Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 22.12.2021, Az.: 7 U 853/19
Ansprüche des Käufers eines angeblich vom sog. Diesel-Abgasskandal betroffenen Pkw mit dem Motortyp 3.0 l Euro 5; Anforderungen an die Darlegung einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung durch den Hersteller
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 22.12.2021
- Aktenzeichen
- 7 U 853/19
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2021, 73037
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Verden - 28.05.2019 - AZ: 7 O 255/18
Rechtsgrundlagen
- § 826 BGB
- § 31 BGB
- Verordnung (EG) Nr. Nr. 715/2007 Art. 5 Abs. 2
Redaktioneller Leitsatz
Die Implementierung eines sog. Thermofensters in der Steuerungssoftware eines Dieselmotors vermag für sich genommen den Vorwurf einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung durch den Hersteller eines Motors nicht zu begründen. Vielmehr muss hinzutreten, dass die Software bewusst so programmiert wurde, dass sie das Fahrzeug nur auf dem Prüfstand in einen Modus schaltet, der die Einhaltung der Schadstoffgrenzwerte gewährleistet (hier: verneint für einen Motor der Porsche AG vom Typ 3.0 l Euro 5).
In dem Rechtsstreit
pp.
hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 9. Dezember 2021 durch die Richterin am Oberlandesgericht ... als Einzelrichterin für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der Einzelrichterin der 7. Zivilkammer des Landgerichts Verden vom 28. Mai 2019 (Az. 7 O 255/18) wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Dieses Urteil sowie das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Der Kläger macht gegen die beklagte Fahrzeugherstellerin Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit dem sog. "Diesel-Abgasskandal" geltend.
Der Kläger erwarb mit Kaufvertrag vom 12. Juni 2012 (Anlage K30) von der Beklagten zu 1 einen Porsche Cayenne 3,0 l TDI, EU-Abgasnorm 5, zum Kaufpreis von 75.500 € brutto. Das Fahrzeug verfügt über einen Sechszylindermotor V 6, welcher von der Audi AG entwickelt und hergestellt wurde. Von einem Rückruf des Kraftfahrtbundesamtes ist das Klägerfahrzeug nicht betroffen.
Mit der vorliegenden Klage verlangt der Kläger Feststellung der Schadensersatzpflicht, hilfsweise die Erstattung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Übereignung des Fahrzeugs unter Anrechnung einer Nutzungsentschädigung, die Freistellung von außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren sowie die Feststellung von Annahmeverzug auf Seiten der Beklagten.
Hierzu hat der Kläger behauptet, dass auch das streitgegenständliche Fahrzeug - wie Fahrzeuge mit einem Motor der Baureihe EA 189 - über eine unzulässige Abschalteinrichtung in Form einer umschaltfähigen Steuerelektronik verfüge, die den Ausstoß von Stickoxid unter Prüfstandbedingungen optimiere. Insbesondere sei ein sog. Thermofenster implementiert worden und eine Manipulation des On-Board-Diagnosesystems vorgenommen worden. Der Kläger müsse daher damit rechnen, dass trotz neuer Softwareeinstellungen das Fahrzeug die Zulassung verliere, außerdem ergebe sich durch den Mangel ein erheblicher merkantiler Minderwert.
Das Landgericht hat mit Urteil vom 28. Mai 2019, auf das wegen der tatsächlichen Feststellungen und erstinstanzlich gestellten Anträge verwiesen wird, die gegen die Beklagte zu 2 gerichtete Klage als unzulässig abgewiesen.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Berufung des Klägers, mit der er sein erstinstanzliches Klagebegehren weiterverfolgt.
Nachdem er die Berufung gegenüber der Beklagten zu 1 zurückgenommen hat, beantragt der Kläger nunmehr,
unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung
1. festzustellen, dass die Beklagte zu 2 verpflichtet ist, ihm Schadensersatz zu leisten für Schäden, die aus der Manipulation des Fahrzeugs Porsche Cayenne Diesel, FIN: ...., durch die Beklagte zu 2 resultieren,
2. die Beklagte zu 2 zu verurteilen, ihn von den durch die Beauftragung seiner Prozessbevollmächtigten entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 3.196,34 € freizustellen.
