Sozialgericht Osnabrück
Beschl. v. 04.09.2018, Az.: S 44 AY 12/18 ER

Eilrechtsschutzverfahren treffend die Gewährung eines Krankenscheins für eine Schmerztherapie

Bibliographie

Gericht
SG Osnabrück
Datum
04.09.2018
Aktenzeichen
S 44 AY 12/18 ER
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2018, 35581
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt. Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt mit dem vorliegenden Eilrechtsschutzverfahren die Gewährung eines Krankenscheins für eine Schmerztherapie.

Die Antragstellerin reiste am 06.03.1992 erstmals in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte am 06.04.1992 die Anerkennung als Asylberechtigte. Diesen Antrag nahm die Antragstellerin gegenüber dem Antragsgegner zurück, woraufhin das Bundesamt das Asylverfahren mit Bescheid vom 14.10.1992 einstellte. Nach der daraufhin erfolgten Ausweisung erfolgte eine erneute Einreise gefolgt von einer ersten Folgeantragstellung am 14.06.1993. Diesen Antrag lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge mit Bescheid vom 23.09.1993 ab und stellte fest, dass Abschiebehindernisse nach § 53 Ausländergesetz (AuslG) nicht vorlägen. Die gegen diesen Bescheid erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht Osnabrück mit Urteil vom 07.02.1995 zurück (5 A 258/94 /B).

Mit Bescheid vom 22.12.1997 lehnte das Bundesamt den zweiten Asylfolgeantrag ab. Der anschließend vor dem Verwaltungsgericht Osnabrück erhobener Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz wurde ebenso abgelehnt, wie die gegen den Bescheid erhobene Klage (Beschluss vom 12.01.1998, 5 B 5/98; Urteil vom 17.02.1998, 5 A 21/98). Nach Eintritt der Rechtskraft am 19.03.1998 stellte die Antragstellerin am 01.04.1998 einen weiteren (dritten) Folgeantrag, den das Bundesamt mit Bescheid vom 27.04.1998 ablehnte. Die dagegen erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht Osnabrück mit Urteil vom 08.09.1998, 5 A 170/98, zurück. Am 26.07.1999 stellte die Antragstellerin einen weiteren (vierten) Folgeantrag, den das Bundesamt mit Bescheid vom 25.10.1999 ebenfalls ablehnte. Die dagegen erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht Osnabrück mit Urteil vom 14.02.2000 (5 A 639/09) zurück. Weitere Asylfolgeanträge vom 12.07.2000 und 15.05.2003 blieben ebenfalls erfolglos.

Am 03.07.2008 lehnte der Antragsgegner die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach der damaligen Altfallregelung (§ 104a AufenthG) ab. Die Antragstellerin würde zwar die zeitlichen Voraussetzungen des § 104a Abs. 1 AufenthG sowie die weiteren Voraussetzungen nach § 104 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AufenthG erfüllen, es liege jedoch ein Versagungsgrund vor. Es müsse bei Kindern im schulpflichtigen Alter der tatsächliche Schulbesuch nachgewiesen werden. Dies sei hier bei den Kindern B. und C. nicht der Fall. Die dagegen erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht Osnabrück mit Urteil vom 07.10.2008 zurück (4 A 192/08).

Am 31.01.2011 erhob die Antragstellerin vor dem Verwaltungsgericht Osnabrück einstweiligen Rechtsschutz mit dem Ziel, den Antragsgegner zu untersagen, sie abzuschieben (5 B 7/11). Diesen Antrag wies das Verwaltungsgericht Osnabrück mit Beschluss vom 18.02.2011 zurück. Die Antragstellerin sei nicht reisefähig. Einer daraufhin am 12.04.2011 geplanten Abschiebung in den Kosovo entzog sich die Antragstellerin durch Untertauchen. Sie wurde zum 12.04.2011 von der Stadt A-Stadt nach unbekannt abgemeldet. Durch die Inanspruchnahme ärztlicher Leistungen in Belgien wurde bekannt, dass sie sich zumindest zeitweise in Belgien aufgehalten hat.

Einen weiteren (siebten) Antrag stellte die Antragstellerin am 18.10.2011. Insoweit berief sie sich auf ihre Erkrankungen. Mit Bescheid vom 18.03.2013 stellte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) fest, dass Abschiebeverbote nach § 60 Abs. 2, Abs. 3, Abs. 7 Satz 2, Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) nicht vorlägen. Bezüglich der vorgebrachten Erkrankungen hätten Unterlagen vorgelegen, in denen eine Angst- und Anpassungsstörung und eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert worden seien. Ein Abschiebehindernis aus § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ergebe sich daraus nicht. In den vorgelegten Attesten finde sich keine Aussage darüber, welche Gesundheitsverschlechterung der Antragstellerin konkret drohe. Die dagegen erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht Osnabrück mit Urteil vom 29.07.2013 (5 A 95/13) zurück. Im Urteil vom 29.07.2013 führte das Verwaltungsgericht Osnabrück aus, die Antragstellerin habe eine posttraumatische Belastungsstörung aufgrund von Kriegserlebnissen im Heimatland nicht glaubhaft gemacht. Sie sei 1993 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist und habe sich deshalb, würde ihr Vortrag als wahr unterstellt, bereits zwei Jahre von 1991 bis 1993 trotz des traumatisierten Ereignisses in ihrem Heimatland aufgehalten. Außerdem habe sie sich danach 19 Jahre lang im Bundesgebiet aufgehalten, ohne jemals geltend gemacht zu haben, dass sie unter einer posttraumatischen Belastungsstörung wegen der Ereignisse im Heimatland leide.

