Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 16.06.2022, Az.: 16 U 131/22
Erwerb eines vermeintlich vom Dieselskandal betroffenen Fiat Ducato MultiJet 150 Maxi; Begriff der Sittenwidrigkeit; Zeitbasierte Abschalteinrichtung; Großzügigere Annahme von zulässigen Abschalteinrichtungen durch italienische Behörden
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 16.06.2022
- Aktenzeichen
- 16 U 131/22
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2022, 68268
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2022:0616.16U131.22.00
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hildesheim - 04.02.2022 - AZ: 4 O 150/21
Rechtsgrundlagen
- § 826 BGB
- § 522 Abs. 2 ZPO
Amtlicher Leitsatz
Zur Haftung gemäß § 826 BGB bei Wohnmobilen im Zusammenhang mit dem sog. "Diesel-Skandal"
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Hildesheim vom 4. Februar 2022 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Dieser Beschluss ist ebenso wie das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I.
Der Kläger verfolgt - im Berufungsverfahren nur noch - gegenüber der Beklagten zu 3 Schadensersatzansprüche, weil die Motorsteuerung seines Fahrzeugs mit unzulässigen Abschalteinrichtungen ausgestattet und deshalb vom sog. "Diesel-Abgasskandal" betroffen sei.
Er erwarb am 22. Januar 2018 von der Firma H. C. in K. ein neues Wohnmobil zum Kaufpreis von 92.000,00 EUR (Anlage = Anlagen zur Klageschrift). Das Wohnmobil der Baureihe Magic Edition I 003 DBM wurde von der Firma D. hergestellt. Es besteht aus einem Basisfahrzeug der Firma Fiat Ducato (MultiJet 150 Maxi) mit einem 2,3-Liter Dieselmotor, 110 kW und der Schadstoffnorm Euro 6, das von der Herstellerin mit einem speziellen Aufbau versehen wurde. Daneben hat der Kläger Aufwendungen getätigt und Zubehör im Gesamtwert von 4.985,30 EUR angeschafft.
Für das Basisfahrzeug, einen Fiat Ducato, wurde im Rahmen eines Mehrstufengenehmigungsverfahrens von den italienischen Behörden eine Typengenehmigung für die Beklagte zu 3 erteilt. Für den Aufbau des Wohnmobilherstellers wurde in Deutschland durch das Kraftfahrt-Bundesamt (im Folgenden: KBA) die Typengenehmigung erteilt. In der für das Fahrzeug erteilten EG-Übereinstim-mungsbescheinigung ist die (vormals) Beklagte zu 2 als Herstellerin der Antriebsmaschine ausgewiesen. Die (vormals) Beklagte zu 2 stellt mechanische Komponenten für Dieselmotoren her und liefert diese als Vertragspartner an Konzerngesellschaften der FCA-Gruppe, zu der sie nicht gehört. Für das Fahrzeug gibt es bislang keinen Rückruf des Kraftfahrt-Bundesamtes (im Folgenden: KBA).
Die Beklagte zu 3 ist - wie auch die FCA G. AG - eine 100 %ige Tochtergesellschaft der (vormals) Beklagten zu 1. Diese ist eine Holdinggesellschaft und keine produzierende Gesellschaft mit Sitz in Amsterdam und folgender Genese. Im Jahr 2014 ist aus der Verschmelzung der italienischen F. S.p.A. und der US-amerikanischen Ch. Group LLC die F. Ch. N.V. (im Folgenden: FCA) entstanden. Die FCA nahm im Jahr 2021 die P. S.A. (im Folgenden: PSA) unter Auflösung derselben auf und wurde noch im selben Jahr in St. N.V. (im Folgenden Beklagte zu 3) umbenannt.
Das Landgericht hat die auf Rückabwicklung gerichtete Klage durch Urteil vom 4. Februar 2022 (Bl. 301 ff. Bd. II d.A.), auf das wegen der näheren Einzelheiten des Sachverhalts, der tatsächlichen Feststellungen und der Entscheidungsgründe im Hinblick auf die ausschließlich noch am Berufungsverfahren beteiligte Beklagte zu 3 verwiesen wird (§ 540 ZPO), abgewiesen, weil das Verhalten der Beklagten zu 3 nicht als sittenwidrig angesehen werden könne. Das Fahrzeug enthalte keine Prüfstandserkennung mit einer Umschaltlogik, durch die nur auf dem Prüfstand die Abgasreinigung eingeschaltet würde. Dies sei weder im Hinblick auf das Thermofenster noch die zeitabhängige Steuerung der Fall, weil sie auf dem Prüfstand und im normalen Straßenbetrieb in gleicher Weise arbeiten würden. Soweit ein geregeltes Kühlmittelthermostat behauptet werde, bestünden hierfür keine greifbaren Anhaltspunkte. Zwar könnten auch nicht prüfstandsbezogene Abschalteinrichtungen eine Haftung begründen, aber hier sei kein objektiv sittenwidriges Gepräge des Verhaltens der für die Beklagte zu 3 handelnden Personen festzustellen. Der Sittenwidrigkeit stehe die unsichere Rechtslage und das Verständnis der Beklagten zu 3 entgegen. Zudem sei die Konstellation nicht mit jener des BGH in der Entscheidung vom 25. Mai 2020 zu vergleichen. Es bestünden auch keine Anhaltspunkte für wissentlich unterbliebene oder unrichtige Angaben im Typgenehmigungsverfahren, die auf eine arglistige Täuschung gerichtet gewesen seien.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er sein erstinstanzliches Begehren im Hinblick auf die Beklagte zu 3 weiterverfolgt. Der Motor sei mit unzulässigen Abschalteinrichtungen versehen, zu denen er konkret und ausreichend substantiiert vorgetragen habe, so dass die Beklagte unter dem Gesichtspunkt der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung hafte.