hilfsweise
1. die Beklagte zu 2 zu verurteilen, an ihn 75.500 € abzüglich einer vom Gericht gem. § 287 ZPO zu schätzenden Nutzungsentschädigung zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.12.2017 aus dem ausgeurteilten Betrag zu zahlen, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des PKW Porsche Cayenne Diesel, FIN:....,
2. festzustellen, dass die Beklagte zu 2 verpflichtet ist, ihm Schadensersatz zu leisten für weitere Schäden, die aus der Manipulation des Fahrzeugs Porsche Cayenne Diesel, FIN: ..... resultieren,
3. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeugs gemäß vorstehender Ziffer 1 in Annahmeverzug befindet,
4. die Beklagte zu 2 zu verurteilen, ihn von den durch die Beauftragung seiner Prozessbevollmächtigten entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 3.196,34 € freizustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil des Landgerichts, das im Einklang mit der überwiegenden obergerichtlichen Rechtsprechung stehe, als richtig. Der Kläger habe weder eine unzulässige Abschalteinrichtung noch ein sittenwidriges und vorsätzliches Handeln der Beklagten mit Substanz dargetan. Schließlich fehle es auch an einem Schaden, da der Kläger das Fahrzeug bestimmungsgemäß ohne jede Einschränkung nutzen könne.
Wegen des Vorbringens der Parteien im Berufungsrechtszug im Einzelnen wird insbesondere auf die Berufungsbegründung des Klägers vom 3. September 2019 (Bl. 427 ff. d. A.) sowie die Berufungserwiderung der Beklagten zu 2 vom 27. Februar 2020 (Bl. 793 ff.) Bezug genommen.
Der Senat hat mit Beschluss vom 23. Dezember 2020 das Kraftfahrtbundesamt um folgende Auskunft ersucht:
1. Ist der im Fahrzeug des Klägers (Porsche Cayenne Diesel, Typ 92AAP1, Euro 5, FIN.....) verbaute 3,0 Liter Sechszylinderdieselmotor mit einer Leistung von 180 kW nachträglich, also nach Abschluss des ursprünglichen EG-Typengenehmigungsverfahrens, vom Kraftfahrtbundesamt im Hinblick auf das eventuelle Vorhandensein einer nach Maßgabe des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2007 über die Typengenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzungsfahrzeugen (Euro 5 und 6) unzulässigen Abschalteinrichtung überprüft worden, gegebenenfalls mit welchem Ergebnis?
2. Ist in dem streitgegenständlichen Fahrzeug des Klägers eine nach Maßgabe des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2007 über die Typengenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzungsfahrzeugen (Euro 5 und 6) unzulässige Abschalteinrichtung - insbesondere ein sog. Thermofenster (von der Außentemperatur abhängige Steuerung des Abgasverhaltens) eingebaut? Wird insbesondere der Ausstoß von Stickoxid (NOx) unter den Bedingungen des Prüfstandbetriebs (NEFZ) optimiert, während die gesetzlichen Grenzwerte unter den im realen Straßenverkehr herrschenden Bedingungen um ein Vielfaches überschritten werden? Wird überdies eine sog. Aufwärmstrategie genutzt, welche auf dem Prüfstand niedrigere NOx-Werte durch höhere Schaltpunkte als im regulären Betrieb erreicht? Sind die vorhandenen Einrichtungen nicht notwendig, um das Fahrzeug, den Motor oder Bauteile hiervon vor Beschädigung zu schützen, um einen Unfallschutz oder den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten?
3. Soweit unzulässige Abschalteinrichtungen vorhanden sind:
Sind diese Einrichtungen von der Beklagten im Typengenehmigungsverfahren gegenüber dem Kraftfahrtbundesamt, das zu den Quellcodes der Software keinen Zugang hat, sondern auf die schriftlichen Angaben des Herstellers angewiesen ist, verschwiegen bzw. durch unvollständige Angaben verheimlicht worden, sodass die erteilte Typengenehmigung nicht auf einer bewussten Billigung der vorhandenen Abschalteinrichtungen beruht hat, weshalb der Kläger damit rechnen muss, dass künftig eine Betriebsuntersagung oder -beschränkung drohen könnte?
