Landgericht Göttingen
Beschl. v. 25.06.2001, Az.: 10 T 41/01
Berechnungsgrundlage für die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters; Liquidationswert für das Anlagevermögen und Umlaufvermögen
Bibliographie
- Gericht
- LG Göttingen
- Datum
- 25.06.2001
- Aktenzeichen
- 10 T 41/01
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2001, 29075
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGGOETT:2001:0625.10T41.01.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Göttingen - AZ: 74 IN 23/00
Rechtsgrundlagen
- § 21 Abs. 2 Ziff. 2 InsO
- § 3 Abs. 1 InsVV
- § 11 Abs. 1 InsVV
Fundstellen
- InVo 2002, 328-330
- NZI 2002, 115-116
- NZI 2002, 21
- ZInsO 2001, 794-795 (Volltext mit red. LS)
In dem Insolvenzverfahren
hat die 10. Zivilkammer des Landgerichts Göttingen
durch
die Vorsitzende Richterin am Landgericht Pape sowie
die Richterinnen am Landgericht Franz und Merrem
auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 12/17.04.2001
gegen den Beschluss des Amtsgerichts Göttingen vom 23.03.2001 - 71 IN 23/00 -
am 25.06.2001
beschlossen:
Tenor:
Unter Zurückweisung der weiter gehenden sofortigen Beschwerde wird der angefochtene Beschluss teilweise geändert:
Die Vergütung des Rechtsanwalts Dr. Horst Pilgrim, Brüder-Grimm-Allee 68, 37075 Göttingen für seine Tätigkeit als vorläufiger Insolvenzverwalter wird festgesetzt auf 12.498,08 DM (incl. Mwst).
Der weiter gehende Antrag wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsteller 87 %, im Übrigen werden Kosten nicht erhoben.
Beschwerdewert: 3.743,65 DM.
Gründe
Nachdem die Schuldnerin am 17.12.1999 den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen gestellt hat, hat das Amtsgericht den Antragsteller mit Beschluss vom 08.02.2000 zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. In dem Beschluss hat das Amtsgericht angeordnet, dass Verfügungen der Schuldnerin nur mit Zustimmung des vorläufigen Verwalters wirksam sind, § 21 Abs. 2 Ziff. 2 InsO. Mit Beschluss vom 02.05.2000 hat das Amtsgericht das Insolvenzverfahren eröffnet und den vorläufigen Insolvenzverwalter zum Insolvenzverwalter bestellt. Dieser hat mit Schriftsatz vom 18.07.2000 den Antrag gestellt, ihm für seine Tätigkeit als vorläufiger Insolvenzverwalter eine Vergütung in Höhe von insgesamt 12.022,11 DM festzusetzen. Dabei ist der Antragsteller von einer voraussichtlich geschätzten Insolvenzmasse in Höhe von 227.936,78 DM ausgegangen. Nachdem das Amtsgericht den Antragsteller darauf hingewiesen hatte, dass der angegebene Betrag von 227,936,78 DM nicht nachvollziehbar sei, hat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 04.09.2000 die Berechnungsgrundlage für den Vergütungsantrag erläutert und ist nunmehr zu einer Berechnungsgrundlage in Höhe von 267.205,55 DM gelangt. Nach einem weiteren Hinweis seitens des Amtsgerichts hat der Antragsteller die Berechnungsgrundlage mit Schriftsatz vom 26.09.2000 abermals korrigiert und hat, ausgehend von einer Vermögensmasse von 216.036,78 DM, die Festsetzung einer Vergütung in Höhe von 17.670,81 DM beantragt.
Mit Beschluss vom 23.03.2001 hat das Amtsgericht die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters auf 11.998,17 DM festgesetzt und den weiter gehenden Antrag zurückgewiesen. Ferner hat das Amtsgericht die Entnahme des Betrags aus der Insolvenzmasse erst gestattet, sobald der Antragsteller den zurückgehaltenen Betrag von 11.000 DM an den Steuerberater P. K. als vorläufigen Insolvenzverwalter über das Vermögen der G. B. GbR (74 IN 57/00 Amtsgericht Göttingen) auskehrt.
Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt als Berechnungsgrundlage für die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters sei ein Betrag von 128.260 DM zugrunde zu legen. Hierbei handele es sich um den Liquidationswert für das Anlage- und Umlaufvermögen, wie es die Firma Proventura in dem Wertgutachten ermittelt habe. Soweit der Antragsteller die Büroeinrichtung nicht mit dem Liquidationswert von 18.225 DM sondern mit dem Fortführungswert von 81.575 DM berücksichtige, sei dies unbegründet, denn nur bei Fortführung des Unternehmens im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung könne der Fortführungswert zugrunde gelegt werden. Auch sei der durch den Verkauf von Inventar erzielte Erlös von 24.426,78 DM dem Wert der Insolvenzmasse nicht hinzuzufügen. Insoweit habe der Antragsteller nicht substantiiert ausgeführt, welche Gegenstände verkauft worden seien. Der Antragsteller habe dies jedoch im Einzelnen darlegen müssen, weil ansonsten die Gefahr einer unzulässigen Doppelberechnung bestehe.
Dem Antragsteller sei hier eine Vergütung in Höhe von 30 % der einem Insolvenzverwalter zustehenden Vergütung zuzusprechen. Grundsätzlich betrage die Vergütung für die Tätigkeit des "schwachen" vorläufigen Insolvenzverwalters 25 % der dem Insolvenzverwalter zustehenden Vergütung. Hier sei gem. § 3 Abs. 1 InsW ein Zuschlag von 5 % zu gewähren im Hinblick auf die hohe Anzahl der Gläubiger. Eine weitere Erhöhung komme nicht in Betracht. Soweit sich der Antragsteller darauf berufe, dass mit einem querulatorischen Gläubiger zwei umfangreiche Anfechtungsprozesse geführt würden, betreffe dies erst die Tätigkeit nach Verfahrenseröffnung und sei deshalb für die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters nicht zu berücksichtigen.
Eine Erhöhung komme auch nicht für die Bearbeitung von Aus- und Absonderungsrechten in ganz erheblichem Umfang in Betracht. Der Antragsteller habe in seinem Vergütungsantrag nicht dargelegt, dass und inwieweit er durch die Bearbeitung von Absonderungsrechten zusätzlich belastet worden sei. Dies sei jedoch für die Gewährung eines Zuschlags erforderlich.
Das Amtsgericht hat weiter ausgeführt, die Entnahme der Vergütung aus der Insolvenzmasse sei nur zulässig, wenn der Antragsteller einen zurückbehaltenen Betrag von 11.000 DM aus dem Insolvenzverfahren der Fa G.B. GbR auskehre. Nach den Grundsätzen des § 242 BGB könne der Antragsteller ein Zu-rückbehaltungsrecht an diesem Betrag nicht geltend machen.
Gegen diesen Beschluss wendet sich der Antragsteller mit der sofortigen Beschwerde. Er beantragt nunmehr die Festsetzung einer Vergütung in Höhe von 15.741,82 DM. Er meint, das Amtsgericht habe für die Berechnung der Vergütung neben dem Liquidationswert von 128.260 DM auch den Betrag aus dem Verkauf von Inventargegenständen in Höhe von 24.426,78 DM berücksichtigen müssen. Insoweit habe das Amtsgericht die überreichte detaillierte Aufstellung über die verkauften Gegenstände nicht beachtet.
Das Amtsgericht habe auch einen Zuschlag für die Bearbeitung von Aus- und Absonderungsrechten gewähren müssen. Für sämtliche von der Fa. Proventura verkauften und versteigerten Vermögensgegenstände des Anlage- und Umlaufvermögens seien Absonderungsrechte geltend gemacht worden. Hierzu habe der Antragsteller bereits in dem Insolvenzgutachten vom 20.04.2000 Ausführungen gemacht. Vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens habe der Antragsteller deshalb umfangreiche Ermittlungen über die geltend gemachten Absonderungsrechte anstellen müssen. Da eine Einigung über die Absonderungsrechte nicht erzielt worden sei, sei schließlich am 09.06.2000 vor dem Landgericht Göttingen eine Anfechtungsklage erhoben worden. Wegen der Bearbeitung der Aus- und Absonderungsrechte sei deshalb eine Erhöhung der Grundvergütung um 0,25 berechtigt. Zuzüglich der weiteren Erhöhung der Grundvergütung um 0,25 wegen der erhöhten Gläubigerzahl betrage damit die Vergütung 13.570,53 DM. Zuzüglich der Umsatzsteuer ergebe sich die zu zahlende Gesamtvergütung von 15.741,82 DM.