Am 13.12.2013 beantragte die Antragstellerin die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen.

Den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen vom 13.12.2013 lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 20.02.2014 ab. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen komme hier nur nach § 25 Abs. 5 AufenthG in Betracht. Diese Voraussetzungen lägen hier nicht vor. Das Bundesamt habe mit Bescheid vom 18.03.2013 rechtskräftig festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2-7 AufenthG bei der Antragstellerin nicht vorliegen würden. Auch aus Art. 8 EMRK ergebe sich kein rechtliches Ausreisehindernis. Die dagegen erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht Osnabrück mit Urteil vom 06.12.2014 zurück (5 A 126/14). Es liege keine Reiseunfähigkeit vor.

Einen weiteren (achten) Folgeantrag vom 03.03.2014 lehnte das BAMF mit Bescheid vom 07.03.2014 ab. Es liege keine Änderung seit dem letzten Antrag vor. Bereits in dem vorherigen Verfahren seien die psychischen Erkrankungen der Antragstellerin hinreichend gewürdigt worden. Zudem habe die Antragstellerin die im Urteil des Verwaltungsgerichts dargestellten Widersprüche nicht erklären können.

Auf einen weiteren Antrag vom 21.07.2016 entschied das BAMF mit Bescheid vom 12.09.2016, dass das Verfahren eingestellt sei. Auch in diesem Verfahren berief sich die Antragstellerin auf ihre krankheitsbedingten Einschränkungen. Es drohe eine lebensbedrohliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes im Falle einer Rückkehr ins Herkunftsland. Das Verfahren sei einzustellen gewesen, da die Antragstellerin unbekannten Aufenthalts sei. Der Beklagte habe mit Schreiben vom 07.09.2016 mitgeteilt, dass die Antragstellerin am 18.07.2016 nach unbekannt abgemeldet worden sei, nachdem aufenthaltsbeendende Maßnahmen durchgeführt werden sollten.

Mit amtsärztlicher Bescheinigung vom 07.06.2016 stellte der Facharzt für Psychiatrie D. fest, dass die Antragstellerin unter der Bedingung, dass die Abschiebung ärztlich begleitet werde, reisefähig sei. Die Antragstellerin habe bei der Untersuchung einen demonstrativ und aggraviert wirkendes Zustandsbild gezeigt. Mit Schreiben vom 16.06.2016 diagnostizierte der psychologische Psychotherapeut E. bei der Antragstellerin eine posttraumatische Belastungsstörung, eine mittelgradige depressive Episode und eine Agoraphobie mit Panikstörung.

Am 06.07.2016 wandte sich die Antragstellerin mit dem Ersuchen um einstweiligen Rechtsschutz an das Verwaltungsgericht Osnabrück, damit dem Antragsgegner untersagt werde, sie abzuschieben (5 B 271/16). Diesen Antrag wies das Verwaltungsgericht Osnabrück mit Beschluss vom 18.07.2016 zurück.

Mit Überweisungsscheinen vom 18.07.2017 überwies Dr. rer.nat. habil. F. die Antragstellerin zur Anästhesie/Schmerztherapie. Dabei gab er als Diagnostik eine mittelgradige depressive Episode, eine posttraumatische Belastungsstörung sowie Schmerzen an (vgl. Blatt 53 der VA). Des Weiteren findet sich ein Überweisungsschein zur Schmerztherapie der Fachärztin für Innere Medizin G. vom gleichen Tag, dem 18.07.2010 (Blatt 46 der VA). Mit Schreiben vom 20.07.2017 diagnostizierte der Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie H. bei der Antragstellerin eine Anpassungsstörung, ängstlich depressiv gemischt sowie einen arzneimittelinduzierten Kopfschmerz.

Einen weiteren Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vom 06.09.2016 wies der Antragsgegner mit Bescheid vom 06.10.2016 zurück. Einen Antrag auf Erteilung einstweiligen Rechtsschutzes vom 14.11.2016, den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Antragstellerin eine Duldung zu erteilen, wies das Verwaltungsgericht Osnabrück mit Beschluss vom 20.11.2016 zurück (5 B 361/16). Insoweit verwies die Kammer auf einen früheren Beschluss vom 18.07.2016 (5 B 271/16), in dem sie ausgeführt hatte, dass die vorgelegten ärztlichen Atteste nicht geeignet seien, die Ergebnisse der amtsärztlichen Untersuchung in Zweifel zu ziehen. Mit Beschluss vom 13.12.2017 lehnte das Verwaltungsgericht Osnabrück in dem gegen den Ablehnungsbescheid vom 06.10.2016 erhobenen Klageverfahren 7 A 108/17 die Gewährung von Prozesskostenhilfe ab. Insoweit nahm das Verwaltungsgericht erneut Bezug auf den Beschluss vom 18.07.2016 (5 B 271/16).

Am 17.07.2017 sprach die Antragstellerin bei dem Antragsgegner vor und erklärte, dass sie seit dem 28.07.2016 untergetaucht sei, da sie Angst vor einer zwangsweisen Aufenthaltsbeendigung gehabt habe. Sie würden sich nunmehr wieder der ausländerbehördlichen Kontrolle unterziehen. Eine Abschiebung sei wegen ihrer Erkrankung aber nicht möglich.