Hierauf hat das KBA am 8. September 2021 (Bl. 860 ff. d. A.) unter anderem Folgendes mitgeteilt:
"Das streitgegenständliche Fahrzeug (..) weist nach den Untersuchungen des KBA keine unzulässige Abschalteinrichtung oder Konformitätsabweichung hinsichtlich des Emissionsverhaltens auf. Es wurden daher weder Nebenbestimmungen zu diesem Fahrzeug angeordnet, noch besteht ein behördlich angeordneter Rückruf."
Zu dieser Auskunft des KBA, auf die im Übrigen Bezug genommen wird, haben beide Parteien ergänzend vorgetragen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Klägervertreter vom 13. Oktober 2021 und vom 21.Oktober 2021 (Bl. 943ff, 1091 ff d.A.) sowie die Schriftsätze der Beklagtenvertreter vom 17. November 2020, 12. Oktober 2021 und 3. November 2021 (Bl. 827 ff, 884 ff, 1108 d. A.) verwiesen.
II.
Die Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet.
Das Landgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen: So ist es bereits nicht ersichtlich, dass in die Motorsteuerungssoftware des streitgegenständlichen Porsche Cayenne unzulässige, im Typengenehmigungsverfahren verschwiegene Abschalteinrichtungen implementiert wären (hierzu unter 1.); grundsätzliche Bedenken, ob eine Haftung der Beklagten als Fahrzeug-, aber nicht Motorenherstellerin können daher dahinstehen (hierzu unter 2.). Schließlich kommt auch eine Haftung der Beklagten aus einer anderen Anspruchsgrundlage als § 826 BGB im Streitfall nicht in Betracht (hierzu unter 3.).
Im Einzelnen:
1. Beim streitgegenständlichen Fahrzeug mangelt es bereits am Vorliegen einer im EG-Typengenehmigungsverfahren verschwiegenen, unzulässigen Abschalteinrichtung, wie sie sämtliche in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen - insbesondere eine Forderung aus §§ 826, 31 BGB - voraussetzen.
a) Zwar kommt, wenn unter Täuschung im EG-Typengenehmigungsverfahren bewusst eine unzulässige Motorsteuerungssoftware verbaut wird, eine deliktische Haftung des Herstellers nach §§ 826, 31 BGB grundsätzlich in Betracht (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19 -, juris; Urteil vom 30. Juli 2020 - VI ZR 354/19 -, juris; Urteil vom 30. Juli 2020 - VI ZR 367/19 -, juris; Urteil vom 30.07.2020 - VI ZR 397/19 -, juris; Urteil vom 30. Juli 2020 - VI ZR 5/20 -, juris; Urteil vom 19. Januar 2021 - VI ZR 8/20 -, juris; vgl. ferner: Senatsurteile vom 20. November 2019 - 7 U 244/18 -, juris, Rn. 26 ff. und vom 22. Januar 2020 - 7 U 445/18 -, juris).
Auch macht der Kläger im Grundsatz zu Recht geltend, im Hinblick auf das Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung seien nach der Rechtsprechung des für das Kaufrecht zuständigen VIII. Zivilsenats des BGH keine zu hohen Anforderungen an die Substanz des Klägervortrags zu stellen, sondern der Tatrichter dazu berufen, den Sachverhalt, etwa durch Einholung eines Sachverständigengutachtens, aufzuklären.
Insofern hat der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs in seinem Beschluss vom 28. Januar 2020 (Az.: VIII ZR 57/19, juris Rn. 7) ausgeführt, dass ein Sachvortrag zur Begründung eines Anspruchs bereits dann schlüssig und erheblich sei, wenn die Partei Tatsachen vortrage, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich seien, das geltend gemachte Recht als in der Person der Partei entstanden erscheinen zu lassen. Die Angabe näherer Einzelheiten sei nicht erforderlich, soweit diese für die Rechtsfolgen nicht von Bedeutung seien. Das gelte insbesondere dann, wenn die Partei keine unmittelbare Kenntnis von den Vorgängen habe. Das Gericht müsse nur in die Lage versetzt werden, aufgrund des tatsächlichen Vorbringens der Partei zu entscheiden, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für das Bestehen des geltend gemachten Rechts vorlägen. Seien diese Anforderungen erfüllt, sei es Sache des Tatrichters, in die Beweisaufnahme einzutreten und dabei gegebenenfalls die benannten Zeugen oder die zu vernehmende Partei nach weiteren Einzelheiten zu befragen oder einem Sachverständigen die beweiserheblichen Streitfragen zu unterbreiten.
