Landgericht Göttingen
Beschl. v. 20.03.2001, Az.: 10 T 5/01

Antrag auf Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens und Restschuldbefreiung; Voraussetzungen für die gerichtliche Ersetzung der Gläubigerzustimmung; Versagung der Restschuldbefreiung wegen falscher Angaben des Schuldners gegenüber den Gläubigern; Versagung der Gläubigerzustimmung wegen einer Benachteiligung des Gläubigers durch den Insolvenzplan; Bestimmung der Zahlungsunfähigkeit als Voraussetzung für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens

Bibliographie

Gericht
LG Göttingen
Datum
20.03.2001
Aktenzeichen
10 T 5/01
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2001, 29127
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGGOETT:2001:0320.10T5.01.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Göttingen - 04.12.2000 - AZ: 74 IK 82/99

Fundstellen

  • NZI 2001, 327-328
  • NZI 2001, 38
  • ZInsO 2001, 379-380 (Volltext mit red. LS)

In dem Verbraucherinsolvenzverfahren
hat die 10. Zivilkammer des Landgerichts Göttingen
durch
die Vorsitzende Richtern am Landgericht Pape sowie
die Richterinnen am Landgericht Franz und Merrem
auf die sofortige Beschwerde der Gläubigerin Nr. 1 vom 21.12.2000
gegen den Beschluss des Amtsgerichts Göttingen vom 4.12.2000 -74 IK 82/99-
am 20. März 2001
beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin Nr. 1 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen. Beschwerdewert: bis zu 20.0000,-- DM.

Gründe

1

Der Schuldner hat am 3.9.1999 den Antrag auf Eröffnungen des Verbraucherinsolvenzverfahrens gestellt, Restschuldbefreiung beantragt sowie den Antrag gestellt, die fehlende Zustimmung einzelner Gläubiger zu ersetzen.

2

Der Schuldner hat 22 Gläubiger mit einer Gesamtforderung in Höhe von 70.835,52 DM. Der vom Schuldner vorgelegte Schuldenbereinigungsplan sieht eine quotenmäßige teilweise Befriedigung der Gläubiger bei einer Laufzeit des Plans von 5 Jahren vor. Hierzu hat der Schuldner vorgetragen, er sei schon vor dem 1.1.1997 zahlungsunfähig gewesen, wie sich daraus ergebe, dass Pfändungen im Jahre 1983 erfolglos verlaufen seien und er, der Schuldner, im Jahre 1986 seine Vermögenslosigkeit an Eides statt versichert habe. Dem Schuldenbereinigungsplan haben die Gläubiger Nr. 1, 3, 14, 20 und 22 widersprochen. Die Gläubigerin Nr. 1 hat ihren Widerspruch damit begründet, dass die Zahlungsunfähigkeit beim Schuldner erst nach dem 1.1.1997 eingetreten sei. Sie, die Gläubigerin Nr. 1 habe dem Schuldner am 1.10.1998 ein Darlehen bewilligt und ausgezahlt. Der Schuldner habe die Darlehensraten zunächst gezahlt. Erst im Jahre 1999 seien keine Ratenzahlungen mehr eingegangen, so dass sie das Darlehen gekündigt habe. Der auf eine Laufzeit von 60 Monaten angelegte Schuldenbereinigungsplan sei deshalb für sie, die Gläubigerin Nr. 1, nachteilig.

3

Mit Beschluss vom 4.12.2000 hat das Insolvenzgericht die Zustimmung der widersprechenden Gläubiger ersetzt. Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, aus dem Vorbringen des Schuldners und den von ihm vorgelegten Unterlagen ergebe sich, dass er bereits vor dem 1.1.1997 zahlungsunfähig gewesen sei. Mithin handele es sich um einen sog. Altfall. Die Laufzeit der Abtretung nach § 287 Abs. 2 S. 1 InsO betrage deshalb nicht sieben, sondern nur fünf Jahre. Der Schuldner habe gegenüber der Gläubigerin Nr. 1 auch keine unrichtigen Angaben gemacht, die zur Versagung der Restschuldbefreiung führen könnten. Die Vertragsunterlagen über die Gewährung des Darlehens enthielten keine Fragen nach den Vermögensverhältnissen des Schuldners, so dass der Schuldner auch schriftlich keine falschen oder unvollständigen Angaben gemacht habe.