Das Amtsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und ausgeführt es sei nach wie vor nicht hinreichend dargelegt, wie der Antragsteller den Verkaufserlös von 24.426,78 DM errechnet habe. Auch lasse sich aus dem Gutachten des vorläufigen Insolvenzverwalters vom 20.04.2000 nicht entnehmen, dass er Absonderungsrechte in erheblichem Umfang zusätzlich bearbeitet habe.
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers ist gem. § 64 Abs. 3 InsO zulässig. Dies folgt aus § 21 Abs. 2 Nr. 1 InsO, wonach die §§ 63 bis 65 InsO für den vorläufiger) Insolvenzverwalter entsprechend gelten.
Sie ist jedoch nur teilweise begründet. Der Antragsteller hat einen Anspruch auf Vergütung für seine Tätigkeit als vorläufiger Insolvenzverwalter in Höhe von insgesamt 12.498,08 DM. Der darüber hinausgehende Anspruch ist nicht begründet. Der Anspruch des Antragstellers folgt aus § 11 Abs. 1 InsW. Danach soll die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters in der Regel einen angemessenen Bruchteil der Vergütung des Insolvenzverwalters nicht überschreiten, wobei Art, Dauer und Umfang der Tätigkeit des vorläufigen Insolvenzverwalters bei der Festsetzung der Vergütung zu berücksichtigen sind. Berechnungsgrundlage für die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters ist der Wert des von ihm verwalteten Vermögens bei Beendigung der vorläufigen Verwaltung (BGH NZI 2001, 191; = ZIP 2001, 296).
Das Amtsgericht ist insoweit zutreffend von einem Betrag in Höhe von 128.260 DM als Berechnungsgrundlage ausgegangen, denn dieser Wert ergibt sich aus dem Gutachten der Fa. Proventura über den Liquidationswert des Anlage- und Umlaufvermögens. Soweit das Amtsgericht eine Erhöhung um den Fortführungswert der Büroausstattung abgelehnt hat, ist dies zum einen zutreffend, zu anderen macht der Antragsteller mit der Beschwerde diese Erhöhung nicht mehr geltend.
Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist eine Erhöhung der Berechnungsgrundlage um 24.426,78 DM wegen des Verkaufs von Inventargegenständen nicht vorzunehmen. Das Amtsgericht hat auch insoweit zutreffend entschieden. Eine solche Erhöhung wäre nur dann in Betracht gekommen, wenn der Antragsteller im Einzelnen dargelegt hätte, dass es sich bei den von ihm veräußerten Gegenständen, die den Erlös von 24.426,78 DM erbracht haben, nicht um Gegenstände handelte, die bereits in der Wertberechnung der Proventura GmbH enthalten sind. Andernfalls fände - worauf das Amtsgericht zutreffend hingewiesen hat - eine Doppelberechnung statt. Aus dem Vorbringen des Antragstellers lässt sich indes nicht entnehmen, dass die veräußerten Gegenstände nicht bereits von dem Wertgutachten der Fa. Proventura GmbH umfasst sind. Im Gegenteil folgt aus einem Vergleich dieses Gutachtens mit der vom Antragsteller überreichten Liste über die verkauften Gegenstände, dass es sich dabei um solche handelt, die die Fa. Proventura bei der Wertermittlung erfasst hat. Dadurch dass diese Gegenstände im Rahmen der vorläufigen Insolvenzverwaltung veräußert worden sind, erhöhte sich jedoch nicht der Wert der verwalteten Vermögensmasse. Mithin ist für die Vergütung des Antragstellers von einem verwalteten Vermögen in Höhe von 126.260 DM auszugehen.