Am 09.08.2017 stellte die Antragstellerin beim BAMF einen weiteren Asylfolgeantrag. Diesen lehnte das Bundesamt mit Bescheid vom 13.11.2015 ab. Die Antragstellerin berief sich erneut auf ihre psychischen Erkrankungen. Insoweit zitierte das Bundesamt im genannten Bescheid eine amtsärztliche Stellungnahme vom 05.09.2017, wonach bei der Antragstellerin ein sehr abstruses Bild von Verhaltensauffälligkeiten vorliege, die keinem klaren psychischen Störungsbild zugeordnet werden könnten. Die Antragstellerin leide an einer agitierten Depression mit Somatisierung. Die vorgebrachten Beschwerden würden deutlich aggraviert.

In einer amtsärztlichen Stellungnahme zur Reisefähigkeit vom 04.04.2018 führten die Fachärztin für Psychiatrie I. und die Ärztin Dr. J. aus, dass die Antragstellerin unter der Bedingung, dass die Abschiebung ärztlich begleitet werde, reisefähig sei. Danach wurde als psychologischer Befund festgestellt, dass insoweit Ängste und ein multiples Schmerzsyndrom im Vordergrund stünden. Die Stimmung sei gedrückt, es liege eine erhöhte Erregbarkeit vor, der Antrieb sei gemindert, bei innerer Unruhe und Leidensdruck. Im somatischen Bereich würden Befund und Befindlichkeit differieren. Die angegebenen Funktionseinschränkungen und Schmerzen würden nicht mit dem klinischen Befund übereinstimmen. Es bestünden degenerative Erkrankungen im HWS/LWS-Bereich. Durch die Erkrankung und durch ihre unzureichende Mobilität habe die Antragstellerin eine funktionelle Fehlhaltung mit muskulärer Dysballance entwickelt. Trotz zahlreicher diagnostischer (Maßnahmen) und anschließender therapeutischer und Umsetzung in den vergangenen Jahren habe keine ausreichende Besserung erzielt werden können. Die Antragstellerin habe einen Rollstuhl verwendet, obwohl sie während der amtsärztlichen Untersuchung ohne Hilfe habe laufen können. Zudem habe sie über Herzrhythmusstörungen und kardiale Beschwerden geklagt, obwohl diese erfolgreich behandelt worden seien und insoweit eine Medikation nicht benötigt werde. Die vorgebrachten Beschwerden würden zielgerichtet dargestellt und seien im Wesentlichen im Zusammenhang mit der drohenden Rückführung in ihr Heimatland zu sehen. Die Behandlung mit Psychopharmaka könne als niedrige bis mittlere Dosierung angesehen werden.

Mit Bescheid vom 11.01.2018 gewährte der Antragsgegner der Antragstellerin Leistungen nach § 3 AsylbLG.

Am 17.01.2018 stellte die Fachärztin für Innere Medizin G. eine Überweisung für die Antragstellerin für eine kardiologische Behandlung (Blatt 23 der VA) aus, die die Amtsärztin Dr. J. am 24.01.2018 für notwendig befand (Blatt 24 der VA).

Am 19.01.2018 erfolgte durch Frau G. eine Überweisung der Antragstellerin an die Innere Medizin wegen eines Globusgefühls (Blatt 25 der VA). Diese Überweisung sah die Amtsärztin Dr. J. am 30.01.2018 als nicht notwendig an (Blatt 29 der VA).

Am 12.03.2018 stellte die Fachärztin für Innere Medizin K. aus A-Stadt eine Verordnung für einen Rollstuhl aus (Blatt 67 der VA). Diese Versorgung mit einem Rollstuhl sah die Amtsärztin Dr. J. am 05.04.2018 als nicht notwendig an (Blatt 103 der VA). Am 03.05.2018 genehmigte die Amtsärztin Dr. J. die Kosten für die Versorgung mit einem Rollstuhl (Blatt 148 der VA).

Am 27.03.2018 stellte Frau G. eine Überweisung in die Psychiatrie aus (Blatt 86 der VA). Diese sah die Amtsärztin L. am 04.04.2018 als notwendig an (Blatt 98 der VA). Ebenfalls am 27.03.2018 stellte die Ärztin eine Überweisung an die Innere Medizin wegen einer Pankreaslipomatose aus (Blatt 82 der VA), die die Amtsärztin Dr. J. am 16.04.2018 als nicht notwendig ansah (Blatt 121 der VA). Des Weiteren stellte Frau M. am 27.03.2018 eine Überweisung für den Bereich Pulmologie aus (Blatt 81 VA). Insoweit sah die Amtsärztin Dr. J. am 16.04.2018 eine Notwendigkeit für eine Überweisung an die Radiologie zum Röntgen des Thorax als gegeben an (Blatt 122).

Am 29.03.2018 stellte Frau G. eine Heilmittelverordnung für KMT und Wärmetherapie wegen eines HWS-Schultersyndroms und Schmerzen/Funktionsstörungen durch Muskelentspannungsstörung aus (Blatt 80 der VA). Dies sah die Ärztin Frau L. am 04.04.2018 als notwendig an (Blatt 99 der VA). Am 05.04.2018 erfolgte eine weitere Genehmigung durch die Amtsärztin Dr. J. in Bezug auf die Heilmittelverordnung für KMT und Wärmetherapie (Blatt 123 der VA).

Am 26.04.2018 erfolgte eine Überweisung an die Neurologie und Psychiatrie durch Frau M. wegen Kopfschmerzen (Blatt 143 der VA), die von der Amtsärztin Frau L. am 03.05.2018 als notwendig angesehen wurde (Blatt 151 der VA).