Trotz dieser vergleichsweise geringen Anforderungen an die Vortrags- und Substantiierungslast der Klagepartei ist das Bestehen einer unzulässigen Abschaltvorrichtung allerdings dann zu verneinen, wenn das Kraftfahrtbundesamt den streitgegenständlichen betroffenen Motortyp bereits (nachträglich) überprüft hat und hierbei zu dem Ergebnis gelangt ist, dass keine unzulässigen Abschalteinrichtungen vorliegen und darüber hinaus auch keine anderweitigen Anhaltspunkte dafür bestehen, dass im betroffenen Fahrzeug gleichwohl eine unzulässige, im EG-Typengenehmigungsverfahren verschwiegene und auch bei der nachträglichen Prüfung unentdeckt gebliebene Abschalteinrichtung vorhanden ist, aufgrund der in der - näheren oder ferneren - Zukunft eine Betriebsbeschränkung oder -untersagung gem. § 5 Abs. 1 FZV drohen könnte. Denn eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung scheidet aus, wenn der beklagte Hersteller im Typengenehmigungsverfahren gegenüber dem KBA alle erforderlichen Angaben wahrheitsgemäß und vollständig gemacht und das KBA auf dieser Grundlage die Typengenehmigung in bewusster Billigung der vorhandenen Abschalteinrichtungen erteilt hat. Dann ist zum einen wegen der sog. Tatbestandswirkung des Verwaltungsakts im Zivilprozess von einer wirksamen Genehmigung auszugehen, sodass es schon an dem vom VIII. Zivilsenat des BGH angenommenen Grundmangel fehlt; zum anderen scheidet bei einer solchen Konstellation mangels Täuschung des KBA bzw. Erschleichung der Typengenehmigung eine deliktische Handlung des Herstellers von vornherein aus, die als vorsätzliche sittenwidrige Schädigung angesehen werden könnte (vgl. Senatsurteile vom 13. November 2019 - 7 U 367/18 -, juris und vom 18. Dezember 2019 - 7 U 511/18 -, juris; n. v. Urteil vom 15. Juli 2020 - 7 U 1541/19).
b) So liegen die Dinge auch im hier zu entscheidenden Fall.
aa) Zwar hat der Kläger das Vorhandensein unzulässiger Abschalteinrichtungen im streitgegenständlichen Fahrzeug, insbesondere das Vorliegen einer unzulässigen Umschaltlogik wie beim Motor der Baureihe EA 189, behauptet. Diese Behauptung ist allerdings durch die Untersuchungen des Kraftfahrtbundesamts und die erteilte amtliche Auskunft vom 8. September 2021 als widerlegt anzusehen.
Danach weist der streitgegenständliche Motortyp keine unzulässigen Abschalteinrichtungen oder Konformitätsabweichungen in Bezug auf das Emissionsverhalten auf.
bb) Es sind auch nichts dafür ersichtlich, dass im Fahrzeug des Klägers eine unzulässige, im EG-Typengenehmigungsverfahren verschwiegene und auch bei der nachträglichen Prüfung unentdeckt gebliebene Abschalteinrichtung und damit ein "Grundmangel" vorhanden ist, mit der Folge, dass in der - näheren oder ferneren - Zukunft eine Betriebsbeschränkung oder -untersagung gem. § 5 Abs. 1 FZV drohte. Auch der Kläger hat belastbare Anhaltspunkte hierfür oder für unzutreffende bzw. unvollständige Angaben der Beklagten im Typengenehmigungsverfahren nicht ansatzweise aufzuzeigen vermocht.
Soweit der Kläger meint, dass jedenfalls vermeintliche Überschreitungen der gesetzlichen Emissionsgrenzwerte im Straßenbetrieb ein Anzeichen für das Vorhandensein unzulässiger Abschalteinrichtungen seien, kann er auch hiermit nicht durchdringen (vgl. Senat, Urteil v. 13. November 2019 - 7 U 367/18, juris-Rn. 42). Dies hat auch der BGH jüngst mit Urteil vom 13. Juli 2021 (VI ZR 128/20, juirs-Rn. 23) bestätigt.
