Landgericht Göttingen
Beschl. v. 18.04.2001, Az.: 6 S 389/00
Anspruch des Werkunternehmers auf anteilige Entrichtung der Werkvergütung nach erfolgter Aufhebung des Werkvertrages wegen Nichtleistung der Sicherheit; Versagung der Prozesskostenhilfe (PKH) mangels Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverteidigung; Unzulässigkeit der Aufrechnung gegenüber einem Werklohnanspruch mangels eines durch den Werkunternehmer entstandenen Schadens; Zulässigkeit der Forderung einer Sicherheit seitens des Werkunternehmers auch noch nach Abnahme des Werkes
Bibliographie
- Gericht
- LG Göttingen
- Datum
- 18.04.2001
- Aktenzeichen
- 6 S 389/00
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2001, 31116
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGGOETT:2001:0418.6S389.00.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Göttingen - AZ: 24 C 118/00
Rechtsgrundlagen
- § 114 ZPO
- § 635 BGB
- § 643 BGB
- § 645 BGB
- § 648 BGB
- § 648a BGB
Fundstellen
- BauR 2001, 1114-1115 (Volltext mit amtl. LS)
- IBR 2002, 253
In dem Rechtsstreit ...
hat die 6. Zivilkammer des Landgerichts Göttingen
durch
die Vizepräsidentin des Landgerichts ...
sowie
die Richterinnen ...
am 18. April 2001
beschlossen:
Tenor:
Der Antrag des Beklagten auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung der Berufung wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Der Antrag des Beklagten auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung der Berufung hat bereits deshalb keinen Erfolg, weil für die beabsichtigte Rechtsverteidigung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht (§ 114 ZPO). Es kann deshalb dahinstehen, ob nach den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Beklagten diesem überhaupt Prozesskostenhilfe bewilligt werden könnte.
Die von dem Beklagten in Aussicht genommene Berufung ist aus folgenden Gründen nicht erfolgversprechend:
Der Klägerin steht der geltend gemachte Werklohnanspruch gemäß §§ 648 a, 643, 645 BGB zu, nachdem der Vertrag wegen Nichtleistung der von der Klägerin angeforderten Sicherheit (§ 648 a BGB) und Kündigungserklärung nach § 643 BGB als aufgehoben anzusehen ist (§ 643 Satz 2 BGB). In einem solchen Fall steht dem Unternehmer der der geleisteten Arbeit entsprechende Teil der Vergütung zu. Da die Klägerin die vereinbarte Werkleistung vollständig erbracht hat - wenn auch nicht zur Zufriedenheit des Beklagten -, kann sie die vereinbarte Vergütung insgesamt verlangen.
Der Beklagte rechnet vergeblich mit dem von ihm geltend gemachten Schadensersatzanspruch wegen der von ihm behaupteten Mängel nach § 635 BGB auf. Diese Forderung ist weder unstreitig noch rechtskräftig festgestellt. Grundsätzlich würde das bedeuten, dass über diese bestrittene Forderung des Beklagten im vorliegenden Rechtsstreit Beweis zu erheben wäre, so dass dem Beklagten Prozesskostenhilfe zustände. Das gilt hier indessen nicht, weil der Beklagte die von der Klägerin angeforderte Sicherheit nach § 648 a BGB nicht erbracht hat.
Es entspricht inzwischen herrschender Meinung, dass die Sicherheit auch noch nach Abnahme des Werks vom Unternehmer verlangt werden kann. Demzufolge schadet es nicht, dass die Klägerin erst nach Fertigstellung des Werks, aber noch vor der Abnahme, die von dem Beklagten verweigert worden ist, die Sicherheit verlangt hat.
Leistet der Besteller die geforderte Sicherheit nicht, hat der Unternehmer keinen durchsetzbaren Anspruch auf dieselbe, sondern ihm steht lediglich ein Leistungsverweigerungsrecht hinsichtlich der von ihm zu erbringenden Vorleistungen zu mit der Folge, dass er sich von dem Vertrag in der Folge vollständig lösen kann. Wenn aber der Unternehmer seine Vorleistung bereits nahezu vollständig oder - wie hier - bereits insgesamt erbracht hat, hat das Leistungsverweigerungsrecht in einem solchen Fall nur noch zur Folge, dass der Unternehmer auch berechtigt ist, die Erfüllung geltend gemachter von ihm bestrittenen Mängelbeseitigungsansprüche zu verweigern. Die Sicherheitsleistung hat den Zweck, dass der Besteller eines Werks nicht unberechtigt zum Schaden des Unternehmers über einen längeren Zeitraum hinweg Zahlung verweigert, um Zeit zu gewinnen, und um - falls die Zahlung zunächst zu Recht zurückbehalten wird, z.B. um Mängelrügen zu klären - dem Unternehmer eine Sicherheit zu geben, falls der Besteller illiquide wird. Besonders wichtig ist für den Unternehmer die Sicherheitsleistung insbesondere mit Rücksicht darauf, dass er vorleistungspflichtig ist.