Nach einem ärztlichen Attest vom 17.05.2018 diagnostizierte der Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. med. N. bei der Antragstellerin das Vorliegen einer Depression vor dem Hintergrund einer posttraumatischen Belastungsstörung. Die Behandlung werde mit hoher Intensität fortgesetzt, ebenso wie die Teilnahme an einer ambulanten Psychotherapie bei Herrn O. in Aschendorf. Trotz hoher Motivation der Antragstellerin ergebe sich keine nennenswerte Besserung der Befunde.

Am 09.06.2018 erfolgte durch Frau G. eine Überweisung zur Schmerztherapie. Die Antragstellerin habe Schmerzen, es liege eine posttraumatische Belastungsstörung, eine Depression und eine somatoforme Schmerzstörung vor (Blatt 173 der VA). Am 14.06.2018 sah die Amtsärztin Dr. J. diese Maßnahme als nicht notwendig an (Blatt 163 der VA). Hierzu erklärte die Amtsärztin mit Schreiben vom 20.06.2018 ergänzend, dass die Antragstellerin durch zahlreiche Vorstellungen und Untersuchungen bekannt sei. Es bestehe eine Somatisierungsstörung mit agitierter Depression. Sämtliche therapeutische Maßnahmen einschließlich einer schmerztherapeutischen Vorstellung in der Praxis P. im September 2017 und einer psychotherapeutischen Behandlung bei Herrn im Zeitraum von 6/2015 bis 5/2016 (insgesamt 31 Sitzungen) hätten keine Verbesserung herbeigeführt. Eine erneute schmerztherapeutische Vorstellung werde aus amtsärztlicher Sicht keine Verbesserung herbeiführen. Den amtsärztlichen Empfehlungen einer verstärkten Mobilisation und ausreichenden Bewegung sei die Antragstellerin bisher nicht nachgekommen und könne bei weiterer Benutzung durch den Rollstuhl auch nicht erreicht werden.

Mit Bescheid vom 22.06.2018 lehnte die Beklagte die Übernahme der Kosten für eine Schmerztherapie ab. Zur Begründung wiederholte die Beklagte die Ausführung der Amtsärztin aus dem Schreiben vom 20.06.2018.

Am 27.06.2018 erfolgte durch Frau G. eine Überweisung an die Orthopädie wegen einer Interkostalneuralgie rechts und eines Wirbelsäulensyndroms (Blatt 182 der VA). Diese Überweisung sah die Amtsärztin Dr. J. am 10.07.2018 als notwendig an (Blatt 191 der VA). Am 17.07.2018 erfolgte durch Frau G. eine Überweisung an die Orthopädie wegen Rückenschmerzen (Blatt 202 der VA). Diese Überweisung wurde durch die Amtsärztin Frau R. am 01.08.2018 als notwendig angesehen (Blatt 205 der VA).

Am 31.07.2018 hat sich die Antragstellerin mit dem Ersuchen um einstweiligen Rechtsschutz an das Gericht gewandt. Sie habe unstreitig Schmerzen, der Antragsgegner behaupte lediglich, eine Schmerztherapie würde keine Verbesserung bringen. Dies sei allerdings nicht relevant, da eine Schmerztherapie auch dann indiziert sei, wenn sie eine Verschlimmerung verhindere. Die Regelung des AsylbLG zur ärztlichen Versorgung seien unter Berücksichtigung des Urteils des BVerfG vom 18.07.2012 (1 BvR 10/10) zu interpretieren. Zudem verweist die Klägerin auf eine Entscheidung des LSG Hessen vom 10.07.2018 (L 4 AY 9/18 B ER). Zudem gehöre sie unstreitig zu der Gruppe der Roma. Bei Holocaustüberlebenden sei in Israel unbestrittene Erkenntnis, dass es eine Traumavererbung über Generationen hinweg gebe. Hinzu komme, dass gerade Roma aus Ex-Jugoslawien durch die Kriege in den neunziger Jahren meist noch weitere Traumatisierungen in eigener Person erlitten hätten. Es erscheine deshalb fernliegend, dass Leiden allein durch Krankengymnastik und Bewegungstherapie behandelt werden könne.

Die Klägerin beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen sinngemäß,

den Antragsgegner im Wege des Erlasses einer einstweilen Anordnung zu verpflichten, ihr medizinische Leistungen in Form eines Krankenbehandlungsscheins für eine Schmerztherapie zu gewähren.

Der Antragsgegner beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen,

den Antrag abzulehnen.