Die italienische Typgenehmigung habe keine Legalisierungswirkung. Im Fahrzeug sei eine Prüfstandserkennung insbesondere in Form einer zeitbasierten Abschalteinrichtung implementiert, bei der die Abgasrückführung 22 Minuten nach Motorstart reduziert werde sowie die Regeneration des NSK-Speicherkatalysators nach 22 Minuten bzw. nach sechs Regenerationsvorgängen deaktiviert werde. Außerdem komme ein Thermofenster zum Einsatz. Insoweit sei davon auszugehen, dass die Typgenehmigung aufgrund einer Täuschung erschlichen worden sei. Ansonsten sei das Auseinanderfallen der Prüfergebnisse im NEFZ und im Straßenverkehr nicht zu erklären. Er habe ausreichend vorgetragen, etwa durch die Vorlage der Kommunikation zwischen dem KBA und der DUH sowie durch Hinweis auf das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Frankfurt a.M..
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Hildesheim vom 04.02.2022, Az.: 4 O 150/21,
1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerseite einen Betrag in Höhe von 90.618,30 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeuges Fiat Ducato Dethleffs Magic Edition I 2 EB, Fahrzeug-Ident.-Nr. ....
2. festzustellen, dass die Beklagte sich mit der Entgegennahme des Fahrzeugs aus dem Antrag zu 1 in Annahmeverzug befindet.
3. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerseite einen Betrag in Höhe von 2.438,67 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit für die außergerichtliche anwaltliche Rechtsverfolgung zu zahlen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung und die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze verwiesen.
Der Senat hat mit Beschluss vom 19. April 2022 (Bl. 367 ff. Bd. II d.A.) darauf hingewiesen, die Berufung durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO einstimmig zurückweisen zu wollen. Dem ist der Kläger mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 2. Juni 2022 (Bl. 402 ff. Bd. II d.A.) entgegengetreten, mit dem er seinen Vortrag zu den behaupteten Abschalteinrichtungen und einem vermeintlich sittenwidrigen Handeln der Beklagten weiter vertieft.
II.
Die zulässige Berufung des Klägers ist offensichtlich unbegründet und unterliegt daher der Zurückweisung durch den vorliegenden, einstimmig gefassten Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO.
Die Rechtssache hat unter Berücksichtigung der aktuellen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zum Komplex des sog. "Diesel-Abgasskandals" keine grundsätzliche Bedeutung und eine Entscheidung des Berufungsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist nicht erforderlich. Unter Berücksichtigung dessen erscheint auch eine mündliche Verhandlung nicht als geboten.
Zur Begründung nimmt der Senat in vollem Umfang auf die Ausführungen in seinem Beschluss vom 19. April 2022 Bezug, an denen er festhält. Die Beschlussgründe werden durch die dazu von dem Kläger abgegebene Stellungnahme mit Schriftsatz vom 2. Juni 2022 nicht entkräftet; vielmehr bleibt es dabei, dass das Landgericht die Klage zu Recht abgewiesen hat.
Zu den - weitestgehend landgerichtliche Entscheidungen zitierenden und eine Auseinandersetzung mit dem Hinweisbeschluss des Senats vermissen lassenden - Ausführungen des Klägers in seiner Stellungnahme ist - teilweise vertiefend, teilweise wiederholend - Folgendes festzuhalten:
1. Es kommt zwar, wenn unter Täuschung im EG-Typengenehmigungsverfahren bewusst eine unzulässige Motorsteuerungssoftware verbaut wird, eine deliktische Haftung des Herstellers nach §§ 826, 31 BGB grundsätzlich in Betracht (vgl. BGH, Urteile vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, juris; vom 30. Juli 2020 - VI ZR 354/19, VI ZR 367/19, VI ZR 397/19 sowie VI ZR 5/20 und vom 19. Januar 2021 - VI ZR 8/20; jew. juris; vgl. auch OLG Celle, Urteile vom 20. November 2019 - 7 U 244/18, juris Rn. 26 ff. und vom 22. Januar 2020 - 7 U 445/18, juris).
Voraussetzung hierfür ist jedoch eine sittenwidrige Schädigung. Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteile vom 13. Juli 2021 - VI ZR 128/20, WM 2021, 1609 Rn. 11; vom 30. Juli 2020 - VI ZR 5/20, ZIP 2020, 1715 Rn. 29; vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 15; vom 12. März 2020 -VII ZR 236/19, VersR 2020, 1120 Rn. 24; jeweils m.w.N.). Schon zur Feststellung der objektiven Sittenwidrigkeit kann es daher auf Kenntnisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden ankommen, die die Bewertung seines Verhaltens als verwerflich rechtfertigen. Die Verwerflichkeit kann sich auch aus einer bewussten Täuschung ergeben (BGH, Urteile vom 13. Juli 2021 - VI ZR 128/20, WM 2021, 1609 Rn. 11; vom 30. Juli 2020 - VI ZR 5/20, ZIP 2020, 1715 Rn.29; vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 15). Insbesondere bei mittelbaren Schädigungen kommt es ferner darauf an, dass den Schädiger das Unwerturteil, sittenwidrig gehandelt zu haben, gerade auch in Bezug auf die Schäden desjenigen trifft, der Ansprüche aus § 826 BGB geltend macht (BGH, Beschlüsse vom 9. März 2021 - VI ZR 889/20, VersR 2021, 661 Rn. 12 und vom 19.Januar 2021- VI ZR 433/19, ZIP 2021, 297 Rn. 14; Urteile vom 30. Juli 2020 - VI ZR 5/20, ZIP 2020, 1715 Rn. 29 und vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 15).
Ein Automobilhersteller handelt gegenüber dem Fahrzeugkäufer sittenwidrig, wenn er entsprechend seiner grundlegenden strategischen Entscheidung im eigenen Kosten- und Gewinninteresse unter bewusster Ausnutzung der Arglosigkeit der Erwerber, die die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben und die ordnungsgemäße Durchführung des Typgenehmigungsverfahrens als selbstverständlich voraussetzen, Fahrzeuge mit einer Motorsteuerung in Verkehr bringt, deren Software bewusst und gewollt so programmiert ist, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte nur auf dem Prüfstand beachtet, im normalen Fahrbetrieb hingegen überschritten werden, und damit unmittelbar auf die arglistige Täuschung der Typgenehmigungsbehörde abzielt. Ein solches Verhalten steht einer unmittelbaren arglistigen Täuschung der Fahrzeugerwerber in der Bewertung gleich (vgl. BGH, Urteile vom 25. November 2021 - VI ZR 257/20, juris Rn. 20; vom 16. September 2021 - VII ZR 192/20, juris Rn. 21; vom 8. März 2021 - VI ZR 505/19, juris Rn. 19 und vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, juris Rn. 16 ff.).