4

Gegen diesen Beschluss wendet sich die Gläubigerin Nr. 1 mit der sofortigen Beschwerde. Sie meint, die Pfändungsprotokolle aus dem Jahre 1983 und die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung im Jahre 1986 seien nicht geeignet, die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners für den Zeitraum vordem 1.1.1997 zu belegen. Im Übrigen habe der Schuldner durch seine Bestätigung im Darlehensvertrag, die fälligen Raten zu zahlen, erklärt, dass er in geordneten finanziellen Verhältnissen lebe.

5

Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 309 Abs. 2 S. 2 InsO zulässig, sie ist jedoch nicht begründet. Das Amtsgericht hat die fehlende Zustimmung der Gläubigerin Nr. 1 zum Schuldenbereinigungsplan zu Recht ersetzt. Die Voraussetzungen für eine Zustimmungsersetzung gemäß § 309 Abs. 1 InsO liegen vor, denn es haben mehr als die Hälfte der Gläubiger, deren Ansprüche mehr als die Hälfte der Summe aller Ansprüche beträgt, dem Schuldenbereinigungsplan zugestimmt.

6

Die Gläubigerin Nr. 1 wird durch den Schuldenbereinigungsplan voraussichtlich wirtschaftlich auch nicht schlechter gestellt, als sie bei Durchführung des Insolvenzverfahrens stünde. Der Schuldner hat hier den Nachweis geführt, dass er schon vor dem 1.1.1997 zahlungsunfähig war. Dies ergibt sich zwar noch nicht aus den von ihm vorgelegten Pfändungsprotokollen über fruchtlose Pfändungen aus dem Jahr 1983 sowie der Ladung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung aus dem Jahr 1986. Zwischen der Aufforderung zur Abgabe der Versicherung der Vermögenslosigkeit ein Eides statt und dem im Gesetz genannten Stichtag, dem 1.1.1997 liegen 11 Jahre. Dies reicht nicht aus, um von einer Zahlungsunfähigkeit am 1.1.1997 auszugehen. Nach dem Sinn des Gesetzes kann die in Art. 107 EGInsO genannte Frist von fünf Jahren nicht für einen Schuldner gelten, der zwar in den Jahren 1983 bis 1986 zahlungsunfähig war, danach aber seine Finanzen saniert hat und dann erst wieder im Jahre 1999 zahlungsunfähig geworden ist (vgl. Kohte/Ahrens/Grote, Restschuldbefreiung und Verbraucherinsolvenzverfahren, Seite 371). Hier hat indes der Schuldner im Beschwerdeverfahren hinreichend dargelegt, dass er auch zeitnah zum 1.1.1997 zahlungsunfähig war. Nach dem Vorbringen des Schuldners zahlte er in der Zeit von November 1983 bis Oktober 1998 in der Regel an die Gläubiger Nr. 3 und Nr. 19 jeweils monatliche Raten in Höhe von 20,-DM. An die Gläubigerin Nr. 18 zahlte er in diesem Zeitraum monatliche Beträge von 50,- DM. Hierdurch erreichte der Schuldner, dass diese Gläubiger von Pfändungsmaßnahmen absahen. Als die Gläubigerin Nr. 14 im Oktober 1995 Pfändungsmaßnahmen wegen einer Forderung in Höhe von 2.748,- DM einleitete, vereinbarte der Schuldner auch mit dieser Gläubigerin eine monatliche Ratenzahlung, um die Pfändung abzuwenden. Auch mit der Gläubigerin Nr. 17 traf der Schuldner eine Ratenzahlungsvereinbarung, nachdem diese Gläubigerin ebenfalls im Oktober 1995 eine Vollstreckung angekündigt hatte. Die genannten Gläubiger sind noch am vorliegenden Verfahren beteiligt, durch die Ratenzahlungen sind ihre Forderungen nicht vollständig ausgeglichen. In den Jahren 1995 und 1996 war der Schuldner arbeitslos und bezog Arbeitslosengeld bzw. Unterhaltsgeld während einer Umschulungsmaßnahme. Ende des Jahres 1996 erhielt er wöchentlich Arbeitslosengeld in Höhe von 300,- DM. Nach diesen Darlegungen des Schuldners ist von seiner Zahlungsunfähigkeit am 1.1.1997 auszugehen. Aus dem Schuldenbereinigungsplan ergibt sich, dass von den 22 Gläubigern jedenfalls 15 Gläubiger Forderungen haben, die aus der Zeit vor dem 1.1.1997 stammen. Der Schuldner hat also bis zu diesem Zeitpunkt Forderungen nicht erfüllt, die teilweise älter als 10 Jahre waren. Auch der Umstand, dass der Schuldner einigen Gläubigern Raten gezahlt hat, spricht nicht für die Wiederherstellung seiner Zahlungsfähigkeit. Die Zahlung der Raten diente nur dazu, die Gläubiger von Vollstreckungsmaßnahmen abzuhalten. Die Zahlungsfähigkeit des Schuldners folgt daraus nicht (Vallender, ZIP 1996, 2061). Nach § 17 Abs. 2 InsO ist zahlungsunfähig, wer nicht mehr in der Lage ist, seine fälligen Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen. Die Nichtbegleichung fälliger Rechnungen stellt hierfür ein deutliches Indiz dar. Durch die Ratenzahlungsvereinbarung wird die Zahlungsunfähigkeit erst beseitigt, wenn sämtliche Raten gezahlt und die Forderung des Gläubigers endgültig erfüllt ist (Kohte/Ahrens/Grote, a.a.O., Seite 370). Dies war hier jedoch nicht der Fall. Sämtliche Gläubiger, denen der Schuldner Raten gezahlt hat, sind noch am Schuldenbereinigungsplanverfahren beteiligt. Durch die Ratenzahlungen sind ihre Forderungen nicht vollständig erfüllt worden. Die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners ist also durch die Ratenzahlungen nicht beseitigt worden. Mithin war der Schuldner vor dem 1.1.1997 zahlungsunfähig, so dass für ihn die Laufzeit der Abtretung von 7 auf 5 Jahre verkürzt ist.