Er hält den Ablehnungsbescheid für rechtmäßig. Der Ansicht vom LSG Hessen (Beschluss vom 11.07.2018, L 4 A Y 9/18 B ER) werde nicht gefolgt. Dieser Ansicht sei entgegenzuhalten, dass der Gesetzgeber mit § 2 AsylbLG eine Möglichkeit vorsehe, eine der Höhe nach dem SGB XII entsprechenden Anspruch zu erlangen. Dies setze allerdings voraus, dass der Hilfeempfänger sich mindestens 15 Monate im Bundesgebiet aufhalte und diesen Aufenthalt nicht rechtsmissbräuchlich verlängert habe. Eine derart weite Auslegung der Regelung des § 6 AsylbLG, wie sie das LSG Hessen vornehme, widerspreche dieser Unterscheidung danach, ob der Aufenthalt rechtsmissbräuchlich beeinflusst worden sei. Eine enge Auslegung sei auch nicht verfassungswidrig. Etwas Anderes ergebe sich nicht aus der Entscheidung des BVerfG vom 18.07.2012 (1 BvR 10/10). Im konkreten Einzelfall bleibe zudem festzuhalten, dass nicht abschließend geklärt werden könne, ob sich die Antragstellerin überhaupt bereits seit 15 Monaten im Bundesgebiet aufhalte, da sie in der Zeit vom 28.06.2016 bis 17.07.2017 als untergetaucht gegolten habe. Ob sie sich in dieser Zeit im Inland aufgehalten habe, lasse sich nicht abschließend klären. Da als Nachweis für den tatsächlichen Aufenthalt im Bundesgebiet in der Bundestagsdrucksache (BT-Drucks. 18/2593, Seite 19) auf die von der zuständigen Ausländerbehörde ausgestellten Ausweisdokumente abgestellt werde, dürfe dieser Zeitraum als Unterbrechung gelten. Darüber hinaus verlange § 6 Abs. 1 Satz 1 Alternative 2 AsylbLG eine individuelle und einzelfallorientierte Betrachtung. Danach ergebe sich hier kein Anspruch. Die Prüfung durch die Amtsärztin Dr. med. J. vom 15.06.2018 habe ergeben, dass die Überweisung zur Schmerztherapie nicht notwendig sei. Sowohl die schmerztherapeutische Behandlung im September 2017 bei Herrn Dr. P. als auch die psychotherapeutische Behandlung bei Herrn Q. von Juni 2015 bis Juni 2016 habe keine Verbesserung herbeigeführt. Zudem sei die Antragstellerin der Empfehlung der Amtsärztin zu einer verstärkten Mobilisierung und ausreichenden Bewegung nicht nachgekommen. Danach liege hier als kostengünstigere, gleichwertige Behandlungsalternative die Mobilisation und Durchführung bewegungstherapeutischer Maßnahmen vor. Zudem hat der Antragsgegner eine Stellungnahme der Amtsärztin vom 07.08.2018 vorgelegt, in der diese ausführt, dass trotz umfangreicher Therapien eine Progredienz der Erkrankungen bei der Antragstellerin zu verzeichnen seien. Eine erneute schmerztherapeutische Vorstellung könne auch eine Verschlimmerung aus amtsärztlicher Sicht nicht verhindern.

Ergänzend wird auf die beigezogenen (ausländerrechtlichen und asylbewerberleistungsrechtlichen) Verwaltungsvorgänge sowie die Gerichtsakte verwiesen. Die Akten sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.

II.

Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.

Die Voraussetzungen des § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.

Nach § 86b Abs. 2 SGG kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Wenn eine Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint, kann das Gericht zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis ebenfalls eine einstweilige Anordnung treffen. Hierfür bedarf es der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrundes durch den Antragsteller (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig, SGG, 12. Aufl. 2017, § 86b, Rn. 27 ff.). Der Anordnungsgrund betrifft die Frage der Eilbedürftigkeit oder Dringlichkeit. Die Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs betrifft demgegenüber die Prüfung der Erfolgsaussichten des geltend gemachten Anspruchs, d.h. der Rechtsanspruch muss mit großer Wahrscheinlichkeit begründet sein und aller Voraussicht auch im Klageverfahren bestätigt werden.

Die Antragstellerin hat einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht.

1. Ein Anspruch ergibt sich nicht aus § 4 AsylbLG.

In den ersten 15 Monaten des Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland - bei einer rechtsmissbräuchlichen Beeinflussung der Aufenthaltsdauer auch in der Folgezeit (vgl. § 2 Abs. 1 AsylbLG) - erfolgt die medizinische Versorgung primär nach § 4 Abs. 1 AsylbLG. Danach sind die zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände erforderliche ärztliche und zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Arznei- und Verbandmitteln sowie sonstiger zur Genesung, zur Besserung oder zur Linderung von Krankheiten oder Krankheitsfolgen erforderlichen Leistungen zu gewähren. Danach ergibt sich hier kein Anspruch auf die begehrten Leistungen.

a) Eine akute Erkrankung ist nicht nachgewiesen.

Unter dem im Gesetz nicht definierten Begriff der akuten Erkrankung ist eine plötzlich auftretende, schnell und heftig verlaufende Erkrankung zu verstehen (Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 06.05.2013, L 20 AY 145/11, Rn. 52; Wahrendorf in: Wahrendorf, AsylbLG, 1. Aufl. 2016, § 4 Rn. 26; Langer in: Hohm, GK-AsylbLG, § 4 Rn. 24, Stand: 3/2016 und Frerichs in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 4 AsylbLG, Rn. 38 jeweils unter Verweis auf den Pschyrembel; siehe auch: Kaltenborn in: NZS 2015, 161, 162; so auch die Kammer: SG Osnabrück, Beschluss vom 09.01.2018, S 44 AY 21/17 ER). Damit ist die Behandlung chronischer Erkrankungen nach dieser Normalternative ausgeschlossen, es sei denn, zu der chronischen Erkrankung kommt ein akuter Krankheitszustand hinzu (allgemein: Kaltenborn in: NZS 2015, 161, 162; in Bezug auf die zusätzliche Erkrankung: Wahrendorf in: Wahrendorf, AsylbLG, 1. Aufl. 2016, § 4 Rn. 27; Langer in: Hohm, GK-AsylbLG, § 4 Rn. 26, Stand: 3/2016; siehe dazu auch: OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 28.01.2004, 1 O 5/04, Rn. 8; im Ausnahmefall auch eine Behandlung der chronischen Erkrankung: Frerichs in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 4 AsylbLG, Rn. 39).