Bereits die objektive Sittenwidrigkeit des Herstellens und des Inverkehrbringens von Kraftfahrzeugen mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Verhältnis zum Fahrzeugerwerber setzt deshalb voraus, dass dies in Kenntnis der Abschalteinrichtung und im Bewusstsein ihrer - billigend in Kauf genommenen - Unrechtmäßigkeit geschieht (vgl. BGH, Urteile vom 25. November 2021 - VII ZR 257/20, juris Rn. 21 und vom 16. September 2021 - VII ZR 192/20, juris Rn. 22; Beschlüsse vom 9. März 2021 - VI ZR 889/20, juris Rn. 28 und vom 19. Januar 2021 - VI ZR 433/19, juris Rn. 19).
Bei einer Abschalteinrichtung, die im Grundsatz auf dem Prüfstand in gleicher Weise arbeitet wie im realen Fahrbetrieb und bei der die Frage der Zulässigkeit nicht eindeutig und unzweifelhaft beantwortet werden kann, kann bei Fehlen sonstiger Anhaltspunkte nicht ohne Weiteres unterstellt werden, dass die für den Motorhersteller handelnden Personen in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen, so dass es bereits an der objektiven Sittenwidrigkeit fehlt (vgl. BGH, Beschluss vom 9. März 2021 - VI ZR 889/20, juris Rn. 28; Urteil vom 16. September 2021 - VII ZR 190/20, juris Rn. 16).
2. Diesen Maßstab zugrunde gelegt lassen sich dem Vorbringen des Klägers die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Schadensersatz gem. § 826 BGB gegen die Beklagte nicht schlüssig entnehmen. Dabei kann die Unzulässigkeit der von dem Kläger behaupteten Abschalteinrichtungen (zeitbasierte Abschalteinrichtung/Timerfunktion; Thermofenster) zu seinen Gunsten unterstellt werden. Eine sittenwidrige Schadenszufügung durch die Beklagte zu 3 von dem Kläger durch das Inverkehrbringen bzw. den Verkauf des streitgegenständlichen Fahrzeugs ist weder dargetan noch ersichtlich.
a) Ein Sachvortrag ist zur Begründung eines Anspruchs dann schlüssig und erheblich, wenn die Partei Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in der Person der Partei entstanden erscheinen zu lassen, wobei unerheblich ist, wie wahrscheinlich diese Darstellung ist. Die Angabe näherer Einzelheiten, die den Zeitpunkt und den Vorgang bestimmter Ereignisse betreffen, ist nur dann erforderlich, wenn die Einzelheiten für die Rechtsfolgen von Bedeutung sind (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 23. Januar 2015 - V ZR 107/13, juris Rn. 18; Urteil vom 13. Juli 2021 - VI ZR 128/20, juris Rn. 20; jew. mwN).
Diese Grundsätze gelten insbesondere dann, wenn die Partei keine unmittelbare Kenntnis von den ihrer Behauptung zugrunde liegenden Vorgängen hat. Eine Partei darf auch von ihr nur vermutete Tatsachen als Behauptung in einen Rechtsstreit einführen, wenn sie mangels entsprechender Erkenntnisquellen oder Sachkunde keine sichere Kenntnis von Einzeltatsachen hat. Gemäß § 403 ZPO hat die Partei, die die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragen will, die zu begutachtenden Punkte zu bezeichnen. Dagegen verlangt das Gesetz nicht, dass der Beweisführer sich auch darüber äußert, welche Anhaltspunkte er für die Richtigkeit der in die Sachkenntnis des Sachverständigen gestellten Behauptung habe (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juli 2021 - VI ZR 128/20, juris Rn. 21 mwN).
b) Gemessen an diesen Voraussetzungen ist eine ausreichende Darlegung von Anhaltspunkten durch den Kläger, dass das Herstellen und Inverkehrbringen des Fahrzeuges mit unzulässigen Abschalteinrichtungen in Kenntnis der Abschalteinrichtung und im Bewusstsein ihrer - billigend in Kauf genommenen - Unrechtmäßigkeit geschehen, und damit objektiv sittenwidrig, zu verneinen.
aa) Der Kläger hat zwar das Vorhandensein verschiedener Abschalteinrichtungen, namentlich eine zeitbasierte Abschalteinrichtung und ein sog. Thermofenster behauptet. Die zuständige italienische Typgenehmigungsbehörde hat jedoch keine Beanstandungen gehabt.
(1) Dem KBA und der italienischen Typgenehmigungsbehörde war die sog. zeitbasierte Abschalteinrichtung jedenfalls ab dem Jahr 2016 bekannt. Gleichwohl hat die zuständige italienische Genehmigungsbehörde die beanstandeten Abschalteinrichtungen weiterhin für zulässig gehalten und ist nicht weiter tätig geworden. Dies ergibt sich aus dem Vorbringen der Parteien.
Am 14. April 2016 erfolgten Gespräche unter Beteiligung des KBA mit der R. B. GmbH. In dem Ergebnisprotokoll zur Besprechung (Anlage KGR R7) wird zunächst ausgeführt, "FCA hat gegenüber B. mitgeteilt, dass FCA den Sachverhalt der eigenen in Italien zuständigen Behörde am 2. Mai 2016 vollständig offenlegen wird." Weiter heißt es unter "Zustand der bisher applizierten Software":
"Es ist so, dass die Softwareapplikation bislang die Rate der Abgasrückführung (AGR) als auch die Regeneration des NSK ab einer bestimmten Nutzung verändert.
i. Die AGR-Rate schein bislang nach 22 Minuten ab Motorstart und auch abhängig von der seit Motorstart eingespritzten Kraftstoffmenge und/oder weiteren Faktoren reduziert zu werden; möglicherweise auch in Verbindung mit einer veränderten Einspritzstrategie.
ii. Die NSK-Regeneration scheint bislang nach 22 Minuten bzw. auch nach 6 Regenerationsvorgängen deaktiviert zu werden."