Denn die für die Einhaltung der Euro-5-Norm relevanten, im NEFZ-Verfahren gemessenen Werte entsprechen grundsätzlich auch ohne unzulässige Beeinflussung des Messverfahrens nicht den im Rahmen des tatsächlichen Gebrauchs des Fahrzeugs anfallenden Emissionswerten (so auch OLG München, Endurteil v. 5. September 2019 - 14 U 416/19, BeckRS 2019, 26072 Rn. 168). Daher ist der Straßenbetrieb mit der Prüfstandssituation nicht vergleichbar. Dies gilt sowohl hinsichtlich der angegebenen Kraftstoffverbräuche als auch der Grenzwerte für Emissionen. Auf dem Prüfstand wird eine bestimmte "ideale", nicht der Praxis entsprechende Situation vorgegeben, etwa hinsichtlich der Umgebungstemperatur, der Kraftentfaltung (Beschleunigung und Geschwindigkeit), Abschaltung der Klimaanlage usw., so dass der erzielte Wert zwar zu einer relativen Vergleichbarkeit unter den verschiedenen Fahrzeugfabrikaten und -modellen führen mag, absolut genommen aber jeweils nicht mit dem Straßenbetrieb übereinstimmt. Soweit ein Fahrzeug also höhere Emissionswerte im Straßenbetrieb aufweist als unter Prüfstandbedingungen, kann dies auch auf andere Umstände als den Einbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung zurückzuführen sein, weshalb nicht notwendigerweise beim Vorliegen höherer Emissionswerte im Realbetrieb von dem Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgegangen werden muss.
cc) Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Beurteilung durch das KBA zur Rechtmäßigkeit des verbauten Motortyps nicht maßgeblich sei, weil diese rechtsfehlerhaft sei.
Die Beurteilung der Frage, ob unzulässige Abschalteinrichtungen verbaut wurden, obliegt im Rahmen des maßgeblichen Prüfungsverfahrens nämlich ausschließlich dem KBA als der für die Bundesrepublik Deutschland zuständigen Fachbehörde.
Zwar mag das KBA im Rahmen des Typengenehmigungsverfahrens möglicherweise zunächst "arglos" gewesen sein, weil vor Bekanntwerden des "Dieselabgas-Skandals" das erforderlichen Bewusstsein für die Problematik "unzulässiger Abschalteinrichtungen" noch nicht in so ausgeprägter Form wie nunmehr vorhanden war. Soweit das KBA allerdings nach Bekanntwerden des Diesel-Abgasskandals und der im Rahmen einer komplexen tatsächlichen wie rechtlichen anlassbezogenen Überprüfung - wie hier im Rahmen des "Nationalen Forum Diesel" sowie erneut im Rahmen der Auskunft gegenüber verschiedenen Zivilgerichten - zu der Überzeugung gelangt ist, dass keine unzulässigen Abschalteinrichtungen im streitgegenständlichen Fahrzeug zum Einsatz kämen, ist davon auszugehen, dass das KBA diese Bewertung unter Berücksichtigung der maßgeblichen Gesetzesnormen, namentlich der Bestimmungen von Art. 5 Abs. 2, Art. 3 Nr. 10 VO (EG) 715/2008 und Art. 3 Nr. 9 VO (EG) 692/2008 getroffen und insbesondere auch die Erfüllung der Offenlegungspflichten der Beklagten zu den im Fahrzeug ggf. vorhandenen, potentiell als unzulässige Abschalteinrichtungen in Betracht kommenden technischen Funktionen überprüft hat.
Dabei obliegt dem KBA als zuständiger Behörde die Auslegung und Anwendung der maßgeblichen technischen Rechtsvorschriften, weswegen es - jedenfalls in einem auf Leistung von Schadensersatz durch den Motorhersteller eines Kraftfahrzeugs wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gerichteten Rechtsstreit - auch nicht darauf ankommt, ob es als die für das Typengenehmigungsverfahren zuständige Behörde die maßgeblichen europäischen Leitlinien für Emissionsstrategien immer eindeutig zutreffend ausgelegt hat. Denn auch eine auf Grundlage einer vermeintlich unrichtigen Auslegung der maßgeblichen Verordnungsbestimmungen erteilte Typengenehmigung ist wegen der Tatbestandswirkung des Verwaltungsakts grundsätzlich wirksam und ein Widerruf der EG-Typgenehmigung sowie eine anschließende Betriebsuntersagung in Bezug auf das streitgegenständliche Fahrzeug objektiv nicht zu befürchten.
