Landgericht Göttingen
Beschl. v. 13.08.2001, Az.: 10 T 36/01

Antrag auf Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens; Anspruch auf Zahlung ausgefallener Sozialversicherungsbeiträge gegen das Arbeitsamt durch die Annahme eines Schuldenbereinigungsplans; Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder die Abweisung mangels Masse als Anspruchsvoraussetzung; Wirtschaftliche Schlechterstellung des Gläubigers bei Durchführung des Schuldenbereinigungsplans; Verwirklichung des Tatbestandes des § 266 a Strafgesetzbuch (StGB) durch die Nichtzahlung von Arbeitnehmeranteilen

Bibliographie

Gericht
LG Göttingen
Datum
13.08.2001
Aktenzeichen
10 T 36/01
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2001, 29061
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGGOETT:2001:0813.10T36.01.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Göttingen - 14.03.2001 - AZ: 74 IK 99/99

Fundstelle

  • ZInsO 2001, 859-860 (Volltext mit red. LS)

In dem Verbraucherinsolvenzverfahren
hat die 10. Zivilkammer des Landgerichts Göttingen
durch
die Vorsitzende Richterin am Landgericht Pape,
die Richterin am Landgericht Merrem und
den Richter am Landgericht Dr. Guise-Rübe auf
die sofortige Beschwerde der Gläubigerin Nr. 3 vom 04.04.2001
gegen den Beschluss des Amtsgerichts Göttingen vom. 14.03.2001 - 74 IK 99/99 -
am 13.08.2001 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin Nr. 3 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Beschwerdewert: 3.096,16 DM.

Gründe

1

Der Schuldner hat am 16.12.1999 den Antrag auf Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens gestellt, die Restschuldbefreiung beantragt und weiterhin beantragt, Einwendungen einzelner Schuldner gegen den Schuldenbereinigungsplan zu ersetzen. Der Schuldner hat 28 Gläubiger mit einer Gesamtforderung von 197.640,05 DM. Dem Schuldenbereinigungsplan haben neben der Gläubigerin Nr. 3, der Beschwerdeführerin, weitere 12 Gläubiger widersprochen. Die Gläubigerin Nr. 3 hat ausgeführt, durch den Schuldenbereinigungsplan werde sie schlechter gestellt als bei Durchführung des Insolvenzverfahrens. In der Forderung seien Arbeitnehmeranteile enthalten. Im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder der Ablehnung mangels Masse bestehe für sie die Möglichkeit nach der Vorschrift des § 208 Abs. 1 SGB III Pflichtbeiträge für die ehemaligen Arbeitnehmer in Höhe von 3.096,16 DM zu erhalten. Mit Beschluss vom 14.03. 2001 hat das Amtsgericht die Einwendungen der widersprechenden Gläubiger ersetzt. Bezüglich der Gläubigerin Nr. 3 hat das Amtsgericht ausgeführt, zwar erhalte die Gläubigerin durch die Annahme des Schuldenbereinigungsplans keinen Anspruch auf Zahlung ausgefallener Sozialversicherungsbeiträge gegen das Arbeitsamt. Dies stehe jedoch der Zustimmungsersetzung nicht entgegen. Die wirtschaftliche Schlechterstellung folge aus § 208 SGB III, der als Anspruchsvoraussetzung die Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder die Abweisung mangels Masse voraussetze. Der Nachteil für den Gläubiger folge also aus dieser unvollständigen bzw. unglücklichen gesetzlichen Regelung, nicht jedoch aus der vom Schuldner im Schuldenbereinigungsplan vorgesehenen Verteilung seines Einkommens und Vermögens. Zudem seien für die Vergleichsrechnungen zur Feststellung, ob der Gläubiger durch den Schuldenbereinigungsplan schlechter gestellt würde, nur Zahlungen zu berücksichtigen, die der Gläubiger bei Verfahrenseröffnung aus der Insolvenzmasse erhalte, nicht aber Leistungen, die er von Dritten bekomme.

2

Gegen diesen Beschluss wendet sich die Gläubigerin Nr. 3 mit der sofortigen Beschwerde. Zur Begründung trägt sie vor, bei Zustimmungsersetzung entfiele ein Insolvenztatbestand, sodass sie dann bei der Bundesanstalt für Arbeit die Pflichtbeiträge nach § 208 Abs. 1 SGB III nicht geltend machen könne. Insoweit liege auch eine Schlechterstellung vor, weil auch außerhalb der Insolvenzordnung erfolgende Zahlungen zu berücksichtigen seien. Es zähle allein die wirtschaftliche Situation des Gläubigers, die sich jedoch verschlechtere, wenn der Gläubiger bei Durchführung des Schuldenbereinigungsplans bestimmte Zahlungen von Dritten nicht erhalte. Im Übrigen beruhten insgesamt 2.312,05 DM der Forderung auf vom Schuldner vorenthaltenen Arbeitnehmeranteilen zu den Sozialversicherungsabgaben, sodass der Tatbestand des § 266 a StGB vorliege. Auch insofern liege eine Schlechterstellung vor, weil diese Forderungen aus unerlaubter Handlung von der Erteilung der Restschuldbefreiung nicht berührt würden und bei Durchführung des Insolvenzverfahrens stehen blieben.