Aus diesem Grund sah das KBA den "hinreichenden Nachweis einer unzulässigen Abschalteinrichtung erbracht" (Anlage KGR4) und es wurde ein Verfahren nach Art. 30 Abs. 3 der Richtlinie 2007/46/EG eingeleitet. Die italienischen Behörden ergriffen jedoch nach eigenen Tests von Fahrzeugen keine weiteren Maßnahmen, weil die beanstandete Abschalteinrichtung für zulässig erachtet wurde. Der EU-Mitgliedsstaat Italien verhinderte weder den Verkauf noch die weitere Zulassung von Fahrzeugen. Die EU-Kommission leitete daraufhin im Jahr 2017 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Italien ein, das bislang nicht abgeschlossen ist.
War die zeitbasierte Abschalteinrichtung der zuständigen italienischen Behörde - wie hier - vor dem Erwerb des Fahrzeugs sowohl durch das KBA als auch durch FCA mitgeteilt worden, fehlt es in diesem Fall selbst dann an einer (fortwirkenden) Täuschung im Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages, der erst 2018 erfolgte (Anlage = Anlagen zur Klageschrift), wenn die Beklagte zu 3 ursprünglich mit der sog. zeitbasierten Abschalteinrichtung eine Prüfstandserkennung implementiert haben sollte.
(2) In diesem Zusammenhang ist ferner zu berücksichtigen, dass die vorangehenden Ausführungen eine weite Auslegung der italienischen Typengenehmigungsbehörde im Hinblick auf die nach Art. 5 Abs. 2 S. 2 VO Nr. 715/2007 ausnahmsweise zulässigen Abschalteinrichtungen indizieren. Sie geht deshalb von der Zulässigkeit der beanstandeten Funktion aus (ebenso: LG Stade, BeckRS 2022, 7231 Rn. 20).
Die weite Auslegung und damit eine im Vergleich zum KBA großzügigere Annahme von zulässigen Abschalteinrichtungen durch die italienischen Behörden wird auch durch den Schlussantrag der Generalanwältin beim EuGH vom 30. April 2020 im Verfahren C-693/18 (juris Rn. 138 ff.) nahegelegt, wonach die von der italienischen Regierung vertretene weite Auslegung der Ausnahmetatbestände des Art. 5 Abs. 2 S. 2 VO Nr. 715/2007 im Hinblick auf die Ziele der Verordnung Nr. 715/2007 und insbesondere jenes des Umweltschutzes und der Verbesserung der Luftqualität innerhalb der Union keineswegs zu rechtfertigen sei:
"Meines Erachtens ist daher die weite Auslegung der italienischen Regierung zurückzuweisen, wonach der Begriff "Beschädigung" derart ausgedehnt werden müsse, dass er die Abnutzung, den Effizienzverlust oder den Wertverlust des Fahrzeugs aufgrund des Verschleißes und der allmählichen Verschmutzung seines Motors erfasse"
(3) Danach bewertet die italienische Typgenehmigungsbehörde die zeitbasierte Abgasrückführung folglich nicht als unzulässige Abschalteinrichtung.
Der Senat verkennt in diesem Zusammenhang nicht, dass die Ausführungen des KBA oder der italienischen Behörden nicht die rechtliche Beurteilung, ob eine Abschalteinrichtung nach dem Maßstab des Art. 5 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a VO 715/2007/EG zulässig ist, einer eigenständigen zivilgerichtlichen Prüfung zu entziehen vermögen (BGH, Urteil vom 8. Dezember 2021 - VIII ZR 190/19, juris Rn. 80; Beschluss vom 14. Dezember 2021 - VIII ZR 386/20, juris Rn. 34). Die Gefahr einer Betriebsuntersagung durch die für die Zulassung zum Straßenverkehr zuständige Behörde ist an der objektiven Rechtslage zu messen. Sie hängt nicht davon ab, ob die im jeweiligen Einzelfall zuständige Zulassungsbehörde eine entsprechende Betriebsuntersagung nach § 5 Abs. 1 FZV ausgesprochen hat oder eine solche (zunächst) unterblieben ist (vgl. BGH, Urteil vom 8. Dezember 2021 aaO Rn. 82).
Es kann jedoch an dieser Stelle dahinstehen, ob im konkreten Fall ein Grundmangel vorliegt und das Fahrzeug deshalb wegen einer gegen Art. 5 Abs. 2 VO 715/2007/EG verstoßenden Abschalteinrichtung nicht dem genehmigten Typ entspricht (§ 3 Abs. 1 Satz 2 FZV; vgl. BGH, Urteil vom 21. Juli 2021 - VIII ZR 357/20, juris Rn. 30 für das Kaufrecht; Urteil vom 27. Juli 2021 - VI ZR 151/20, juris Rn. 13 mwN für das Deliktsrecht). Denn unabhängig davon fehlt es jedenfalls an dem erforderlichen Vorstellungsbild der Beklagten zu 3, das streitgegenständliche Fahrzeug in Kenntnis der Abschalteinrichtung und im Bewusstsein ihrer Unrechtmäßigkeit hergestellt und in den Verkehr gebracht zu haben. In diesem Zusammenhang stellt die Rechtsauffassung der italienischen Behörden wiederum ein gewichtiges Indiz dar.
bb) Der Bewertung der italienischen Typgenehmigungsbehörde könnte allerdings dann kein maßgebliches Gewicht beigemessen werden, wenn der Kläger substantiiert darlegte, dass der zuständigen (italienischen und/oder deutschen) Zulassungsbehörde nicht bekannte (unzulässige) Abschalteinrichtungen implementiert wären und die Beklagte zu 3 diese in dem Typgenehmigungsverfahren bewusst verschwiegen oder - etwa durch eine Prüfstandserkennung - verschleiert hätte.