Nichts anderes gilt auch in Bezug auf die Beachtung der Rechtsprechung des EuGH und hier insbesondere der Entscheidung vom 17. Dezember 2020 in der Rechtssache C 693/18. Wie sich diese Entscheidung auf die Genehmigungspraxis des KBA auswirkt, hat gleichermaßen ausschließlich dieses, und nicht der Senat als mit den Schadensersatzansprüchen des Klägers befasstes Zivilgericht zu entscheiden.
Im Übrigen führt ein sog. Thermofenster zwar dazu, dass die volle Abgasrückführung lediglich in bestimmten Temperaturbereichen stattfindet. Hieraus kann der Kläger aber nichts zu seinen Gunsten herleiten.
Nach der vorgenannten Entscheidung des EuGH in der Rechtssache C-693/18 ist zwar der Einbau einer Abschalteinrichtung, die die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems verringert, nur dann als gerechtfertigt anzusehen, wenn sie den Motor vor plötzlichen und außergewöhnlichen Schäden schützen soll, nicht hingegen, um den Motor lediglich vor Verschmutzung und Verschleiß zu bewahren. Dass nach dieser Rechtsprechung die Zulässigkeit der sog. Thermofenster nur unter sehr eingeschränkten Voraussetzungen für zulässig erachtet wird, führt aber lediglich dazu, dass die nationalen Behörden und Gerichte zu prüfen haben, ob und inwiefern dies zukünftig Berücksichtigung finden muss. Denn die Beklagte musste in Bezug auf die Auslegung und Befolgung des Art. 5 Abs. 2 VO (EG) Nr. 715/2007 gegenüber sich selbst nicht strenger sein, als es die zuständigen Behörden ihr gegenüber waren. Ging mithin nicht einmal die Zulassungsbehörde von der Erforderlichkeit der Einhaltung der vom EuGH aufgestellten Anforderungen aus, kann Entsprechendes von der Beklagten erst recht nicht verlangt werden.
Belastbare Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte dem KBA gegenüber offenbarungspflichtige Angaben in Bezug auf das Thermofenster verschwiegen und sich auf diese Weise die Genehmigung für die Typenzulassung durch Täuschung erschlichen hätte, hat der Kläger nicht aufgezeigt. Ein vom KBA gebilligtes Thermofenster stellt jedoch keine unzulässige Abschalteinrichtung dar.
Damit ist im Ergebnis davon auszugehen, dass das KBA in Kenntnis aller relevanten tatsächlichen Anknüpfungspunkte die technischen Komponenten der Motorsoftware überprüft und für zulässig erachtet hat, so dass Betriebsbeschränkungen oder gar eine Betriebsuntersagung zu Lasten des Klägers nicht drohen.
An diese Entscheidung des KBA ist der Senat als Zivilgericht gebunden. Entscheidend ist insoweit nämlich nicht, was Dritte, mögen sie auch sachkundig sein, messen, feststellen und unter Art. 5 Abs. 1 und 2 VO (EG) 715/2017 subsumieren, weil insoweit allein das KBA als Behörde zuständig ist und unter Berücksichtigung der Tatbestandswirkung des Verwaltungsakts die Maßstäbe setzt. Es ist demgegenüber nicht die Aufgabe der Zivilgerichtsbarkeit, vom KBA in Kenntnis aller tatsächlichen Umstände bewusst getroffene Entscheidungen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu überprüfen und diese gegebenenfalls durch eigene abweichende Beurteilungen zu ersetzen. Soweit die Entscheidungen des KBA betreffend das Emissionsverhalten von Kraftfahrzeugen von Dritten als politisch motiviert und sachlich falsch angesehen werden, können diese Entscheidungen nur politisch und gegebenenfalls öffentlich-rechtlich angegriffen, aber nicht für zivilrechtliche Schadensersatzklagen herangezogen werden (Senatsurteil v. 14. April 2021 - 7 U 1851/19).
Nach alledem scheitert damit das Schadensersatzbegehren des Klägers schon am Vorliegen eines Grundmangels in Form einer unzulässigen Abschalteinrichtung. Dies hat zugleich zur Folge, dass der Beklagten auch kein sittenwidriges Handeln vorgeworfen werden kann, weil es an im Zusammenhang mit der Erwirkung der Typengenehmigung an einer Täuschung des KBA bzw. einem "Erschleichen" der Typengenehmigung fehlt.
