Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 15.12.2021, Az.: 7 U 763/21

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
15.12.2021
Aktenzeichen
7 U 763/21
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2021, 71739
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Stade - 22.06.2021 - AZ: 3 O 31/21

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Stade vom 22. Juni 2021 (Az. 3 O 31/21) wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Dieser Beschluss ist ebenso wie das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Schadensersatz gegen die Beklagte im Zusammenhang mit dem Erwerb des streitgegenständlichen Fahrzeugs zu.

Der Senat bleibt bei seinen Erwägungen in seinem Hinweisbeschluss vom 10. September 2021, auf den er zwecks Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt, und denen der Kläger mit seiner Stellungnahme vom 8. Dezember 2021 nicht in erheblicher Weise entgegengetreten ist.

1. Der Kläger verkennt auch weiterhin, dass ihm als Fahrzeugerwerber die Gefahr einer Betriebsbeschränkung oder -untersagung nach § 5 Abs. 1 FZV infolge der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen dann nicht droht und es somit an einem haftungsbegründenden Grundmangel fehlt, wenn das Kraftfahrtbundesamt im Rahmen einer (ggf. nachträglich) erfolgten Überprüfung beim streitgegenständlichen betroffenen Motortyp keine unzulässigen Abschalteinrichtungen festgestellt hat und darüber hinaus auch keine anderweitigen Anhaltspunkte dafür bestehen, dass im betroffenen Fahrzeug gleichwohl unzulässige, im EG-Typengenehmigungsverfahren verschwiegene und auch bei der nachträglichen Prüfung unentdeckt gebliebene Abschalteinrichtungen vorhanden sind. Denn unter diesen Voraussetzungen liegt ein Einverständnis des KBA und damit der für die Beurteilung der Rechtsfrage, ob unzulässige Abschalteinrichtungen vorliegen, allein zuständigen Fachbehörde mit dem Vorgehen des Herstellers vor, das zur Folge hat, dass etwaig in dem Fahrzeug vorhandene Abschalteinrichtungen wegen der Billigung durch das KBA nicht als "unzulässig" anzusehen sind und infolgedessen auch nicht die Gefahr von Maßnahmen i.S.d. § 5 Abs. 1 FZV begründen können.

Da im Streitfall das KBA den streitgegenständlichen Motortyp auf unzulässige Abschalteinrichtungen nachträglich hin überprüft, solche aber nicht festgestellt hat, hätte der Kläger mithin Anhaltspunkte dafür darlegen müssen, aus denen sich die Möglichkeit ergibt, dass für sein Fahrzeug anderes gelte und das KBA unter Berücksichtigung dieser Besonderheiten Anlass zu einer inhaltlich abweichenden Auskunft und Beurteilung haben könnte (vgl. Senat, Urteil vom 7. Juli 2021 - 7 U 532/18).

Derartige belastbare Anhaltspunkte hat der Kläger jedoch im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits nicht aufgezeigt und tut dies auch im Rahmen seiner ergänzenden Stellungnahme vom 8. Dezember 2021 nicht.

Soweit der Kläger ohne nähere Erläuterung anführt, in dem Fahrzeug sei eine bislang vom KBA nicht entdeckte "Physikalische Randbedingungen-Abschalteinrichtung" installiert, erschöpft sich der klägerische Vortrag in nicht hinreichend konkreten, spekulativ anmutenden Ausführungen. Davon abgesehen, dass das KBA bei fehlenden Angaben zu Einzelheiten ohnehin nach dem Amtsermittlungsgrundsatz nach § 24 Abs. 1 Satz 1 und 2 VwVfG gehalten gewesen wäre, diese zu erfragen, um sich in die Lage zu versetzen, die Zulässigkeit vorhandener Abschalteinrichtungen zu prüfen (vgl. BGH, Urteil v. 16. September 2021 - VII ZR 190/20, juris-Rn. 26), ist allein entscheidend, dass das durch den Abgasskandal vollumfänglich "sensibilisierte" KBA auch nach erfolgter erneuter Überprüfung und umfänglicher Kenntnis der Einzelheiten der im streitgegenständlichen Fahrzeug verbauten Motorsteuerungssoftware bei seiner Beurteilung geblieben ist, unzulässige Abschalteinrichtungen seien nicht vorhanden. Dass dies der Fall ist, wird jedoch gerade durch die im Hinweisbeschluss vom 10. September 2021 in Bezug genommenen, aus vergleichbaren Rechtsstreitigkeiten stammenden amtlichen Auskünfte des KBA aus den Jahren 2020 und 2021 bestätigt.

Ebenfalls hat der Senat bereits klargestellt, dass der Umstand, dass das Fahrzeug über eine Fahrkurvenerkennung verfügt, an der Beurteilung des Fehlens eines Grundmangels nichts ändert, weil es sich hierbei um technische Maßnahmen handelt, die vom KBA - jedenfalls im Nachhinein - für zulässig erachtet wurden, und der Kläger damit aus der von ihm im Rahmen seiner Stellungnahme vom 8. Dezember 2021 erneut in Bezug genommenen "Applikationsrichtlinie & Freigabevorgaben ..." gerade nichts von Substanz für das Vorliegen unzulässiger Abschalteinrichtung herleiten kann.

Auch aus dem von dem Kläger vorgelegten Bußgeldbescheid vom 13.06.2018, welcher sich - auch ausweislich des seitens des Klägers hervorgehobenen Zitats - auf die "Nachfolgeentwicklung in den USA" bezieht, kann sich keine andere Wertung ergeben.

2. Fehlt es somit nach dem zuvor Gesagten bereits am Vorhandensein eines Grundmangels, kommt es auf die Frage einer für das Vorliegen einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung erforderlichen Täuschung des Kraftfahrbundesamtes und damit aller potentiellen Erwerber (vgl. Senatsurteile vom 13. November 2019 - 7 U 367/18 -, juris und vom 18. Dezember 2019 - 7 U 511/18 -, juris) nicht mehr an.

Im Übrigen hat der Kläger für eine solche auch unter Berücksichtigung seiner Stellungnahme vom 8. Dezember 2021 nichts von Substanz dargetan.

So ergeben sich insbesondere auch hieraus keine greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte im Typengenehmigungsverfahren erforderliche Angaben dem KBA bewusst verschleiert hätte, obwohl den Kläger insoweit die Darlegungslast für ein vorsätzliches sittenwidriges Verhalten der Beklagten trifft (vgl. BGH, Urteil v. 13. Juli 2021 - VI ZR 128/20, juris-Rn. 14). Darauf, dass die Beklagte unter diesen Voraussetzungen gerade nicht gehalten ist, sich im Rahmen einer sekundären Darlegungslast vom Vorwurf einer unzureichenden Offenlegung zu entlasten, hatte der Senat bereits hingewiesen.

3. Nach alledem verbleibt es daher dabei, dass die Berufung des Klägers keinen Erfolg hat und deswegen - auch bezüglich des Antrags auf Feststellung von Annahmeverzug und Freistellung des Klägers von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten - zurückzuweisen war.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.