(1) Belastbare Anhaltspunkte dafür, dass das KBA bzw. die italienische Typgenehmigungsbehörde bis heute über die genaue Funktionsweise der von ihr verwendeten (unterstellten) Abschaltstrategien im Unklaren gelassen hätte, hat der Kläger nicht aufgezeigt.
(a) Es bestehen zunächst keine greifbaren Anhaltspunkte für wissentlich unterbliebene oder unrichtige Angaben der Beklagten zu 3 im Typgenehmigungsverfahren, die auf ein heimliches und manipulatives Vorgehen oder eine Überlistung der zuständigen Typgenehmigungsbehörde und damit auf einen bewussten Gesetzesverstoß hindeuten würden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 29. September 2021 - VII ZR 127/21, juris Rn. 20 und vom 19. Januar 2021 - VI ZR 433/19, juris Rn. 24). Aus einer etwaig unterbliebenen Offenlegung der genauen Wirkungsweise einer (unterstellt) unzulässigen Abschalteinrichtung gegenüber der zuständigen Typgenehmigungsbehörde folgen keine Anhaltspunkte, dass für die Beklagte zu 3 tätige Personen in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Oktober 2021 - VII ZR 99/21, juris Rn. 26 mwN).
(b) Auch bei Unterstellung einer unzulässigen Abschalteinrichtung hilft dies dem Kläger nicht weiter. Dem KBA und der italienischen Typgenehmigungsbehörde war - so auch das Vorbringen des Klägers - die sog. zeitbasierte Abschalteinrichtung jedenfalls ab dem Jahr 2016 bekannt. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die vorangehenden Ausführungen Bezug genommen. War die zeitbasierte Abschalteinrichtung der Behörde - wie hier - vor dem Erwerb des Fahrzeugs mitgeteilt worden, fehlt es in diesem Fall selbst dann an einer (fortwirkenden) Täuschung im Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages, der erst 2018 erfolgte, wenn die Beklagte zu 3 ursprünglich mit der sog. zeitbasierten Abschalteinrichtung eine Prüfstandserkennung implementiert haben sollte.
(c) Deshalb geht auch Rückschluss des Klägers, es sei eine Prüfstandserkennungssoftware in Form einer zeitbasierten Abschalteinrichtung implementiert, so dass davon auszugehen sei, dass die Typgenehmigung aufgrund einer Täuschung erschlichen worden sei, fehl. Vielmehr indizieren die vorangehenden Ausführungen eine weite Auslegung der italienischen Typengenehmigungsbehörden im Hinblick auf die nach Art. 5 Abs. 2 S. 2 VO Nr. 715/2007 ausnahmsweise zulässigen Abschalteinrichtungen. Von dem Vorhandensein einer (unterstellten) Abschalteinrichtung kann dementsprechend nicht auf das Erschleichen der Typgenehmigung aufgrund einer Täuschung geschlossen werden, wenn die zuständige italienische Typgenehmigungsbehörde eine im Verhältnis zum KBA weitere Auslegung von zulässigen Abschalteinrichtungen annimmt.
(2) Für eine unzulässige Abschalteinrichtung in Form einer Prüfstandserkennung und deren Verschweigen im EG-Typgenehmigungsverfahren hat der Kläger keine greifbaren Anhaltspunkte vorgetragen. Insbesondere vermag sich der Kläger nicht mit Erfolg auf eine sog. zeitbasierte Abschalteinrichtung zu berufen. Vielmehr scheint der Kläger rechtsirrig davon auszugehen, dass allein das Vorhandensein einer (unzulässigen) Abschalteinrichtung ein sittenwidriges Handeln der Beklagten zu 3 und eine Haftung nach § 826 BGB begründen würde.
(a) Bei der sog. zeitbasierten Abschalteinrichtung handelt es sich nicht um eine Abschalteinrichtung in Gestalt einer Prüfstanderkennung, die zwischen dem realen Straßenbetrieb und dem Prüfstand unterscheidet. Nach dem klägerischen Vorbringen ist diese Abschalteinrichtung daran gekoppelt, dass die Abgasrückführung 22 Minuten nach dem Motorstart reduziert bzw. die Regeneration des NOx-Speicherkatalysators nach 22 Minuten bzw. nach 6 Regenerationsvorgängen verringert oder deaktiviert wird. Die (De-)Aktivierungsparameter "Zeitablauf" und "Anzahl der Regenerationsvorgänge" sind sowohl auf dem Prüfstand als auch im Straßenbetrieb aktiv und nicht wie die sog. Kippschalterlogik beim VW-Motor EA 189 ausschließlich auf dem Prüfstand aktiviert. Das wird anscheinend auch von dem Kläger nicht behauptet, der einräumt, dass die zeitbasierte Abgasrückführung auch im realen Straßenverkehr eingreift.
Eine parameterabhängige Steuerung der Abgasrückführung unterscheidet jedenfalls im Ausgangspunkt nicht danach, ob sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand oder im normalen Fahrbetrieb befindet. Eine solche Steuerung weist damit im Grundsatz keine Funktion auf, die (nur) bei erkanntem Prüfstandsbetrieb eine verstärkte Abgasrückführung aktiviert und den Stickoxidausstoß gegenüber dem normalen Fahrbetrieb reduziert, sondern arbeitet in beiden Fahrsituationen im Grundsatz in gleicher Weise (vgl. BGH, Urteile vom 19. Januar 2021 - VI ZR 433/19, juris Rn. 18 und vom 9. März 2021 - VI ZR 889/20, juris Rn. 27).
Das Kriterium der Prüfstandsbezogenheit ist jedoch grundsätzlich geeignet, um zwischen nur unzulässigen Abschalteinrichtungen und solchen, deren Implementierung die Kriterien einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung erfüllen können, zu unterscheiden. Erst die Tatsache, dass eine Manipulationssoftware ausschließlich im Prüfstand die Abgasreinigung verstärkt aktiviert, indiziert eine arglistige Täuschung der Genehmigungsbehörden (BGH, Beschlüsse vom 23. Februar 2022 - VII ZR 602/21, juris Rn. 15 und vom 29. September 2021 - VII ZR 126/21, juris Rn. 18).