2. Dahinstehen kann mithin, ob eine Haftung der Beklagten bereits deshalb ausscheidet, weil gegen sie der Vorwurf sittenwidrigen Handelns - selbst im (unterstellten) Fall des Vorliegens einer unzulässigen Abschalteinrichtung - als bloße Herstellerin des Klägerfahrzeugs, nicht jedoch des Motors, nicht mit Erfolg erhoben werden kann.
Grundsätzlich ist jedoch anzuführen, dass unter Berücksichtigung der vom BGH in seiner Entscheidung vom 8. März 2021 (VI ZR 505/19) für eine solche Konstellation aufgestellten Grundsätze an die Haftung des Fahrzeugherstellers strenge Anforderungen zu stellen sind.
a) Gemessen daran erforderte eine Haftung der Beklagten nach § 826 BGB im Streitfall, dass nicht nur bei der VW AG und der Audi AG als Motorentwicklerin bzw. -herstellerin, sondern auch bei ihr selbst eine auf arglistige Täuschung des Kraftfahrtbundesamts und letztlich der Fahrzeugerwerber gerichtete Strategieentscheidung getroffen wurde oder die für sie handelnden Personen an der von ihrer Konzernmutter bzw. -schwester getroffenen Entscheidung zumindest beteiligt waren (BGH, Urteil v. 8. März 2021 - VI ZR 505/19, juris-Rn. 20).
aa) Allein der Umstand, dass die Beklagte die von VW und Audi entwickelten und gelieferten, ggf. rechtswidrig manipulierten Motoren in ihre Fahrzeuge einbaute, genügt dabei für die Annahme einer entsprechenden strategischen sittenwidrigen Entscheidung oder Beteiligung ihrer verfassungsmäßigen Vertreter an der von den beiden anderen Gesellschaften (möglicherweise) getroffenen Entscheidung jedoch nicht. Denn dies allein spricht - auch unter Berücksichtigung der besonderen Bedeutung der Einhaltung gesetzlicher Grenzwerte für den Automobilhersteller und der mit dem Einsatz der rechtswidrigen Abschalteinrichtung verbundenen Risiken (vgl. BGH, Urteile v. 30. Juli 2020 - VI ZR 367/19, ZIP 2020, 1763 Rn. 18 und vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, ZIP 2020, 1179 Rn. 39) - noch nicht für die Annahme, die Unternehmensleitung der Beklagten sei in die diesbezügliche strategische Entscheidung ihrer Mutter- bzw. Schwestergesellschaft eingebunden gewesen (BGH, Urteil v. 8. März 2021 - VI ZR 505/19, juris-Rn. 30).
Insbesondere lässt sich ein sittenwidriges Verhalten der verfassungsmäßig berufenen Vertreter der Beklagten auch nicht mittels einer Zurechnung fremden Wissens entsprechend § 166 BGB begründen. Die Haftung einer juristischen Person aus § 826 BGB in Verbindung mit § 31 BGB setzt nämlich voraus, dass einer ihrer verfassungsmäßig berufenen Vertreter im Sinne des § 31 BGB den objektiven und subjektiven Tatbestand des § 826 BGB persönlich verwirklicht hat. Über eine Wissenszusammenrechnung führt kein Weg zu dem für das Merkmal der Sittenwidrigkeit im Sinne des § 826 BGB erforderlichen moralischen Unwerturteil (BGH, Urteil v. 28. Juni 2016 - VI ZR 536/15, NJW 2017, 250 Rn. 13, 22 f., 27 m. w. N.). Denn so wie sich die die Verwerflichkeit begründende bewusste Täuschung nicht dadurch konstruieren lässt, dass die im Hause der juristischen Person vorhandenen kognitiven Elemente "mosaikartig" zusammengesetzt werden, weil eine solche Konstruktion dem personalen Charakter der Schadensersatzpflicht gemäß § 826 BGB nicht gerecht würde (vgl. BGH, a. a. O., Rn. 23), so lässt sie sich erst recht nicht mit einer Wissenszurechnung über die Grenzen rechtlich selbständiger (Konzern-)Gesellschaften hinaus begründen.