7

Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin scheitert die Zustimmungsersetzung auch nicht daran, dass dem Schuldner die Restschuldbefreiung gemäß § 290 InsO zu versagen wäre. Zwar kommt in den Fällen, in denen ein Restschuldversagungsgrund nach § 290 InsO vorliegt auch die Zustimmungsersetzung nach § 309 InsO nicht in Betracht (Kübler/Prütting/Wenzel, Kommentar zur InsO, § 309 Rn. 6; Kirchhof, ZlnsO 1998, 54, 59). Hier liegt jedoch ein zur Versagung der Restschuldbefreiung führender Tatbestand im Sinne des § 290 InsO nicht vor. Insbesondere sind die Voraussetzungen des § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO nicht gegeben, wie das Amtsgericht bereits zutreffend ausgeführt hat. Nach dieser Vorschrift ist die Restschuldbefreiung zu versagen, wenn der Schuldner in den letzten drei Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorsätzlich oder grob fahrlässig schriftlich unrichtige oder unvollständige Angaben über seine wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht hat, um einen Kredit zu erhalten. In dem Kreditvertrag vom 1.10.1998 hat der Schuldner zwar bestätigt, dass er die vereinbarten monatlichen Raten planmäßig zurückzahlen werde. Sonstige schriftliche Angaben zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen befinden sich in dem Vertrag nicht. Die Bestätigung, die vereinbarten Raten zurückzuzahlen, steht einer Erklärung im Sinne des § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO nicht gleich, denn der Schuldner hat insoweit keine konkreten Angaben über seine wirtschaftlichen Verhältnisse, z.B. seinem Einkommen oder seinen sonstigen Verbindlichkeiten gemacht. Derartige Erklärungen, etwa in Form einer Selbstauskunft, hat die Gläubigerin hier auch nicht verlangt.

8

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. [...].

Streitwertbeschluss:

Beschwerdewert: bis zu 20.0000,-- DM.

Den Beschwerdewert hat die Kammer gemäß § 3 ZPO festgesetzt und ist dabei vom Interesse der Gläubigerin Nr. 1 an der Nichtdurchführung des Schuldenbereinigungsplans ausgegangen.

Pape
Franz
Merrem