(b) Selbst wenn deshalb eine zeitbasierte Steuerung der Abgasrückführung in Form einer Timerfunktion als unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 zu qualifizieren wäre, genügte der darin liegende Gesetzesverstoß des Fahrzeug- und Motorherstellers jedenfalls nicht, dessen Gesamtverhalten als sittenwidrig zu qualifizieren (vgl. BGH, Beschluss vom 9. März 2021 - VI ZR 889/20, juris Rn. 26). Der Aspekt der Gesetzkonformität ist nämlich von der Frage eines sittenwidrigen Handelns strikt zu trennen. Dies gilt dabei sogar dann, wenn dieser Verstoß aufgrund einer grundlegenden unternehmerischen Entscheidung getroffen und mit der Entwicklung und dem Einsatz der zeitbasierten Steuerung des Emissionskontrollsystems eine Kostensenkung und die Erzielung von Gewinn erstrebt worden sein sollte (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Januar 2021 - VI ZR 433/19, juris Rn. 13). Denn die Applikation einer zeitbasierten Steuerung des Emissionskontrollsystems ist nicht mit der Verwendung einer Prüfstandserkennungssoftware zu vergleichen, da letztere unmittelbar auf eine Täuschung der Typengenehmigungsbehörde abzielt und einer unmittelbaren arglistigen Täuschung des Fahrzeugerwerbers in der Bewertung gleichsteht, während der Einsatz einer zeitbasierten Steuerung des Emissionskontrollsystems nicht von Vornherein durch Arglist geprägt ist (BGH, Beschluss vom 9. März 2021 aaO Rn. 27).
Aus diesem Grund setzte eine deliktische Haftung der Beklagten zu 3 gem. §§ 826, 31 BGB voraus, dass diese die Motorsteuerung des streitgegenständlichen Fahrzeugtyps vorsätzlich mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehen und die Genehmigungsbehörde, d.h. die italienische Typgenehmigungsbehörde hierüber arglistig getäuscht hätte (vgl. BGH, Urteile vom 25. Mai 2020 aaO und Urteile jeweils vom 30. Juli 2020 - VI ZR 354/19, VI ZR 367/19 und VI ZR 397/19; jew. juris).
Folglich wäre der Vorwurf sittenwidrigen Verhaltens nur dann gerechtfertigt, wenn zu einem Verstoß gegen die Verordnung 715/2007/EG weitere Umstände hinzuträten, die das Verhalten der für die Beklagte zu 3 handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen ließen. Dafür müssten sich die betreffenden Personen bei der Entwicklung bzw. Installation der Timerfunktion darüber bewusst gewesen sein, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf genommen haben (vgl. BGH, Beschluss vom 9. März 2021 aaO Rn. 28).
Greifbare Anhaltspunkte, die auf ein solches Vorstellungsbild hindeuten könnten - beispielsweise, dass die Beklagte zu 3 im Typgenehmigungsverfahren erforderliche Angaben verschwiegen, insbesondere verschleiert hätte, dass die Abgasrückführungsrate in dem streitgegenständlichen Fahrzeugtyp durch eine Timerfunktion mitbestimmt wird - hat der Kläger jedoch weder erstinstanzlich, noch im Rahmen seiner Berufungsbegründung vorgetragen. Ihn trifft aber die Darlegungs- und Beweislast für solche Umstände, aus denen sich die Verwerflichkeit des Handelns der Mitarbeiter der Beklagten zu 3 begründen soll (BGH, Beschluss vom 19. Januar 2021 aaO Rn. 19). Vor diesem Hintergrund reicht es nicht aus, lediglich zu bestreiten, dass die Beklagte zu 3 im Typengenehmigungsverfahren die erforderlichen Angaben gemacht habe. Die Beklagte zu 3 muss sich auch nicht im Rahmen einer sekundären Darlegungslast dazu entlasten, keine unzureichenden oder fehlerhaften Informationen gegenüber Genehmigungsbehörde bezüglich der Eigenschaften und Funktionsweise der von ihr verwendeten Motorsteuerungssoftware abgegeben zu haben. Sich zu den Einzelheiten der von ihr erfolgten Angaben im Typengenehmigungsverfahren zu erklären, obläge der Beklagten zu 3 erst dann, wenn der Kläger seinerseits hinreichende Anhaltspunkte für unzureichende oder unrichtige Angaben vorgetragen hätte. Eben hieran fehlt es vorliegend jedoch.
(aa) Die behauptete Abweichung der Messwerte im Realbetrieb von den Messwerten nach NEFZ ist als Indiz für eine Abschalteinrichtung, und noch dazu für eine Manipulationssoftware, die die Voraussetzungen des § 826 BGB erfüllen könnte, angesichts der unstreitigen gravierenden Unterschiede der Bedingungen, unter denen die Messung erfolgt, ungeeignet (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juli 2021 - VI ZR 128/20, juris Rn. 23; Beschluss vom 15. September 2021 - VII ZR 2/21, juris Rn. 30; s. auch OLG Celle, Urteil vom 13. November 2019 - 7 U 367/18, juris Rn. 42). Denn die für die Einhaltung der Euro-5- bzw. Euro-6-Norm relevanten, im NEFZ Verfahren gemessenen Werte entsprechen grundsätzlich auch ohne unzulässige Beeinflussung des Messverfahrens nicht den im Rahmen des tatsächlichen Gebrauchs des Fahrzeugs anfallenden Emissionswerten (so auch OLG München, Urteil vom 5. September 2019 - 14 U 416/19, BeckRS 2019, 26072 Rn. 168). Daher ist der Straßenbetrieb mit der Prüfstandssituation nicht vergleichbar. Dies gilt sowohl hinsichtlich des angegebenen Kraftstoffverbrauchs als auch der Grenzwerte für Emissionen. Auf dem Prüfstand wird eine bestimmte "ideale", nicht der Praxis entsprechende Situation vorgegeben, etwa hinsichtlich der Umgebungstemperatur, der Kraftentfaltung (Beschleunigung und Geschwindigkeit), Abschaltung der Klimaanlage usw., so dass der erzielte Wert zwar zu einer relativen Vergleichbarkeit unter den verschiedenen Fahrzeugfabrikaten und -modellen führen mag, absolut genommen aber jeweils nicht mit dem Straßenbetrieb übereinstimmt. Soweit ein Fahrzeug also höhere Emissionswerte im Straßenbetrieb aufweist als unter Prüfstandsbedingungen, kann dies auch auf andere Umstände als den Einbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung zurückzuführen sein, weshalb nicht notwendigerweise beim Vorliegen höherer Emissionswerte im Realbetrieb von dem Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgegangen werden muss.