bb) Kann eine Haftung der Beklagten gem. §§ 826, 31 BGB demnach nicht auf eine Zurechnung des ggf. bei VW und Audi vorhandenen Wissens gestützt werden, ließe sich eine solche nur begründen, wenn eine etwaige auf arglistige Täuschung des KBA und letztlich der Fahrzeugerwerber gerichtete Strategieentscheidung (auch) bei der Beklagten getroffen worden wäre bzw. die für sie handelnden Personen an der diesbezüglichen Entscheidung der VW AG und Audi AG als Motorentwicklerin und -herstellerin zumindest beteiligt gewesen wären. Ausreichend wäre auch, wenn die für die Beklagten handelnden Personen gewusst hätten, dass die von VW und Audi gelieferten Motoren mit einer auf arglistige Täuschung des KBA abzielenden Software ausgestattet waren, und die Fahrzeuge sodann trotz Kenntnis dieses Umstandes mit dem betreffenden Motor versahen und in den Verkehr brachten (BGH, a.a.O., Rn. 17 ff.).
Erforderlich ist in diesem Zusammenhang ein substantiierter Tatsachenvortrag des Klägers etwa zu einer Beteiligung von Mitarbeitern der Beklagten (von welchen?) an der Entwicklung der Software, einem Informationsaustausch mit der Muttergesellschaft (wann und zwischen wem?) über die Strategie zur Einhaltung der gesetzlichen Grenzwerte oder einer Überprüfung der Motorsteuerung seitens der Beklagten (durch wen konkret?) unter Klarstellung, aus welchen genauen äußeren Umständen sich die jeweiligen Tatsachenbehauptungen herleiten (vgl. BGH, a. a. O., juris-Rn. 30). Erst wenn der Kläger diesen Anforderungen genügte, lägen ausreichende Anhaltspunkte vor, die den Schluss auf eine Kenntnis der verfassungsmäßigen Vertreter der Beklagten von der Verwendung unzulässiger Abschaltvorrichtungen rechtfertigten, und es wäre Sache der Beklagten, diesen Vortrag substantiiert zu bestreiten.
Ob - gerade auch im Hinblick auf den konkreten Vortrag der Beklagten zu der Kenntnis einzelner Vorstandsmitglieder - der Kläger ausreichende Anhaltspunkte hierzu vorgetragen hat, erscheint bereits zweifelhaft, bedarf jedoch vorliegend keiner Entscheidung.
3. Abschließend weist der Senat noch darauf hin, dass Schadensersatzsprüche im Zusammenhang mit dem streitgegenständlichen Fahrzeugerwerb auf anderer Grundlage als § 826 BGB für den Kläger schon von Vorherein nicht in Betracht kommen.
Insbesondere haftet die Beklagte wegen der fehlenden Stoffgleichheit zwischen einer etwaigen Vermögenseinbuße des Klägers und den denkbaren Vermögensvorteilen der Beklagten nicht nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB (BGH, Urteil v. 30. Juli 2020 - VI ZR 5/20, juris-Rn. 24).
Auch eine Haftung der Beklagten aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV scheidet aus, weil die vorgenannten Bestimmungen der EG-FGV nicht den Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit und speziell des wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts der einzelnen Käufer bezwecken und damit nicht dessen Interesse dienen (vgl. BGH, a.a.O., juris-Rn. 11).
An einem Anspruch aus § 280 Abs. 1, § 311 Abs. 3, § 241 Abs. 2 BGB gegen die Beklagte fehlt es, da zwischen den Parteien kein (vor-)vertragliches Schuldverhältnis zustande gekommen ist. Denn es ist nichts dafür dargetan oder anderweitig ersichtlich, dass die Beklagte in besonderem Maße persönliches Vertrauen in Anspruch genommen und dadurch die Vertragsverhandlungen oder den Vertragsschluss erheblich beeinflusst hätte (OLG München, Urteil vom 10. August 2020 - 21 U 2719/19, BeckRS 2020, 18878 Rn. 31). Dies wäre jedoch für eine Haftung aus den vorgenannten Normen erforderlich.
4. Fehlt es somit an den Tatbestandsvoraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs, erweisen sich auch die vom Kläger gestellten Anträge auf Feststellung einer weitergehenden Schadensersatzpflicht, des Annahmeverzugs und der Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren jedenfalls als unbegründet.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 Satz 2, § 711 ZPO.
Anlass, die Revision zuzulassen, hat der Senat nicht, weil es sich um eine Einzelfallentscheidung handelt.