des § 4 Abs. 3 des Einkommenssteuergesetzes entspricht, nicht vorliegt.
Die BWA für die Monate August, September und Oktober 2015 ist unbrauchbar. Denn die Anspruchsmonate nach dem BEEG sind die Lebensmonate eines Kindes, die nicht mit Kalendermonaten gleichgesetzt werden können. Eine Gewinnermittlung ist mithin vom 12. August 2015 bis zum 11. September 2015 und vom 12. September 2015 bis zum 11. Oktober 2015 erforderlich. Diesen Anforderungen genügen die vom Steuerberater übersandten Unterlagen nicht, weil sie nur auf Kalendermonate abstellen.
Die vom Kläger im Klageverfahren vorgelegten Kontoauszüge können nur die Grundlage für eine Gewinnermittlung nach § 2d Abs. 3 BEEG liefern. Keinesfalls stellen sie für sich genommen eine derartige Gewinnermittlung dar. Eine Einnahme-Überschussrechnung ist nur anzuerkennen, wenn sie einem sachverständigen Dritten in vertretbarer Zeit den Umfang der Einkünfte plausibel machen kann. (Bode, in: Kirchhof, Einkommensteuergesetz, 17. Aufl. 2018, § 4 EStG, Rn. 135). Kontoauszüge als Belege dienen nur der Nachprüfbarkeit einer Einnahme-Überschussrechnung (Bode, a. a. O.). Kontoauszüge erlauben es nicht in vertretbarer Zeit einen plausiblen Überblick über den Umfang der Einkünfte zu erhalten.
Weiterhin ist es weder Aufgabe der Behörden noch der Gerichte eine solche Gewinnermittlung aufzustellen. Dies folgt aus dem Wortlaut des § 4 Abs. 3 S. 1 EStG. Nach dieser Vorschrift können Steuerpflichtige als Gewinn den Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben ansetzen. Aus dem Wortlaut folgt, dass es Sache des Steuerpflichtigen ist, eine Gewinnermittlung vorzulegen. Die Behörden überprüfen diese Angaben auf Plausibilität und können bestimmte Positionen ausgehend von dieser Gewinnermittlung streichen oder ändern.
Es gibt keinen Grund dafür, anzunehmen, dass der tatsächliche Gewinn ein höheres Elterngeld rechtfertigen würde. Dies folgt aus der Schätzung des Beklagten. Diese Schätzung ist ein Entgegenkommen des Beklagten. Zu dieser Schätzung wäre er nicht verpflichtet gewesen. Sie geht - notgedrungen - von der Annahme aus, dass sich Zuflüsse und Ausgaben gleichmäßig auf den Kalendermonat verteilen. Insofern ist die Ableitung der Einkünfte aus einem Lebensmonat aus den Einkünften der jeweiligen Bruchteile der betroffenen Kalendermonate als Schätzung vertretbar. Auch die überreichten Kontoauszüge sprechen nicht dafür, dass ein Gewinn erzielt worden wäre, der einen höheren Elterngeldanspruch rechtfertigt.
Es ergibt sich auch kein Anspruch in Verbindung mit dem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch. Es fehlt an der haftungsausfüllenden Kausalität. Bei ordnungsgemäßer Beratung musste der Beklagte wie geschehen verfahren.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.