(bb) Anhaltspunkte für ein arglistiges oder betrügerisches Verhalten der Beklagten zu 3 ergeben sich auch nicht aus dem Ergebnisprotokoll zur Besprechung vom 14. April 2016 (Anlage KGR R7), dem Schreiben des KBA an das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (Anlage = Anlagen zur Klageschrift), dem Schreiben des Ministeriums an das (italienische) Ministero delle Infrastrutture dei Trasporti (ebd.) bzw. an die Europäische Kommission (ebd.) vom 31. August 2016 oder den weiteren vom Kläger vorgelegten Unterlagen. Dort wird "nur" Bezug genommen auf das Vorliegen einer vermeintlichen unzulässigen Abschalteinrichtung bzw. hohe Stickoxidemissionen, nicht aber festgestellt, dass es sich um eine Prüfstandserkennung handelt oder dass es der Beklagten zu 3 bewusst gewesen wäre, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und dass sie den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf genommen hätte.
(cc) Der Kläger hat auch nicht substantiiert dargelegt, dass in Bezug auf das streitgegenständliche Fahrzeug eine Entziehung der Typengenehmigung droht. Es ist auch nicht vorgetragen worden, dass in Bezug auf das Klägerfahrzeug ein Rückruf erfolgt ist oder er in Bezug auf die Motorkonfiguration zur Durchführung eines Software-Updates aufgefordert worden ist. Dementsprechend vermag auch dies ein sittenwidriges Handeln der Beklagten zu 3 nicht zu begründen.
Es verhält sich vielmehr nach den vorangehenden Ausführungen so, dass die zuständige Typengenehmigungsbehörde in Italien - auch nach mehrmaligen Hinweisen durch das KBA - nichts unternimmt und weder die Typengenehmigung ändert noch einen Rückruf anordnet, so dass die Europäische Kommission am 17. Mai 2017 beschlossen hat, ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Italien einzuleiten, weil das Land seine Verpflichtungen im Rahmen der EU-Typgenehmi-gungsvorschrift nicht eingehalten hat. Die Einleitung eines solchen (derzeit nicht) abgeschlossenen Vertragsverletzungsverfahrens auf EU-Ebene ist aber nicht geeignet, den Vorwurf vorsätzlichen sittenwidrigen Verhaltens der Beklagten iSv § 826 BGB zu begründen (vgl. auch LG Freiburg i. Br., Urteil vom 26. Februar 2021 - 14 O 333/20, juris Rn. 63 ff.).
Soweit der Kläger Bezug nimmt auf ein Schreiben des Präsidenten des KBA vom 5. Mai 2021 (Bl. 357 Bd. II d.A.), ist auch dies unbeachtlich. Zuständig für entsprechende Maßnahmen ist die Typgenehmigungsbehörde, die die ursprüngliche Typgenehmigung für das Fahrzeug erteilt hat, mithin im Streitfall die italienische Typgenehmigungsbehörde. Das KBA kann gemäß § 26 Abs. 2 EG-FGV i.V.m. Art. 30 Abs. 3 der RL 2007/46/EG lediglich - wie bereits geschehen - die italienischen Behörden um eine Prüfung ersuchen. Dies hat die italienischen Behörden jedoch nicht veranlasst, ihre Rechtsauffassung zu ändern.
(dd) Das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Frankfurt a.M. vermag der Berufung ebenfalls nicht zum Erfolg zu verhelfen. Dem von dem Kläger in Bezug genommenen Merkblatt (Bl. 359 Bd. II d.A.) ist lediglich zu entnehmen, dass Gegenstand der Ermittlungen "Motoren des Fiat Konzerns, die in Fahrzeugen der Marken Jeep, Alfa Romeo und Fiat verbaut wurden" und "Fahrzeuge, die die Abgasnormen EUR 5 und EUR 6 [...]" sind. Der konkrete Tatvorwurf ist dem Merkblatt hingegen nicht zu entnehmen, erst recht nicht, ob die Beklagte zu 3 im Typgenehmigungsverfahren erforderliche Angaben im Hinblick auf eine zeitbasierte Abgasrückführung verschwiegen haben soll. Dass sich insoweit der Verbau prüfstandsbezogener (!) Abschaltvorrichtungen oder ein vorsätzliches Handeln der Mitarbeiter der Beklagten zu 3 feststellen ließ, wird auch von dem Kläger nicht behauptet.
(ee) Das - auf einen Antrag nach Informationsfreiheitsrechten ergangene - Schreiben des KBA vom 17. März 2022 (Anlage KGR B7) verhilft der Berufung ebenfalls nicht zum Erfolg. Es besagt nur, was der Senat ohnehin zugunsten des Klägers unterstellt hat, nämlich das Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung in Form einer zeitbasierten Abgasrückführung und eines Thermofensters). Daraus folgt aber keine Haftung der Beklagten zu 3 nach § 826 BGB, weil diese (unterstellten) Abschalteinrichtungen auf dem Prüfstand und im realen Straßenbetrieb in gleicher Weise funktionieren, so dass es greifbarer Anhaltspunkte bedürfte, dass sich die Beklagte zu 3 bei der Entwicklung bzw. Installation der entsprechenden Funktionen darüber bewusst gewesen ist, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf genommen hat. Solche greifbaren Anhaltspunkte, etwa durch Verschweigen erforderlicher Angaben im Typgenehmigungsverfahren hat der Kläger jedoch weder erstinstanzlich, noch im Rahmen seiner Berufungsbegründung vorgetragen.