Eine solche plötzlich verlaufende Erkrankung ist hier in Bezug auf die Schmerzsymptomatik nicht diagnostiziert.

b) Dass Schmerzzustände vorliegen, ist zwar dargelegt, insoweit fehlt es aber an der Glaubhaftmachung der Erforderlichkeit der konkreten Maßnahmen.

Schmerzzustände werden auch bei chronischen Erkrankungen behandelt, da sich das "akut" im Wortlaut nur auf "Erkrankung" und nicht auf "Schmerzzustände" bezieht (h.M. Langer in: Hohm, GK-AsylbLG, § 4 Rn. 30, Stand: 3/2016; Wahrendorf in: Wahrendorf, AsylbLG, 1. Aufl. 2016, § 4 Rn. 29; Hohm in: Schellhorn/Hohm/Scheider, SGB XII, 19. Aufl. 2015, § 4 AsylbLG, Rn. 6; Frerichs in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 4 AsylbLG, Rn. 43; so auch die Kammer: SG Osnabrück, Beschluss vom 09.01.2018, S 44 AY 21/17 ER). Unter Rückgriff auf die medizinische Terminologie ist unter einem Schmerzzustand i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG ein mit einer aktuellen oder potenziellen Gewebsschädigung verknüpfter unangenehmer Sinnes- und Gefühlszustand zu verstehen, der aus medizinischen Gründen der ärztlichen oder zahnärztlichen Behandlung bedarf (Hohm in: Schellhorn/Hohm/Scheider, SGB XII, 19. Aufl. 2015, § 4 AsylbLG, Rn. 6; Wahrendorf in: Wahrendorf, AsylbLG, 1. Aufl. 2016, § 4 Rn. 29; Frerichs in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 4 AsylbLG, Rn. 42; so auch die Kammer: SG Osnabrück, Beschluss vom 09.01.2018, S 44 AY 21/17 ER). Ein solcher Zustand dürfte vorliegend glaubhaft gemacht worden sein.

Es fehlt bezüglich der begehrten Maßnahmen zumindest an der Erforderlichkeit. § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG gewährleistet nur die jeweils erforderliche Behandlung, um akute Erkrankungen oder Schmerzzustände zu lindern (oder eine Verschlimmerung zu verhindern). Deshalb besteht bei gleicher Eignung kein Anspruch auf eine teurere Behandlung (OVG Lüneburg, Beschluss vom 06.07.2004, 12 ME 209/04; SG Düsseldorf, Urteil vom 17.05.2011, S 42 (19,44,7) AY 2/05, Rn. 38; Greiser/Frerichs in SGb 2018, 213, 217 f.; siehe zu diesem Rechtsgedanken auch die Rechtsprechung des BSG zur Hilfsmittelversorgung im SGB V: BSG, Urteil vom 30.09.2015, B 3 KR 14/14 R, Rn. 18 mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung).

Zunächst ist unklar geblieben, welche Schmerzen genau behandelt werden sollen, also in welchen Regionen des Körpers die Antragstellerin Probleme mit Schmerzen hat. Es ist unklar, ob sich diese auf den Bereich HWS (Heilmittelverordnung vom 29.03.2018), den gesamten Rücken (Überweisung vom 17.07.2018) oder den Kopf beziehen (Überweisung vom 26.04.2018 an die Neurologie und Psychiatrie). Ggf. liegen die Schmerzen auch in beiden Bereichen vor. Bezüglich der übrigen (möglichen) Erkrankungen (im Bereich Kardiologie, Innerer Medizin [Pankreas und Diabetes] und Zahnmedizin) wurde - soweit ersichtlich - bislang keine Schmerzproblematik verzeichnet. Die fehlende Spezifizierung erschwert die Beurteilung der Erforderlichkeit. Auf die Anfrage der Kammer vom 16.08.2018 hat die Antragstellerseite nicht reagiert.

Die Amtsärztin sieht in der Mobilisierung eine gleichwertige Möglichkeit der Therapie. Auch eine Schmerztherapie könne zudem auch eine Verschlimmerung nicht verhindern. Dem stehen die Ausführungen der Antragstellerseite im Schriftsatz vom 14.08.2018 nicht entgegen. Dabei hatte die Kammer nicht über die Frage zu befinden, ob eine vererbte Traumatisierung durch Taten gegenüber den Vorfahren möglich ist, da keine näheren Kenntnisse dazu vorliegen, dass solche gegenüber den Vorfahren der Antragstellerin verübt wurden. Allein die Volkszugehörigkeit kann sicherlich nicht hinreichend sein, um von einer Traumatisierung durch Vererbung auszugehen.

Zwar ist es durchaus denkbar, dass die Schmerzen (zumindest auch) psychische und psychiatrische Ursachen haben (somatoforme Schmerzstörung, so auch die Überweisung vom 09.06.2018). Allerdings hat auch die Kammer - wie das VG Osnabrück - Zweifel an der Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung als Folge von Erlebnissen Anfang der 90er Jahre. Im Urteil vom 29.07.2013 (5 A 95/13) führte das VG Osnabrück aus, die Antragstellerin habe eine posttraumatische Belastungsstörung aufgrund von Kriegserlebnissen im Heimatland nicht glaubhaft gemacht. Sie sei 1993 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist (wohl die zweite Einreise nach erster Einreise im Jahr 1992 und Ausreise nach Rücknahme des ersten Asylantrags) und habe sich deshalb, würde ihr Vortrag als wahr unterstellt, bereits zwei Jahre von 1991 bis 1993 trotz des traumatisierten Ereignisses in ihrem Heimatland aufgehalten (unterbrochen durch den Aufenthalt in Deutschland). Außerdem habe sie sich danach 19 Jahre lang im Bundesgebiet aufgehalten, ohne jemals geltend gemacht zu haben, dass sie unter posttraumatischen Belastungsstörungen wegen der Ereignisse im Heimatland leide (erstmaliges Geltendmachen wohl im siebten Asylfolgeantrag vom 18.10.2011, Klammereinschübe nicht im Original). Vor allem der zweite Punkt ist auch nach Ansicht der Kammer geeignet, Zweifel an der Diagnose PTBS zu begründen. Es ist nicht dargelegt worden, warum diese Problematik erst derart lang nach den genannten Vorgängen aufgetreten ist.