Um überhaupt den Sinn und Zweck des § 648 a BGB zu verwirklichen, kann es nicht angehen, in einem solchen Fall wie vorliegend dem Leistungsverweigerungsrecht des Bestellers, der die Zahlung des Werklohnes bis zur Beseitigung der Mängel grundsätzlich verweigern kann, den Vorrang zu geben. So hat auch das Amtsgericht entschieden. Es kann dahinstehen, ob dem Beklagten solche Mängelbeseitigungsansprüche überhaupt noch zustehen können, nachdem der Vertrag als aufgehoben gilt. Geltend gemacht werden jetzt Schadensersatzansprüche nach § 635 BGB, die auch nach Aufhebung des Werkvertrages verlangt werden können. Würde man es aber zulassen, dass der Beklagte die Aufrechnung auch im vorliegenden Rechtsstreit erklären kann mit der Folge einer langwierigen Beweiserhebung, würde § 648 a BGB seinem Sinn und Zweck nach ausgehebelt. Der Besteller eines Werkes, der den Unternehmer ohne Zahlung einer Sicherheit seine Vorausleistung erbringen lässt, würde besser dastehen, als der Besteller, der dem Verlangen nach Sicherheit nachgibt. Das erscheint nicht gerechtfertigt (im Ergebnis ebenso: Landgericht Bonn NJW RR 98, 530; LG Erfurt, NJW 1999, 3786; in der Konsequenz wohl ebenso auch Palandt-Sprau, BGB, 60. Auflage, § 648 a Randnr. 16 und 9, der dem Unternehmer bzgl. der Mängelbeseitigung eine Leistungsverweigerungsrecht zuspricht; das kann aber letztlich nur bedeuten, dass streitige Schadensersatzansprüche wegen Mängeln gegenüber dem Werklohnanspruch nicht erfolgreich durchgesetzt werden können; Werner-Pastor, Der Bauprozess, 9. Auflage Randnr. 329 bezogen auf die Frage, ob trotz behaupteter Mängel Sicherheit in voller Höhe verlangt werden kann; andere Ansicht wohl Ingenstau/Korbion VOB-Kommentar, 14. Auflage Anh. 2 BGB Rdn. 157, 158).
Da die Gegenforderung des Beklagten zwischen den Parteien streitig ist, ginge der Werklohnanspruch der Klägerin im vorliegenden Rechtsstreit nach Auffassung der Kammer in voller Höhe durch, so dass das Prozesskostenhilfegesuch des Beklagten keine Erfolgsaussicht hat.
Damit kann auch dahingestellt bleiben, ob der Beklagte die Mängel, die zur Aufrechnung wegen Schadensersatzes geführt haben, hinreichend substantiiert dargelegt hat. Zweifel ergeben sich daraus, dass die Klägerin - bezogen auf die Fassade - Restarbeiten nur an der "Fassade UG vorn" hat vornehmen sollen. Wie sie dann für Mängelbeseitigung an 31 laufenden Meter Gesims bei dem aus den vorgelegten Lichtbildern ersichtlichen und im übrigen den Kammermitgliedern auch bekannten Haus soll verantwortlich sein können, und warum sie die Kosten für ein Gerüst bei Nachbesserungsarbeiten am Untergeschoss übernehmen soll, ist nicht nachzuvollziehen. Auch hat der Sachverständige ... in seinem Gutachten vom 27.01.2000, das der Beklagte vorgelegt hat, für die gesamte Fassade Nachbesserungskosten von ca. 10.000,00 DM angesetzt. Dabei hat der Sachverständige darauf hingewiesen, dass Sanierungsarbeiten insbesondere an der rückwärtigen Seite vorzunehmen seien. Daraus wird deutlich, dass angesichts der Gesamthöhe des Hauses auf etwaige Mängel im UG an der vorderen Fassade nicht 6.530,00 DM, wie vom Beklagten behauptet, entfallen können. Nicht nachzuvollziehen ist auch, warum die Klägerin die Neuanstrichkosten der Gesamtfläche zur Vermeidung von Farbunterschieden übernehmen soll. Da die Klägerin auch nach dem ursprünglichen Auftrag im Bereich des Untergeschosses nur noch Restarbeiten durchführen sollte, waren solche Farbunterschiede von vornherein nicht zu vermeiden. Warum der Beklagte bei Beseitigung etwaiger Mängel im Bereich des Untergeschosses einen einheitlich neuen Farbanstrich erhalten und damit insgesamt besser gestellt werden soll als beim ursprünglichen Auftrag, ist nicht zu verstehen.
Damit bleibt insgesamt unklar, welcher Betrag auf die Ausbesserungsarbeiten überhaupt entfällt und ob dieser die Berufungssumme von mehr als 1.500,00 DM überhaupt erreicht. Letztlich kommt es aber aus den Gründen der Ausführungen zu § 648 a BGB hierauf nicht an.
Gerichtskosten fallen nicht an; eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten findet nach § 119 Abs. 1 Satz 4 ZPO nicht statt.