3

Das Amtsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen mit dem Hinweis, dass die Gläubigerin Nr. 3 die Voraussetzungen des § 266 a StGB nicht hinreichend dargelegt und glaubhaft gemacht habe.

4

Während des Beschwerdeverfahrens hat die Gläubigerin dargelegt, in welcher Höhe Arbeitnehmeranteile vom Schuldner nicht gezahlt worden seien und wie sich diese zusammensetzten.

5

Die sofortige Beschwerde ist gem. §§ 6 Abs. 1, 309 Abs. 2 S. 3 InsO zulässig, sie ist jedoch nicht begründet. Das Amtsgericht hat zutreffend entschieden. Die Voraussetzungen für die Zustimmungsersetzung gem. § 309 Abs. 1 InsO liegen vor, denn es haben mehr als die Hälfte der Gläubiger dem Schuldenbereinigungsplan zugestimmt und die Summe der Ansprüche der zustimmenden Gläubiger beträgt mehr als die Hälfte der Summe aller benannten Gläubiger.

6

Die Gläubigerin Nr. 3 kann sich auch nicht darauf berufen, dass sie durch den Schuldenbereinigungsplan voraussichtlich wirtschaftlich schlechter gestellt würde als sie bei Durchführung des Insolvenzverfahrens stünde. Der Umstand, dass die Gläubigerin Nr. 5 bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens Leistungen von der Bundesanstalt für Arbeit gem. § 208 Abs. 1 SGB III erhielte, bleibt außer Betracht. Zutreffend hat das Amtsgericht unter Hinweis auf die Rechtsprechung der Kammer ausgeführt, dass für die Entscheidung, ob eine wirtschaftliche Schlechterstellung des Gläubigers bei Durchführung des Schuldenbereinigungsplans besteht, diese Zahlung außer Betracht bleibt. Für den Vergleich der wirtschaftlichen Situation des Gläubigers bei Durchführung des Schuldenbereinigungsverfahrens und bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens werden nur die Zahlungen herangezogen, die der Gläubiger bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens aus der Insolvenzmasse erhalten würde. Leistungen von Dritten, wie hier z.B. der Bundesanstalt für Arbeit, die nicht in die Insolvenzmasse fallen, bleiben unberücksichtigt (LG Göttingen Nds. Rpfl. 2001, 231). Eine wirtschaftliche Schlechterstellung der Gläubigerin Nr. 3 bei Durchführung des Schuldenbereinigungsplans liegt deshalb nicht vor.

7

Die Zustimmung ist auch nicht deshalb zu versagen, weil eine Teilforderung der Gläubigerin Nr. 3 aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung des Schuldners resultiert und deshalb nach § 302 InsO von der Restschuldbefreiung ausgenommen wäre. Trotz Hinweises der Kammer hat die Gläubigerin Nr. 3 nach wie vor nicht mit der hinreichenden Substanz dargelegt, dass der Schuldner durch die Nichtzahlung der Arbeitnehmeranteile den Tatbestand des § 266 a StGB erfüllt hat. Die Gläubigerin Nr. 3 hat mit Schriftsatz vom 03.07.2000 eine eidesstattliche Versicherung zu den Akten gereicht, wonach der Schuldner für die bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer, die bei der Gläubigerin Nr. 3 sozialversicherungspflichtig gemeldet waren, im Mai 1998 die Arbeitnehmeranteile nicht vollständig und in den Monaten Juni bis September 1998 überhaupt nicht mehr abgeführt hat. Allein die Darstellung der Höhe der nicht abgeführten Arbeitnehmeranteile reicht indes nicht aus, denn insoweit fehlen jegliche Darlegungen zum subjektiven Tatbestand. Der Gläubiger, der geltend macht, die Zustimmungsersetzung sei zu versagen, weil die gegen den Schuldner bestehende Forderung aus unerlaubter Handlung resultiere, muss diese schlüssig darlegen und glaubhaft machen (OLG Celle NZI 2001, 369). Dazu gehört jedoch auch Vorbringen zum Vorsatz des Schuldners, was hier jedoch seitens der Gläubigerin Nr. 3 nicht erfolgt ist.

8

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

9

Den Beschwerdewert hat die Kammer nach § 3 ZPO festgesetzt und ist dabei vom Interesse der Gläubigerin Nr. 3 an der Versagung der Zustimmungsersetzung ausgegangen.

Streitwertbeschluss:

Beschwerdewert: 3.096,16 DM.

Pape
Merrem
Dr. Guise-Rübe