"Unstreitig" dürfte zudem sein, dass auch die psychotherapeutischen Maßnahmen der Vergangenheit nicht erfolgreich waren (Stellungnahmen der Amtsärztin Dr. med. S. vom 07.08.2018 und des behandelnden Arzt Herrn Dr. N. im Ärztlichen Attest vom 08.08.2018). Nach Vortrag der Antragsgegnerseite war zudem die schmerztherapeutische Vorstellung beim Herrn Dr. P. im Jahr 2017 ebenfalls nicht erfolgreich.

In der Gesamtschau dieser Umstände sieht die Kammer eine Erforderlichkeit für eine schmerztherapeutische Behandlung nicht als glaubhaft gemacht an.

2. Unter Berücksichtigung dieser Umstände besteht auch kein Anspruch aus § 6 AsylbLG.

Neben § 4 AsylbLG stellt § 6 AsylbLG (auch) in Bezug auf Gesundheitsleistungen eine Auffangvorschrift dar. Nach § 6 Abs. 1 AsylbLG können sonstige Leistungen insbesondere dann gewährt werden, wenn sie im Einzelfall zur Sicherung des Lebensunterhalts oder der Gesundheit unerlässlich, zur Deckung besonderer Bedürfnisse von Kindern geboten oder zur Erfüllung einer verwaltungsrechtlichen Mitwirkungspflicht erforderlich sind. Nach § 6 Abs. 2 AsylbLG wird Personen, die eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 24 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) besitzen und die besondere Bedürfnisse haben, wie beispielsweise unbegleitete Minderjährige oder Personen, die Folter, Vergewaltigung oder sonstige schwere Formen psychischer, physischer oder sexueller Gewalt erlitten haben, die erforderliche medizinische oder sonstige Hilfe gewährt.

Ein Fall nach § 6 Abs. 2 AsylbLG liegt nicht vor. Zudem ist die Behandlung hier nicht unerlässlich im Sinne des § 6 Abs. 1 AsylbLG. Dies gilt auch unter Berücksichtigung verfassungsrechtlicher Anforderungen.

Im Einzelfall sind für die Beurteilung, welche medizinischen Leistungen "unerlässlich" i.S.d. § 6 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG sind, Kriterien mit einzubeziehen, wie etwa das Ausmaß und die Intensität der Erkrankung, drohende Gesundheitsfolgen bei Ablehnung der Behandlung, die bisherige und voraussichtliche Aufenthaltsdauer des Ausländers in Deutschland, ggf. eine zeitnah eintretende Leistungsprivilegierung (z.B. nach § 2 Abs. 1 AsylbLG), und die Frage nach gleichwertigen, kostengünstigeren Behandlungsalternativen (vgl. dazu T. in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 6 Rn. 41 und 64). Diese Vorschrift ist nach Ansicht der Kammer verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass bei einem verfestigten Aufenthalt grundsätzlich die Leistungen nach dem SGB V zu gewähren sind (dazu unter a). Auch unter Berücksichtigung dieser Vorgaben ergibt sich vorliegend aber kein Anspruch (dazu unter b).

a) Bei einem verfestigten Aufenthalt ist § 6 Abs. 1 AsylbLG grundsätzlich erweiternd dahingehend auszulegen, dass eine Angleichung an den Leistungskatalog nach dem SGB V erfolgt.

Das Grundgesetz sieht ein Grundrecht auf Gesundheit nicht ausdrücklich vor. Nach der Rechtsprechung des BVerfG ist es aber anerkannt, dass aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG eine Pflicht des Staates zum Schutz der Gesundheit und körperlichen Unversehrtheit erwächst. Hieraus können nicht nur abwehrrechtliche Ansprüche hergeleitet werden, sondern auch ein Anspruch auf Heilbehandlung bei lebensbedrohlichen Krankheiten (BVerfG, Beschluss vom 06.12.2005, 1 BvR 347/98). Zudem entfaltet das Leistungsgrundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nach Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG bei der Frage der gesundheitlichen Versorgung von Menschen, die sich im Bundesgebiet aufhalten, eine leistungsrechtliche Dimension (BSG, Urteil vom 18.01.2011, B 4 AS 108/10 R, Rn. 33; Eichenhofer, ZAR 2013, 169, 174; Frerichs in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 4 AsylbLG Rn. 22; Langer in: GK-AsylbLG, Stand: 09/2017, § 4 Rn. 17). Wohl überwiegend wird hierzu aber vertreten, dass die eingeschränkte medizinische Versorgung nach §§ 4, 6 Abs. 1 AsylbLG keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet (SG Landshut, Urteil vom 24.11.2015, S 11 AY 11/14, Rn. 41 ff.; Langer in: Hohm, GK-AsylbLG, § 4 Rn. 16, 17, Stand: 09/2017; Adolph in: Linhart/Adolph, SGB II/SGB XII/AsylbLG, § 4, Rn. 7; Wahrendorf, AsylbLG, 1. Aufl. 2017, § 4 Rn. 2; krit. Kaltenborn, NZS 2015, 161 ff.; Frerichs in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 4 AsylbLG, Rn. 24; Deibel, ZFSH/SGB 2012, 582), sie aber an die "Grenze des verfassungsrechtlich noch Vertretbaren" stößt (Wahrendorf, AsylbLG, 1. Aufl. 2017, § 4 Rn. 1).