(3) Im Zusammenhang mit der temperaturgesteuerten Abgasrückführung und der Implementierung des Thermofensters lässt sich ebenso keine arglistige Täuschung der Zulassungsbehörde (in Italien und / oder Deutschland) durch die Beklagte zu 3 feststellen.
(a) Insoweit ist bereits fraglich, ob ein im Fahrzeug vorhandenes Thermofenster als unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 3 Nr. 10 der VO (EG) Nr. 715/2007 zu qualifizieren ist.
Zwar führt ein sog. Thermofenster dazu, dass die volle Abgasrückführung nach Vornahme des Updates lediglich in bestimmten Temperaturbereichen stattfindet. Indes ist der Einsatz von Thermofenstern in Dieselmotoren bislang üblich und wird von den Herstellern allgemein als Stand der Technik angesehen.
An dieser Beurteilung ändert auch die Entscheidung des EuGH vom 17. Dezember 2020 in der Rechtssache C-693/18 nichts. Danach ist zwar der Einbau einer Abschalteinrichtung, die die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems verringert, nur dann als gerechtfertigt anzusehen, wenn sie den Motor vor plötzlichen und außergewöhnlichen Schäden schützen soll, nicht hingegen, um den Motor lediglich vor Verschmutzung und Verschleiß zu bewahren. Dass nach der Rechtsprechung des EuGH vom 17. Dezember 2020 die Zulässigkeit der sog. Thermofenster nur unter sehr eingeschränkten Voraussetzungen für zulässig erachtet wird, führt aber lediglich dazu, dass die nationalen Behörden und Gerichte zu prüfen haben, ob und inwiefern dies zukünftig Berücksichtigung finden muss. Denn die Beklagte zu 3 musste in Bezug auf die Auslegung und Befolgung des Art. 5 Abs. 2 VO (EG) Nr. 715/2007 gegenüber sich selbst nicht strenger sein, als es die zuständigen Behörden ihr gegenüber waren. Geht mithin nicht einmal die Zulassungsbehörde von der Erforderlichkeit der Einhaltung der vom EuGH aufgestellten Anforderungen aus, kann ein entsprechendes Wissen von der Beklagten zu 3, das für den Vorwurf einer sittenwidrigen Schädigung denknotwendig ist, erst recht nicht verlangt werden.
(b) Selbst wenn aber eine temperaturbeeinflusste Steuerung der Abgasrückführung in Form eines Thermofensters als unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 zu qualifizieren wäre, genügte der darin liegende Gesetzesverstoß des Fahrzeug- und Motorherstellers jedenfalls nicht, dessen Gesamtverhalten als sittenwidrig zu qualifizieren (vgl. BGH, Beschluss vom 9. März 2021 - VI ZR 889/20, juris Rn. 26). Denn die Applikation einer temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems ist nicht mit der Verwendung einer Prüfstandserkennungssoftware zu vergleichen, da letztere unmittelbar auf eine Täuschung der Typengenehmigungsbehörde abzielt und einer unmittelbaren arglistigen Täuschung des Fahrzeugerwerbers in der Bewertung gleichsteht, während der Einsatz einer temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems nicht von Vornherein durch Arglist geprägt ist (BGH, Beschluss vom 9. März 2021 aaO Rn. 27).
Aus diesem Grund setzte eine deliktische Haftung der Beklagten zu 3 gem. §§ 826, 31 BGB voraus, dass diese die Motorsteuerung des streitgegenständlichen Fahrzeugtyps vorsätzlich mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehen und die Genehmigungsbehörde, d.h. das KBA hierüber arglistig getäuscht hätte (vgl. BGH, Urteile vom 25. Mai 2020 aaO und Urteile jeweils vom 30. Juli 2020 - VI ZR 354/19, VI ZR 367/19 und VI ZR 397/19; jew. juris).
Folglich wäre der Vorwurf sittenwidrigen Verhaltens nur dann gerechtfertigt, wenn zu einem Verstoß gegen die Verordnung 715/2007/EG weitere Umstände hinzuträten, die das Verhalten der für die Beklagte zu 3 handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen ließen. Dafür müssten sich die betreffenden Personen bei der Entwicklung bzw. Installation des Thermofensters darüber bewusst gewesen sein, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf genommen haben (vgl. BGH, Beschluss vom 9. März 2021 aaO Rn. 28).
Greifbare Anhaltspunkte, die auf ein solches Vorstellungsbild hindeuten könnten - beispielsweise, dass die Beklagte zu 3 im Typgenehmigungsverfahren erforderliche Angaben verschwiegen, insbesondere verschleiert hätte, dass die Abgasrückführungsrate in dem streitgegenständlichen Fahrzeugtyp durch die Außentemperatur mitbestimmt wird - hat der Kläger jedoch weder erstinstanzlich, noch im Rahmen seiner Berufungsbegründung vorgetragen. Insoweit kann zur Vermeidung von Wiederholungen auf die vorangehenden Ausführungen Bezug genommen werden. Ihn trifft aber die Darlegungs- und Beweislast für solche Umstände, aus denen sich die Verwerflichkeit des Handelns der Mitarbeiter der Beklagten zu 3 begründen soll (BGH, Beschluss vom 19. Januar 2021 aaO Rn. 19).
cc) Mangels Täuschung des KBA bzw. Erschleichung der Typengenehmigung fehlt es an einer Täuschung aller potentiellen Erwerber und damit an einer deliktischen Handlung der Beklagten zu 3, die als vorsätzliche sittenwidrige Schädigung anzusehen wäre.
3. Mangels Anspruchsgrundlage stehen dem Kläger somit weder der von ihm geltend gemachte Zahlungsanspruch (Kaufpreis und Aufwendungen) noch Nebenforderungen zu. Dementsprechend befindet sich die Beklagte auch nicht in Annahmeverzug.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.