Der vorläufige Insolvenzverwalter erhält im Normalfall 25 % der Vergütung des Insolvenzverwalters (OLG Braunschweig NZI 2000, 321). Gründe, die zu einer Erhöhung dieser Grundvergütung führen könnten (vgl. hierzu Beschluss der Kammer vom 09.11.1999 -10 T 45/99 -) sind weder vom Antragsteller geltend gemacht noch aus dem zugrunde liegenden Sachverhalt erkennbar.
Allerdings wäre hier die Vergütung des Insolvenzverwalters durch einen Zuschlag nach § 3 InsW zu erhöhen gewesen. Die große Anzahl der Gläubiger rechtfertigt hier eine Erhöhung des Regelsatzes des Verwalters um 0,25 (vgl. Haarmeyer/Wutzke/Förster, Vergütung in Insolvenzverfahren, 2. Aufl., § 11 InsW Rdnr. 48 bis 50; LG Göttingen vom 09.11.1999 -10 T 45/99 -).
Daraus ergibt sich hier folgende Berechnung:
Die Normalvergütung des Insolvenzverwalters beträgt bei der o. g. verwalteten Vermögensmasse 34.477,50 DM. Die Erhöhung wegen der überhöhten Anzahl von Gläubigern von 25 % beträgt 8.619,37 DM, sodass der Insolvenzverwalter 43.096,87 DM erhielte. Hiervon steht dem Antragsteller eine Vergütung von 25 %, mithin 10.774,21 DM zu. Zuzüglich der Umsatzsteuer in Höhe von 1.723,87 DM beträgt der Anspruch des Antragstellers 12.498,08 DM.
Eine darüber hinausgehende Erhöhung durch Zuschläge gem. § 3 InsW ist demgegenüber nicht vorzunehmen. Ein Erhöhungstatbestand folgt insbesondere nicht daraus, dass sich der Antragsteller mit Ab- und Aussonderungsrechten beschäftigt hat. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (NZI 2001, 191 ff. = ZIP 2001, 296 ff.) sind in die Berechnungsgrundlage für die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters ungekürzt auch Gegenstände einzubeziehen, die mit Aus- oder Absonderungsrechten belastet sind, soweit der vorläufige Insolvenzverwalter in Bezug auf diese Rechte tätig geworden ist (ebenso OLG Zweibrücken ZIP 2000, 1306 ff.)- Hier hat der Rechtsanwalt Borchfeld mit Schreiben vom 04.04.2000 für die Borchard Bau GmbH in Peine-Vöhrum gegenüber dem Antragsteller eine Sicherungsübereignung der Maschinen, maschinellen Anlagen und sonstigen Vermögenswerte geltend gemacht. Dass sich der Antragsteller hiermit auseinander setzen musste, ist unzweifelhaft, denn nach dem o. g. Schreiben bezog sich die Sicherungsübereignung auf das gesamte verwaltete Vermögen. Mithin betrug - wie bereits oben ausgeführt - die Berechnungsgrundlage 128.260 DM, denn die mit Aus- oder Absonderungsrechten belasteten Gegenstände waren zu berücksichtigen. Da jedoch die mit Aus- oder Absonderungsrechten belasteten Gegenstände hier in vollen Umfang die Berechnungsgrundlage der Vergütung mit bestimmt haben, hat dies zur Folge, dass dem vorläufigen Insolvenzverwalter nicht zusätzlich ein Zuschlag i.S.d. § 3 Abs. 1 a InsW für die Bearbeitung von Aus- oder Absonderungsrechten zustehen kann (BGH NZI 2001 191 ff. = ZIP 2001, 296 ff.).
Soweit das Amtsgericht die Entnahme der Vergütung davon abhängig gemacht hatte, dass der Antragsteller zunächst den in dem Insolvenzverfahren der Gebr. B. GbR zurückbehaltenen Betrag von 11.000 DM an den jetzigen vorläufigen Insolvenzverwalter in jenem Verfahren auszahlt, hat sich einen Entscheidung insoweit erübrigt. Der Antragsteller hat durch die Vorlage von Kontoauszügen dargelegt, dass er den Betrag zwischenzeitlich an den vorläufigen Insolvenzverwalter des Verfahrens der Gebr. B. GbR ausgezahlt hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Streitwertbeschluss:
Beschwerdewert: 3.743,65 DM.
Franz
Merrem