Eine dauerhafte medizinische Versorgung nach §§ 4, 6 Abs. 1 AsylbLG ist nach Ansicht der Kammer aber nach den prozeduralen Vorgaben des BVerfG grundsätzlich nicht zu rechtfertigen, da die Annahme, dass sich der Bedarf an Gesundheitsleistungen von Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG bei einem längerfristigen Aufenthalt in Deutschland signifikant von dem anderer Bedürftiger unterscheidet, nicht nachzuweisen sein dürfte (Greiser/Frerichs in: SGb 2018, 213, 218 f.). Dementsprechend ist bei Aufenthalt, der nicht mehr als vorübergehend angesehen werden kann, grundsätzlich eine Angleichung an das Leistungsniveau der gesetzlichen Krankenversicherung verfassungsrechtlich geboten (Hessisches LSG, Beschluss vom 11.07.2018, L 4 AY 9/18 B ER, Rn. 28; Greiser/Frerichs in: SGb 2018, 213, 220). Dies gilt grundsätzlich auch bei rechtsmissbräuchlicher Beeinflussung des Aufenthalts (Greiser/Frerichs, a. a. O.).

b) Auch unter Berücksichtigung dieser Vorgaben ergibt sich kein Anspruch auf die begehrten Leistungen.

Für die Wiederlegung eines vorübergehenden Aufenthalts muss der Leistungsberechtigte sich grundsätzlich 15 Monate ohne wesentliche Unterbrechung im Bundesgebiet aufhalten. Insoweit ist eine Orientierung an der Frist des § 2 Abs. 1 AsylbLG naheliegend, da diese Vorschrift insoweit die Vorgaben aus dem Urteil des BVerfG vom 18.12.2012 (1 BvL 10/10 u.a.) umgesetzt hat (BT-Drucks. 18/2592, Seite 19). Hier ist aber unklar, ob die Antragstellerin sich aktuell bereits 15 Monate im Bundesgebiet aufhält, da sie vom 28.06.2016 bis 17.07.2017 untergetaucht war.

Zudem lässt die Kammer offen, ob eine Angleichung an das Niveau der gesetzlichen Krankenversicherung auch dann stets geboten ist, wenn auch aktuell eine (neue) rechtsmissbräuchliche Beeinflussungen vorliegt, wie hier etwa das genannte Untertauchen. Die Kammer lässt also offen, ob insoweit eine Beschränkung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums auch im gesundheitlichen Bereich möglich ist (siehe zur Beschränkung der Leistungen allgemeinen ausführlich: Susnjar/Greiser in: ZfSH/SGB 2018, 256 ff.). Diese Frage ist von der oben angesprochenen Frage der Ausgestaltung (anhand prozeduraler Vorgaben) zu trennen.

Zudem ist auch insoweit eine Erforderlichkeit nicht glaubhaft gemacht. Die Erforderlichkeit ergibt sich auch im SGB V als Voraussetzung der Leistungsgewährung (§§ 27, 12 SGB V). Insoweit kann auch nicht das gesamte System der gesetzlichen Krankversicherung, wo nach § 24 Abs. 7 Nr. 1 Bundesmanteltarifvertrag der Ärzte der überweisende Arzt für die Notwendigkeit und der Arzt, an den überwiesen wird, für die Wirtschaftlichkeit der durchgeführten Maßnahmen verantwortlich ist, übertragen werden. Wegen der insoweit fehlenden Wirtschaftlichkeitsprüfung nach § 106 SGB V (und der fehlenden Beitragszahlung) ist das System insoweit nicht übertragbar. Eine solche Erweiterung ist dem Gesetzgeber vorbehalten.

Die fehlende Glaubhaftmachung eines Anspruchs ergibt sich neben den obigen Ausführungen zur Erforderlichkeit zudem daraus, dass sich im vorliegenden Fall aktuell keine dauerhafte Bleibeperspektive mehr stellen lässt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde an das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen zulässig (§ 172 SGG). Sie ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses beim Sozialgericht Osnabrück, Hakenstraße 15, 49074 Osnabrück, schriftlich oder in elektronischer Form oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen (§ 173 SGG). Die elektronische Form wird durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments gewahrt, das für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet ist und - von der verantwortenden Person qualifiziert elektronisch signiert ist oder - von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gem. § 65a Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingereicht wird. Weitere Voraussetzungen, insbesondere zu den zugelassenen Dateiformaten und zur qualifizierten elektronischen Signatur, ergeben sich aus der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung - ERVV) in der jeweils gültigen Fassung. Über das Justizportal des Bundes und der Länder (www.justiz.de) können weitere Informationen über die Rechtsgrundlagen, Bearbeitungsvoraussetzungen und das Verfahren des elektronischen Rechtsverkehrs abgerufen werden. Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist bei dem Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Georg-Wilhelm-Str. 1, 29223 Celle oder bei der Zweigstelle des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen, Am Wall 198, 28195 Bremen, schriftlich oder in elektronischer Form oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird.